Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträgliche Beteiligung der Ehefrau an einem Grundstückskaufvertrag als grunderwerbsteuerbarer Vorgang

 

Leitsatz (NV)

Hatte zunächst der Ehemann durch notariell beurkundeten Kaufvertrag ein Grundstück erworben, so führt die nachträgliche - notariell beurkundete - Vereinbarung zwischen ihm, seiner Ehefrau und der Grundstücksverkäuferin, daß der Kaufvertrag von Anfang an als zwischen den Eheleuten und der Verkäuferin abgeschlossen gelten solle, und zwar in der Weise, daß die Eheleute je zur Hälfte Eigentümer werden sollten, zu einem der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erwerb des Hälfteanteils an dem Grundstück durch die Ehefrau von der Verkäuferin. Es liegt weder eine Rückgängigmachung des ursprünglichen Kaufvertrages noch eine Schenkung des Ehemanns an seine Ehefrau vor.

 

Normenkette

GrEStG Berlin § 1 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG Berlin § 28 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom September 1979 erwarb der Ehemann der Klägerin von der A-GmbH einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück . . . , verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. . . . zum Kaufpreis von . . . DM. Wegen dieses Erwerbsvorgangs wurde gegen den Ehemann der Klägerin Grunderwerbsteuer festgesetzt.

In einem weiteren notariell beurkundeten Vertrag vom Dezember 1980 verwies der Ehemann der Klägerin zunächst auf den zwischen ihm und der Verkäuferin abgeschlossenen Kaufvertrag. Anschließend erklärten die Klägerin und ihr Ehemann, daß dieser Kaufvertrag als von Anfang an zwischen ihnen und der Verkäuferin als abgeschlossen gelten solle, und zwar in der Weise, daß die Eheleute je zur ideellen Hälfte Eigentümer werden sollten. Die Klägerin trat in alle Rechte und Pflichten des Kaufvertrages vom September 1979 ein. Die Verkäuferin genehmigte die Vertragsänderung.

Das Finanzamt (FA) setzte wegen dieses Erwerbsvorgangs mit Bescheid vom 11. Dezember 1984 gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von . . . DM fest. Es ging dabei von einer Besteuerungsgrundlage in Höhe des halben Kaufpreises aus.

Mit der nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung der Steuerfestsetzung. Zur Begründung führt sie aus, sie habe den hälftigen Miteigentumsanteil von ihrem Ehemann schenkweise erhalten. Im Innenverhältnis zu diesem sei sie nicht belastet worden, vielmehr würden alle die Wohnung betreffenden Aufwendungen ausschließlich aus Mitteln ihres Ehemannes beglichen.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1988, 34 veröffentlichten Urteil stattgegeben.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils sowie zur Abweisung der Klage.

Im Ansatzpunkt zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß der zwischen dem Ehemann der Klägerin und der Verkäuferin im September 1979 abgeschlossene Grundstückskaufvertrag nicht im Sinne des § 28 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes - GrEStG - Bln (= § 17 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1940; vgl. nun § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983) durch Aufhebung teilweise rückgängig gemacht worden ist. Dem Erfordernis der Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs ist nämlich nur genügt, wenn die Vertragsparteien derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen werden, daß die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wieder erlangt (vgl. Senatsurteil vom 4. Dezember 1985 II R 171/84, BFHE 145, 448, BStBl II 1986, 271 m. w. N.). Bei der gewählten Konstruktion kann von einer Wiedererlangung der ursprünglichen Rechtsstellung der A-GmbH als Veräußerin nicht die Rede sein.

Der Senat vermag der Auffassung des FG jedoch nicht beizupflichten, daß deshalb grunderwerbsteuerrechtlich betrachtet die Klägerin den Hälfteanteil an dem Grundstücksmiteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung von ihrem Ehemann erworben habe. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben.

1. Der Grunderwerbsteuerbescheid erfaßt zutreffend den verwirklichten Erwerb des Hälfteanteils an dem genannten Grundstück durch die Klägerin von der Verkäuferin. Denn aufgrund des Vertrages vom Dezember 1980 war die Verkäuferin und nicht etwa der Ehemann der Klägerin verpflichtet, der Klägerin das hälftige Miteigentum an dem Kaufobjekt zu verschaffen. Allein hierin liegt der Rechtsvorgang, der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegt. Der der Klägerin gegenüber der Verkäuferin erwachsene Übereignungsanspruch beruhte nicht auf einem zwischen diesen Vertragsparteien geschlossenen Schenkungsvertrag.

Es entspricht dem Wesen der Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrsteuer, an die tatsächlich gewählte bürgerlich-rechtliche Gestaltung anzuknüpfen. Dabei bildet jeder Erwerbsvorgang einen in sich abgeschlossenen Steuerfall, dessen gesetzliche Tatbestandsmerkmale (auch hinsichtlich eines Befreiungstatbestandes) je für sich gesondert zu würdigen sind (vgl. Senatsurteil vom 29. Oktober 1986 II R 59/85, BFHE 147, 540, 543, BStBl II 1987, 133, m. w. N.). Daraus folgt zugleich, daß es für die Frage, ob der Rechtsvorgang der Besteuerung unterliegt, ohne Bedeutung ist, ob diesem in bezug auf dasselbe Grundstück ein anderer Rechtsvorgang vorausgegangen ist, ob dieser der Grunderwerbsteuer unterlag und ob dieser mit grunderwerbsteuerrechtlicher Wirkung wirksam rückgängig gemacht wurde oder nicht. Denn derartige Umstände berühren die zwischen der Klägerin und der Verkäuferin entstandenen Rechtsbeziehungen, die den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllten, nicht.

Derartige Rechtsbeziehungen in bezug auf das Grundstück sind zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann nicht entstanden. Der Ehemann der Klägerin hat sich dieser gegenüber weder verpflichtet, ihr das Eigentum an dem hälftigen Grundbesitz zu verschaffen - dieser Möglichkeit aus eigenem Recht hat er sich vielmehr durch die Vertragsänderung begeben - noch einen ihm zustehenden Übereignungsanspruch an sie abgetreten. Soweit der Ehemann noch im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG verwertungsbefugt blieb und von den ihm insoweit wirtschaftlich zustehenden Befugnissen durch Einflußnahme auf die Veräußerung an die Klägerin Gebrauch machte, hatte das lediglich zur Folge, daß wegen der insoweit bestehenbleibenden Beziehungen von grunderwerbsteuerrechtlicher Bedeutung zwischen ihm und der Verkäuferin nicht von einer Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges auszugehen ist, nicht aber, daß zwischen ihm und der Klägerin ein grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Erwerbsvorgang vorliegt. Entgegen der Auffassung des FG ist in diesem Zusammenhang auch kein Raum für die Anwendung des § 42 der Abgabenordnung - AO 1977 - (vgl. hierzu Senatsurteil vom 10. Februar 1988 II R 145/85, BFHE 152, 550, BStBl II 1988, 547).

Da Vertragsparteien des der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erwerbsvorgangs nicht die Klägerin und ihr Ehemann, sondern die Klägerin und die Verkäuferin sind, kommt der Frage, welche Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann in bezug auf die Begleichung des Kaufpreises bestehen, grunderwerbsteuerrechtlich keine Bedeutung zu.

2. Die Sache ist spruchreif. Da der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid vom 11. Dezember 1984 und die ihn bestätigende Einspruchsentscheidung rechtmäßig sind, ist die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417362

BFH/NV 1991, 482

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