Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern

 

Leitsatz (amtlich)

Die auf ein ausländisches Vermächtnis entfallende rechtskräftig festgesetzte ausländische Erbschaftsteuer ist auf die deutsche Erbschaftsteuer selbst dann anzurechnen, wenn sie nicht vom inländischen Vermächtnisnehmer, sondern aus dem übrigen Nachlaß zu entrichten ist.

Auch in den Fällen, in denen ein Erwerb aus einem ausländischen Nachlaß im Inland wegen Abzugs von Nachlaßverbindlichkeiten mit einem niedrigeren Wert als im Ausland zur Erbschaftsteuer herangezogen wird, ist die anrechenbare ausländische Erbschaftsteuer nicht in dem Verhältnis zu kürzen, in dem das Auslandsvermögen durch die bei der ausländischen Erbschaftbesteuerung unberücksichtigt gebliebenen Nachlaßverbindlichkeiten gemindert worden ist, sondern in voller Höhe auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen.

 

Normenkette

ErbStG § 9 Abs. 1

 

Tatbestand

Es ist streitig, ob die auf ein ausländisches Vermächtnis entfallende ausländische Erbschaftsteuer nach § 9 ErbStG in der Fassung vom 1. April 1959 (BGBl I S. 187) auch dann auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen ist, wenn sie nicht vom inländischen Vermächtnisnehmer, sondern aus dem übrigen Nachlaß zu entrichten ist.

I. - Der Vermächtnisnehmer (Bg.) mit Wohnsitz im Inland erhielt aus dem Nachlaß der am 1. April 1959 verstorbenen Erblasserin, Frau X., die ihren Wohnsitz in den USA hatte, testamentarisch ein Vermächtnis von 5000 Dollar abzüglich der Kosten des außergerichtlichen Vertretungsverfahrens (Regelungskosten) von 718,09 Dollar = 4.281,91 Dollar. Die nach dem Bruttowert von 5.000 Dollar festgesetzte amerikanische Erbschaftsteuer von 680,87 Dollar wurde nach der testamentarischen Anordnung nicht abgezogen, sondern aus dem übrigen Nachlaß entrichtet.

In dem vorläufigen Teilsteuerbescheid errechnete das Finanzamt aus dem Wert des Erwerbs von 4.281,90 Dollar, zu einem Kurs von 4,18 DM umgerechnet = 17.898 DM, abgerundet 17.800 DM, die Erbschaftsteuer auf 2.848 DM. Mit seinem Einspruch beantragte der Bg. gemäß § 9 ErbStG erfolglos die Anrechnung der zwischenzeitlich festgesetzten amerikanischen Erbschaftsteuer, die er zum Kurs von 4,20 DM mit 2.859,65 DM errechnete.

Das Finanzamt lehnte in seiner Einspruchsentscheidung die Anrechnung unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des § 9 ErbStG und auch auf dessen Abs. 3 ab. Wie nach dem Erlaß des ehemaligen Reichsministers der Finanzen vom 4. Oktober 1933 S 3802 A - 32 III; S 3834 B - 190 III, so sei in übereinstimmung mit Troll (Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, § 9, Tz. 4 S. 225) eine Anrechnung regelmäßig dann abzulehnen, wenn der Erwerber nicht selbst mit der auf seinen Erwerb entfallenden Erbschaftsteuer belastet sei.

Das Finanzgericht gab der Berufung des Bg. statt. Im Gegensatz zu der Billigkeitsmaßnahme des oben angeführten Erlasses des Reichsministers der Finanzen stelle der dem Vorbild des § 34 c EStG in der Fassung vom 5. Oktober 1956 (BGBl I S. 781) nachgebildete, durch das Gesetz zur änderung des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStändG) vom 24. März 1959 (BGBl. I S. 157) neu in das Gesetz selbst aufgenommene § 9 nach seinem Wortlaut nicht darauf ab, wer die Erbschaftsteuer tatsächlich getragen habe. In dieser Auffassung werde das Gericht auch durch § 12 Abs. 1 ErbStG bestärkt.

Mit seiner form- und fristgerechten, auf unrichtige Anwendung des § 9 ErbStG gestützten Rb. beantragt der Vorsteher des Finanzamts (Bf.), die Erbschaftsteuerfestsetzung unter Aufhebung der Vorentscheidung wiederherzustellen, hilfsweise die Erbschaftsteuer auf 411,20 DM festzusetzen. § 9 ErbStG sei eine Billigkeitsregelung. Die Bezugnahme auf § 34 c EStG 1956 sei nicht eindeutig, da die eingeschränkte Anrechnungsmethode im Erbschaftsteuerrecht schon vor 1956 gegolten habe. Auch aus § 12 Abs. 1 ErbStG sei für den Streitfall nichts herzuleiten, da diese Vorschrift nur die dort genannten Tatbestände begünstige. Den Hilfsantrag begründet der Bf. damit, daß in den Fällen, in denen ein ausländischer Erwerb wegen Abzugs von Nachlaßverbindlichkeiten (hier Regelungskosten) im Inland mit einem niedrigeren Wert als im Ausland zur Steuer herangezogen werden, die ausländische Erbschaftsteuer um den auf die Nachlaßverbindlichkeiten entfallenden Steuerbetrag zu kürzen sei (nach der Formel Vermächtnis : Vermächtnis abzüglich Nachlaßverbindlichkeiten = ausländische Erbschaftsteuer : anrechenbarer ausländischer Erbschaftsteuer), da "insoweit" eine echte Doppelbesteuerung nicht vorliege.

Der Bg. hält den Wortlaut des § 9 ErbStG für zweifelsfrei. Gerade weil dem Gesetzgeber die frühere Billigkeitsregelung bekannt gewesen sei, er aber auf die Einschränkung der Anrechnung bezüglich der Personenidentität verzichtet habe, zwinge die Entstehungsgeschichte des § 9 ErbStG zu dem gegenteiligen als dem vom Finanzamt gezogenen Schluß. Rechtlich entscheidend sei aber, daß § 9 ErbStG der allgemeinen Entwicklungstendenz folge, die Doppelbesteuerung im weitesten Umfange zu vermeiden. Auch der Hilfsantrag finde im Gesetz keine Stütze.

 

Entscheidungsgründe

II. -

Die Rb. hat keinen Erfolg.

Bei der Anwendung eines Gesetzes ist grundsätzlich von dessen Wortlaut auszugehen (vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 2 BvL 11/59, 11/60 vom 17. Mai 1960, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 11 S. 126, 130; 2 BvL 6/59 vom 19. Dezember 1961, BStBl 1962 I S. 486, 487 zu B I 2; Urteil des Bundesfinanzhofs VI 33/59 U vom 22. Juli 1960, BStBl 1960 III S. 401, 403, Slg. Bd. 71 S. 406, 410). Besondere Zurückhaltung ist geboten, wenn ein Abweichen vom Wortlaut eine Verschärfung der Besteuerung bedeuten würde (Urteil des Bundesfinanzhofs VI 162/55 U vom 14. Februar 1958, BStBl 1958 III S. 207, Slg. Bd. 66 S. 539, 541). Auch kann der Wille des Gesetzgebers nur unterstützend und zur Behebung von Zweifeln und nur dann berücksichtigt werden, wenn er im Gesetz selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Mai 1960, a. a O.; Urteil des Bundesgerichtshofs II ZR 71/50 vom 23. Mai 1951, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 2 S. 177 ff., 184; Urteile des Bundesfinanzhofs IV 10/57 U vom 12. Dezember 1957, BStBl 1958 III S. 154, Slg. Bd. 66 S. 401, 405; II 128/57 U vom 16. April 1958, BStBl 1958 III S. 280, Slg. Bd. 67 S. 19, 21; VI 115/60 S vom 17. März 1961, BStBl 1961 III S. 346, Slg. Bd. 73 S. 213, 215). Der Wortlaut des § 9 Abs. 1 ErbStG ist so klar und eindeutig, daß das Gesetz eine einschränkende Auslegung im Sinne des Finanzamts nicht zuläßt. Die Anrechnung setzt lediglich voraus, daß die ausländische Erbschaftsteuer rechtskräftig festgesetzt ist und daß ausländische und inländische Erbschaftsteuer ein und denselben Erwerb betreffen. Dagegen ist es nach dem Gesetzeswortlaut unerheblich, wer mit diesen Steuern belastet ist oder wer sie tatsächlich entrichtet. Günstiger als bei dem Vorbild des § 34 c EStG, wonach nur die festgesetzte und gezahlte ausländische Einkommensteuer anzurechnen ist, ist die ausländische Erbschaftsteuer auch dann anzurechnen, wenn sie noch nicht gezahlt, ja sogar, wenn sie - außerhalb des Festsetzungsverfahrens - nachträglich aus Billigkeitsgründen erlassen wird (vgl. Begründung zu § 8 b Abs. 1 ErbStändG 1959, abgedruckt bei Kapp, Loseblatt-Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, Anhang 1).

§ 9 ErbStG gewährt auch keine Billigkeitsmaßnahmen nur für Fälle eines echten Bedürfnisses, wie das Finanzamt meint, sondern einen Rechtsanspruch, dem auf Antrag zu entsprechen ist, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Gerade weil der Gesetzgeber die frühere Billigkeitsregelung aus dem Jahre 1933 gesetzlich verankern wollte, hätte er, wenn er an der Voraussetzung, daß der Erwerber auch selbst mit der Erbschaftsteuer belastet sein müsse, hätte festhalten wollen, dies unmißverständlich zum Ausdruck bringen müssen. Daß dies nicht geschehen ist, beweist, daß auch § 9 ErbStG den Sinn und Zweck verfolgt, überschneidungen im internationalen Besteuerungsbereich möglichst zu vermeiden. Entscheidend ist also nicht, daß derselbe Erwerber, sondern daß derselbe Erwerb mit ausländischer und inländischer Erbschaftsteuer zugleich belastet ist. In diesem Sinne spricht auch Troll (Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, § 9, Tz. 4 S. 225) davon, daß "eine doppelte steuerliche Belastung des Erwerbs mit ausländischer und inländischer Steuer beseitigt bzw. gemildert werden" soll. Wenn er die Voraussetzung für die Anrechnung - Erhebung der ausländischen und inländischen Steuer für denselben Erwerb - dann als erfüllt ansieht, wenn "deshalb in der Regel die mit der ausländischen und inländischen ErbStG belasteten Personen identisch" sind, so könnte der Senat dem dann nicht folgen, wenn damit eine andere als die vorstehend dargelegte Auffassung zum Ausdruck gebracht werden sollte.

Da die ausländische Erbschaftsteuer für dasselbe Vermögen festgesetzt ist, das auch der deutschen Besteuerung unterliegt (im übrigen auch denselben Nachlaß belastet, aus dem auch das Vermächtnis stammt), ist sie auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen.

Auch der Hilfsantrag ist unbegründet. Die Methode der Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer ist nicht getrennt aus den einzelnen Sätzen des § 9 Abs. 1 ErbStG, sondern aus dessen Gesamtgefüge zu entnehmen. § 9 Abs. 1 Satz 1 ErbStG enthält zunächst den Grundsatz, daß die ausländische Erbschaftsteuer nur dann auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen ist, wenn dasselbe Auslandsvermögen sowohl der ausländischen als auch der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt. Aus dem Begriff "unterliegt" ergibt sich nur, daß es sich um auch im Inland steuerbares, d. h. im Sinne des Erbschaftsteuerrechts um nicht steuerbefreites Auslandsvermögen - ohne Rücksicht auf dessen innerdeutsche Behandlung in bezug auf Freibeträge, Freigrenzen, Schuldenabzug - handeln muß (vgl. auch den Begriff "nichtsteuerbar" in § 24 Abs. 5 ErbStG in der Bedeutung "steuerbefreit"; Troll, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, § 24, Tz. 17 I S. 459). Entscheidend ist mit anderen Worten lediglich, daß - wie auch die Verweisung in § 9 Abs. 2 ErbStG zum Begriff "Auslandsvermögen" auf § 77 BewG zeigt - die in § 77 Abs. 2 BewG bezeichneten einzelnen Vermögensgegenstände überhaupt der deutschen Erbschaftsteuer "unterliegen". Bejahendenfalls ist dann die auf das Auslandsvermögen entfallende volle ausländische Erbschaftsteuer, ggf. - d. h. bei Anfall auch inländischen Vermögens - die ausländische Erbschaftsteuer in Höhe des ihr entsprechenden Teilbetrags der deutschen Erbschaftsteuer anzurechnen (siehe auch Troll, a. a. O., § 9, Tz. 3). Die Methode der Aufteilung der Steuer ergibt sich erst aus § 9 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 ErbStG. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 ErbStG ist aber nicht die ausländische, sondern nur die deutsche Erbschaftsteuer aufzuteilen, und zwar nur dann, wenn sich der Erwerb aus ausländischem und inländischem Vermögen zusammensetzt. Da die Ermittlung des auf das Auslandsvermögen entfallenden Teils der deutschen Erbschaftsteuer sich aber nach dem Verhältnis des Werts des im Inland steuerpflichtigen (und nicht des im Ausland tatsächlich versteuerten, unter Umständen höheren) Auslandsvermögens zum Wert des gesamten steuerpflichtigen Erwerbs (vor Abzug des Freibetrags nach § 16 oder § 17 ErbStG) richtet, ergibt sich also bei einem im Inland niedrigeren, um die Nachlaßverbindlichkeiten gekürzten steuerpflichtigen Auslandsvermögens auch ein kleinerer Bruchteil der anteilig auf das Auslandsvermögen entfallenden deutschen Erbschaftsteuer, zu dem die ausländische Erbschaftsteuer angerechnet werden kann.

Eine zweite Begrenzung der ausländischen Erbschaftsteuer, wie sie das Finanzamt offenbar mit seinem Hilfsantrag auf Aufteilung der ausländischen Erbschaftsteuer selbst rechtsirrig erstrebt, liegt darin, daß nach § 9 Abs. 1 Satz 3 ErbStG Höchstbetrag der anrechenbaren ausländischen Erbschaftsteuer stets der Betrag der (wiederum) deutschen Steuer ist, der auf das Auslandsvermögen entfällt.

Da im Streitfall der Gesamterwerb nur aus Auslandsvermögen besteht, ist die ausländische Erbschaftsteuer in voller Höhe auf die deutsche Steuer anzurechnen.

Das Finanzgericht hat die ausländische Erbschaftsteuer von 690,87 Dollar nach dem vom Bg. angewendeten Kurs von 4,20 DM für den US-Dollar mit 2.859,65 DM auf die deutsche Erbschaftsteuer von 2.848 DM angerechnet, die das Finanzamt aus dem nach einem Kurs von 4,18 DM umgerechneten Erwerb ermittelt hat. Wie der Erwerb, so wäre auch die darauf ruhende Steuerverbindlichkeit gemäß §§ 14, 22 ErbStG nach dem Kurs umzurechnen gewesen, der für den Tag, an dem die deutsche Steuerschuld für den Erwerb entstanden ist, also am 1. April 1959 als amtlich festgesetzter Devisenkurs im Bundesanzeiger veröffentlicht worden ist. Unter Zugrundelegung dieses Kurses von 4,17 DM (siehe Bundesanzeiger vom 2. April 1959 Nr. 62 S. 3) ergäbe sich jedoch ein so kleiner Unterschiedsbetrag an noch zu erhebender deutscher Erbschaftsteuer, daß von der nachträglichen Festsetzung wegen Geringfügigkeit abzusehen ist.

 

Fundstellen

BStBl III 1963, 402

BFHE 1964, 227

BFHE 77, 227

StRK, ErbStG:9 R 1

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