Leitsatz (amtlich)

Ein Friedhofsgärtner, der die benötigten Pflanzen in einem eigenen Gartenbaubetrieb zieht und seine Pflanzenproduktion nahezu ausschließlich für seine Friedhofstätigkeit einsetzt, hat in der Regel auch dann keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, wenn im Gesamtumsatz die Vergütungen für den Absatz der Pflanzen die Vergütungen für Leistungen und nicht in selbstgezogenen Pflanzen bestehende Lieferungen übersteigen (Anschluß an das BFH-Urteil vom 6. November 1964 IV 110/62 U, BFHE 81, 411, BStBl III 1965, 147). Die Entscheidung ist im Einzelfall nach dem Gesamtbild aller Umstände zu treffen.

 

Normenkette

EStG §§ 13, 15 Nr. 1; AO § 231

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) 1967 land- und forstwirtschaftliche oder gewerbliche Einkünfte erzielt hat.

Der Kläger betrieb im Streitjahr eine Friedhofsgärtnerei. Er übernahm insbesondere folgende Arbeiten: Anlage, Ausschmückung, Pflege und Abdecken von Gräbern, Gestellung und Ausführung von Dekorationen der Leichenhalle, der Friedhofskapelle, des Krematoriums und des Grabes. Er betreute ca. 2 800 Gräber. Die benötigten Pflanzen zog er in der eigenen Gärtnerei. Sie wurden fast ausschließlich im Friedhofsbetrieb eingesetzt und nur in geringem Umfang in der Gärtnerei verkauft (hauptsächlich Achillea, Pelargonien und Erika). Ein Ladengeschäft führte der Kläger nicht. Der Zukauf war geringfügig. Der Anteil an Leistungen belief sich einschließlich der Lieferung zugekaufter Gegenstände beim Friedhofsumsatz auf 38,1 v. H., beim sonstigen Zukauf auf 1,2 v. H. des Gesamtumsatzes. Umstritten ist lediglich die Höhe des sich aus der Dekoration ergebenden schädlichen Umsatzanteils.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) schätzte im Anschluß an eine Betriebsprüfung den Anteil für die Lieferung eigener Erzeugnisse auf höchstens 20 v. H., den Anteil der gewerblichen Leistung auf 80 v. H. des Dekorationsumsatzes. Das FA errechnete so einen Leistungsanteil aus der Dekorationstätigkeit von 18,5 v. H. bezogen auf den Gesamtumsatz, wodurch sich insgesamt ein steuerschädlicher Umsatzanteil von 57,8 v. H. ergäbe. Bei der Einkommensteuerveranlagung für 1967 setzte es die Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb an. Dadurch ergab sich infolge der Passivierung einer Rückstellung für Gewerbesteuer in Höhe von 17 500 DM und sonstiger Rückstellungen in Höhe von 1 725 DM bei gleichzeitiger Aktivierung von Forderungen und Werterhöhungen von 13 516 DM insgesamt eine Gewinnminderung.

Nach der Berechnung des Klägers soll sich der steuerschädliche Umsatzanteil aus den Dekorationsgeschäften dagegen auf etwa 40 v. H. belaufen haben, was einem Anteil am Gesamtumsatz von 9,3 v. H. entspräche und insgesamt einen steuerschädlichen Anteil am Gesamtumsatz von 48,6 v. H. ergäbe.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG hielt die Klage trotz der niedrigeren Steuerfestsetzung für zulässig. Sachlich ließ das Gericht dahingestellt, ob der steuerschädliche Umsatz über oder knapp unter der Hälfte des Gesamtumsatzes liege. Einen diesbezüglichen Beweisantrag des Klägers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens lehnte die Vorinstanz ab. Nach dem Gesamtbild sei der Betrieb des Klägers nicht mehr als landwirtschaftlicher Betrieb, sondern als Gewerbebetrieb anzusehen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, der sinngemäß beantragt, die Vorentscheidung und den Einkommensteuerbescheid 1967 in der Form der Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der strittigen Einkünfte als solche aus Land- und Forstwirtschaft festzusetzen. Der Kläger rügt, das FG habe das angebotene Sachverständigengutachten über die Aufteilung der Dekorationsumsätze einholen müssen. Es sei nach der Rechtsprechung entscheidungserheblich, ob der steuerschädliche Umsatz mehr oder weniger als die Hälfte des Gesamtumsatzes ausmache. Er selbst sei darüber hinaus in Übereinstimmung mit einer beim BFH eingereichten Stellungnahme des württembergischen Gärtnereiverbandes der Auffassung, daß die Grabpflege stets dem Absatz der Urproduktion diene und daher ebenso wie sonstige wirtschaftlich erforderliche Kundendienstleistungen oder Verarbeitungstätigkeiten (beispielsweise das Ausfahren von Kartoffeln, die Lagerung und der Verkauf von Gemüse auf dem Wochenmarkt, die Herstellung von Wein, die Milchveredelung, die Mast- und Lohnaufzucht von Tieren) noch der Landwirtschaft zuzurechnen sei. Dafür spreche auch, daß die Arbeit nur von fachlich ausgebildeten Gärtnern ausgeübt werden dürfe. Die Behauptung des FG, die Pflanzenzucht sei ohne die Grabpflege nicht lebensfähig, treffe in dieser Form nicht zu, wie sich aus den Produktionsberechnungen ergebe.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FG hat die Klage zu Recht für zulässig erachtet, obwohl der Kläger für das Streitjahr die Festsetzung einer höheren Einkommensteuer begehrt und Auswirkungen auf die Gewerbesteuer keine Beschwer in dem Rechtsstreit über die Einkommensteuer begründen (BFH-Urteil vom 22. Mai 1974 I R 169/72, BFHE 113, 340, BStBl II 1975, 37). Es entspricht der Rechtsprechung des BFH, daß ein Steuerpflichtiger auch durch eine zu niedrige Steuerfestsetzung in seinen Rechten verletzt sein kann, wenn nach seiner Darlegung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß ihm der Vorgang, auf dem die Festsetzung beruht, bei der gleichen Steuer für spätere Steuerabschnitte steuerliche Nachteile verursachen wird, die den durch die angefochtene niedrigere Steuerfestsetzung bewirkten Vorteil überwiegen (Urteil vom 12. Dezember 1972 VIII R 39/67, BFHE 108, 278, BStBl II 1973, 323). So liegt die Sache im Streitfall. Die vom FA berücksichtigte Gewerbesteuerrückstellung führt nicht zu einem endgültigen Vorteil bei der Einkommensteuer; sie wäre in einem späteren Veranlagungszeitraum gewinnerhöhend aufzulösen, wenn der Kläger - und über diese Frage ist in dem anhängigen Verfahren zu entscheiden - im Streitjahr kein Gewerbe betrieben hätte. Selbst wenn sich aus der Bildung und Auflösung der Rückstellung letztlich kein Nachteil ergeben würde, wäre der Kläger im Streitfall schon deshalb beschwert, weil ihm der Freibetrag nach § 13 Abs. 3 EStG nicht gewährt worden ist (ebenso zum Freibetrag nach § 18 Abs. 4 EStG BFH-Urteil vom 7. August 1974 I R 108/73, BFHE 113, 405, BStBl II 1975, 304).

2. Es ist rechtlich unbedenklich, daß das FG die Einkünfte des Klägers aus seiner Friedhofsgärtnerei in vollem Umfang als gewerblichen Gewinn erfaßt hat.

a) Die Betätigung des Klägers enthält Merkmale einer landwirtschaftlichen und einer gewerblichen Tätigkeit. Die Vorinstanz ist in Übereinstimmung mit den Beteiligten davon ausgegangen, daß die einzelnen Tätigkeitsbereiche derartig eng miteinander verflochten sind, daß sie nur einheitlich beurteilt werden können. Diese Annahme steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH. Der Kläger hat die Verbindung nicht nur zufällig, vorübergehend, sondern planmäßig gewollt, so daß eine funktionelle Trennung angesichts der einander bedingenden und voneinander abhängigen Leistungen nicht möglich ist (vgl. BFH-Urteile vom 27. April 1955 IV 72/54 U, BFHE 61, 67, BStBl III 1955, 223; vom 18. Juli 1957 IV 319 54, StRK, Gewerbesteuergesetz, § 2 Abs. 1, Rechtsspruch 74; vom 6. November 1964 IV 110/62 U, BFHE 81, 411, BStBl III 1965, 147 - Friedhofsgärtnerei -, und vom 19. Mai 1971 IV R 156-157/67, BFHE 103, 320, BStBl II 1972, 8, zur einheitlichen Beurteilung einer Landwirtschaft mit einem gewerblichen Verarbeitungsbetrieb des gleichen Steuerpflichtigen; ebenso Urteile vom 16. März 1962 IV 318/59 U, BFHE 75, 89, BStBl III 1962, 302 - Gartenarchitekt -; vom 7. März 1974 IV R 196/72, BFHE 111, 522, BStBl II 1974, 383 - Kameramann -, und vom 25. April 1974 VIII R 229/71, BFHE 112, 499, BStBl II 1974, 553 - Kinderheim -, jeweils zur Abgrenzung einer gemischten gewerblichen und freiberuflichen Tätigkeit).

b) Wenn das FG die Friedhofsgärtnerei des Klägers nach dem Gesamtbild aller Umstände nicht mehr als landwirtschaftlichen, sondern als gewerblichen Betrieb angesehen hat, ist diese weitgehend auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung möglich und daher für das Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Sie enthält keinen Verstoß gegen formelles Recht, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze.

aa) Land- und Forstwirtschaft ist die planmäßige Nutzung des Bodens und die Verwertung der gewonnenen Erzeugnisse. Dem Kläger ist darin zuzustimmen, daß nicht jede Übernahme einer damit zusammenhängenden gewerblichen Arbeitsleistung ohne weiteres die Struktur eines landwirtschaftlichen Betriebes verändert. Das hat der BFH auch für die Übernahme der Grabpflege zur überwiegenden Verwendung selbst gezogener Pflanzen bestätigt (Urteile IV 72/54 U, IV 319/54, IV 110/62 U). Andererseits vermag der Senat dem Kläger nicht zu folgen, wenn dieser sich darauf beruft, seine gewerbliche Tätigkeit verliere diese Eigenschaft bereits durch die wirtschaftliche Verbindung mit seiner Gärtnerei und die Förderung des Absatzes der Urproduktion. Nach der Verkehrsauffassung muß sich ein Landwirt im wesentlichen auf den Absatz eigengewonnener Erzeugnisse beschränken. Die gewerbliche Grabpflegetätigkeit des Klägers könnte nur dann zu Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft führen, wenn es sich entweder um einen landwirtschaftlichen Nebenbetrieb i. S. von § 13 Abs. 2 Nr. 1 EStG handelte oder aber die Leistung nach Art und Umfang im Verhältnis zur Gesamtleistung so unbedeutend wäre, daß das Gesamtbild einer Urproduktion dadurch nicht in Frage gestellt würde. Beide Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Die Vorinstanz hat ohne Rechtsverstoß angenommen, daß die Gesamttätigkeit nicht durch die Pflanzenzucht, sondern die Grabpflege geprägt wird. Damit steht gleichzeitig fest, daß die Friedhofstätigkeit nicht der Gärtnerei zu dienen bestimmt ist (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG). Hierin liegt auch der Unterschied zu den vom Kläger vergleichsweise angeführten Nebenbetrieben.

bb) Mit der in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrüge, das FG habe den Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens über den im Gesamtumsatz enthaltenen Leistungsanteil nicht ablehnen dürfen, kann der Kläger nicht durchdringen. Dieser Beweisantrag ist nicht entscheidungserheblich. Der Umsatzanteil aus der Lieferung selbstgezogener Erzeugnisse bildet dann keine brauchbare Abgrenzungsgrundlage, wenn der Steuerpflichtige, wie im Streitfall, ausschließlich die Friedhofsgärtnerei betreibt. Die Einkünfte sind in diesen Fällen vielmehr steuerrechtlich nach dem Gesamtbild der Tätigkeit unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zuzuordnen (vgl. BFH-Urteile vom 27. September 1963 VI 304/62 U, BFHE 77, 594, BStBl III 1963, 537, zur Tätigkeit eines Gartenbauunternehmers; IV R 156-157/67 zur steuerrechtlichen Selbständigkeit einer Landwirtschaft, wenn die Produktion weitgehend in einem Gewerbebetrieb desselben Steuerpflichtigen verarbeitet wird, ebenso die neuere Rechtsprechung zur Einordnung einer einheitlichen, gemischten freiberuflichen und gewerblichen Tätigkeit, z. B. Urteile IV R 196/72 und VIII R 229/71 mit weiteren Hinweisen).

cc) Das FG ist nach diesen Grundsätzen verfahren. Die Entscheidung, daß der Betrieb des Klägers seiner Struktur nach in erster Linie nicht auf die Erzeugung von Pflanzen, sondern auf die Grabpflege ausgerichtet ist, wird von den tatsächlichen Feststellungen über die Zahl der zu pflegenden Gräber, die einer Urproduktion weitgehend wesensfremde Art und den Umfang der gewerblichen Leistungen sowie den Zuschnitt des Pflanzenangebots auf die Friedhofstätigkeit getragen. Sie entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung und steht in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung und in der Literatur (vgl. Urteil des RFH vom 12. Juni 1940 VI 194/40, RStBl 1940, 713; BFH-Urteil IV 72/54 U und IV 110/62 U; Janssen, Zur Steuerpflicht des Friedhofgartenbaus, S. 59; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl., 1974 § 13 EStG Anm. 13; Lenski-Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, § 2 Anm. 32 S. 48 b; Müthling, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, § 2 Anm. 7 b). Die Entscheidung hängt wesentlich von der Verkehrsanschauung und damit von den äußeren Umständen, vom Auftreten des Klägers nach außen hin ab. Aus den vom FG wiedergegebenen Umsatzzahlen läßt sich ablesen, daß die Kunden in der Regel nicht deshalb mit ihm in Geschäftsverbindung treten, um Pflanzen zu erstehen, sondern um seine gewerblichen Leistungen in Anspruch zu nehmen. Dementsprechend handelt es sich bei den geschlossenen Verträgen in der Regel nicht um Kaufverträge, sondern um einheitliche Werk- bzw. Werklieferungsverträge. Daß der Friedhofsträger die Zulassung vom Vorliegen einer besonderen gärtnerischen Ausbildung abhängig gemacht hat, tritt demgegenüber in den Hintergrund. Ein Gärtner kann sich auch als Gewerbetreibender betätigen. Ohne Erfolg wendet sich der Kläger auch gegen die - aus den vorstehenden Gründen letztlich nicht ausschlaggebende - Feststellung des FG, der Pflanzenzuchtbetrieb sei ohne die Grabpflege nicht lebensfähig. Da die Pflanzen fast ausschließlich im Rahmen der Friedhofstätigkeit verwertet werden, müßte die Urproduktion bei Wegfall dieser Absatzmöglichkeit vollständig umgestellt werden; die Grabpflege ist dagegen nur aus Kostengründen auf die eigenen Erzeugnisse angewiesen.

 

Fundstellen

BStBl II 1976, 492

BFHE 1976, 568

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