Leitsatz (amtlich)

§ 11 Abs. 4 Nr. 1 GewStG 1968 (Ermäßigung der Steuermeßzahl für Sparkassen) verstößt nicht gegen das Grundgesetz.

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1; GewStG 1968 § 11 Abs. 4 Nr. 1

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 06.05.1975; Aktenzeichen 1 BvR 2235/73)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG, die ein Bankunternehmen betreibt und sich dabei besonders dem Spargeschäft widmet. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) setzte durch vorläufigen Bescheid vom 27. November 1969 den Gewerbesteuermeßbetrag für 1968 gegen die Klägerin fest; dieser Festsetzung legte das FA die Steuermeßzahlen nach § 11 Abs. 2 GewStG zugrunde.

Mit ihrer gemäß § 45 Abs. 1 FGO unmittelbar zum FG erhobenen Klage, die sich zunächst gegen den vorläufigen und nach dessen Änderung gegen den endgültigen Bescheid vom 25. Mai 1971 richtete, machte die Klägerin geltend, die Anwendung der Steuermeßzahl 5 v. H. stelle im Vergleich zu der für die öffentlichen Sparkassen geltenden Steuermeßzahl 3,5 v. H. (§ 11 Abs. 4 Nr. 1 GewStG) eine Benachteiligung dar, durch die ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Sparkassen erheblich gemindert werde. Diese Benachteiligung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG. Es müsse deshalb gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Vorschriften eingeholt werden.

Das FG wies die Klage ab. Es führte aus, die Regelung des § 11 Abs. 2 GewStG sei verfassungsmäßig. Ein Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG sei deshalb nicht veranlaßt.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, der Steuerbescheid und das Urteil des FG verletzten ihre Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG.

Die ungleiche gesetzliche Behandlung der Geschäftsbanken einerseits und der öffentlichen Sparkassen andererseits sei mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht vereinbar. Aus dem Gleichheitssatz folge, daß die Besteuerung wettbewerbsneutral sein müsse. Der Gesetzgeber dürfe nicht ohne sachlichen Grund durch die Gewährung von Steuerprivilegien an eine Gruppe von Steuerpflichtigen, andere dieser Gruppe nicht angehörende Steuerpflichtige diskriminieren. Für die Steuerprivilegien, die den öffentlichen Sparkassen eingeräumt worden seien, fehle es an einem sachlichen Grund. Die Sparkassen seien Kreditinstitute, die mit wenigen Ausnahmen alle Geschäfte betrieben, die auch von den Kreditbanken wahrgenommen würden. Zu diesem Ergebnis sei auch die Bundesregierung in ihrem "Bericht über die Untersuchung der Wettbewerbsverschiebungen im Kreditgewerbe und über eine Einlagensicherung" (Wettbewerbsenquàte, Bundestagsdrucksache V/3 500) vom 18. November 1968 gekommen. Die im FG-Urteil zur Rechtfertigung der Steuerprivilegien herangezogene "Gemeinnützigkeit" der Sparkassen sei keine Gemeinnützigkeit im steuerrechtlichen Sinne; sie bedeute vielmehr, daß die Sparkassen Gewinne, die nicht der Sicherungsrücklage zuzuführen sind, "für öffentliche, mit dem gemeinnützigen Charakter der Sparkassen im Einklang stehende Zwecke zu verwenden" habe. Diese besondere Art der Gewinnverwendung sei indessen kein Grund für eine steuerliche Bevorzugung. Ebensowenig ließen sich steuerliche Privilegien der Sparkassen damit begründen, daß diese die Aufgabe hätten, den Sparsinn zu fördern und sich dem Kreditgeschäft mit dem Mittelstand und den wirtschaftlich schwächeren Bevölkerungskreisen zu widmen. Auch die Geschäftsbanken förderten den Sparsinn und betrieben das Kreditgeschäft mit dem Mittelstand zu gleichen Bedingungen.

Die Steuerprivilegien der Sparkassen verstießen aber auch gegen Art. 2 Abs. 1 GG, der die allgemeine Handlungsfreiheit auf wirtschaftlichem Gebiet, insbesondere die Wettbewerbsfreiheit, schütze. Die Freiheit, seine Leistungen im Konkurrenzkampf unbehindert anbieten zu können, werde verletzt, wenn der Staat durch die gesetzliche Privilegierung von Wettbewerbern ungleiche Startbedingungen schaffe. Diese Privilegierung gehöre nicht zur "verfassungsmäßigen Ordnung" und stelle deshalb keine zulässige Einschränkung der durch Art. 2 Abs. 1 GG garantierten Wettbewerbsfreiheit dar. Sie widerspreche vielmehr dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten "Übermaßverbot". Erforderlich (notwendig, unerläßlich) sei jeweils nur das zur Erreichung eines gerechtfertigten Zweckes geeignete Mittel.

Die Klägerin beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben, zunächst aber gemäß Art. 100 Abs. 1 GG das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG über die Verfassungswidrigkeit der dem Bescheid zugrunde liegenden Meßzahlvorschriften einzuholen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Der Antrag der Klägerin läßt nicht eindeutig erkennen, was sie begehrt. Denkbar wäre, daß sie die Vorschrift über die ermäßigte Steuermeßzahl für Sparkassen (§ 11 Abs. 4 Nr. 1 GewStG) als verfassungswidrig und demgemäß nichtig ansieht. In diesem Fall würde sich indessen für sie selbst keine unmittelbare Änderung in der Besteuerung ergeben; denn der Wegfall einer nur für andere geltenden Steuervergünstigung hat keine Verringerung der eigenen Steuerschuld zur Folge. Denkbar wäre auch, daß die Klägerin die von ihr behauptete Verfassungswidrigkeit in der Weise beseitigt sehen will, daß die für die Sparkassen geltende Vergünstigung auf sie selbst angewendet wird. Dabei würde die Frage auftreten, ob die Anwendung der Sparkassenvergünstigung auf die Klägerin nicht neue verfassungswidrige Ungleichheiten im Verhältnis zu anderen Gewerbetreibenden auslösen würde. Doch kann diese Frage hier auf sich beruhen. Wenn die Klägerin mit ihrer Revision die Anwendung der für Sparkassen geltenden Steuermeßzahlregelung auf ihre eigene Besteuerung erstreben sollte, müßte ihr der Erfolg schon deshalb versagt bleiben, weil die Unterschiedlichkeit der bezeichneten Regelungen nicht verfassungswidrig ist.

1. Steuermeßzahl ist der Hundertsatz, durch dessen Anwendung auf den Gewerbeertrag der Steuermeßbetrag ermittelt wird (§ 11 Abs. 1 GewStG). Die Höhe der Steuermeßzahl richtet sich zunächst nach der Rechtsform, in der ein Unternehmen betrieben wird. Die Steuermeßzahl für natürliche Personen und Personengesellschaften ist nach der Höhe des Gewerbeertrages gestaffelt und beträgt für Gewerbeerträge von 7 201 DM bis 16 800 DM zwischen 1 v. H. und 4 v. H., für alle weiteren Beträge 5 v. H.; die Steuermeßzahl für nicht durch natürliche Personen oder Gesellschaften i. S. des § 2 Abs. 2 Nr. 1 GewStG unterhaltenen Gewerbebetriebe beträgt einheitlich 5 v. H. (§ 11 Abs. 2 GewStG).

"Bei öffentlichen oder unter Staatsaufsicht stehenden Sparkassen" ermäßigt sich die Steuermeßzahl auf 3,5 v. H. (§ 11 Abs. 4 Nr. 1 GewStG). Diese für die Sparkassen geltende Sonderregelung ist das Ergebnis einer Gesetzesänderung durch Art. 5 Nr. 2 des Zweiten Steueränderungsgesetzes 1967 vom 21. Dezember 1967 BGBl I, 1254, BStBl I 1967, 484); sie hatte den Abbau der den Sparkassen bisher zugestandenen Steuervergünstigungen zum Ziel (vgl. Bundestagsdrucksache V/2087 S. 9 und 10, 20 und 21; Bundestagsdrucksache V/2320 S. 2). Die Sparkassen waren nach früherem Recht von der Körperschaft-, Gewerbe- und Vermögensteuer ganz befreit, soweit sie der Pflege des eigentlichen Sparverkehrs dienten (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 4 KStG 1965, § 3 Nr. 4 GewStG 1965, § 3 Abs. 1 Nr. 4 VStG i. d. F. vom 10. Juni 1954). Das Zweite Steueränderungsgesetz 1967 änderte diesen Rechtszustand insofern, als es außer der hier umstrittenen Vorschrift über eine ermäßigte Steuermeßzahl bei der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrages auch noch Vorschriften über einen geringeren Körperschaftsteuersatz (vgl. § 19 Abs. 2a KStG) und über einen geringeren Ansatz des Betriebsvermögens bei der Ermittlung des Einheitswerts (vgl. § 109a BewG) einführte.

2. Die Begünstigung der öffentlichen oder unter Staatsaufsicht stehenden Sparkassen durch Gewährung einer besonderen Steuermeßzahl (§ 11 Abs. 4 Nr. 1 GewStG) stellt zwar gegenüber der nach den normalen Steuermeßzahlen erfolgenden Besteuerung der übrigen Kreditinstitute eine Ungleichbehandlung dar. Diese Ungleichbehandlung verstößt indessen - jedenfalls nach den im Streitjahr 1968 vorliegenden Verhältnissen - nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).

a) Bei der Prüfung einer gesetzlichen Vorschrift am Maßstab des Gleichheitssatzes ist zunächst von Bedeutung, daß dem Gesetzgeber bei der Regelung einer Materie grundsätzlich Gestaltungsfreiheit zukommt (BVerfG-Beschluß vom 8. Dezember 1970 1 BvR 95/68, BVerfGE 29, 327 [335]). Sein Gestaltungsermessen wird lediglich eingeschränkt durch das Gebot, weder wesentlich Gleiches willkürlich ungleich noch wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung oder Gleichbehandlung ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund nicht zu finden ist, wenn also die Vorschrift als willkürlich bezeichnet werden muß (BVerfG-Urteil vom 23. Oktober 1951 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14 [52]; seither ständige Rechtsprechung). Deshalb muß der Gesetzgeber bei der Auswahl der Sachverhalte, für die eine gesetzliche Regelung getroffen wird, sachgemäß - d. h. nach Gesichtspunkten, die sich aus der Art der zu behandelnden Lebenssachverhalte ergeben - verfahren (BVerfG-Beschlüsse vom 21. Juli 1955 1 BvL 33/51, BVerfGE 4.219 [243]; vom 15. Dezember 1970 1 BvR 559, 571, 586/70, BVerfGE 29, 402 [411], BStBl II 1971, 39 [42]; Urteil des BFH vom 19. Juli 1972 I R 164/68, BFHE 106, 441 [447 f.], BStBl II 1972, 858). Dabei sind Abweichungen von den für eine Materie geltenden Grundregeln nicht grundsätzlich verboten; sie sind nur dann willkürlich und damit verfassungswidrig, wenn das System des Gesetzes ohne zureichenden Grund verlassen wird (BVerfG-Urteil vom 27. Januar 1965 I BvR 213, 715/58 u. 66/60, BVerfGE 18, 315 [334] mit weiteren Rechtsprechungshinweisen; BVerfG-Beschluß vom 2. Oktober 1968 1 BvF 3/65, BVerfGE 24, 174 [181], BStBl II 1968, 762 [763], und BVerfG-Urteil vom 7. Mai 1969 2 BvL 15/67, BVerfGE 25, 371 [402]).

b) Für die in § 11 Abs. 4 Nr. 1 GewStG vorgesehene Abweichung von der Regelnorm des § 11 Abs. 2 GewStG lagen im Streitjahr 1968 Gründe vor, die die Abweichung als sachgerecht und damit als nicht willkürlich erscheinen lassen.

Wenn auch das System des Gewerbesteuerrechts vom Leistungsfähigkeitsprinzip beherrscht wird (vgl. BVerfG-Urteil vom 24. Januar 1962 1 BvL 32/57, BVerfGE 13, 290 [297], BStBl I 1962, 492 [494]), so bedeutet das nicht, daß Abweichungen von der Regelbesteuerung nur in einer größeren oder geringeren Leistungsfähigkeit ihren Grund haben dürften. Wie das BVerfG in ständiger Rechtsprechung (vgl. BVerfG-Urteil vom 22. Mai 1963 1 BvR 78/56, BVerfGE 16, 147 [160 ff.]; BVerfG-Beschluß vom 2. Oktober 1969 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58 [65], BStBl II 1970, 140 [142]), entschieden hat, können mit der Steuergesetzgebung auch fiskalfremde Zielsetzungen wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Art verfolgt werden. Das gilt insbesondere für die Fälle einer "Subventionierung über die Steuer", wie sie z. B. zur Förderung des Wohnungsbaus (§ 7b EStG) oder der Investitionen in Berlin (Gesetz zur Förderung der Berliner Wirtschaft i. d. F. vom 29. Oktober 1970, BGBl I, 1481) vorgesehen sind. Solche - nicht an der Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen orientierten - Vergünstigungen können vor dem Willkürverbot bestehen, wenn sie "auf einem einleuchtenden Grund beruhen".

Hiernach ist auch die steuerliche Besserstellung der Sparkassen gegenüber anderen Kreditinstituten - jedenfalls nach den im Streitjahr 1968 vorliegenden Verhältnissen - sachlich zu rechtfertigen (die Übereinstimmung dieser Regelung mit dem Gleichheitssatz wird bejaht von Geiger, Sparkasse 1968 S. 6; Kneuer, Die Steuerbefreiung des Sparverkehrs der öffentlichen oder unter Staatsaufsicht stehenden Sparkassen und ihre Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, Dissertation 1967; Lenski, DStZ, A 1967, 261; Ranft, StuW 1967 Sp. 331; Stolte, Zur Frage der Gemeinnützigkeit der Sparkassen, 2. Aufl., S. 291 ff.; a. A. Nipperdey-Schneider, Das Steuerprivileg der Sparkassen, Rechtsgutachten 1966; Tipke, Die Steuerprivilegien der Sparkassen, Rechtsgutachten 1972).

Bei den öffentlichen oder unter Staatsaufsicht stehenden Sparkassen handelt es sich um Einrichtungen, die sich kraft ihres gesetzlichen Auftrages von den übrigen Kreditinstituten durch eine wesentlich stärkere Bindung an das öffentliche Wohl unterscheiden. Die Tätigkeit der Sparkassen ist im Gegensatz zur Tätigkeit privater Unternehmungen dem Gemeinwohl verpflichtet. Sie haben aufgrund ihrer Struktur Pflichten zu erfüllen und Lasten zu tragen, die anderen Kreditinstituten fremd sind. Diese Bindung an das gemeine Wohl (in den Sparkassengesetzen der Länder vielfach als "Gemeinnützigkeit" bezeichnet; vgl. z. B. § 2 Abs. 1 Satz 1 der Bayerischen Sparkassenordnung in der für den Streitfall geltenden Fassung vom 12. November 1965 - BaySparkO -, Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt S. 334 - BayGVBl 334 -) kam in dem hier streitigen Veranlagungszeitraum 1968 in mehrfacher Weise zum Ausdruck.

Bei den Sparkassen handelt es sich nahezu ausschließlich um rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts (vgl. z. B. Art. 3 des Bayerischen Gesetzes über die öffentlichen Sparkassen i. d. F. vom 1. Oktober 1956 - BaySpKG, BayGVBl 1956, 187; § 2 des Nordrhein-Westfälischen Sparkassengesetzes vom 7. Januar 1958, GVBl für das Land Nordrhein-Westfalen S. 5), die nach der gesetzlichen Aufgabenstellung den Zweck haben, den Sparsinn der Bevölkerung zu wecken und zu fördern und der örtlichen Kreditversorgung unter besonderer Berücksichtigung des Mittelstandes und der wirtschaftlich schwächeren Bevölkerungskreise zu dienen (vgl. § 4 des Nordrhein-Westfälischen SpKG; Art. 2 des BaySpKG). Wenn auch nicht verkannt werden soll, daß die Sparkassen in den letzten Jahrzehnten ihre geschäftliche Tätigkeit in erheblichem Umfang ausbauen konnten (vgl. hierzu die Wettbewerbsenquete der Bundesregierung, Bundestagsdrucksache V/3500 S. 18 f.) und in den ihnen zugänglichen Geschäftssparten zu gewichtigen Konkurrenten der übrigen Geschäftsbanken geworden sind, so bringt ihre auf das gemeine Wohl bezogene Aufgabenstellung doch auch wichtige Einschränkungen ihrer geschäftlichen Betätigungsmöglichkeiten sowie gewisse Auflagen im Interesse der Allgemeinheit mit sich. Auch im Streitjahr 1968 konnten insoweit Unterschiede im Verhältnis zu den anderen Kreditinstituten festgestellt werden.

In diesem Zusammenhang ist insbesondere die im Sparkassenrecht der Länder vorgesehene Pflicht zu nennen, Spareinlagen schon in geringer Höhe entgegenzunehmen und dafür Konten anzulegen und Sparbücher auszustellen. So bestimmt z. B. § 9 Abs. 1 der Mustersatzung für die Sparkassen in Nordrhein-Westfalen i. d. F. vom 5. März 1965 (GVBl für das Land Nordrhein-Westfalen 1965 S. 80): "Spareinlagen von mindestens 1 DM werden angenommen." Aus diesen - auch in den sparkassenrechtlichen Regelungen anderer Bundesländer (vgl. z. B. § 4 Abs. 1 der Vorstandsverfassung, Erlaß des Baden-Württembergischen Innenministeriums über die Anpassung der Satzung der Sparkassen an das neue Sparkassenrecht, Gemeinsames Amtsblatt des Landes Baden-Württemberg 1968 S. 105; § 18 Abs. 1 Satz 1 BaySparkO; § 3 Abs. 1 Satz 1 der hessischen Mustersatzung A und B für kommunale Sparkassen i. d. F. der Bekanntmachung vom 13. Juni 1955, Hessischer Staatsanzeiger 1955 S. 642 und Beilage zu Nr. 26; § 13 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Mustersatzung für die Sparkassen in Niedersachsen vom 15. Oktober 1962, Niedersächsisches GVBl 1962, 204; § 3 Abs. 1 Satz 1 der rheinland-pfälzischen Mustersatzung für Sparkassen vom 17. Juli 1958, Ministerialblatt der Landesregierung von Rheinland-Pfalz 1958 S. 971; § 3 Abs. 1 Satz 1 der Mustersatzung für die Saarländischen Sparkassen, Amtsblatt - ABl - des Saarlandes 1965 S. 329; § 3 Abs. 1 Satz 1 der Sparkassenmustersatzung i. d. F. des Runderlasses des Schleswig-Holsteinischen Innenministers vom 28. Juni 1963, ABl für Schleswig-Holstein 1963, 329) enthaltenen - Bestimmungen ergibt sich, daß Sparkonten von nur 1 DM errichtet und einmal errichtete Sparkonten weitergeführt werden müssen, solange sie ein Mindestguthaben von 1 DM nicht unterschreiten. Darin liegt ein Zwang zur Begründung und Weiterführung von Sparkonten ohne Rücksicht auf Rentabilitätsgrundsätze. Untersuchungen (vgl. hierzu Kneuer, a. a. O., S. 41 ff.) haben ergeben, daß zwischen 60 und 70 v. H. aller bei den öffentlichen Sparkassen bestehenden Sparkassenguthaben unterhalb der von den Sparkassen errechneten Rentabilitätsschwelle liegen und damit die Gewinnrechnung belasten.

Infolge ihres öffentlichen Auftrags bleibt den Sparkassen ein wichtiger Teil der den übrigen Instituten zugänglichen Geschäfte verschlossen. Da die Sparkassen aufgabengemäß dem Mittelstand und den wirtschaftlich schwächeren Bevölkerungskreisen Kredite gewähren, sehen die landesrechtlichen Regelungen des Sparkassenrechts Begrenzungen in der Kredithöhe vor. So ist z. B. bei der Gewährung von Personalkrediten der Höchstbetrag im Einzelfall auf 1 v. H. der Einlagen und auf absolute Höchstbeträge begrenzt (vgl. § 9 der baden-württembergischen Sparkassenanlageverordnung vom 2. Januar 1968, Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1968 S. 5; § 31 BaySparkO; § 18 der hessischen Mustersatzung A und B für kommunale Sparkassen i. d. F. der Bekanntmachung vom 13. Juni 1955; § 28 der Verordnung über die Mustersatzung für Sparkassen in Niedersachsen i. d. F. vom 23. Juni 1965, GVBl 1965, 147; § 28 Abs. 1 der Mustersatzung für die Sparkassen in Nordrhein-Westfalen, Niedersächsisches GVBl 1958, 111; § 18 der rheinland-pfälzischen Mustersatzung für Sparkassen vom 17. Juli 1958; § 18 Abs. 1 der Mustersatzung für die Saarländischen Sparkassen; § 18 der Sparkassenmustersatzung i. d. F. des Schleswig-Holsteinischen Innenministeriums vom 28. Juni 1963). Da die Sparkassen nur die örtliche Kreditgewährung fördern sollen, gilt ferner das sog. Regionalprinzip. Hiernach sind Kreditgewährungen durch Sparkassen an Kreditnehmer mit Wohnsitz im Sparkassenbezirk beschränkt (vgl. § 4 Abs. 2 BaySparkO). Das Regionalprinzip erklärt sich aus der den Sparkassen übertragenen Daseinsvorsorge, die sich naturgemäß nur auf die im Hoheitsbereich der Errichtungskörperschaft lebende Bevölkerung bezieht, so daß die Mittel der Sparkasse in erster Linie zur Förderung der einheimischen Wirtschaft eingesetzt werden.

Ein besonderes Gewicht kommt auch dem Umstand zu, daß es den Sparkassen grundsätzlich verwehrt ist, Beteiligungen an Wirtschaftsunternehmen für eigene Rechnung zu erwerben (vgl. § 2 der baden-württembergischen Sparkassenanlageverordnung vom 2. Januar 1968; §§ 27, 36 BaySparkO; § 24 der hessischen Mustersatzung A und B für kommunale Sparkassen; §§ 23 ff. der Mustersatzung für die Sparkassen in Niedersachsen vom 15. Oktober 1962; § 29 der Mustersatzung für die Sparkassen in Nordrhein-Westfalen; § 25 der rheinland-pfälzischen Mustersatzung für Sparkassen vom 17. Juli 1958; § 23 Satz 2 der Mustersatzung für Saarländische Sparkassen; § 24 der schleswig-holsteinischen Sparkassenmustersatzung). Auch dieses Verbot erklärt sich aus der besonderen Aufgabenstellung der Sparkassen, die vorhandenen Geldmittel in weniger gewinnträchtige, dafür aber volkswirtschaftlich wichtige Bereiche zu lenken. Mit dem Verbot des Beteiligungserwerbs entfällt die - anderen Kreditinstituten eröffnete - Möglichkeit, mit dem Erwerb solcher Beteiligungen auf die betreffenden Unternehmen Einfluß zu nehmen und sich so in größerem Umfang eigene Geschäftsbeziehungen, insbesondere im Großkreditgeschäft und bei Auslandsgeschäften, zu erschließen. Der demgegenüber insbesondere von Tipke (Gutachten S. 28 ff.) erhobene Einwand, daß Geschäfte, die den Sparkassen verschlossen sind, von den mit den Sparkassen eng verbundenen Girozentralen übernommen werden können, greift bei der Beurteilung der Sparkassen tätigkeit nicht durch. Die Girozentralen sind selbständige, von den Sparkassen rechtlich unabhängige Einrichtungen. Die Möglichkeit eines Erwerbs von Beteiligungen durch sie kann mithin den Sparkassen nicht zugerechnet werden.

Zu den im Interesse der Allgemeinheit gestellten Pflichtaufgaben der Sparkassen zählt auch die Kreditgewährung an Gemeinden und Gemeindeverbände (vgl. z. B. § 2 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 27 Abs. 1 Nr. 3 und § 32 BaySparkO). Den Sparkassen ist gerade aus dieser Aufgabenzuweisung in den letzten Jahren eine erhebliche Verantwortung zugewachsen; mit Kreditausreichungen an Gemeinden und Gemeindeverbände zu angemessenen Bedingungen tragen die Sparkassen wesentlich zur Finanzierung der kommunalen Infrastruktur (Schulen, Verkehrs- und Versorgungseinrichtungen usw.) und zum sozialen Wohnungsbau bei.

Es entspricht dem den Sparkassen erteilten öffentlichen Auftrag, daß sie im Unterschied zu den auf Erzielung eines möglichst hohen Ertrags angelegten Privatbanken ihre Geschäfte zwar nach wirtschaftlichen Grundsätzen, aber ohne Gewinnstreben zu betreiben haben (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 BaySparkO).

Diese Struktureigentümlichkeiten sind auch für die Begründung der im Zweiten Steueränderungsgesetz 1967 enthaltenen steuerbegünstigenden Maßnahmen maßgebend gewesen. Der Finanzausschuß des Bundestags hat in seinem schriftlichen Bericht über den Entwurf des Zweiten Steueränderungsgesetzes 1967 vom 29. November 1967 (Bundestagsdrucksache V/2320 S. 2 ff.) "die Wahrung der bewährten Struktur der bisher begünstigten Institute" und "die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der durch Geschäftsbeschränkungen belasteten Institute" als berücksichtigungsfähige Gründe für die Gesetzesreform angesehen; dem ist der Bundestag gefolgt.

Außer mit den strukturbedingten Besonderheiten der Sparkassen sind die durch das Zweite Steueränderungsgesetz 1967 eingeführten steuerlichen Maßnahmen auch noch damit begründet worden, daß sich eine Normalbesteuerung der Sparkassen für die künftige Entwicklung des Kapitalmarktes nachteilig auswirken würde. Solche nachteiligen Folgen würden sich insbesondere für die Kapitalversorgung der überwiegend auf Sparkassen (und Kreditgenossenschaften) angewiesenen kleineren und mittleren Unternehmen, für die kommunalen Investitionen und für den sozialen Wohnungsbau ergeben (vgl. Bericht des Finanzausschusses des Bundestags vom 29. November 1967, Bundestagsdrucksache V/2320 S. 3).

Die angeführten Gründe lassen die Abweichung von der Regelbesteuerung als sachgerecht erscheinen. Der Senat hält deshalb die in das Gewerbesteuergesetz eingefügte Festlegung einer besonderen Steuermeßzahl für Sparkassen für sachlich hinreichend gerechtfertigt, wobei er in Betracht zieht, daß entsprechende Vergünstigungen auch auf dem Gebiet der Körperschaftsteuer sowie der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens gewährt werden. Die Vorschrift des § 11 Abs. 4 Nr. 1 GewStG ist ebensowenig willkürlich wie die bewertungsrechtliche Steuervergünstigung für Sparkassen nach § 109a BewG 1965 (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 14. Dezember 1972 III R 38/72, BFHE 108, 388, BStBl II 1973, 374).

3. Die im Gewerbesteuergesetz getroffene Regelung, nach der die Klägerin als Inhaberin eines privaten Kreditinstituts wegen der für sie geltenden normalen Steuermeßzahl stärker belastet wird als die nach § 11 Abs. 4 Nr. 1 GewStG begünstigten Sparkassen, verstößt auch nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG.

Art. 2 Abs. 1 GG schützt die Freiheit der Persönlichkeitsentfaltung. Diese Freiheit umfaßt den grundrechtlichen Anspruch, durch die Staatsgewalt nicht mit einem Nachteil belastet zu werden, der nicht in der verfassungsmäßigen Ordnung begründet ist. Die freie Gestaltung der Lebensführung setzt die Freiheit von unberechtigten Eingriffen der Staatsgewalt voraus (BVerfG-Beschluß vom 8. Januar 1959 1 BvR 425/52, BVerfGE 9, 83 [88]). Daher darf ein Bürger nur aufgrund solcher Vorschriften zur Steuer herangezogen werden, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind und deshalb zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören (BVerfG-Beschlüsse vom 13. Dezember 1966 1 BvR 512/65, BVerfGE 21, 1 [3], BStBl III 1967, 106, 107; vom 15. Dezember 1970 1 BvR 559, 571, 586/70, BVerfGE 29, 402 [408], BStBl II 1971, 39 [41]).

Die von der Klägerin beanstandete Regelung ist formell und materiell verfassungsgemäß. Sie enthält insbesondere keinen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip, das den einzelnen vor unnötigen Eingriffen der örtlichen Gewalt bewahren will. Die Regelung verletzt nicht die von der Rechtsprechung des BVerfG in diesem Zusammenhang aufgestellten Forderungen, daß die Mittel des Eingriffs zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels geeignet sein müssen und den einzelnen nicht übermäßig belasten dürfen (BVerfG-Beschlüsse vom 7. April 1964 1 BvL 12/63, BVerfGE 17, 306 [313 f.]; vom 9. März 1971 2 BvR 326/69 u. a. , BVerfGE 30, 250 [262 ff.], BStBl II 1971, 433 [436]).

Bei Prüfung der Frage, ob eine Maßnahme zwecktauglich ist, wird vom BVerfG nur ermittelt, ob das eingesetzte Mittel "objektiv untauglich" (BVerfG-Urteil vom 22. Mai 1963 1 BvR 78/56, BVerfGE 16, 147 [181], "objektiv ungeeignet" (BVerfG-Beschluß 1 BvL 12/63 [317]) oder "schlechthin ungeeignet" (BVerfG-Beschluß vom 24. September 1965 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, 119 [126 f.]) ist. Bei Anwendung dieser Prüfungsmaßstäbe wird die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Maßnahme wegen objektiver Zweckuntauglichkeit nur sehr selten und nur in ganz besonders gelagerten Fällen festgestellt werden können (BVerfG-Beschluß 2 BvR 326/69 u. a. [263 f.], BStBl II 1971, 433 [436]).

Die Meßbetragsregelung im Gewerbesteuergesetz stellt keinen Fall dieser Art dar. Der Umstand, daß den Sparkassen auch nach dem Zweiten Steueränderungsgesetz 1967 noch steuerliche Vergünstigungen zugebilligt wurden, ist - wie schon erwähnt - u. a. als wirtschaftspolitische Maßnahme gedacht gewesen, durch die die mit einer Normalbesteuerung der Sparkassen voraussichtlich verbundenen Folgen für die künftige Entwicklung des Kapitalmarktes vermieden werden sollten. Es bedarf keiner näheren Erörterung, daß die von der Klägerin angegriffene steuergesetzliche Regelung - gemessen an der gesetzgeberischen Zielsetzung - nicht als "schlechthin ungeeignet" angesehen werden kann.

Ebensowenig liegt ein Verstoß gegen das "Übermaßverbot" vor. Daß Wettbewerber, denen die steuerlichen Vergünstigungen für Sparkassen nicht eingeräumt werden, durch diese Regelung "übermäßig", d. h. unverhältnismäßig, belastet werden, trifft nicht zu. Im Hinblick auf die den Sparkassen auferlegte und sie damit im Wettbewerb benachteiligende Einschränkung der geschäftlichen Betätigungsmöglichkeit liegen die den anderen Kreditinstituten auferlegten steuerlichen Mehrbelastungen im Rahmen einer vertretbaren Größenordnung.

 

Fundstellen

BStBl II 1973, 857

BFHE 110, 287

BFHE 1974, 287

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