Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuerliches Sparkassenprivileg

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Kreditinstitute, die in der Rechtsform einer KG geführt werden, wurden im Jahr 1968 durch das Sparkassenprivileg in § 11 Abs. 4 Nr. 1 GewStG 1968 i.d.F. durch das Gesetz zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, I. Teil Art. 5 Ziff. 2 – Zweites StÄndG 1967 – vom 21. 12. 1967 (BGBl. I S. 1254) nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.

2. Die Besserstellung der Sparkassen gegenüber Privatbanken durch die den Sparkassen im Interesse des öffentlichen Wohls auferlegten Pflichten und Lasten ist sachlich hinreichend gerechtfertigt.

3. Angesichts der Wettbewerbsvorteile der Geschäftsbanken in der Industriefinanzierung gegenüber Sparkassen (und Kreditgenossenschaften) ist das den Sparkassen (und Kreditgenossenschaften) eingeräumte Gewerbesteuerprivileg – jedenfalls 1968 – verfassungsrechtlich unbedenklich.

4. Der Bundesgesetzgeber wird allerdings den Umfang der Sparkassenprivilegien laufend zu überprüfen haben.

 

Normenkette

GewStG § 11 Abs. 4 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BFH (Urteil vom 25.07.1973; Aktenzeichen I R 185/71; BFHE, 110, 287)

 

Gründe

Kreditinstitute, die in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft geführt werden, wurden im Jahr 1968 durch das Sparkassenprivileg in § 11 Abs. 4 Ziff. 1 GewStG 1968 in der Fassung durch Art. 5 Ziff. 2 des Gesetzes zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, I. Teil – Zweites Steueränderungsgesetz 1967 – vom 21. Dezember 1967 (BGBl. I S. 1254) nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.

An sich kann das gewerbesteuerliche Sparkassenprivileg sinnvollerweise nur im Zusammenhang mit dem körperschaftsteuerlichen und bewertungsrechtlichen Sparkassenprivileg, soweit es sich vermögensteuerlich auswirkt, betrachtet und gewürdigt werden. Ein wie die Beschwerdeführerin in der Rechtsform einer Personengesellschaft geführtes Bankunternehmen kann aber durch das körperschaftsteuerliche und bewertungsrechtliche Sparkassenprivileg, soweit es sich vermögensteuerlich auswirkt, in seiner Wettbewerbsfähigkeit nicht wesentlich getroffen werden. Vielmehr erscheint eine als Personenunternehmen geführte Bank gegenüber Sparkassen nur bei der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag (§ 11 Abs. 4 Ziff. 1 GewStG) und nach dem Gewerbekapital (§ 12 GewStG, § 109 a BewG) schlechtergestellt. Es ist jedoch nicht ernsthaft zu bezweifeln, daß die entsprechende Besserstellung der Sparkassen gegenüber Privatbanken durch die den Sparkassen im Interesse des öffentlichen Wohls auferlegten Pflichten und Lasten sachlich hinreichend gerechtfertigt ist.

Der Gesetzgeber durfte berücksichtigen, daß die Sparkassen sich in besonderem Maße der Kreditgewährung bei kommunalen Investitionen und im sozialen Wohnungsbau widmen. Diese Aufgaben können durch § 11 Abs. 4 Ziff. 1 GewStG zulässigerweise gefördert werden, solange gewährleistet ist, daß die Sparkassen die durch das Gewerbesteuerprivileg vermittelten Vorteile an die Träger der kommunalen Investitionen und des sozialen Wohnungsbaues weitergeben, indem sie bei der Vergabe der Kredite in diesen nicht oder wenig rentierlichen Bereichen durch entsprechende Festlegung der Zinskonditionen auf Gewinnmaximierung verzichten. Der Gesetzgeber des Zweiten Steueränderungsgesetzes 1967 konnte auch davon ausgehen, daß die Sparkassen die ihnen aufgetragenen Aufgaben bei der Vergabe kommunaler und dem sozialen Wohnungsbau dienender Kredite erfüllen werden, da sie unter Staatsaufsicht stehen und in den Organen der Sparkassen Kommunalbeamte mitwirken. Gewinnsteuerprivilegien sind auch nicht gänzlich ungeeignet, das angestrebte Ziel zu erreichen. Die Gewerbeertragsteuer kann angesichts der proportionalen Steuersätze unschwer bei der Kalkulation berücksichtigt werden, was in der Praxis auch geschieht, so daß bei der Kalkulation der den Kreditnehmern in Rechnung gestellten Zinsen sich Gewinnsteuern ähnlich wie Kostenfaktoren auswirken. Die Sorge des Gesetzgebers des Zweiten Steueränderungsgesetzes 1967, der Wegfall der Sparkassenprivilegien würde zu einem Zinsauftrieb führen und damit die kommunalen Investitionen und den sozialen Wohnungsbau gefährden, ist nicht von der Hand zu weisen. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß der Wettbewerb im Bereich der Kreditversorgung der Gemeinden und des sozialen Wohnungsbaues zwischen Sparkassen und Geschäftsbanken nicht sehr intensiv ist.

Allerdings genießen die Sparkassen das Gewinnsteuerprivileg des § 11 Abs. 4 Ziff. 1 GewStG generell, auch soweit die Gewinne bei der Vergabe von Krediten zu kreditmarktüblichen Bedingungen an die gewerbliche Wirtschaft oder an private Haushalte anfallen. Zu den satzungsgemäßen Aufgaben der Sparkassen gehört auch die Kreditgewährung an den Mittelstand und an die wirtschaftlich schwächeren Bevölkerungskreise. In diesem Bereich stehen Sparkassen in lebhaftem Wettbewerb mit den Geschäftsbanken (Nipperdey-Schneider, Die Steuerprivilegien der Sparkassen, 1966, S. 39). Dennoch erscheint das Gewerbesteuerprivileg – jedenfalls im Jahr 1968 – durch die den Sparkassen auferlegten Geschäftsbeschränkungen sachlich gerechtfertigt, denn die Sparkassen unterliegen bei der Vergabe von Großkrediten an die Wirtschaft gewissen rechtlichen und auch tatsächlichen Beschränkungen. In diesem Zusammenhang durfte der Gesetzgeber berücksichtigen, daß die Sparkassen bei Inkrafttreten des Zweiten Steueränderungsgesetzes 1967 im Großkreditgeschäft insgesamt weit weniger stark engagiert waren als die Geschäftsbanken. Das ist eine mittelbare Folge davon, daß es den Sparkassen verwehrt ist, Beteiligungen an Wirtschaftsunternehmen für eigene Rechnung zu erwerben. Wenn dieses Verbot inzwischen – nach 1968 – gelockert wurde, so mag das Anlaß geben, die Sparkassenprivilegien insoweit zu überprüfen, ohne daß dadurch die Rechtmäßigkeit des Gewerbesteuerprivilegs 1968 in Frage gestellt werden könnte. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß das Beteiligungsverbot die Sparkassen im Großkreditgeschäft und bei der Industriefinanzierung erheblich behindert. Den Geschäftsbanken dagegen, die Beteiligungen an Wirtschaftsunternehmen innehaben, verschafft gerade das Steuerrecht besondere Gewinnmöglichkeiten: Durch das geltende Körperschaftsteuerrecht wird die Eigenfinanzierung der in der Form von Kapitalgesellschaften geführten Wirtschaftsunternehmen zugunsten der Fremdfinanzierung benachteiligt, weil Dividenden nicht, wohl aber Kreditzinsen als Betriebsausgaben den Gewinn und die gewinnabhängigen Steuern mindern (wenn auch letztere, sofern es sich um Dauerschuldzinsen handelt, für die Bemessung der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag wieder hinzugerechnet werden). Über das Halten entsprechender Beteiligungen können Geschäftsbanken erreichen, daß die von ihnen beeinflußten Unternehmen den Fremdkreditbedarf und damit ihren wesentlichen Finanzbedarf bei ihnen decken. Zusätzliche Möglichkeiten bietet das Depot-(Vollmacht-)Stimmrecht der Banken, das zwar den Sparkassen in gleicher Weise zusteht, von ihnen aber kaum genutzt werden kann, da die Sparkassenkundschaft nur insgesamt unbedeutende Aktiendepots unterhält. Der Gesetzgeber konnte 1967 angesichts des in der Konzentrations-Enquête ausgebreiteten Tatsachenmaterials (Bericht des Bundesamts für gewerbliche Wirtschaft über das Ergebnis einer Untersuchung der Konzentration in der Wirtschaft vom 29. Februar 1964 – BTDrucks. IV/2320 – S. 35 – 44) davon ausgehen, daß die Geschäftsbanken in der Industriefinanzierung absolut führend sind und Sparkassen dem etwas Gleichwertiges aus eigener Kraft nicht entgegenzusetzen haben. Angesichts dieser Wettbewerbsvorteile der Geschäftsbanken gegenüber Sparkassen (und Kreditgenossenschaften) ist das den Sparkassen (und Kreditgenossenschaften) eingeräumte Gewerbesteuerprivileg – jedenfalls 1968 – verfassungsrechtlich unbedenklich.

Im übrigen hat der Gesetzgeber des Zweiten Steueränderungsgesetzes 1967 die überkommenen Steuerprivilegien der Sparkassen drastisch reduziert. Er konnte dabei davon ausgehen, daß die den Sparkassen in Zukunft vorerst belassenen Steuervorteile im großen und ganzen zum Ausgleich der ihnen im Interesse des öffentlichen Wohls aufgebürdeten Lasten benötigt werden. Es muß ihm die Möglichlichkeit gegeben werden, mit den Steuerprivilegien neuer Art Erfahrungen zu sammeln und die Entwicklung des Sparkassenwesens abzuwarten (BVerfGE 37, 171 [189]). Bei überproportionalem Wachstum der Sparkassen gegenüber den Geschäftsbanken und bei Lockerungen der den Sparkassen nach Landesrecht auferlegten Geschäftsbeschränkungen nach dem Inkrafttreten des Zweiten Steueränderungsgesetzes 1967, z.B. im Großkreditgeschäft und beim Erwerb von Beteiligungen an Wirtschaftsunternehmen für eigene Rechnung, wird der Bundesgesetzgeber laufend den Umfang der Sparkassenprivilegien zu überprüfen haben, wie dies inzwischen auch durch die weitere Einschränkung des gewerbesteuerlichen und bewertungsrechtlichen Sparkassenprivilegs durch das Vermögensteuer-Reformgesetz vom 17. April 1974 (BGBl. I S. 449) geschehen ist.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1675245

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