Entscheidungsstichwort (Thema)

Formerfordernisse einer eine Ausschlußfrist setzenden richterlichen Verfügung

 

Leitsatz (NV)

Die eine Ausschlußfrist zur Einreichung einer Prozeßvollmacht setzende Verfügung muß vom Richter unterschrieben sein und den Text der Fristsetzung enthalten

 

Normenkette

VGFGEntlG Art. 1 § 1

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine französische Aktiengesellschaft, ist an einer deutschen GmbH still beteiligt. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Beklagten) die teilweise Erstattung der auf ihren Ertrag aus der stillen Beteiligung einbehaltenen Kapitalertragsteuer. Der von dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin beim Finanzgericht (FG) eingereichten Klageschrift war eine schriftliche Vollmacht nicht beigefügt. Wie sich aus den FG-Akten ergibt, erließ der Vorsitzende Richter des zuständigen Senats des FG am 11. August 1980 eine von ihm mit Namenszeichen unterzeichnete Verfügung, in der es u. a. hieß,

,,3. Schreiben an Bev. d. Kl.

mit Vordruck 2.61

(Vollmachtanforderung nach Art. 3 § 1 VG u. FG (EntlastG) mit PZU (Durchschrift der Reinschrift zu den FG-Akten) ohne Zusatz: trotz schriftlicher Anordnung.

Frist: 4 Woche(n)/nach Zustellung der Verfügung."

Das dem Prozeßbevollmächtigten am 19. August 1980 zugestellte Schriftstück mit Datum vom 18. August 1980 hatte folgenden Wortlaut:

,,In dem o. a. Rechtsstreit haben Sie bisher die nach § 62 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderliche schriftliche Vollmacht dem Gericht nicht eingereicht.

Gemäß Artikel 3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 (Bundesgesetzblatt 1978 I, 446, Bundessteuerblatt 1978, I, 174) fordere ich Sie auf, nunmehr innerhalb von 4 Woche(n)/nach Zustellung dieser Verfügung die schriftliche (Original-)Vollmacht einzureichen.Wird diese Frist nicht eingehalten, muß die Klage allein aus diesem Grunde als unzulässig abgewiesen werden, falls nicht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kommt.

Hochachtungsvoll

(Name)

Richter am Finanzgericht

beglaubigt:

Siegel und Namenszeichen."

Die Vollmacht wurde am 24. September 1980 von dem Präsidenten des Verwaltungsrats der Klägerin unterzeichnet und ging am 3. Oktober 1980 über die deutsche GmbH und die Prozeßbevollmächtigten beim FG ein. Die Prozeßbevollmächtigten hatten bereits im Vorverfahren eine schriftliche Vollmacht der Klägerin mit Datum vom 31. Mai 1979 zu den Akten des Beklagten gereicht. Diese Akten wurden vom FG am 26. März 1981 angefordert und gingen ihm am 13. April 1981 zu.

Das FG wies die Klage als unzulässig ab.

Mit der Revision rügt die Klägerin, daß ihr das rechtliche Gehör verweigert worden sei, da sie als angeblich Vertretene nicht zur mündlichen Verhandlung geladen worden sei, und daß das angegriffene Urteil auf eben dieser mündlichen Verhandlung beruhe.

Desweiteren rügt sie, daß das FG die Vorschriften über die Einreichung der Vollmacht (§ 62 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. Art. 3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit - VGFGEntlG -) falsch ausgelegt habe, die Vollmacht demnach als nicht rechtzeitig beigebracht angesehen und zu Unrecht eine beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Entgegen der Ansicht des FG war die Klägerin mit dem Nachweis einer Prozeßvollmacht durch die Verfügung des Vorsitzenden des zuständigen Senats des FG vom 11. August 1980 nicht gemäß Art. 3 § 1 VGFGEntlG wirksam ausgeschlossen worden. Die die Ausschlußfrist für die Vorlage der Vollmacht setzende Verfügung vom 11. August 1980 genügte nicht den Erfordernissen einer wirksamen Fristsetzung. Die Verfügung ist zwar vom zuständigen Richter unterschrieben, sie enthält jedoch nicht den Text der Fristsetzung, sie verweist vielmehr nur auf den Vordruck 2.61 (der selbst nicht Bestandteil der Verfügung oder auch nur der Prozeßakten ist). Infolgedessen stellt das den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zugestellte Schriftstück keine wortgleiche Ausfertigung dar; es enthält vielmehr erstmals den Text der Fristsetzung, ohne durch die Unterschrift des Berichterstatters gedeckt zu sein (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. April 1983 V R 4/80, BFHE 138, 21, BStBl II 1983, 421). Mangels einer wirksamen Fristsetzung nach Art. 3 § 1 VGFGEntlG kann die Klägerin den nach § 62 Abs. 3 FGO gebotenen schriftlichen Nachweis, daß ihr früherer Prozeßbevollmächtigter die Klage aufgrund einer Vollmacht erhoben habe, noch jetzt nachholen und damit die fehlende Prozeßvoraussetzung noch erfüllen. Dazu muß der Klägerin durch Aufhebung des angefochtenen Prozeßurteils und Zurückverweisung der Sache an das FG Gelegenheit gegeben werden.

 

Fundstellen

BFH/NV 1986, 687

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