Leitsatz (amtlich)

Wird bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Abzug von Dauerlasten geltend gemacht, die mit der Einräumung eines Wassernutzungsrechts im Zusammenhang stehen, so ist zu prüfen, ob nach den getroffenen Vereinbarungen diese Dauerlasten als Anschaffungskosten des Wassernutzungsrechts anzusehen sind. Ist dies zu bejahen, so ist das Wassernutzungsrecht mit dem Wert dieser Dauerlasten vom jeweiligen Bewertungsstichtag anzusetzen.

 

Normenkette

BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 66

 

Tatbestand

Der Kläger ist ein Zweckverband, der von fünf Landkreisen getragen wird und der ein Wasserwerk betreibt, das der öffentlichen Wasserversorgung dient. Das FA stellte durch den vorläufigen Bescheid vom 24. Januar 1964 den Einheitswert des gewerblichen Betriebs des Klägers zum 1. Januar 1962 fest. In diesem Einheitswert war der Teilwert des Wassernutzungsrechts des Wasserwerks mit 270 000 DM angesetzt. Diesen Wert ermittelte das FA dadurch, daß es von den mit dem Wassernutzungsrecht im Zusammenhang stehenden Dauerlasten, die der Kläger in der Erklärung zur Bewertung der Wassernutzung vom 10. Oktober 1962 geltend gemacht hatte und die das FA mit 288 000 DM bei der Einheitswertfeststellung nach Abschn. 17 Buchst. b der Wassernutzungsrichtlinien 1960 (im folgenden: WNR) vom Rohvermögen abgezogen hatte, 270 000 DM als Anschaffungskosten des Wassernutzungsrechts ansah und nach Abschn. 6 Buchst. d WNR ansetzte. Der Einspruch, mit dem der Kläger einwandte, die Dauerlasten seien keine Anschaffungskosten des Wassernutzungsrechts, sondern Benutzungsgebühren, hatte keinen Erfolg. Auf Grund von Feststellungen anläßlich einer zwischenzeitlich durchgeführten Betriebsprüfung erhöhte das FA in der Einspruchsentscheidung den Einheitswert und erklärte die Einheitswertfeststellung für endgültig.

Auf die Klage setzte das FG den Einheitswert herab. Das FG führte im wesentlichen aus: Das FA habe zutreffend die Verpflichtung des Klägers zur unentgeltlichen Wasserversorgung der Gemeinde A, zur Unterhaltung des Mühlweges sowie zur Reinigung der Bäche und Gräben in Höe von 288 000 DM als Dauerlasten im Sinne des Abschn. 17 Buchst. b Abs. 1 WNR nach § 62 BewG durch Abzug vom Rohvermögen berücksichtigt. Das FA habe jedoch zu Unrecht Dauerlasten in Höhe von 270 000 DM als im Zusammenhang mit der Einräumung des Wassernutzungsrechts stehend angesehen und sie nach den Abschn. 6 Buchst. d, 17 Buchst. b Abs. 2 WNR auch als Rechnungsposten für das Wassernutzungsrecht angesetzt. Die Verpflichtung zur unentgeltlichen Wasserlieferung an die Einwohner der Gemeinde A sowie zur Unterhaltung des Ortsnetzes A und des Mühlweges ständen nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Einräumung des Wassernutzungsrechts. Sie ständen vielmehr im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grund und Bodens von der Gemeinde A und den Eheleuten B durch den Rechtsvorgänger des Klägers im Jahre 1907. Der Rechtsvorgänger des Klägers habe in dem Kaufvertrag mit der Gemeinde A neben einem Barkaufpreis von 70 000 RM zwar die Verpflichtung zur unentgeltlichen Wasserversorgung der Gemeindeeinwohner übernommen. Hieraus folge jedoch nicht, daß die Übernahme dieser Verpflichtung das Entgelt für die Übertragung des Wassernutzungsrechts sei, während allein der Barkaufpreis die Gegenleistung für den Erwerb des Grund und Bodens darstelle, wie das FA vortrage. Nach bürgerlichem Recht sei bei der Bestimmung des Kaufpreises die Vereinbarung von Nebenleistungen, die auch in beliebigen Sachleistungen bestehen könnten, nicht ausgeschlossen. Barkaufpreis und geldwerte Nebenleistungen ergäben dann zusammen den Kaufpreis im Sinne des § 433 Abs. 2 BGB. Die Vereinbarung von Nebenleistungen rechtfertige aber keineswegs den Schluß, ihr Wert sei das besondere Entgelt für die Einräumung des Wassernutzungsrechts. Bei der Auslegung eines Vertrages sei nach Möglichkeit der Wille der Vertragsparteien zu erforschen. Könne er nicht mit Sicherheit ermittelt werden, so sei aus dem Wortlaut des Vertrages sowie aus den gesamten Umständen diejenige Deutung zu wählen, welche die größte Wahrscheinlichkeit für sich habe. Der wahre Wille und die Vorstellungen der damaligen Vertragsparteien könnten nicht mehr festgestellt werden. Es sei zweifelhaft und aus dem Vertrag nicht ersichtlich, ob man seinerzeit bei der Festlegung des Kaufpreises an das Wassernutzungsrecht als an einen besonderen Rechnungsposten überhaupt gedacht habe. Es lasse sich aus dem Vertragswortlaut nicht entnehmen, daß durch die Nebenleistungen eine Übertragung des Wassernutzungsrechts besonders abgegolten werden sollte. Es lasse sich nicht feststellen, daß für die Übertragung des Wassernutzungsrechts ein bestimmter Betrag im Rahmen des Kaufpreises von den damaligen Vertragsparteien angesetzt worden sei. Es bedürfe deshalb keiner Erörterung der Frage, ob der damalige Preis je qm angemessen gewesen sei. Das FA habe, da die Anschaffungskosten nicht bekannt seien, das Wassernutzungsrecht nicht nach Abschn. 6 Buchst. d, 17 Buchst. b Abs. 2 WNR abweichend von den Pauschsätzen ansetzen dürfen. Das Wassernutzungsrecht sei vielmehr nach Abschn. 6 Buchst. b WNR mit 3 750 DM zu bewerten.

Mit der Revision beantragt das FA, unter Aufhebung des FG-Urteils die Klage als unbegründet abzuweisen. Es wird Verletzung des § 1 Abs. 2 und 3 StAnpG in Verbindung mit §§ 12 und 54 BewG gerügt.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er hält die Vorentscheidung für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß eine ausgebaute und in Betrieb befindliche Wassernutzungsanlage ein einheitliches Wirtschaftsgut ist, das als Bestandteil das Wassernutzungsrecht und alle technischen zur Ausübung des Wassernutzungsrechts gehörenden Anlagen umfaßt. Diese Auffassung hat der erkennende Senat unter Hinweis auf das Urteil des RFH III A 217/29 vom 20. März 1930 (RStBl 1930, 393) in dem Urteil III 60/65 vom 14. Februar 1969 (BFH 95, 330, BStBl II 1969, 394) vertreten. Er hat dort ausgeführt, daß eine solche Wassernutzung, wenn sie dem Betrieb eines Gewerbes als Hauptzweck dient, im Rahmen der Einheitswertfeststellung dieses Gewerbebetriebs zu bewerten ist, wobei die einzelnen zu der Wassernutzungsanlage gehörenden Teile mit den für sie nach § 66 BewG maßgebenden Werten angesetzt werden. In diesem Urteil hat der Senat auch die Anweisungen in Abschn. 17 Buchst. b und Abschn. 6 Buchst. d WNR gebilligt.

Nach diesen Anordnungen soll bei Unternehmen, die einen Abzug von Dauerlasten geltend machen, geprüft werden, ob die Übernahme der Dauerlasten im Zusammenhang mit der Einräumung des Wassernutzungsrechts steht. Ist das der Fall, so sollen die Dauerlasten nach Maßgabe des Abschn. 6 Buchst. d WNR auch als Rechnungsposten für das Wassernutzungsrecht angesetzt werden. In Abschn. 6 Buchst. d WNR ist angeordnet, daß abweichend von der sonst üblichen pauschalen Bewertung des Wassernutzungsrechts (vgl. Abschn. 6 Buchst. a bis c WNR) für das Wassernutzungsrecht ein Ansatz in Höhe der tatsächlichen Anschaffungskosten in Betracht kommen kann, wenn diese bekannt sind. Der Sinn dieser Anordnung ist offensichtlich der, zu verhindern, daß durch den Abzung der Dauerlasten, die mit der Wassernutzung im Zusammenhang stehen, sich ein negativer Wert für das Wassernutzungsrecht ergibt. Es greift hier die auch im Bilanzsteuerrecht geltende Vermutung ein, daß der Teilwert eines Wirtschaftsguts in der Regel nicht unter dem Betrag liegt, der für seinen Erwerb aufgewendet worden ist. Das bedeutet allerdings nicht, wie das FA anzunehmen scheint, daß der Teilwert des Wassernutzungsrechts in jedem Fall gleich dem Kapitalwert der damit in Zusammenhang stehenden Dauerlasten ist. Andererseits ist entgegen der Auffassung des Klägers aber auch nicht aus dem Wortlaut des Abschn. 6 Buchst. d WNR, daß die Anschaffungskosten "bekannt" sein sollen, zu schließen, daß ihre Höhe sich aus den Unterlagen, insbesondere aus den beim Erwerb des Wassernutzungsrechts getroffenen Vereinbarungen, auf den Pfennig genau ergeben muß. Es genügt, daß sich aus den getroffenen Vereinbarungen ergibt, daß überhaupt für das Wassernutzungsrecht ein Anschaffungspreis gezahlt worden ist. Der Wert des Wassernutzungsrechts richtet sich dagegen, wie auch der Prozeßbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, nicht nach der Höhe des Anschaffungspreises zur Zeit der Anschaffung. Er ist vielmehr nach den Verhältnissen des Stichtages zu ermitteln, auf den das Wassernutzungsrecht bewertet werden soll.

2. Die hier in Betracht kommenden Dauerlasten hat der Rechtsvorgänger des Klägers in dem im Jahre 1907 abgeschlossenen Vertrag mit der Gemeinde A übernommen. In diesem Vertrag hat die Gemeinde A an den Rechtsvorgänger des Klägers Wiesengrundstücke in einer Größe von insgesamt 249 801 qm verkauft. Als Kaufpreis wurde ein Betrag von 70 000 Mark vereinbart. Das FG sieht die übernommenen Dauerlasten als Nebenleistungen an, deren Geldwert zusammen mit dem Barkaufpreis den Kaufpreis im Sinne des § 433 Abs. 2 BGB ergebe. Das FG hält es für zweifelhaft und aus dem Vertrag nicht ersichtlich, ob man seinerzeit bei der Festlegung dieses Kaufpreises überhaupt an das Wassernutzungsrecht als an einen besonderen Rechnungsposten gedacht hat. Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Das FG berücksichtigt nicht, daß nach dem bei Vertragsabschluß bestehenden Rechtszustand das auf einem Grundstück entspringende oder darauf sich natürlich sammelnde Wasser, solange es von dem Grundstück nicht abgeflossen ist, im privaten Eigentum des Grundstückseigentümers stand (vgl. Art. 5 Nr. 2 des Hessischen Bachgesetzes vom 30. Juli 1887 in der Fassung vom 30. September 1899, Hessisches Regierungsblatt 1889 S. 758). Der Eigentümer konnte über das in seinem Grundstück vorkommende unterirdische Wasser nach seinem Belieben verfügen. Die Beschränkungen der Art. 145a bis c und die Erlaubniserteilung nach Art. 145d des Hessischen Bachgesetzes in der Fassung vom 1. Juli 1957 (Hessisches GVBl 1957, 77) sind erst durch § 14 des Hessischen Wasseränderungsgesetzes vom 16. April 1957 (Hessisches GVBl 1957, 50) eingeführt worden. Die Vertragsparteien müssen sich deshalb bewußt gewesen sein, daß mit dem Eigentum an den Grundstücken auch das Eigentum an dem auf den Wiesenflächen liegenden Quellgebiet auf den Erwerber überging. Das geht entgegen der Auffassung des FG auch aus dem Wortlaut des Vertrages mit der Gemeinde A hervor, so z. B. aus der Erklärung der Gemeinde A, sie sei damit einverstanden, daß das auf dem verkauften Grund und Boden zu gewinnende Wasser in beliebiger Menge seitens des Käufers abgeleitet werde. Es ergibt sich auch aus der Vereinbarung, daß die Gemeinde die unentgeltliche, volle und dauernde Nutzung für alle Zeiten an den vom Rechtsvorgänger des Klägers erworbenen Grundstücken haben solle, soweit sie nicht für das zu errichtende Wasserwerk benutzt werden, wobei davon ausgegangen wurde, wie sich aus Nr. 18 des Vertrages ergibt, daß für das Wasserwerk nur 25 Morgen der von der Gemeinde A erworbenen Grundstücksfläche benutzt werden würden. Da die Vorentscheidung dies verkannt hat, war sie aufzuheben.

3. Der Senat hält die Sache für spruchreif. Er geht dabei davon aus, daß für die erworbenen Grundstücke nach Lage der Sache auf keinen Fall mehr als der vereinbarte Barpreis von 70 000 RM gezahlt worden sein kann. Es kann dabei außer Betracht gelassen werden, daß dieser Kaufpreis zunächst gestundet war und daß in den Verträgen für gewisse Parzellen von einem Preis von 1 RM pro qm die Rede ist. Setzt man den Barpreis voll mit 70 000 RM an, so ergibt sich für die erworbene Fläche ein Durchschnittspreis von 28 Pfennigen pro qm. Dieser Preis ist nach Auffassung des Senats nach den damaligen Verhältnissen sehr hoch gegriffen, wie auch ein Vergleich mit den vom FA ermittelten Kaufpreisen aus der damaligen Zeit zeigt. Trotzdem hat der Senat keine Bedenken, diesen Barpreis als höchstens auf den Grund und Boden entfallenden Teil des Gesamtkaufpreises anzuerkennen. Das hat zur Folge, daß der andere Teil des Gesamtkaufpreises, die übernommenen Dauerlasten, mindestens als Anschaffungskosten des Wassernutzungsrechts anzusehen sind. Das FA hat den Wert dieser Dauerlasten zum Stichtag vom 1. Januar 1962 mit 270 000 DM errechnet. Der Kläger hat gegen diese Berechnung keine Einwendungen erhoben. Das FG hat sie für zutreffend erachtet. Auch der Senat hat gegen sie keine Bedenken. Deshalb ist die Klage als unbegründet abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413021

BStBl II 1972, 166

BFHE 1972, 81

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