Leitsatz (amtlich)

1. Das FG ist auch dann ordnungsmäßig besetzt, wenn bei einem Urteil ein Richter kraft Auftrags mitwirkt.

2. Ein mit dem Vorsitzenden und vier beisitzenden Richtern besetzter Senat eines FG ist nicht überbesetzt.

 

Normenkette

DRiG §§ 15-16, 22-23; Bremer RiG §§ 7-8, 12; FGO § 119 Nr. 1, § 15; DRiG §§ 8, 12-14

 

Gründe

Aus den Gründen:

Die Revisionsklägerin meint, das FG sei nicht ordnungsmäßig besetzt gewesen, weil bei der Urteilsfällung ein Richter kraft Auftrags (k. A.) mitgewirkt habe. Denn bei einem FG handle es sich um die letzte Tatsacheninstanz, es habe also den Chrakter eines Oberlandesgerichts (OLG), bei dem keine Richter k. A. beschäftigt werden dürften. Dem kann der Senat nicht zustimmen. Das Deutsche Richtergesetz (DRiG) sieht das Amt des Richters k. A. ausdrücklich vor (§§ 8, 14-16, 23 DRiG). Dieses Amt ähnelt dem des Richters auf Probe (§§ 8, 12, 13, 22 DRiG). In beiden Fällen ist das Ziel der Einberufung zum Richteramt, daß der Betreffende später als Richter (beim Richter auf Probe auch als Staatsanwalt) auf Lebenszeit verwendet werden soll. Es soll also erprobt werden, ob er sich für das Amt des Richters eignet. Der Richter k. A. ist dabei vor der Berufung bereits Beamter auf Lebenszeit. Durch die Schaffung des früher unbekannten Amts des Richters k. A. soll der Übergang aus dem Beamtenverhältnis in das Richterverhältnis erleichtert werden. Insbesondere Gerichtszweige, die den Personalbedarf weitgehend oder doch zum Teil aus der Verwaltung decken und wegen des erforderlichen Fachwissens auch decken müssen, bedürfen dieser Möglichkeit der Erprobung erfahrener Beamter auf ihre Eignung für das andersgeartete Richteramt. Bedenken verfassungsrechtlicher Art können hiergegen nicht erhoben werden (vgl. auch BVerfGE 14, 156, 164). Es würde der Güte der Rechtsprechung nicht förderlich sein, wenn jeder Gerichtszweig gezwungen wäre, ohne jede Erprobung junge Assessoren oder auch im Verwaltungsdienst erfahrene Beamte auf Lebenszeit ins Richterverhältnis zu berufen. Da es in der Finanzgerichtsbarkeit nur die FG als erste und letzte Tatsacheninstanz gibt, kann gerade bei ihr auf die Einberufung von Richtern k. A. nicht verzichtet werden. Der Senat hält daher - entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin - § 15 FGO, der die Besetzung der FG mit Richtern k. A. gestattet, nicht für verfassungswidrig.

Es ist der Revisionsklägerin zuzugeben, daß ein Richter k. A. nicht das volle Maß persönlicher Unabhängigkeit genießt, weil er sowohl hinsichtlich der endgültigen Übernahme ins Richteramt als auch hinsichtlich einer Rückübernahme in die Verwaltung in gewisser Beziehung auf das Wohlwollen der Verwaltung angewiesen ist. Das gehört aber, wie ausgeführt, zu den unvermeidbaren Beeinträchtigungen der Unabhängigkeit des Richters. Um sie so klein wie möglich zu halten, muß ein Richter k. A., deren nur einer bei einer Entscheidung mitwirken darf (§ 29 DRiG), nach spätestens zwei Jahren zum Richter ernannt oder einem Richterwahlausschuß zur Wahl vorgeschlagen werden, falls er nicht vorher schon als ungeeignet entlassen wurde (§§ 16, 23, 22 Abs. 1 DRiG). In Bremen müssen alle Richter auf Lebenszeit gewählt werden (§ 7 Abs. 1 des Bremer Richtergesetzes - BrRiG - vom 15. Dezember 1964, Bremer Gesetzblatt 1964 S. 187). Dem Wahlausschuß gehören fünf von der Bürgerschaft gewählte, drei vom Senat bestellte und drei von den Bremer Richtern gewählte Mitglieder an (§ 8 BrRiG). Bei der Wahl ist eine etwaige unsachgemäße Einflußnahme der Verwaltung weitgehend ausgeschaltet, zumal da beratend auch ein Vertreter der Rechtsanwaltschaft und der Präsident des FG zuzuziehen sind (§ 12 BrRiG). Insgesamt ist also gerade in Bremen die unvermeidbare Beeinträchtigung der persönlichen Unabhängigkeit eines Richters k. A. auf ein Mindestmaß beschränkt. Die Meinung der Revisionsklägerin, man könne Anwärter auf das Richteramt in einem anderen Bundesland erproben, erscheint angesichts der föderalistischen Struktur der Bundesrepublik Deutschland kaum praktikabel.

Endlich kann der Revisionsklägerin auch nicht beigepflichtet werden, wenn sie meint, das Gericht sei deshalb nicht ordnungsmäßig besetzt gewesen, weil der Präsident des FG zwei Senaten vorgesessen habe, er also nicht in der Lage gewesen sei, seine Aufgabe, die Rechtsprechung richtunggebend zu beeinflussen und für ihre Einheitlichkeit und Güte Sorge zu tragen, zu erfüllen. Aus dem Geschäftsverteilungsplan ergibt sich, daß beim FG Bremen nur ein Senat bestand, der mit dem Präsidenten als Vorsitzenden und vier beisitzenden Richtern besetzt war. Das ist eine normale Überbesetzung, die im Interesse der Kontinuität der Rechtsprechung eines Spruchkörpers sogar erwünscht sein kann (BVerfGE 18, 344, 349, 350). Nach dem Geschäftsverteilungsplan führte der Präsident grundsätzlich den Vorsitz, wenn auch die Besetzung nach Materien, die von vorneherein im Geschäftsverteilungsplan festgelegt waren, verschieden war. Die Bildung zweier personell voneinander verschiedener Sitzgruppen war nicht möglich. Es ist nichts dafür vorgetragen, daß sich der Präsident in einem Ausmaß hätte vertreten lassen, das ihm die Geltendmachung seines Einflusses auf die Rechtsprechung des Senats in der einen oder der anderen Besetzung unmöglich gemacht hätte (vgl. hierzu z. B. die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BGHZ 37, 210, in der der BGH verlangt, daß der Vorsitzende in mindestens 75 % aller Sachen mitentscheidet), oder daß die Zahl der Beisitzer so groß gewesen wäre, daß er überlastet und daher zur Ausübung seiner Pflichten nicht mehr in der Lage gewesen wäre. (Der BGH sah in BGHZ 20, 355 eine Überlastung regelmäßig bei mehr als sechs voll einsatzfähigen Beisitzern als gegeben an.)

 

Fundstellen

Haufe-Index 68337

BStBl II 1969, 37

BFHE 1968, 506

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