Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vereinbarung zwischen Reedern, gewisse Schäden und Kosten, die einem von ihnen durch ein Schiff entstehen können, gemeinsam zu tragen, begründet ein Versicherungsverhältnis.

Enthält ein derartiges Versicherungsverhältnis die Vereinbarung, daß für die Dauer des Liegens eines Schiffes in einem sicheren Hafen das Versicherungsentgelt nur in einer bestimmten, geringeren Höhe geschuldet ist, und wird auf Grund dieser Vereinbarung wegen des Liegens des Schiffes in einem sicheren Hafen das zunächst gezahlte Versicherungsentgelt in der vereinbarten Höhe zurückerstattet, dann ist der Erstattungsanspruch nach § 10 Abs. 1 VersStG gegeben.

 

Normenkette

VersStG § 10

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei einer vertraglich vereinbarten Beitragsrückzahlung wegen Verringerung des Wagnisses die auf den zurückgezahlten Betrag entfallende Versicherungsteuer erstattet werden kann.

Die Bgin. ist Mitglied eines aus Reedern bestehenden Versicherungsvereins, dessen Zweck darin besteht, die Mitglieder gegen Haftpflichtansprüche Dritter zu schützen. Es handelt sich dabei um einen sogenannten P.- & I.-Club (Schutz- und Schadloshaltungsverband), wobei der P.-Club Risiken aus Personenschäden, Kollisionsschäden mit anderen Schiffen und Hafenanlagen, Quarantänekosten usw. und der I.-Club Ladungsschäden versichert. Die Mitglieder des P.-Clubs und die Mitglieder des I.-Clubs bilden je eine besondere Gruppe innerhalb des Vereins. Die Versicherungsbedingungen des I.-Clubs (im folgenden Verein genannt) enthalten unter Nr. 21 (in deutscher übersetzung) folgende Bestimmung:

"21. Hält sich das versicherte Schiff dreißig oder mehr aufeinanderfolgende Tage in einem sicheren Hafen auf, nachdem es endgültig dort festgemacht hat (wobei dieser Zeitraum vom Ankunfts- bis zum Abreisetag unter Einschluß nur eines dieser Tage zu berechnen ist), so ist dem Mitglied eine Rückzahlung der Beiträge nach folgenden Sätzen zu bewilligen:

wenn das Schiff mit der Ladung an Bord im Hafen verbleibt: 60 % der Beiträge auf die beitragspflichtige Tonnage;

wenn das Schiff ohne Ladung, aber mit Besatzung an Bord im Hafen verbleibt: 90 % dieser Beiträge;

wenn das Schiff ohne Ladung und ohne Besatzung an Bord im Hafen verbleibt: 95 % dieser Beiträge.

Die zu leistenden Rückzahlungen werden für die gesamte Liegezeit pro rata berechnet."

Da die übrigen Versicherungsbedingungen keine Einschränkung beinhalten, ist die Rückzahlung auch dann zu leisten, wenn das Schiff einen Schaden erleidet, den der Verein zu regulieren hat. Nr. 22 der Bedingungen des P.-Clubs, auf die sich die Bgin. zunächst berief, stimmt bis auf den Prozentsatz in Buchstabe b wörtlich hiermit überein. Das bei dem Verein versicherte Schiff "L" der Bgin. hat vom 26. Januar bis 11. März 1955 in einem sicheren Hafen stillgelegen. Die Prämie und die hierauf entfallende Versicherungsteuer sind voll gezahlt worden. Die Bgin. hat vom Versicherer wegen des Stilliegens des Schiffes in zwei Teilbeträgen insgesamt 731,34 DM zurückerstattet erhalten. Nach dem Akteninhalt ist unklar, auf Grund welchen Versicherungsverhältnisses die Rückzahlung vorgenommen worden ist. In den Schriftsätzen vom 16. Februar und 27. Juni 1956 trägt die Bgin. vor, die Rückzahlungen würden auf Nr. 22 der Bedingungen des P.-Clubs fußen während sie sich in den späteren Schriftsätzen, teils ausdrücklich, teils stillschweigend auf Nr. 21 der Bedingungen des I.-Clubs stützt. In der "Nachweisung über die Zahlung des Versicherungsentgelts unmittelbar an einen ausländischen Versicherer" vom 18. Januar 1956 hat die Bgin. u. a. diese Prämienrückgabe vom Betrag der gezahlten Entgelte abgesetzt und damit im Ergebnis verlangt, die auf die Prämienrückgabe entfallende Versicherungsteuer zurückzuerstatten. Das Finanzamt beanstandete u. a. die Einbehaltung des Betrages von 36,56 DM (= 5 v. H. von 731,34 DM) und setzte die Steuer ohne Berücksichtigung des von der Bgin. behaupteten Erstattungsanspruches fest. Im Einspruchsverfahren machte diese unter Hinweis auf Nr. 22 der Versicherungsbedingungen des P.-Clubs geltend, daß es sich bei diesen Beträgen um Rückzahlung einer unverdienten Prämie handle. Das Finanzamt lehnte in der Einspruchsentscheidung diese Auffassung mit der Begründung ab, die zurückgewährte Prämie sei nicht unverdient; es handle sich um einen Fall gemäß § 10 Abs. 2 Ziff. 3 des Versicherungsteuergesetzes (VersStG) 1937, denn die Prämienrückgewähr sei ausdrücklich versichert gewesen. Auch die Versicherungswirtschaft sehe in derartigen Fällen die Prämie als verdient an.

Mit der Berufung machte die Bgin. geltend, daß kein Versicherungsverhältnis vorliege. Weiter führte die Bgin. aus, wegen des vorläufigen Charakters der Vorauszahlungen auf das Versicherungsentgelt könnten als verdient nur diejenigen Zahlungen angesehen werden, die im Ergebnis endgültig dem Verein verblieben; bei allen Rückzahlungen handle es sich somit um die Rückgabe unverdienter Versicherungsentgelte.

Das Finanzgericht bejahte das Vorliegen eines Versicherungsverhältnisses, schloß sich jedoch im übrigen der Ansicht der Bgin. an und setzte die Versicherungsteuer entsprechend heran.

 

Entscheidungsgründe

Der Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist der Erfolg zu versagen.

Mit Recht geht das Finanzgericht davon aus, daß zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern ein Versicherungsverhältnis besteht. Auch der Reichsfinanzhofs hat stets den Verein als Versicherer angesehen (vgl. Urteile II A 498/27 vom 13. Januar 1928, RStBl 1928 S. 65, Slg. Bd. 22 S. 342, und II A 262/30 vom 20. Mai 1930, RStBl 1930 S. 453).

Dem Finanzgericht ist aber auch darin zuzustimmen, daß im Streitfall die auf die zurückgezahlten Beiträge entrichtete Versicherungsteuer zu erstatten ist.

Da die Vorschrift des § 10 Abs. 2 Ziff. 3 VersStG 1937 nur auf verdiente Prämien anzuwenden ist (vgl. Urteile des erkennenden Senats II 143/54 U vom 11. Januar 1956, BStBl 1956 III S. 59, Slg. Bd. 62 S. 160, und II 132/57 U vom 7. Oktober 1959, BStBl 1959 III S. 478, Slg. Bd. 69 S. 588), muß zunächst geprüft werden, ob Beiträge, soweit sie nach Nr. 21 der Bedingungen für den I.-Club oder Nr. 22 der Bedingungen für den P.-Club erstattet worden sind, verdient waren oder ob sie nicht verdient waren. Im letzteren Fall würde die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 Ziff. 3 VersStG 1937 nicht gegeben sein, wohl aber würden die Voraussetzungen für die Anwendung der Erstattungsvorschrift des § 10 Abs. 1 VersStG 1937 vorliegen. Ob das Versicherungsentgelt verdient ist, hängt nach ständiger Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs II A 45/20 vom 16. Juli 1920, Slg. Bd. 3 S. 203, und Urteil des Bundesfinanzhofs II 132/57 U vom 7. Oktober 1959, a. a. O.) die schon auf § 206 der Bundesrats-Ausführungsbestimmungen zum Reichsstempelgesetz 1913 zurückgeht, davon ab, welches Wagnis vereinbarungsgemäß mit der Prämie gedeckt werden sollte.

Die Prüfung ergibt, daß im Gegensatz zur Auffassung des Finanzamts vorliegendenfalls die Beiträge in der Höhe, in der sie erstattet wurden, in diesem Sinne nicht als verdient anzusehen sind. Das Wagnis des Versicherers liegt nicht nur in der Höhe eines möglichen Schadens, sondern auch in der Wahrscheinlichkeit, mit der Schäden erfahrungsgemäß eintreten werden; neben anderen Umständen, wie z. B. den Unkosten des Versicherers, wird sich die Höhe eines wagnisgerechten Beitrages vor allem nach diesen beiden Faktoren richten. Der erkennende Senat hatte in seiner Entscheidung II 132/57 U vom 7. Oktober 1959 zu der Frage Stellung genommen, ob ein Anspruch auf Erstattung der Steuer gegeben ist, wenn bei der Zahlung des Versicherungsentgelts der Umfang des übernommenen Wagnisses noch nicht endgültig feststeht und auf Grund der endgültigen Feststellung das zunächst nur als vorläufig gezahlt anzusehende Versicherungsentgelt herabgesetzt wird. Im Streitfall stand zwar die maximale Höhe eines möglichen Schadens, der durch den Beitrag gedeckt werden sollte, fest, dagegen konnten der Verein und die Bgin. bei Zahlung des Versicherungsentgeltes den Grad der Schadensanfälligkeit und damit die Höhe des wagnisgerechten Beitrages noch nicht endgültig übersehen, weil die Schadensanfälligkeit davon abhing, ob das versicherte Schiff den wesentlich größeren maritimen Gefahren in dem der Beitragsfestsetzung zugrunde gelegten Umfange ausgesetzt sein würde oder nicht. Es lag somit nur die Annahme des vermutlich zu übernehmenden Wagnisses und die Festsetzung des diesem Wagnis entsprechenden Beitrages, also nur ein vorläufiger Beitrag vor. Damit war das Wagnis also nicht unter allen Umständen in dem dem Beitrag entsprechenden Umfange von dem Verein übernommen. Soweit der zunächst gezahlte Beitrag auf der Grundlage eines höheren Wagnisses festgesetzt worden ist, als er dem nachträglich festgestellten tatsächlichen Wagnis entsprach, konnte er nicht verdient gewesen sein. Es handelt sich also insoweit um die Rückgewähr unverdienter Beiträge, die unter die Vorschrift des § 10 Abs. 1 VersStG 1937 fällt.

 

Fundstellen

BStBl III 1962, 172

BFHE 1962, 459

BFHE 74, 459

StRK, VersStG:10 R 3

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