Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Die Befreiung eines Finanzrichters von der Steuerberaterprüfung setzt voraus, daß dieser fünf Jahre als Finanzrichter tätig war oder die hieran fehlende Zeit Beamter oder Angestellter des höheren Dienstes der Finanzverwaltung war und als Sachgebietsleiter oder mindestens in gleichwertiger Stellung auf dem Gebiete des Steuerwesens tätig war.

Einem Bewerber, der nicht in einem Dienststrafverfahren durch rechtskräftiges Urteil mit der Entfernung aus dem Dienst bestraft worden ist, sondern infolge strafgerichtlicher Verurteilung kraft Gesetzes aus dem Dienst ausgeschieden ist, kann die Zulassung zur Steuerberater- oder Steuerbevollmächtigtenprüfung oder die Befreiung hiervon nicht auf Grund des § 7 Abs. 2 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes versagt werden. Dagegen kann die Versagung auf Grund von § 7 Abs. 3 Nr. 1 gerechtfertigt sein.

 

Normenkette

StBerG § 7 Abs. 2 Nr. 2, § 7/3/1, § 8/1/2, § 8/3

 

Tatbestand

Der Bf. war vom 9. September 1947 bis 1951 als Betriebsprüfer für Großbetriebe, und zwar zunächst als Angestellter der Vergütungsgruppe III TOA, ab 4. Januar 1949 als Regierungsrat, von 1951 bis 1953 als Sachgebietsleiter bei einem Finanzamt und von 1953 bis 13. Mai 1955 als Finanzrichter tätig. Aus dem öffentlichen Dienst schied er kraft Gesetzes aus, weil er wegen Vergehens der Untreue in Tateinheit mit einem Vergehen des Betrugs und einem fortgesetzten Vergehen der Urkundenfälschung, sachlich zusammentreffend mit einem Vergehen gemäß § 348 Abs. 2 StGB zu einer Gesamtstrafe von einem Jahr und zwei Monaten Gefängnis sowie zu einer Geldstrafe von 300 DM verurteilt worden war.

Sein Gesuch vom 8. Oktober 1962 um Befreiung von der Steuerberaterprüfung wurde vom Zulassungsausschuß beim Finanzministerium abgelehnt, weil er durch seine strafgerichtliche Verurteilung aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden sei und daher nicht bessergestellt werden könne als ein Beamter, der durch Disziplinarurteil aus dem Dienst entfernt worden sei und infolgedessen nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (Steuerberatungsgesetz) vom 16. August 1961 (BGBl I S. 1301) nicht zur Prüfung zugelassen und auch nicht von der Prüfung befreit werden könne (ß 8 Abs. 3).

Die Berufung des Bf. wurde als unbegründet zurückgewiesen, und zwar hielt die Vorinstanz eine Befreiung nicht für zulässig, weil der Bf. nicht fünf Jahre als Sachgebietsleiter oder in gleichwertiger Stellung auf dem Gebiet des Steuerwesens tätig gewesen sei, wie § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes verlange, denn die Tätigkeit als Großbetriebsprüfer sei der eines Sachgebietsleiters nicht gleichwertig.

Mit seiner Rb. macht der Bf. folgendes geltend: Bei seiner Ernennung zum Regierungsrat am 4. Januar 1949 sei er der Betriebsprüfungsstelle als stellvertretender Leiter zugeteilt worden und habe Sonderaufgaben erhalten, für die ihm mehrere Prüfer unterstellt worden seien. Wäre dies dem Finanzgericht bekannt gewesen, hätte es die Gleichwertigkeit dieser Tätigkeit mit der eines Sachgebietsleiters nicht verneinen können. § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes könne nur so ausgelegt werden, daß der Nebensatz mit dem Erfordernis einer fünfjährigen Tätigkeit als Sachgebietsleiter oder dergleichen sich nicht auf Finanzrichter beziehe. Die Nichtbenennung der Finanzrichter in § 5 Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes wäre unverständlich, wenn der Gesetzgeber nicht davon ausgegangen wäre, daß beim Finanzrichter die Voraussetzungen für die prüfungsfreie Zulassung in jedem Falle ohne Rücksicht auf die Länge einer vorangegangenen Dienstzeit in der Finanzverwaltung als erfüllt anzusehen seien. Nach § 6 der Geschäftsordnung für die Finanzämter seien Beamte des höheren Dienstes in jedem Falle Sachgebietsleiter, ganz gleich wie sie eingesetzt seien und ohne daß es bei ihnen einer besonderen Bestellung zum Sachgebietsleiter bedürfe. § 7 Abs. 2 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes könne nicht auf ihn - den Bf. - angewendet werden, sondern es sei die Frage der persönlichen Eignung auf Grund des Abs. 3 zu prüfen. Sein Vergehen sei ein einmaliges gewesen. Er habe die Strafe verbüßt, die Bewährungsfrist wegen der vorzeitigen Entlassung sei abgelaufen. Er habe sich seitdem nichts zuschulden kommen lassen. Es seien auch verschiedene Entscheidungen ergangen, nach denen einem straffälligen Bewerber die Zulassung nicht zeitlebens verwehrt werden solle.

Das Finanzministerium führt dazu aus: Der Vorinstanz sei darin zuzustimmen, daß die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes auch von Finanzrichtern erfüllt werden müßten. Daß der Bf. die fünfjährige qualifizierte Tätigkeit aufzuweisen habe, werde nicht bestritten. Aus dem Wortlaut, dem Gesetzeszweck und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift sei aber zu schließen, daß der Bewerber mindestens zehn Jahre im Dienste der Finanzverwaltung gestanden haben müsse, was beim Bf. bei Anrechnung der Dienstzeit in der Reichsfinanzverwaltung zutreffe. Im Streitfall käme es aber in erster Linie darauf an, daß ein Beamter, der wegen einer Bestrafung aus dem Dienst ausgeschieden sei, nicht bessergestellt werden könne als einer, der durch Disziplinarurteil entfernt sei. Der Zulassungsausschuß habe demnach zu Recht eine Prüfungsbefreiung des Bf. abgelehnt. Damit habe er aber keine Entscheidung für alle Zeiten gefällt, die im Hinblick auf § 7 Abs. 2 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes nicht vertretbar wäre. Bei Gefängnisstrafen betrage die Höchstdauer des Ehrverlustes fünf Jahre. Ein Nichtbeamter könne daher nach Ablauf dieser Frist zu den steuerberatenden Berufen zugelassen werden. § 7 Abs. 2 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes enthalte also eine einseitige Schlechterstellung der Beamten, wenn man daraus folgere, daß ein mit der Entfernung aus dem Dienst bestrafter Beamter niemals mehr Zugang zu den steuerberatenden Berufen finden dürfe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Mit Recht hat die Vorinstanz aus § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes nicht entnommen, daß die Bewerber um die Befreiung von der Steuerberaterprüfung eine zehnjährige Dienstzeit in der Finanzverwaltung aufweisen müßten. Wie der Senat in seinem Urteil VII 224/63 U vom 21. Juli 1964 (BStBl 1964 III S. 496) entschieden hat, verlangt § 8 Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes als Voraussetzung für die Befreiung von der Steuerbevollmächtigtenprüfung zwar, daß die geforderte fünfjährige Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens als Sachbearbeiter oder dergleichen innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Ausscheiden aus dem Dienst stattgefunden hat, nicht aber, daß der Bewerber eine zehnjährige Dienstzeit in der Finanzverwaltung aufzuweisen hat. Was dort für § 8 Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes ausgesprochen ist, muß aber in gleicher Weise für die Befreiung von der Steuerberaterprüfung gelten; denn soweit es um die Dauer einer qualifizierten Tätigkeit und die Zeit geht, in der sie stattgefunden haben muß, deckt sich der Wortlaut des § 8 Abs. 1 Nr. 2 mit dem des § 8 Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes.

Dagegen trifft es nicht zu, daß, wie die Vorinstanz meint, der Bf. die in § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes geforderte fünfjährige Tätigkeit als Sachgebietsleiter oder mindestens in gleichwertiger Stellung nicht aufzuweisen habe. Daß das Gesetz auch bei Finanzrichtern eine fünfjährige qualifizierte Tätigkeit verlangt, ist daraus zu entnehmen, daß diese nicht, wie die Hochschullehrer, in einer besonderen Ziffer, sondern in einer Aufzählung zusammen mit den Angehörigen des höheren Dienstes der Finanzverwaltung genannt sind, so daß die Forderung fünfjähriger qualifizierter Tätigkeit für die zusammen genannten Gruppen öffentlicher Bediensteter gilt; d. h. die Tätigkeit als Finanzrichter muß mindestens fünf Jahre betragen oder für die hieran fehlende Zeit durch eine qualifizierte Tätigkeit in der Finanzverwaltung ergänzt werden. Diese Voraussetzung wird vom Bf. erfüllt. Denn er war, bevor er Finanzrichter wurde, seit 1947 als Angestellter der Vergütungsgruppe III TOA, später als Regierungsrat als Großbetriebsprüfer tätig. Wie der Senat in seinem Urteil VII 57/63 U vom 4. Februar 1964 (BStBl 1964 III S. 279) entschieden hat, sind aber Angestellte der Vergütungsgruppe III TOA Angestellte des höheren Dienstes und sind Großbetriebsprüfer in einer der Stellung eines Sachgebietsleiters des Finanzamts gleichwertigen Stellung. Im einzelnen wird auf die Gründe dieses Urteils verwiesen.

Der Bf. war demgemäß von 1947 bis 1955, d. h. etwa acht Jahre zunächst als Angestellter oder Beamter des höheren Dienstes der Finanzverwaltung auf dem Gebiet des Steuerwesens in einer der Stellung eines Sachgebietsleiters mindestens gleichwertigen Stellung und später als Finanzrichter tätig. Diese Tätigkeit lag auch innerhalb von zehn Jahren vor seinem Ausscheiden aus dem Dienst.

Für eine Befreiung von der Steuerberaterprüfung kommt es aber weiter darauf an, ob der Bf. auch die gemeinsamen Voraussetzungen für die Prüfung nach § 7 des Steuerberatungsgesetzes, die gemäß § 8 Abs. 3 des Steuerberatungsgesetzes auch für eine Befreiung von der Prüfung gelten, erfüllt. Nach § 7 Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes ist die Zulassung zur Prüfung wegen Fehlens der persönlichen Eignung in bestimmten Fällen zu versagen, u. a. nach Nr. 2 dann, wenn der Bewerber in einem Dienststrafverfahren durch rechtskräftiges Urteil mit der Entfernung aus dem Dienst bestraft worden ist. Das liegt beim Bf. nicht vor, wohl aber ist er infolge strafgerichtlicher Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe von über einem Jahr aus dem Dienst ausgeschieden. Es ist zwar richtig, daß dieser Fall ein schwererer ist als der im Gesetz angeführte Fall der disziplinarischen Entfernung aus dem Amte. Gleichwohl bestehen Bedenken, das Ausscheiden infolge strafgerichtlicher Verurteilung der Entfernung im Disziplinarwege gleichzustellen. Denn auch der im Gesetz in § 7 Abs. 2 Nr. 1 erwähnte Fall, nämlich das Fehlen der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher ämter infolge stragerichtlicher Verurteilung, liegt an sich schwerer als der Fall in Nr. 2, weil durch Ausspruch des Gerichts die bürgerlichen Ehrenrechte aberkennt sind und dadurch die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher ämter entfallen ist (ß 34 StGB), die ein Beamter, der durch Disziplinarurteil ausscheidet, nicht verliert; auf der anderen Seite aber ist die Zulassung nur solange zu versagen, als die Aberkennung der Ehrenrechte dauert, was bei Gefängnisstrafen auf fünf Jahre beschränkt ist (ß 32 Abs. 2 StGB). Bei dieser Ungereimtheit der sich aus der gesetzlichen Regelung ergebenden Folgen - ob der lebenslängliche Ausschluß disziplinarisch aus dem Amt entfernter Beamter verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, kann dahingestellt bleiben - hält der Senat es nicht für zulässig, zuungunsten des Bewerbers das Verbot der Zulassung auf einen nicht ausdrücklich im Gesetz genannten Fall auszudehnen, zumal es sich um ein zeitlich nicht begrenztes Verbot der Zulassung handelt.

Daraus ist aber noch nicht zu folgern, daß der Bf. von der Prüfung befreit werden mußte. Denn nach § 7 Abs. 3 des Steuerberatungsgesetzes kann die Zulassung zur Prüfung (bzw. die Befreiung) versagt werden, wenn der Bewerber sich so verhalten hat, daß die Besorgnis besteht, er werde den Berufspflichten als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter nicht genügen. Diese Prüfung hat der Zulassungsausschuß jedoch infolge der rechtsirrtümlichen Annahme, daß die Befreiung dem Bf. versagt werden müsse, unterlassen, was auch die Vorentscheidung nicht berücksichtigt hat.

Da es sich aber bei einer Entscheidung nach § 7 Abs. 3 des Steuerberatungsgesetzes um eine Ermessensentscheidung des Zulassungsausschusses als des Teils einer Verwaltungsbehörde handelt, haben nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Steuergerichte nur zu prüfen, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten wurden und ob kein Ermessensmißbrauch im Sinne einer willkürlichen Handhabung der vom Gesetz gegebenen Ermächtigung vorliegt. Es steht ihnen aber nicht zu, ihr Ermessen an die Stelle des Ermessens der Verwaltungsbehörden zu setzen. Daher ist es ihnen verwehrt, dann, wenn die Verwaltungsbehörde eine Ermessensentscheidung nicht getroffen hat, von sich aus an deren Stelle zu entscheiden.

Aus diesem Grunde mußte die Vorentscheidung und die Entscheidung des Zulassungsausschusses aufgehoben und die Sache an diesen zurückverwiesen werden, damit er nunmehr auf Grund des § 7 Abs. 3 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes über die Befreiung des Bf. von der Steuerberaterprüfung entscheidet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411315

BStBl III 1964, 495

BFHE 1965, 59

BFHE 80, 59

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