Leitsatz (amtlich)

Auch wenn eine Organgesellschaft die nicht abzugsfähigen Ausgleichsabgaben (§ 211 LAG) zu Lasten einer Rücklage für die Lastenausgleichs-Vermögensabgabe (§ 218 Abs. 2 LAG) oder einer Rückstellung für die Lastenausgleichs-Vermögensabgabe leistet, sind die nicht abzugsfähigen Ausgleichsabgaben zum eigenen Einkommen der Organgesellschaft zu rechnen (Ergänzung zum BFH-Urteil vom 28. Oktober 1970 I R 27/66, BFHE 100, 382, BStBl II 1971, 117).

 

Normenkette

KStG 1965 § 6 Abs. 1; LAG §§ 211, 218 Abs. 2

 

Tatbestand

Zwischen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer AG, und ihrem jeweiligen Hauptaktionär bestand seit 1965 ein Organschaftsverhältnis mit Ergebnisabführungsvertrag. In den Streitjahren 1965 bis 1968 übernahm der Organträger im Vollzug des Ergebnisabführungsvertrags den jeweiligen Handelsbilanzgewinn oder Handelsbilanzverlust der Klägerin. Diese erklärte als eigenes Einkommen lediglich die nach § 12 Nr. 2, 3 KStG nicht abzugsfähigen Steuern und Vergütungen sowie die an Minderheitsaktionäre gezahlte garantierte Dividende.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) rechnete in den endgültigen Körperschaftsteuerbescheiden für die Streitjahre zum eigenen Einkommen der Klägerin auch die nicht abzugsfähigen Tilgungsanteile der Vierteljahresbeträge der Vermögensabgabe (nicht abzugsfähige Ausgleichsabgaben) in Höhe von jährlich 290 810 DM hinzu. Die Klägerin hatte diese nicht abzugsfähigen Ausgleichsabgaben in den Streitjahren aus einer vorvertraglichen freien Rücklage geleistet.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Das FG hat seine Entscheidung auf das Urteil des BFH vom 28. Oktober 1970 I R 27/66 (BFHE 100, 382, BStBl II 1971, 117) gestützt und ergänzend zu den Einwendungen der Klägerin gegen dieses Urteil ausgeführt, die Auffassung der Klägerin würde dazu führen, daß die Besteuerung so durchzuführen sei, als ob die Vermögensabgabeschuld unabhängig von der Passivierung oder Nichtpassivierung stets eine steuerlich anerkannte Verbindlichkeit wäre. Dies stünde im Widerspruch zu der Vorschrift über die beschränkte Abzugsfähigkeit der Ausgleichsabgaben bei der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer (§ 211 Abs. 1 LAG).

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der Verstöße gegen § 3 Abs. 1 StAnpG, §§ 6, 12 KStG, §§ 211, 218, 223 LAG und §§ 301, 302 AktG gerügt werden.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Körperschaftsteuer 1965 bis 1968 um jeweils 148 313 DM zu ermäßigen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat die nicht abzugsfähigen Ausgleichsabgaben als eigenes Einkommen zu versteuern (§ 6 KStG, § 211 LAG).

1. Für die Streitjahre galt noch nicht § 7 a KStG (§ 24 Abs. 3 KStG 1969). Die Rechtslage ist daher nach den Grundsätzen zu beurteilen, die die Rechtsprechung zur Organschaft im Körperschaftsteuerrecht für die letzten Jahre vor dem Inkrafttreten des § 7 a KStG entwickelt hat.

Leistet eine Organgesellschaft die nicht abzugsfähigen Ausgleichsabgaben (§ 211 LAG) zu Lasten einer vororganschaftlichen freien Rücklage, so sind die nicht abzugsfähigen Ausgleichsabgaben zum eigenen Einkommen der Organgesellschaft zu rechnen (BFH-Urteil I R 27/66). Nach dem Rechtssatz dieses Urteils sind auch im Streitfall die nicht abzugsfähigen Ausgleichsabgaben als eigenes Einkommen der Klägerin zu versteuern.

2. Die Einwendungen der Klägerin gegen das BFH-Urteil I R 27/66 sind nicht begründet. Sie beruhen in ihrem Kern auf der Auffassung, die Vermögensabgabe sei eine Schuld. Vorbild für die steuerrechtliche Behandlung der nicht abzugsfähigen Ausgleichsabgaben sei daher der Fall, daß die Organgesellschaft die Vermögensabgabe in der Bilanz als Rückstellung ausgewiesen habe. Damit vermengt die Klägerin in unzulässiger Weise Handelsrecht und Steuerrecht. Handelsrechtlich ist die Vermögensabgabe eine Schuld, das Wahlrecht, sie auf der Passivseite der Bilanz nicht als Schuld, sondern als Rücklage für die Lastenausgleichs-Vermögensabgabe oder gar nicht auszuweisen (§ 218 LAG), ist eine Bilanzierungserleichterung. Steuerrechtlich wird jedoch diese Schuld nicht als Vermögensminderung anerkannt. Nur bestimmte Teile der Vierteljahresbeträge der Vermögensabgabe sind bei der Ermittlung des Einkommens für die Zwecke der Körperschaftsteuer und der Einkommensteuer abzugsfähig (§ 211 Abs. 1 LAG). Änderungen im Wertansatz eines Passivpostens für die Vermögensabgabeschuld bleiben daher bei der steuerlichen Gewinnermittlung außer Betracht (§ 211 Abs. 2 LAG). Ist die Vermögensabgabeschuld auf der Passivseite der Bilanz als "Schuld" oder "Rückstellung" angesetzt, ist sie steuerrechtlich nichts anderes als eine stille Rücklage.

3. Steuerrechtlich begünstigt durch Vermeidung der doppelten Belastung der Erträge wird im Fall der Organschaft nur das Einkommen der Organgesellschaft, das während des Bestehens der Organschaft entsteht. Soweit der Handelsbilanzgewinn erhöht ist durch die Auflösung vororganschaftlicher Rücklagen, vollzieht sich die Abführung dieses Gewinns steuerrechtlich außerhalb des Ergebnisabführungsvertrags und ist eine verdeckte Gewinnausschüttung, die bei der Organgesellschaft zum Handelsbilanzgewinn hinzuzurechnen ist, soweit sie ihn gemindert hat, und beim Organträger zu versteuern ist, wenn nicht § 9 KStG (Schachtelprivileg) eingreift (BFH-Urteil I R 27/66). Das gilt für alle vorvertraglichen Rücklagen, offene und stille Rücklagen, die bei ihrer Auflösung nicht zu versteuern sind, daher auch für die Rücklage für die Lastenausgleichs-Vermögensabgabe (§ 218 Abs. 2 LAG) und für die passivierte Vermögensabgabeschuld. Denn auch deren Auflösung berührt das steuerrechtliche Einkommen der Organgesellschaft nicht. Auch insoweit hält der Senat an dem BFH-Urteil vom 16. März 1965 I 7/62 U (BFHE 82, 578, BStBl III 1965, 455) nicht fest.

Die gleiche Rechtslage besteht, wenn ein Verlust entsteht, der vom Organträger zu übernehmen ist. In diesen Fällen wird der Betrag der Verlustübernahme durch die Auflösung einer vorvertraglichen freien Rücklage oder der Rücklage für die Lastenausgleichs-Vermögensabgabe oder des Passivpostens für die Vermögensabgabeschuld verringert. Darin liegt, wie der Erlaß betreffend die köperschaftsteuerrechtliche und gewerbesteuerrechtliche Behandlung von Organschaften vom 23. Oktober 1959 in Abschn. IV Nr. 6 (BStBl II 1959, 161) zutreffend anordnet, eine verdeckte Gewinnausschüttung.

Die Beweisführung des Senats im BFH-Urteil I R 27/66 durch Gegenüberstellen der saldierten und der unsaldierten Rechnung gilt somit für den Fall einer Rückstellung für die Lastenausgleichs-Vermögensabgabe ebenso wie für die Fälle der freien Rücklage und der Rücklage für die Lastenausgleichs-Vermögensabgabe.

4. Da das Steuerrecht im Gegensatz zum Handelsrecht die Vermögensabgabe nicht als Schuld behandelt, braucht der Senat auf die handelsrechtliche Frage nicht einzugehen, ob in der Zahlung der nicht abzugsfähigen Ausgleichsabgaben zu Lasten einer freien Rücklage, einer Rücklage für die Lastenausgleichs-Vermögensabgabe oder einer Rückstellung für die Lastenausgleichs-Vermögensabgabe ein Verstoß gegen §§ 301, 302 AktG liegt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71809

BStBl II 1976, 354

BFHE 1976, 22

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