Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ein auf Grund einer sog. building lease in Irland auf fremdem Grund und Boden errichtetes Gebäude ist als Grundvermögen mit dem gemeinen Wert zu bewerten.

 

Normenkette

ErbStG § 22 Abs. 1; BewG §§ 10, 9, 26, 31

 

Tatbestand

Der am 8. Februar 1947 verstorbene Erblasser der Bf. hat am 1. Mai 1899 eine sogenannte building lease an einem in Irland (- dem Gebiet der jetzigen Republik Eire -) belegenen Grundstück gegen eine Jahresrente von 19.10.6 Pfund erworben. Diese building lease ist für einen Zeitraum von 150 Jahren eingeräumt, endet also im Jahre 2049. Das Finanzamt hat im endgültigen Erbschaftsteuerbescheid vom 7. Februar 1953 den "Wert des Grundbesitzes in Irland" mit dem nach einem von den Bf. vorgelegten Schreiben eines Probate Officer, in the High Court of Justice, The Principal Registry, für die irische Estate Duty zugrunde gelegten Betrag von 8.260 Pfund angesetzt und davon die irische Nachlaßsteuer mit 357 Pfund abgezogen. Der Betrag von 8.260 Pfund - 357 Pfund = 7.903 Pfund ist gemäß einer Bescheinigung der Landeszentralbank nach dem Kurs des irischen Pfund zum Todestag des Erblassers mit 4,03 US-Dollar auf 106.018 RM umgerechnet worden. Gegen die Bewertung des in Irland hinterlassenen Vermögenswertes haben die Bf. Einspruch eingelegt; es handle sich nicht um Grundbesitz, da der Erblasser nicht Eigentümer gewesen sei, sondern nur um die Nutznießung von Grundbesitz. Die Bf. haben Ansatz der gemäß § 15 des Reichsbewertungsgesetzes (RBewG) 1934 kapitalisierten Nutzung des Grundbesitzes begehrt. Der Einspruch ist insoweit erfolglos geblieben, hat vielmehr aus einem anderen Grunde zu einer Erhöhung der Erbschaftsteuer geführt. Mit der Berufung haben die Bf. erneut Bewertung mit dem Kapitalwert der Nutzung gemäß § 15 RBewG beantragt. Die Berufung hat zu einer geringfügigen Herabsetzung der Erbschaftsteuer geführt, ist aber im Streitpunkt erfolglos geblieben. Die Bf. verbleiben in ihrer Rb. auf dem Standpunkt, daß das in Irland hinterlassene Vermögen nur nach § 15 RBewG bewertet werden könne, da der Erblasser nach irischem Recht kein wirtschaftlicher Eigentümer, sondern nur Pächter gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. kann keinen Erfolg haben.

Allerdings kann der Auffassung des Finanzgerichts nicht gefolgt werden, daß die bürgerlich-rechtliche Abgrenzung zwischen Pacht, wie sie die Bf. annehmen, und Erbbaurecht, dessen Vorliegen das Finanzamt bejaht, für die rechtliche Beurteilung des Falles außer Betracht zu bleiben habe. Der früher für die Erbschaftsteuer zuständig gewesene III. Senat des Bundesfinanzhofs hat in dem Urteil III 128/55 U vom 19. Oktober 1956 (BStBl 1956 III S. 363, Slg. Bd. 63 S. 431) im Gegensatz zu der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ausgeführt, daß ein Vergleich zwischen ausländischem und deutschem bürgerlichen Recht zum Zweck der steuerrechtlichen Beurteilung nicht schlechthin ausgeschlossen ist. Arendt hat hierzu in seinem Aufsatz "Anwendung deutscher Sachnormen auf ausländische Privatrechtsinstitute", Steuer und Wirtschaft 1960 Spalten 349 ff., zutreffend ausgeführt, daß es sich bei dem nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs nicht zulässigen Vergleich zwischen ausländischem und deutschem bürgerlichen Recht um eine mißverständliche Ausdrucksweise handele (a. a. O. Spalte 351). Arendt führt zu dem erwähnten Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. Oktober 1956 weiter mit Recht aus, daß die in ihm gemachte Einschränkung des vom Reichsfinanzhof aufgestellten Grundsatzes nicht nur für einzelne Fälle, sondern mit Rücksicht auf die erforderliche Qualifikation (rechtliche Einordnung eines ausländischen Rechtsinstituts in das inländische Rechtssystem) nach der lex fori allgemein gelte (a. a. O. Spalten 353/54). Das Finanzgericht hat sich übrigens selbst nicht an den zunächst von ihm aufgestellten Grundsatz gehalten. Es hat vielmehr alternativ die Fragen aufgeworfen, ob sich für den Erblasser die building lease in dem Recht zur zeitlich begrenzten Nutzung des Grundstücks erschöpft habe, oder ob der Erblasser infolge der ihm zustehenden tatsächlichen Verfügungsmöglichkeiten in bezug auf das Grundstück (Gebäude) der Stellung eines Eigentümers nahegekommen sei. Das ist aber nichts anderes als die Anwendung bürgerlich-rechtlicher Gesichtspunkte.

Die Bf. vertreten die Auffassung, daß es sich bei dem vorliegendenfalls errichteten Gebäude um ein solches auf Grund eines Pachtvertrages handle; es sei allein maßgebend, ob das Gebäude nach irischem Recht auf Grund eines Pachtvertrages oder einer eigentumsähnlichen Rechtsstellung errichtet sei. Nun hat aber der sogenannte leaseholder nicht nur ein schuldrechtliches, sondern auch ein dingliches Recht (Pollock, Das Recht des Grundbesitzes in England, übersetzt von Dr. jur. Ernst Schuster, London, Verlag Franz Vahlen, Berlin, 1889, S. 188 unten). Adolf Weber bemerkt in seinem Aufsatz "Die englisch-schottische Bodenleihe" (Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Zwanzigster Band, Verlag I. C. B. Mohr, Tübingen, 1905, S. 80 ff.), daß das deutsche Erbbaurecht nicht wesentlich von den mannigfachen Formen verschieden ist, die sich in Großbritannien für die Bodenleihe gebildet haben (a. a. O. S. 81 oben). Der Artikel "Erbbaurecht" von Pfeifer in "Rechtsvergleichendes Handwörterbuch für das Zivil- und Handelsrecht des In- und Auslandes", herausgegeben von Schlegelberger, Verlag Franz Vahlen, Berlin, 1931, Bd. 3 S. 83 ff., führt aus, daß die Rechtseinrichtungen in England ebenso wie das deutsche Erbbaurecht als beschränkte dingliche Nutzungsrechte anzusehen seien, wenn auch die Feststellung der Rechtsnatur einer Institution des Privatrechts überall unter der Schwierigkeit leide, eine scharfe Abgrenzung zwischen dem Eigentum und einem beschränkt dinglichen Recht zu finden, das so weitgehend wie das Rechtsinstitut des Erbbaurechts dem Eigentum angenähert ist (a. a. O. S. 95 r. Spalte Mitte). Für die besonderen englischen Rechtsverhältnisse sei eine Abgrenzung kaum möglich, und es lasse sich lediglich feststellen, daß die building lease eigentumsähnliche Rechte gewähre (a. a. O. S. 95 r. Spalte unten). Zumindest in ihrer wirtschaftlichen Ausgestaltung kommt nach Pfeifer die building lease dem Erbbaurecht sehr nahe (a. a. O. S. 86 1. Spalte Mitte). Auch Dr. Ernst Schuster, Barrister-at-Law in London, der übersetzer des obenerwähnten Werkes von Pollock, führt in seinem Aufsatz "Das englische Erbbaurecht in seiner juristischen und wirtschaftlichen Bedeutung" (Juristische Wochenschrift 1913 S. 625 ff.) aus, die building lease begründe ein Recht, das zwar streng genommen einen anderen juristischen Charakter als das deutsche Erbbaurecht habe, die building lease diene aber demselben wirtschaftlichen Zweck wie das Erbbaurecht. Es kann indessen aus nachstehenden Gründen dahingestellt bleiben, ob die building lease dem deutschen Erbbaurecht vergleichbar ist, bzw. ob sie überhaupt dingliche Rechte gewährt.

Gemäß § 22 Abs. 1 des im vorliegenden Fall noch anzuwendenden Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1934 richtet sich die Bewertung nach den Vorschriften des Ersten Teils des RBewG (Allgemeine Bewertungsvorschriften), soweit es sich nicht im Sinne des § 22 Abs. 2 ErbStG 1934 um inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Grundvermögen und Betriebsgrundstücke handelt. Hiernach ist ausländisches Grundvermögen mit dem gemeinen Wert zu bewerten (vgl. hierzu auch § 26 RBewG). Der Begriff des Grundvermögens ist in § 50 RBewG 1934 gesetzlich festgelegt, nach Absatz 3 a. a. O. gilt als Grundstück auch ein auf fremdem Grund und Boden errichtetes Gebäude, selbst wenn es wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens geworden ist. Der Begriff Grundvermögen ist demnach ein für das Erbschaftsteuerrecht erheblicher Rechtsbegriff, muß also entsprechend dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gleichmäßig und einheitlich angewendet werden. Dies ist nur möglich, wenn man die erbschaftsteuerlich bedeutsame Frage, ob ein ausländisches Grundstück vererbt worden ist, entgegen den Grundsätzen des deutschen internationalen Privatrechts nicht nach der lex rei sitae, also vorliegendenfalls nicht nach irischem Recht, sondern nach den Vorschriften des ErbStG 1934 bzw. RBewG 1934 beurteilt. Der erkennende Senat wendet in diesem Falle die in Fortführung der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs vom III. Senat des Bundesfinanzhofs in dem Urteil III 298/56 U vom 27. September 1957 (BStBl 1957 III S. 427, Slg. Bd. 65 S. 508) entwickelten Grundsätze entsprechend an. Eine Qualifikation des Instituts der building lease ist aber auch hier insofern vorzunehmen, als die Frage gestellt werden muß, ob es sich bei dem auf Grund der building lease errichteten Gebäude um ein solches auf fremdem Grund und Boden handelt. Diese Frage muß im bejahenden Sinn beantwortet werden, weil unstreitig bei der building lease der Grund und Boden nicht im Eigentum des leaseholder steht, der das Gebäude errichtet hat. Die Bf. haben übrigens selbst, wie das auch einer unbefangenen Betrachtungsweise entspricht, in der Erbschaftsteuererklärung das Gebäude in Irland als Grundvermögen (Einfamilienhaus) angegeben.

Hiernach haben sich die Vorinstanzen im Endergebnis zutreffend auf den Standpunkt gestellt, daß das auf Grund der building lease errichtete Gebäude gemäß § 22 Abs. 1 ErbStG 1934 in Verbindung mit § 10 RBewG 1934 mit dem gemeinen Wert zu bewerten ist. Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, daß die Vorinstanzen als gemeinen Wert den von der irischen Steuerbehörde der dortigen Nachlaßbesteuerung zugrunde gelegten Betrag von 8.260 Pfund angenommen haben. Der Abzug der irischen Nachlaßsteuer unmittelbar von dem Wert des Grundstücks in Irland ist zwar nicht richtig, vielmehr hätte die irische Nachlaßsteuer gemäß § 8 Abs. 2 ErbStG 1934 als Nachlaßverbindlichkeit - von dem gesamten Vermögensanfall - abgezogen werden müssen (ß 23 Abs. 1 ErbStG 1934). Im Ergebnis ändert sich aber die Erbschaftsteuer dadurch nicht.

Die Rb. war mithin als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl III 1960, 385

BFHE 1961, 360

BFHE 71, 360

StRK, ErbStG:24 R 7

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