Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat tritt der Entscheidung des VI. Senats VI 320/57 U vom 3. Juli 1959 (BStBl 1959 III S. 344) bei, wonach die Einnahmen eines Knappschaftsarztes, der eine eigene Praxis neben seiner Knappschaftstätigkeit unterhält, Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit sind. Der Knappschaftsarzt hat damit Anspruch auf die Betriebsausgabenpauschale nach §§ 1, 2 der Verordnung vom 22. Oktober 1954.

EStG 1953 § 18 Abs. 1 Ziff. 1; Verordnung über die Gewährung eines Pauschbetrags für

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 18/4

 

Tatbestand

Der Bf. ist praktischer Arzt und Knappschaftsarzt der Knappschaft in H. Er hat im Streitjahr 1953 Einkünfte von .... DM als freier Arzt und von .... DM als Knappschaftsarzt erzielt und in seiner Steuererklärung angegeben. Er begehrt die Zuerkennung des Betriebsausgabenpauschales nach § 1 der Verordnung über die Gewährung eines Pauschbetrags für Betriebsausgaben bei Einkünften aus freier Berufstätigkeit vom 22. Oktober 1954 (BStBl 1954 I S. 523). Das Finanzamt hat das jedoch abgelehnt, weil der Bf. nach seiner Ansicht in seiner Tätigkeit als Knappschaftsarzt nicht selbständig sei, sondern auf Grund des Vertrags vom 24. November 1955 in einem Dienstverhältnis zur Knappschaft stehe. Dafür sprächen auch die für ihn bestehende Residenzpflicht, die Verpflichtung, einmal im Jahr eine Grubenfahrt zu unternehmen, die Vertretungspflicht gegenüber anderen Knappschaftsärzten, die Pflicht zur Teilnahme an den von der Knappschaft angesetzten Besprechungen und die Tatsache, daß er ein nach dem Dienstalter gestaffeltes Entgelt beziehe und Anspruch auf Ruhegehalt und Versorgungsbezüge für seine Hinterbliebenen habe. Den vom Bf. angeführten Gesichtspunkten, die für eine freiberufliche Tätigkeit sprächen, komme demgegenüber keine entscheidende Bedeutung zu. Nach dem Gesamtbild der Tätigkeit stehe die Nichtselbständigkeit im Vordergrund.

Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das Finanzgericht führte aus, der Arztvertrag vom 24. November 1955 sei als Anstellungsvertrag anzusehen. Danach schulde der Bf. der Knappschaft keinen Arbeitserfolg, sondern seine Arbeitskraft. Es sei ihm zwar darin beizustimmen, daß in seinem Fall sowohl Merkmale der Selbständigkeit als auch der Nichtselbständigkeit gegeben seien. Es komme entscheidend auf das Gesamtbild an. Hierbei sei wiederum das Innenverhältnis entscheidend. Für die Nichtselbständigkeit sprächen im Streitfall die besonderen Bindungen, die der Bf. mit seinen Verträgen von 22. Oktober 1927 und vom 24. November 1955 eingegangen sei und die im wesentlichen in den ganzen Jahren gleichmäßig gehandhabt worden seien. Dabei sei es ohne Bedeutung, wenn einzelne Bestimmungen (z. B. betreffend die Verpflichtung zur Grubenfahrt) nicht in sämtlichen Jahren von allen ärzten streng eingehalten worden seien. Entscheidend sei, daß der Bf. an den Vertrag mit der Knappschaft gebunden sei und daß diese die Einhaltung der Vertragsbedingungen verlangen und notfalls erzwingen könne. Von Bedeutung sei auch, daß der Bf. gegen die Knappschaft Anspruch auf eine nach dem Dienstalter gestaffelte Vergütung und auf Pension für sich und seine Hinterbliebenen habe, die auch von der Zahl der Dienstjahre abhänge. Es könne dahingestellt bleiben, ob heute die Kassenärzte noch als selbständige ärzte anzusehen seien. Es komme im Streitfall nur auf die rechtliche Beurteilung der Stellung des Bf. bzw. der ärzte der Knappschaft an. Diese richte sich aber nach den mit den einzelnen ärzten geschlossenen Verträgen. Es könne sein, daß seine Verpflichtungen sich zum Teil auch aus seiner Tätigkeit als freier Arzt ergeben könnten, wie z. B. die Residenzpflicht, die die Knappschaft notfalls erzwingen könne, da sie nach dem Vertrag gewisse Strafbefugnisse, wie Verweis, Geldstrafe und Entlassung, besitze. Die Knappschaft sei für derartige Fälle nicht gezwungen, etwa die ärztlichen Standesorganisationen einzuschalten, auch wenn über Streitfälle notfalls ein sogenannter Einigungsausschuß entscheiden könne. Weiter dürfe der Bf. auch nur mit Zustimmung der Knappschaft eine andere Kassenpraxis übernehmen. Der Bf. sei auch nicht völlig frei in der Gestaltung seiner Sprechstunden und habe die Pflicht, benachbarte Knappschaftsärzte im Notfall zu vertreten. Er habe ferner an den von der Knappschaft anberaumten Besprechungen oder Verhandlungen teilzunehmen und auf Anforderung der Knappschaft gegebenenfalls Gutachten zu erteilen. Der Bf. habe außerdem die Verpflichtung, im Fall seiner Abwesenheit einen Vertreter zu bestellen (§ 3 bzw. 4 des Vertrages). Somit habe er Verpflichtungen, die über diejenigen, die ärzte im allgemeinen hätten, in erheblichem Masse hinausgingen. Schließlich falle nach Ansicht des Finanzgerichts entscheidend ins Gewicht, daß der Bf. nicht etwa im Einzelfall nach seiner Leistung eine Vergütung erhalte, sondern daß er diese für seine Dienstbereitschaft bekomme, d. h., daß er seine Arbeitskraft, nicht aber den Arbeitserfolg schulde. Nicht die Zahl der von ihm tatsächlich vorgenommenen Behandlungen sei entscheidend, sondern allein die Tatsache, daß die Versicherten, die als Patienten in Betracht kämen, ihre Stimme bei den Wahlen für ihn abgäben.

Demgegenüber seien die Umstände, die für eine Selbständigkeit des Bf. ins Gewicht fielen, nicht mehr entscheidend. Maßgebend sei das Innenverhältnis zwischen Bf. und Knappschaft. Die Kammer befinde sich auch in übereinstimmung mit der Verwaltungspraxis, nach der bislang die Knappschaft den Bf. als Lohnsteuerpflichtigen behandelt und Lohnsteuer abgeführt habe, und mit dem Urteil des Finanzgerichts Münster vom 28. März 1957 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1957 Nr. 298), mit dem die Selbständigkeit der praktischen ärzte der Ruhrknappschaft verneint worden sei. Die Berufung könne daher keinen Erfolg haben.

Dagegen richtet sich die Rb., mit der der Bf. weiterhin an seiner Selbständigkeit als Arzt festhält. Er meint, zu Unrecht stütze das Finanzgericht seine Auffassung, daß er keinen freien Beruf ausübe, darauf, daß er der Knappschaft seine Arbeitskraft und nicht einen Arbeitserfolg schulde und daß die Gewährung einer Altersversorgung nicht mit einer freiberuflichen Tätigkeit vereinbar sei. Das Finanzgericht verkenne dabei, daß der praktische Arzt stets nur seine Dienstleistungen, niemals aber einen Erfolg schulde. Eine Altersversorgung werde heute von Betrieben aber häufig nicht nur den Angestellten und Arbeitern, sondern auch ihren freiberuflich tätigen Mitarbeitern, wie z. B. Anwälten und anderen Beratern, gewährt.

Zu Unrecht habe das Finanzgericht seine Entscheidung auch ausschließlich auf das Innenverhältnis abgestellt, ohne überhaupt die Verkehrsauffassung zur Streitfrage zu ermitteln (siehe dazu Urteil des Bundesfinanzhofs IV 419/52 U vom 10. April 1953, BStBl 1953 III S. 142, besonders S. 143 Spalte 1 unten, Slg. Bd. 57 S. 361).

Der Bf. sei selbst nach Ansicht des Finanzgerichts in seiner ärztlichen Tätigkeit weitgehend frei. Das aber sei der allein entscheidende Gesichtspunkt. Im Falle des Finanzgerichts Münster sei über einen Fall der Ruhrknappschaft zu entscheiden gewesen. Dort seien die Verhältnisse wegen des sogenannten Sprengelsystems aber völlig anders; ein Vergleich mit dem Streitfall sei also nicht möglich.

Es sei zwar richtig, daß die Knappschaft seit Jahren von den Bezügen der Knappschaftsärzte Lohnsteuer einbehalten habe. Sie habe die ärzte aber nicht zur Sozialversicherung angemeldet, obwohl zahlreiche Knappschaftsärzte bei Bejahung ihrer Nichtselbständigkeit nach der Höhe ihrer Bezüge ohne weiteres sozialversicherungspflichtig wären. Die Knappschaft habe eben die Knappschaftsärzte für selbständig gehalten, da sie nicht weisungsgebunden handelten, sondern für die angewandte Heilbehandlung allein verantwortlich seien. In den sogenannten oberärztlichen Abteilungen der Knappschaft gebe es auch beamtete ärzte. Die Verkehrsauffassung unterscheide eindeutig zwischen diesen beamteten ärzten und den freien Knappschaftsärzten, die auch völlig selbständig ihre Vertreter bestimmten. Die Knappschaftsärzte gehörten auch der Standesorganisation der freiberuflichen ärzte an, und es seien bislang noch niemals Streitigkeiten zwischen ärzten und Knappschaft etwa vor dem Arbeitsgericht oder den ordentlichen Gerichten ausgetragen worden.

Demgegenüber hält das Finanzamt an seiner bisherigen Auffassung fest, wonach sich aus den vertraglichen Vereinbarungen die Nichtselbständigkeit des Bf. ergebe. Einer Feststellung der Verkehrsauffassung bedürfe es darum insoweit nicht. Der Bf. habe seine frühere Auffassung, wonach er nichtselbständig sei, nur geändert, um in den Genuß des Betriebsausgabenpauschales zu gelangen. Die Knappschaft vertrete ihren jetzigen Standpunkt, um den möglichen Schwierigkeiten des Lohnsteuerabzugs- und Haftungsverfahrens auszuweichen.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

Das Finanzgericht ist mit Recht davon ausgegangen, daß die Entscheidung im Streitfall nur nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Bf. getroffen werden könne. Mit dem gleichen Rechtsproblem hat sich die Entscheidung des Bundesfinanzhofs VI 320/57 U vom 3. Juli 1959 (BStBl 1959 III S. 344) befaßt. Der VI. Senat ist darin zu dem Ergebnis gekommen, daß Knappschaftsärzte, die neben dieser Tätigkeit eine freie Praxis ausüben, wie auch im Streitfall, mit ihren Einnahmen aus der Knappschaftstätigkeit nicht der Lohnsteuer unterliegen (siehe Rechtssatz des Urteils), da der Knappschaftsarzt das volle Risiko seiner Tätigkeit trage, zumal bei der ärztlichen Tätigkeit ohnehin stets eine gewisse Vermutung für die Selbständigkeit der Berufsausübung spreche.

Den Ausführungen dieses Urteils tritt der Senat weitgehend bei. In der Entscheidung IV 141/55 U vom 5. Juli 1956 (BStBl 1956 III S. 300, 301, Slg. Bd. 63 S. 266) hat der erkennende Senat ausgeführt, daß der ärzteberuf dem Dienst an der Gesundheit des einzelnen Menschen in weitestem Masse gewidmet ist. Eine solche Tätigkeit übt aber auch der Bf. aus und damit grundsätzlich eine freiberufliche ärztliche Tätigkeit. Bergleute, die der Knappschaft angehören, und ihre Angehörigen suchen den Bf. zum Zwecke der ärztlichen Behandlung auf. Hinsichtlich dieser Tätigkeit ist der Bf. aber völlig frei und an Weisungen grundsätzlich nicht gebunden. Die Tatsache, daß der Bf. bestimmte Behandlungsmethoden nicht anwenden und bestimmte Rezepte auf Kosten der Knappschaft nicht verordnen darf, bedeutet nicht, daß er insofern nichtselbständig ist, sondern nur, daß die Knappschaft Kosten hierfür nicht vergütet, wie das auch bei Versicherungen nach den Versicherungsbedingungen vielfach der Fall ist. Gewiß ist dem Finanzgericht darin beizustimmen, daß eine ärztliche Tätigkeit auch im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses ausgeübt werden kann (siehe z. B. fest angestellte Krankenhausärzte). Hierfür müssen aber nach Ansicht des Senats eindeutige Beweisanzeichen vorliegen, da die ärztliche Tätigkeit wohl ihrer ganzen Natur nach in der Regel als freiberuflich angesehen werden muß. Es wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Verwaltung (Bundesminister der Finanzen) in Abschn. 5 LStR sich damit einverstanden erklärt hat, wenn in den dort in Betracht kommenden Fällen der Steuerabzug vom Arbeitslohn nicht vorgenommen wird, sondern die Bezüge dieser ärzte durch Veranlagung erfaßt werden. In der Sache VI 320/57 U ist der Bundesminister der Finanzen dem mit Stellungnahme vom 13. Februar 1959 gefolgt, wenn er auch nicht ausdrücklich dem Verfahren gemäß § 287 Ziff. 2 AO beigetreten ist. Daraus darf gefolgert werden, daß auch der Bundesminister der Finanzen offenbar der Ansicht ist, daß diese Bezüge grundsätzlich als freiberufliche Einkünfte anzusehen sind. Jedenfalls sind auch im Streitfall schwerwiegende Umstände, die zu der Annahme zwingen, der Bf. sei Angestellter der Knappschaft, nicht ersichtlich.

Es mag dem Finanzamt und dem Finanzgericht unbedenklich zugegeben werden, daß das Vertragsverhältnis des Bf. mit der Knappschaft eine Reihe von Bestimmungen aufweist, die für die Annahme einer so weitgehenden Bindung, daß Nichtselbständigkeit angenommen werden könnte, sprechen könnten. Dazu gehören z. B.

eine gewisse Residenzpflicht des Bf. nach §§ 1, 2 und 3 des Vertrages,

Betreuungspflicht gegenüber den in dem zugewiesenen Ortsgebiet wohnenden Knappschaftsangehörigen und ihren Familien (§§ 2 und 3 des Vertrages),

die Pflicht, jährlich eine Grubenfahrt durchzuführen (diese Verpflichtung wird aber offenbar von den meisten älteren ärzten nicht eingehalten; schon die Vorinstanz hat dieser Bestimmung deshalb keine nennenswerte Bedeutung beigemessen),

die Verpflichtung, bei der ärztlichen Behandlung die Geschäftsanweisung der Knappschaft zu beachten,

die Vertretungspflicht des Bf. gegenüber benachbarten Knappschaftsärzten (§ 4 des Vertrages),

die Verpflichtung, bei Abwesenheit einen geeigneten Vertreter zu stellen,

die Verpflichtung, an Fachbesprechungen der Knappschaft teilzunehmen und notfalls Gutachten zu erstatten,

die Art der Bezahlung des Bf. (das Honorar besteht aus einer Grundvergütung und einer Pauschvergütung für jeden Versicherten, zu denen eine nach Dienstjahren gestaffelte Dienstalterzulage hinzutritt),

der Anspruch des Bf. auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenfürsorge für seine Ehefrau und Kinder (§ 7 des Vertrages),

die disziplinarähnlichen Nachteile, wie Verweis, Geldstrafe bis 500 DM, Aufhebung der Zulassung, die die Knappschaft nach § 8 des Vertrages bei Verstößen gegen den Inhalt des Vertrages verhängen kann (hiergegen ist allerdings die Anrufung eines Schiedsgerichts möglich).

Nach Ansicht des Finanzamts und des Finanzgerichts überwiegen damit die Umstände, die für eine Nichtselbständigkeit des Bf. sprechen, derart, daß nach dem Gesamtbild die Tätigkeit des Bf. als eine nichtselbständige angesehen werden müsse.

Der Senat vermag dem jedoch nicht zu folgen. Wie eingangs ausgeführt, muß grundsätzlich jede ärztliche Tätigkeit als freiberuflich angesehen werden, wenn nicht besondere Umstände dazu zwingen, eine nichtselbständige ärztliche Tätigkeit anzunehmen. Das verneint jedoch der Senat im vorliegenden Falle. Die nach dem Vertrag vom 24. November 1955 gegebenen Bindungen sind zum Teil nahezu selbstverständlich, so z. B., daß dem Versicherten durch die Tätigkeit des Bf. keine Nachteile entstehen dürfen. Diese Vereinbarung könnte ebenso in jedes sonstige Vertragsverhältnis, das ein Arzt mit einer Versicherung abschließt, deren Mitglieder er betreuen soll, aufgenommen werden. Dahin gehört auch die Beachtung gewisser Anordnungen der Knappschaft, ohne daß damit eine ausgesprochene Weisungsgebundenheit hinsichtlich der Behandlungstätigkeit einträte. Auch gegen die Art der Honorierung des Bf. für seine Tätigkeit gemäß den §§ 6 und 7 des Vertrages dürften sich Bedenken aus dem Gesichtspunkt der Selbständigkeit nicht ergeben, da in ähnlicher Weise auch z. B. eine Versicherung die Bezahlung der ärzte, die für sie tätig werden, regeln könnte. Es mag sein, daß die Bestimmungen besonders hinsichtlich der Pension und der Hinterbliebenenbezüge starke Anklänge an die beamtenrechtlichen Bestimmungen des öffentlichen Dienstes aufweisen. Das aber kann nicht so entscheidend sein, daß dadurch das Verhältnis des Bf. zur Knappschaft zu einem Angestelltenverhältnis würde. Der Bf. hat mit Recht darauf hingewiesen, daß heute auch in der Wirtschaft von vielen Betrieben nicht nur ihren Angestellten, sondern auch sonstigen, vor allem freiberuflichen und gewerblichen Mitarbeitern, eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung gewährt wird.

In diesem Zusammenhang kann schließlich auch nicht ganz unbeachtet bleiben, welche rechtliche Auffassung die Knappschaft selbst hinsichtlich der Bezüge des Bf. vertritt. Dabei ist die Tatsache, daß sie weisungsgemäß jahrelang Lohnsteuer für die Bezüge aus der Knappschaft einbehalten und abgeführt hat, nicht entscheidend. Die Knappschaft hat in einem Schreiben vom 15. August 1955 an den Vorsitzenden des Knappschaftsärzte-Vereins ausgeführt, daß der Bf. die volle Verantwortung des frei praktizierenden Arztes trage und daß die Unterhaltung der Praxis mit ihren Unkosten ausschließlich zu Lasten des Arztes gehe; die persönliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit des Knappschaftsarztes komme insbesondere dadurch zum Ausdruck, daß die ärzte in der Entwicklung ihrer Privatpraxis oder an der übernahme einer anderweitigen Kassenpraxis durch die Zulassung zur Knappschaftspraxis nicht behindert seien. Der Knappschaftsarzt sei somit in jeder Weise dem für die Reichsversicherung tätigen Kassenarzt oder einem anderen freiberuflichen Arzt gleichzustellen.

Angesichts dieses Sachverhalts kann es nach Ansicht des Senats auch nicht von entscheidender Bedeutung sein, daß der Bf. selbst jahrelang seine entsprechenden Einkünfte in seiner Steuererklärung als solche aus nichtselbständiger Arbeit bezeichnet hat, da es ihm nicht verwehrt sein kann, seine Rechtsauffassung über bestimmte steuerrechtliche Fragen ebenso wie das Finanzamt für einen späteren Steuerabschnitt zu ändern.

Der Senat stimmt mit dem Bf. darin überein, daß es für die Streitfrage entscheidend darauf ankommt, ob der Bf. in der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit weitgehend frei und nicht verpflichtet ist, bestimmten Weisungen zu folgen. Nach dem Vertrag ist aber diese Freiheit zu bejahen und eine Weisungsgebundenheit, die die Selbständigkeit des Bf. aufheben könnte, zu verneinen. Der Umstand, daß der Bf. in nebensächlichen Fragen nicht ohne Zustimmung der Knappschaft handeln darf, z. B. bei der Sitzverlegung der Praxis, bei änderung von Gutachten und ähnlichem, beseitigt seine grundsätzliche Entscheidungsfreiheit und die Tatsache, daß er seine Kassentätigkeit auf eigene Verantwortung und eigenes Risiko ausübt, nicht. Seine eigene Verantwortlichkeit gegenüber den Patienten bleibt in vollem Umfange bestehen.

Der Senat kommt daher ebenso wie der VI. Senat in der Sache VI 320/57 U (a. a. O.) zu dem Ergebnis, daß grundsätzlich Knappschaftsärzte, die neben dieser Tätigkeit eine freie Praxis ausüben, was bei dem Bf. unstreitig der Fall ist, mit ihren Einnahmen aus der Knappschaftspraxis nicht der Lohnsteuer unterliegen, sondern durch Veranlagung zu erfassen sind, d. h. also, daß sie eine freiberufliche Tätigkeit ausüben.

Die Vorentscheidungen, die dies verkannt haben, waren daher aufzuheben und die Sache war zur Berücksichtigung des Betriebsausgabenpauschales gemäß § 1 der Verordnung vom 22. Oktober 1954 bei der Veranlagung für das Jahr 1953 an das Finanzamt zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

BStBl III 1960, 88

BFHE 1960, 236

BFHE 70, 236

StRK, EStG:18 R 134

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