Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Selbständigkeit oder Nichtselbständigkeit eines ärztepropagandisten.

Selbständige ärztepropagandisten üben regelmäßig keinen freien Beruf, sondern eine gewerbliche Tätigkeit aus.

 

Normenkette

EStG § 15 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 19/1/1; GewStG § 2 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Bf. besucht im Auftrag von pharmazeutischen Herstellungsbetrieben ärzte, um sie auf Heilmittel aufmerksam zu machen und deren Anwendung (Verschreibung in Rezepten) zu empfehlen. Bei den Heilmitteln handelt es sich um solche, die nur auf ärztliche Verordnung von Apotheken abgegeben werden dürfen. Bei der Werbung sind die Vorschriften der Polizeiverordnung des Reiches über die Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens vom 29. September 1941 (RGBl 1941 I S. 587) zu beachten.

Im Streitjahr war der Bf. nach seinen Angaben für vier pharmazeutische Firmen tätig, und zwar für eine Firma während des ganzen Jahres, für die zweite Firma bis 10. April 1951, für die dritte Firma in der Zeit vom 1. April bis 16. Juni 1951 und für die vierte Firma ab Anfang März 1951. Er wurde von den Firmen im wesentlichen nach seiner Leistung (Zahl der durchgeführten Arztbesuche) honoriert; nur von einer Firma erhielt er einen festen Monatspauschbetrag.

Das Finanzamt hat den Bf. mit den Einkünften aus seiner Tätigkeit für das Streitjahr durch Erlaß eines Gewerbesteuermeßbescheides zur Gewerbesteuer herangezogen. Mit dem Einspruch hat der Bf. geltend gemacht, er sei als wissenschaftlicher ärzteberater, dessen Tätigkeit nicht im Einsatz eines Vermögens, sondern in der Verwertung der persönlichen Arbeitskraft liege, gewerbesteuerfrei. Der Steuerausschuss hat die Gewerbesteuerpflicht des Bf. unter Bezugnahme auf das Urteil des Reichsfinanzhofs VI 309/38 vom 25. Mai 1938 (RStBl 1938 S. 733), das ebenfalls einen ärztepropagandisten betraf, bejaht. Die Werbung zur Förderung des Absatzes von Arzneimitteln könne nicht mehr als wissenschaftliche Tätigkeit und damit als freier Beruf angesehen werden, sondern stelle einen Gewerbebetrieb dar.

Mit der Berufung hat der Bf. geltend gemacht, sein Rechtsmittel müsse nach zwei Gesichtspunkten zum Erfolg führen. Im Falle seiner Selbständigkeit übe er einen freien Beruf im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG aus. Er müsse im Hinblick auf die Vorschriften der erwähnten Reichs-Polizeiverordnung vom 29. September 1941 bei der Beratung der ärzte seine wissenschaftlichen Kenntnisse einsetzen, um Zusammensetzung, therapeutische Anwendung und Heilwirkung der von seinen Auftraggebern hergestellten Medikamente zu erläutern. Er könne aber auch, wie er es in seiner Umsatzsteuersache getan habe, den Standpunkt hervorkehren, daß seine Tätigkeit eine nichtselbständige sei. Er sei in den Organismus der von ihm vertretenen Unternehmen eingegliedert und unterliege den Weisungen und der überwachung der Unternehmer. Er habe bei seinen wissenschaftlichen Ausführungen die Auffassung der Unternehmer unter Beiseiteschiebung seiner eigenen Ansicht zu vertreten. Die Verantwortung für die Werbung trage nicht er, sondern trügen die von ihm vertretenen Unternehmer.

Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht hat im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Der Bf. sei kein Arbeitnehmer. Seine Tätigkeit sei zwar in den Gesamtorganismus der von ihm vertretenen Unternehmen eingegliedert; er stehe jedoch nicht in einem so engen Abhängigkeitsverhältnis wie ein Arbeitnehmer. So stünden ihm z. B. die dem Arbeitnehmer eigentümlichen Sozialleistungen, wie Sozialversicherung, betriebliche Altersversorgung, Reisespesen usw. nicht zu; er trage also selbst das gesamte Risiko für seine Tätigkeit. Er sei in der Gestaltung seiner Tätigkeit weitestgehend frei. Dafür spreche auch die Tatsache, daß er stets zwei Firmen nebeneinander vertreten habe, da ein Arbeitsverhältnis im Regelfall eine gleichgelagerte Tätigkeit während der gewöhnlichen Arbeitszeit ausschließe. Es bestehe daher kein Anlaß, von der Entscheidung des Bundesfinanzhofs V 52/57 vom 6. März 1958, die in der Umsatzsteuersache des Bf. dessen Selbständigkeit bejaht habe, abzuweichen. Wenn in dem ebenfalls einen ärztepropagandisten betreffenden Urteil des Bundesfinanzhofs IV 561/55 vom 14. März 1957 (abgedruckt in Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gewerbesteuergesetz § 2 Abs. 1 Rechtsspruch 69, und in "Der Betrieb" 1957 S. 523) ein Arbeitsverhältnis angenommen und deshalb die Gewerbesteuerpflicht verneint worden sei, so sei der dortige Fall anders gelegen gewesen; der ärztepropagandist sei bei nur einer Firma gegen festes Gehalt angestellt gewesen.

Der Bf. übe auch keinen freien Beruf aus. Dies würde eine wissenschaftliche oder eine einer solchen ähnliche Tätigkeit erfordern. Die Arbeit müsse mit der Lösung schwieriger Aufgaben nach allein objektiven Gesichtspunkten verbunden sein (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 73/52 U vom 30. April 1952, BStBl 1952 III S. 165, Slg. Bd. 56 S. 425). Dabei müsse vor allem die Objektivität der wissenschaftlichen Meinungsäußerung gewährleistet sein. Davon könne im Streitfall nach dem eigenen Vortrag des Bf. kaum gesprochen werden. Er sei verpflichtet, sein Fachwissen in den Dienst der vertretenen Unternehmen zu stellen. Er müsse ein Präparat der von ihm vertretenen Firmen empfehlen, selbst wenn er von dessen Heilwirkung anderer überzeugung sei. Der von einem ärztepropagandisten besuchte Arzt werde zwar über die Therapie bei bestimmten Krankheiten, aber subjektiv über die therapeutische Anwendung eines bestimmten Industrieerzeugnisses beraten, wobei das Ziel der Beratung nicht zuletzt der Absatz des Industrieerzeugnisses sei. Daher werde der Bf. auch von der Erzeugerfirma und nicht von dem Beratenden entlohnt; das Werbeelement stehe im Vordergrund (Urteil des Reichsfinanzhofs VI 309/38 vom 25. Mai 1938, a. a. O.). Daß dabei besonderes Fachwissen angewendet werde, stehe nach der Rechtsprechung der Annahme einer gewerblichen Tätigkeit nicht entgegen (Urteil des Reichsfinanzhofs VI 562/39 vom 30. August 1939, RStBl 1940 S. 14).

Im Rechtsbeschwerdeverfahren begehrt der Bf. in der Hauptsache unter dem Gesichtspunkt der Nichtselbständigkeit Freistellung von der Gewerbesteuer. Seine Tätigkeit sei zum mindesten eine arbeitnehmerähnliche im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 3. September 1953 (BGBl 1953 I S. 1257). Auch die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft habe ihn nicht als selbständig angesehen und daher von der Beitragspflicht zur Familienausgleichskasse freigestellt. Hinsichtlich der Art seiner Tätigkeit macht der Bf. im wesentlichen geltend, es liege keine Werbung, sondern eine wissenschaftliche Information vor.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

Das Finanzgericht hat nach dem im Streitfall gegebenen Gesamtbild mit Recht die Selbständigkeit des Bf. bejaht. Der erkennende Senat tritt in dieser Hinsicht ebenfalls der vom V. Senat des Bundesfinanzhofs in dem vom Finanzgericht angeführten Urteil für die Umsatzsteuer vertretenen Auffassung bei. Für die Selbständigkeit spricht, wie das Finanzgericht zutreffend hervorgehoben hat, schon die Tatsache, daß der Bf. für mehrere Firmen tätig war, und zwar mindestens für zwei Firmen jeweils gleichzeitig. Ein weiteres Anzeichen seiner Selbständigkeit ist die Art seiner Entlohnung. Die ihm gewährten Vergütungen haben sich in der Hauptsache nach dem Umfang seiner Tätigkeit (Zahl der durchgeführten Arztbesuche) bemessen. Von einer Firma hat der Bf. zwar eine feste monatliche Vergütung erhalten; jedoch hat er hiervon seine Spesen decken müssen. Daß dem Bf. bei seiner Tätigkeit für die vier von ihm im Streitjahr vertretenen Firmen hohe Unkosten erwachsen sind, ergibt sich aus der Gegenüberstellung seiner Einnahmen zu dem festgestellten Gewinn. Hieraus errechnet sich ein Gesamtausgabenbetrag von etwa 2/3 der Einnahmen. Der Bf. hat somit bei seiner Tätigkeit ein im Verhältnis zu seinen Einnahmen hohes wirtschaftliches Risiko getragen, ein Umstand, der entscheidend für die Selbständigkeit spricht.

Andererseits macht die inhaltliche Auftragsbindung, die sich daraus ergibt, daß der Bf. werbend für die Verwertung bestimmter, von den vertretenen Firmen hergestellter Präparate eintreten muß, den Bf. noch nicht zum Angestellten. Auch sonstige Bindungen, wie z. B. die Verpflichtung zu regelmäßiger Berichterstattung, können nach ständiger Rechtsprechung nicht ohne weiteres zur Annahme der Nichtselbständigkeit führen (vgl. das Urteil des Senats IV 340/56 U vom 9. Oktober 1958 / 19. Februar 1959, BStBl 1959 III S. 425, Slg. Bd. 69 S. 438, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung). Jedenfalls ist es nicht zu beanstanden, wenn das Finanzgericht nach dem gesamten Akteninhalt keine so enge Eingliederung des Bf. in den Organismus der von ihm vertretenen Firmen für gegeben erachtet hat, daß er als deren Arbeitnehmer anzusehen ist. Wenn der Bf. im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens vorgetragen hat, ein Teil der Firmen habe ihm die Reihenfolge der Arztbesuche durch Zusendung der Karteikarten genau vorgeschrieben, so handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, das bei der beschränkten Natur der Rb. (§§ 288, 296 AO) nicht mehr berücksichtigt werden kann.

Unerheblich ist endlich, wie die Stellung des Bf. arbeitsrechtlich oder im Verhältnis zu der für ihn zuständigen Berufsgenossenschaft zu beurteilen ist, da die hier zu entscheidende Frage der Selbständigkeit oder Nichtselbständigkeit ausschließlich nach steuerrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist (vgl. die Urteile des Bundesfinanzhofs IV 347/50 S vom 9. Februar 1951, BStBl 1951 III S. 73, Slg. Bd. 55 S. 192; IV 219/51 U vom 16. Januar 1952, BStBl 1952 III S. 79, Slg. Bd. 56 S. 200, und IV 101/56 U vom 17. Juli 1958, BStBl 1958 III S. 360, Slg. Bd. 67 S. 223). Im übrigen ist der Begriff des arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses in § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes, wonach an sich selbständig tätige Personen wegen ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit in die Arbeitsgerichtsbarkeit einbezogen sind, dem Steuerrecht fremd.

Das Finanzgericht hat auch mit Recht das Vorliegen einer freiberuflichen Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG beim Bf. verneint. Dieser übt keinen Beruf aus, der einem der in der genannten Vorschrift aufgezählten Berufe ähnlich ist. Eine ähnlichkeit mit dem Beruf des Arztes oder Heilpraktikers liegt nicht vor, weil sich der Bf. nicht unmittelbar mit der Behandlung kranker Menschen befaßt (vgl. das Urteil des Senats IV 459/52 U vom 30. Juli 1953, BStBl 1953 III S. 369, Slg. Bd. 57 S. 704, das die Tätigkeit der Laboratoriumsbefunde feststellenden medizinisch- technischen Assistentinnen nicht als eine der ärztlichen ähnliche angesehen hat). Der Senat hat zwar in diesem Urteil die vorgenannte Tätigkeit als eine freiberufliche anerkannt, weil er eine ähnlichkeit mit der des Handelschemikers bejaht hat; es würden in ähnlicher Weise Untersuchungen, die auf einer wissenschaftlichen Grundlage beruhten, vorgenommen. Der Bf. übt aber auch keine derartige Untersuchungstätigkeit aus; seine Tätigkeit ist vielmehr eine informierende und werbende. Da somit keine ähnlichkeit mit einem der in § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG aufgezählten Berufe gegeben ist, fragt sich nur noch, ob die Tätigkeit des Bf. als wissenschaftlich im Sinne dieser Vorschrift anzusehen und unter diesem Gesichtspunkt zu den freien Berufen zu rechnen ist. Das Finanzgericht hat dies jedoch mit zutreffenden Ausführungen verneint. Der Senat hat nun zwar in seiner neueren Rechtsprechung bei Künstlern und Schriftstellern die Annahme einer freiberuflichen (künstlerischen oder schriftstellerischen) Tätigkeit auch dann noch für möglich erachtet, wenn das von ihnen geschaffene Erzeugnis von ihren gewerblichen Auftraggebern zu deren Werbezwecken verwendet wird (vgl. die Urteile des Bundesfinanzhofs IV 560/56 U vom 20. Februar 1958 und IV 278/56 U vom 14. Mai 1958, BStBl 1958 III S. 182 bzw. S. 316, Slg. Bd. 66 S. 471 bzw. Slg. Bd. 67 S. 115). Eine solche Trennung zwischen Erzeugnis und Werbung scheidet jedoch bei den ärztepropagandisten aus, weil sie unmittelbar mit der Werbung befaßt sind. Selbst wenn man daher anerkennen wollte, daß sie ihre Tätigkeit nach wissenschaftlichen Grundsätzen ausüben, so hat diese doch stets einen kaufmännischen Einschlag; sie überschreitet damit die Grenzen des freien Berufes und wird zu einer gewerblichen (vgl. das einen Werbeberater betreffende Urteil des Bundesfinanzhofs I 206/53 U vom 25. Oktober 1955, BStBl 1955 III S. 386, Slg. Bd. 61 S. 484).

Nach alledem haben die Vorinstanzen mit Recht die Gewerbesteuerpflicht des Bf. bejaht. Die Rb. war daher als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410076

BStBl III 1961, 315

BFHE 1962, 129

BFHE 73, 129

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