Leitsatz (amtlich)

Bei einem Wirtschaftsgut, das zu 10 v. H. im Fertigungsbereich und zu 90 v. H. im Forschungs- und Entwicklungsbereich genutzt wird, beträgt der Investitionszulagesatz 25 v. H.

 

Normenkette

BHG 1968 § 19 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einem ... Unternehmen in West-Berlin, wurde zunächst durch vorläufigen Bescheid für im zweiten Halbjahr 1968 für 8 646,51 DM angeschaffte Wirtschaftsgüter eine Investitionszulage von 25 v. H. gewährt. Als der Beklagte und Revisionskläger (FA) später feststellte, daß die Wirtschaftsgüter nur zu 10 v. H. im Fertigungsbereich, im übrigen aber (zu 90 v. H.) im Bereich der betrieblichen Forschung und Entwicklung verwendet wurden, setzte er die Investitionszulage durch Bescheid vom 6./9. Februar 1970 endgültig auf 10 v. H. der Anschaffungskosten fest und forderte mit weiterem Bescheid vom 13. Februar/3. März 1970 den Differenzbetrag von 15 v. H. (= 1 296,98 DM) zurück.

Die Klägerin macht geltend, die streitigen Wirtschaftsgüter würden weit überwiegend im zweckgebundenen Forschungsbereich eingesetzt werden. Mit ihrer Hilfe würden Erzeugnisse oder Herstellungsverfahren neu oder wesentlich weiterentwickelt werden. Die Wirtschaftsgüter dienten deshalb auch insoweit zumindest mittelbar der Fertigung. Folge man dieser Auffassung nicht, so sei der erhöhte Zulagesatz von 25 v. H. trotzdem gerechtfertigt, weil die Wirtschaftsgüter insgesamt ausschließlich erhöht zulagebegünstigten Zwecken dienten.

Das FG gab in seinem in EFG 1975, 99, abgedruckten Urteil der Sprungklage statt. Es änderte insoweit den endgültigen Festsetzungsbescheid vom 6./9. Februar 1970 und hob insoweit den Rückforderungsbescheid vom 13. Februar/3. März 1970 auf. Es rechnete zwar die betriebliche Forschung und Entwicklung nicht dem Fertigungsbereich zu, weil deren Kosten nicht zu den Herstellungskosten des Einkommensteuerrechts gehörten. Es vertrat aber die Auffassung, daß der Klägerin die erhöhte Zulage von 25 v. H. gewährt werden müsse, weil die Wirtschaftsgüter insgesamt ausschließlich Förderungszwecken dienten, und daß es bei einem solchen Sachverhalt dem Gebot wirtschaftlicher Vernunft widerspräche, der Klägerin nur den Regelsatz von 10 v. H. zuzubilligen.

Das FA sieht in dem Urteil des FG eine Verletzung des § 19 Abs. 1 Satz 3 BerlinFG. Es macht mit der Revision geltend: Nach dem Gesetz genüge es nicht, daß ein Wirtschaftsgut ausschließlich erhöht förderungswürdigen Zwecken diene. Es müsse vielmehr hinzukommen, daß es dem jeweiligen Förderungszweck auch in dem im Gesetz vorgesehenen Umfang diene. Der fehlende Nutzungsanteil im Bereich der Fertigung könne nicht durch eine Nutzung im Bereich der Forschung und Entwicklung ersetzt werden. Beide Bereiche seien im Gesetz als besondere Tatbestände ausgestaltet, zwischen denen es keinen sachlichen Zusammenhang gebe. Insbesondere baue der Zulagesatz von 30 v. H. nicht auf dem von 25 v. H. auf, wie es bei diesen beiden Sätzen im Verhältnis zur Grundzulage von 10 v. H. der Fall sei.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. § 19 des BHG 1968 enthält keine Regelung, wie zu verfahren ist, wenn ein Wirtschaftsgut gemischt genutzt wird.

Lediglich § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BHG 1968 schreibt eindeutig vor, daß für ausschließlich der betrieblichen Forschung und Entwicklung dienende Wirtschaftsgüter eine Investitionszulage von 30 v. H. gewährt werden kann. Insoweit ist eine gleichzeitige andere Nutzung immer schädlich.

Zu § 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BHG/BerlinFG vertritt die Rechtsprechung die Auffassung, daß eine Investitionszulage in Höhe von 25 v. H. nur gewährt werden kann, wenn der Wertverzehr eines Wirtschaftsguts zumindest überwiegend in die einkommensteuerlichen Herstellungskosten eingeht (vgl. das Urteil des Senats vom 29. März 1976 III R 171/72, BFHE 118, 514, BStBl II 1976, 409, mit weiteren Angaben zur Rechtsprechung). Das Wirtschaftsgut muß also zumindest überwiegend im Fertigungsbereich eingesetzt sein.

Weitere Auslegungsregeln sind dem Gesetz und der Rechtsprechung nicht zu entnehmen.

Aus dem Schweigen des Gesetzes könnte die Schlußfolgerung gezogen werden, daß der Gesetzgeber die gemischt-genutzten Wirtschaftsgüter, die nicht eindeutig einem erhöht zulagebegünstigten Bereich dienen, nur mit dem Regelsatz von 10 v. H. ausstatten wollte. Das nimmt der Senat jedoch nicht an. Andernfalls hätte der Gesetzgeber zumindest eine Regelung für die Wirtschaftsgüter treffen müssen, die teils privat und teils betrieblich genutzt werden. Denn hier ist die ausschließliche Zuordnung zum einen oder anderen Bereich nicht selbstverständlich. Der Senat ist deshalb der Auffassung, daß die gesamte Regelung der gemischt-genutzten Wirtschaftsgüter im Gesetz nicht angesprochen ist, so daß diese Lücke von der Rechtsprechung entsprechend der sich aus dem Gesetz ergebenden Regelungsabsicht des Gesetzgebers auszufüllen ist.

2. Durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Berlinhilfegesetzes wurden zwei Bereiche schwerpunktmäßig besonders gefördert, der industrielle Bereich und der Bereich der betrieblichen Forschung und Entwicklung, weil man beide Bereiche für die weitere wirtschaftliche Entwicklung Berlins für besonders wichtig hielt (vgl. die Gesetzesbegründung Drucksache V/3019 des Deutschen Bundestages S. 6 - 9). Diese besondere Förderung kommt diesen Bereichen aber nicht nur dann zugute, wenn ein Wirtschaftsgut in dem obengenannten Umfang jeweils nur einem begünstigten Zweck dient, sondern auch dann, wenn die Nutzung insgesamt den erhöhten Förderungszwecken entspricht. Denn es würde der im Gesetz zum Ausdruck kommenden Regelungsabsicht zuwider gehandelt werden, wenn beispielsweise für ein Wirtschaftsgut, das zu je 50 v. H. der Produktion und der betrieblichen Forschung und Entwicklung dient, die erhöhte Investitionszulage versagt würde. Auch hier muß vielmehr dem Investor eine erhöhte Investitionszulage zugebilligt werden, wobei der Höhe nach nur der Zulagesatz von 25 v. H. in Betracht kommt.

3. Der Senat hat auch geprüft, ob die Kosten für eine zweckgebundene Forschung und Entwicklung zu den Herstellungskosten gehören, mit denen die Fertig- und Halbfertigerzeugnisse eines Betriebes am Bilanzstichtag zu aktivieren sind. Wäre dies der Fall, dann hätten die streitigen Wirtschaftsgüter ohne weiteres zu mehr als dem halben Nutzungsanteil der Fertigung gedient und der Klägerin wäre schon aus diesem Grunde die erhöhte Zulage von 25 v. H. zu gewähren gewesen. Das FG hat die Forschungs- und Entwicklungskosten jedoch zu Recht nicht den Herstellungskosten zugerechnet. Diese Auffassung entspricht der einhelligen Meinung im Schrifttum. Zusätzlich zu der vom FG bereits zitierten Literatur sei noch auf Pieper, Steuerliche Herstellungskosten, 1975 S. 141 ff. hingewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72204

BStBl II 1977, 234

BFHE 1977, 122

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