Leitsatz (amtlich)

Prüfzeichen einer Klassifikationsgesellschaft auf Schiffsarmaturen als Kennzeichen im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB.

 

Normenkette

UStG § 16 Abs. 1; UStDB 1951 §§ 12, 70

 

Tatbestand

Streitig ist eine Ausfuhrhändlervergütung von 775,42 DM, die die Beschwerdeführerin (Bfin.) für Vergütungsvorgänge nach § 70 Abs. 1 Nr. 2 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1951 erhalten, die das Finanzamt jedoch nach einer Prüfung zurückgefordert hat, weil es eine nach § 70 Abs. 2 Nr. 2 (§ 12) a. a. O. steuerlich schädliche Bearbeitung der in das Ausland verbrachten Gegenstände angenommen hat.

Die Bfin. kauft vom Lieferwerk fertige Armaturen; auf Wunsch der Abnehmer, hauptsächlich Werften, wird durch eine Klassifikationsgesellschaft (z. B. den Germanischen Lloyd) die Armatur auf ihre Dichtigkeit und Güte, wie sie dem Abnehmer angeboten war, nochmals geprüft. Die Prüfungsgesellschaft kennzeichnet nach vollzogener Prüfung die Armatur durch Einprägung eines Stempels und stellt ein Prüfungsattest aus. Die Prüfungsgebühren werden den Abnehmern von der Bfin. gesondert in Rechnung gestellt.

Die Vorinstanzen haben in einer auf Veranlassung der Bfin. durchgeführten Klassifikationsprüfung eine die Wesensart der Armatur ändernde Bearbeitung erblickt und die Rückforderung des streitigen Betrages bestätigt.

 

Entscheidungsgründe

Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

Die Vorentscheidung stützt sich im wesentlichen darauf, daß sich durch das Anbringen des Klassifikationszeichens in Verbindung mit der Ausstellung des Prüfungsattestes die Marktgängigkeit der Ware geändert habe. Der Frage, ob im Streitfalle nicht ein Kennzeichnen der verkauften Armaturen im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 3 UStDB 1951 vorliegt, ist das Finanzgericht nicht näher nachgegangen. Der Hinweis auf nach Auffassung der Vorinstanz einschlägige Entscheidungen zeigt aber, daß es ein Kennzeichnen im Sinne der oben angeführten Vorschrift verneint hat. Die vom Finanzgericht angeführte Rechtsprechung jedoch, die sich mit der Anbringung des Namens der Abnehmer beschäftigt (vgl. z. B. das Urteil des Reichsfinanzhofs V 290/39 vom 7. Juni 1940, Reichssteuerblatt - RStBl - 1940 S. 719, Slg. Bd. 49 S. 12), wird im Streitfalle gar nicht berührt. Auch auf das Gutachten des Obersten Finanzgerichtshofs II D 3/49 S vom 23. August 1949 (Steuerrechtsprechung in Karteiform § 7 Abs. 3 Rechtsspruch 7, Steuer und Wirtschaft 1950 Nr. 25), das sich mit dem Anbringen von Steuerzeichen an Tabakwaren befaßt, kann sich die Vorinstanz nicht berufen. Nach diesem Gutachten wird eine Ware im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 3 a. a. O. gekennzeichnet, wenn Zeichen angebracht werden, aus denen der Hersteller oder der Ort der Herstellung, die Beschaffenheit der Ware, ihre Bestandteile, ihre Güte und ähnliches ersichtlich sind. Nach Auffassung des Gutachtens muß es sich aber um Angaben von Tatsachen handeln, die der Ware ihren inneren wirtschaftlichen Charakter aufprägen und deshalb geeignet sind, den Entschluß des Käufers zu beeinflussen, die Ware zu kaufen oder nicht zu kaufen. Der Oberste Finanzgerichtshof hat deshalb auf Grund dieser Ausführungen, denen der erkennende Senat beitritt, das Banderolieren nicht als Kennzeichnen angesehen, weil hierdurch nur die Tatsache beurkundet wird, daß die Tabaksteuer entrichtet ist; diese Tatsache beeinflußt zwar entscheidend die Marktgängigkeit dieser Ware, sie kennzeichnet aber nicht charakteristische Eigenschaften dieser Ware.

Der Streitfall liegt wesentlich anders. Nicht banderolierte Tabakwaren dürfen vom Großhändler nicht gehandelt werden. Armaturen der in Rede stehenden Art werden sowohl beim Hersteller als auch beim Großhändler, vielfach auch erst beim Abnehmer (Werft) geprüft. Die Werften haben zwar in den streitigen Fällen die Armaturen (Ventile) mit "Abnahme und Test" bestellt. Die Bfin. hat ihrerseits die Ventile beim Hersteller entsprechend den Bedingungen der jeweiligen Klassifikationsgesellschaft (z. B. Germanischer Lloyd, Lloyd's Register of Shipping u. a. ) bestellt, und die Armaturen sind solchenfalls nach der Aussage eines Werftvertreters in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht auch ohne Test der Klassifikationsgesellschaften bereits geprüft worden, insbesondere bei Bestellung für die See- und Ausgußventile wird ein Stahlguß verwendet, der bereits von den Stahlgießereien entsprechend den Vorschriften der Klassifikationsgesellschaften behandelt und geprüft und von einem Abnahmebeamten gestempelt worden ist. Nach der gleichen Aussage des Werftvertreters liegt es bei Schäkeln anders, bei denen eine Materialprüfung beim Herstellungswerk nicht vorgenommen wird, so daß der Test, im Gegensatz zu den Armaturen des Streitfalles, also die erste Prüfung überhaupt darstellt.

Auch im Falle der Eichung von Gewichten (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V A 195/21 vom 24. Januar 1922, RStBl 1922 S. 142, Slg. Bd. 8 S. 123) liegt es anders. Ungeeichte Gewichte sind nach den Ausführungen des Urteils des Reichsfinanzhofs für den Gebrauch der Abnehmer wertlos; sie seien als Meßgeräte ohne Eichung überhaupt nicht benutzbar, sie hätten auch einen anderen Handelswert. Daraus ergibt sich, daß ungeeichte "Gewichte" durch die Eichung überhaupt erst ihre Eigenschaft als verkehrsfähige Gewichte, wie sie nach den bestehenden Meß-, Gewichts- und Eichvorschriften verwendet werden dürfen, erhalten, während die Armaturen des Streitfalles alle von ihnen geforderten und vorausgesetzten Eigenschaften bereits im Zeitpunkt des Erwerbs durch die Bfin. gehabt haben. Wenn nun einzelne Klassifikationsgesellschaften für bestimmte Ventile - dies sind die hier streitigen Fälle - trotz Prüfung und Stempelung des Stahlrohgusses und einer Druckprobe des fertigen Ventils beim Hersteller noch einen Teststempel auf dem fertigen Ventil verlangen, um so in besonderer Weise der Sicherheit des Schiffsverkehrs zu dienen, so werden damit keine Sonderzwecke, die über den mit einer Kennzeichnung gemeinhin verbundenen Zweck hinausgehen, verfolgt. Denn der Prüfstempel der Klassifikationsgesellschaft besagt dann nur, auch die nochmalige Prüfung des fertigen Ventils habe bestätigt, daß die Armatur die von den Abnehmern und der Bfin. vorausgesetzten Eigenschaften besitze. Prüfstempel und Attest besagen damit aber nur etwas über die Beschaffenheit und Güte der Ware, lassen sich also als "Kennzeichnen" im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 3 a. a. O. auffassen.

Wenn sich die Vorentscheidung darauf stützt, daß die Abnehmer der Bfin. die Lieferung von Ventilen, die sie mit "Abnahme und Test" bestellt hätten, ohne Prüfungsstempel beanstanden würden, so ist dies zunächst nur eine Folge der getroffenen Abmachungen. Andererseits hat die Beweisaufnahme ergeben, daß solchenfalls die Prüfung bei den Abnehmern (Werften), soweit erforderlich, nachgeholt wird; auch werden vielfach Armaturen mit "Abnahme und Test" bestellt, obwohl gar nicht sicher ist, daß der Teststempel von der Klassifikationsgesellschaft verlangt wird. Vor allem ist es nicht so, wie das Finanzamt angenommen hat, daß bei einer nachträglichen Prüfung der Armaturen anläßlich der Abnahme des Schiffes diese wieder ausgebaut werden müßten. Es spielt demnach weder wirtschaftlich noch technisch eine entscheidende Rolle, ob die im Streitfalle verlangten Prüfstempel schon beim Herstellungswerk, bei der Großhändlerin (Bfin.) oder deren Abnehmern (Werften) eingeprägt werden. Tatsächlich kommen auch alle drei Arten der Geschäftsabwicklung vor. Auch diese Verhältnisse sprechen dafür, den Streitfall nicht mit den oben angeführten Tatbeständen gleichzustellen, in denen die Rechtsprechung eine Kennzeichnung abgelehnt hat.

Geht man hiernach davon aus, daß es sich in den Fällen, in denen die Bfin. den Eindruck des Prüfungszeichens durch die Klassifikationsgesellschaft veranlaßt hat, um eine bloße Kennzeichnung der verkauften und in das umsatzsteuerliche Ausland verbrachten Armaturen (Ventile) gehandelt hat, so kommt es auf eine etwaige Änderung der Marktgängigkeit gar nicht an; denn alle Arbeitsvorgänge, die lediglich im Kennzeichnen, Umpacken oder Umfüllen - ab 1. Juli 1951 auch im Anbringen von Steuerzeichen - bestehen, sind auch dann steuerlich unschädlich, wenn durch sie ein neues Verkehrsgut entsteht (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs V 25/51 U vom 13. November 1952, Bundessteuerblatt 1953 III S. 23, Slg. Bd. 57 S. 63). Es kann deshalb hier dahingestellt bleiben, ob sich die Marktgängigkeit der Armaturen geändert hat und ob die Vorinstanz entgegen den beigebrachten Gutachten und insbesondere dem Ergebnis. der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung zu einer solchen Feststellung gelangen konnte.

Die Vorentscheidungen, die diese Rechtslage verkannt haben, waren deshalb aufzuheben. Der im Rückforderungsbescheid des Finanzamts angeforderte Vergütungsbetrag mindert sich um 775,42 DM.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409206

BStBl III 1959, 21

BFHE 1959, 56

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