Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgegennahme von Zahngoldabfällen als Betriebseinnahmen; Verjährungsfrist für hinterzogene Steuern

 

Leitsatz (NV)

1. Übernimmt ein Zahnarzt bei der Behandlung von Patienten Zahngoldreste, so handelt es sich hierbei um Betriebseinnahmen.

2. Die 10jährige Verjährungsfrist für hinterzogene Steuern (§ 144 AO) setzt voraus, daß die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung im einzelnen festgestellt sind.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 3; AO § 144

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Zahnarzt freiberuflich tätig, Er ermittelt seinen Gewinn durch Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im Rahmen einer 1982 durchgeführten Steuerfahndungsprüfung wurde festgestellt, daß der Kläger in den Jahren 1974, 1977 und 1979 alte Goldkronen und -brücken, die ihm seine Patienten überlassen hatten, sowie Silberamalgam-Abfälle an die Firma . . . geliefert hatte. Er erhielt dafür 1974 Barüberweisungen von 1 251 DM sowie von 1 979 DM im Jahre 1977 und 2 008 DM im Jahre 1979. Diese Beträge wurden von ihm nicht als Einnahmen erfaßt. Der Kläger bezog in den Jahren 1975 bis 1978 Feingoldband im Werte von 2 931 DM, 2 246 DM, 2 729 DM und 237 DM; die Aufwendungen wurden als Betriebsausgaben erfaßt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte demgegenüber die erhaltenen Überweisungen als Betriebseinnahmen und ließ die Ausgaben für Feingold nicht zum Abzug zu. Die Steuerbescheide 1974 bis 1979 wurden entsprechend geändert.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide 1974 bis 1979 ab.

Hiergegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Ausgaben für das Feingold als Betriebsausgabe zu berücksichtigen und für das Altgold den gemeinen Wert im Zeitpunkt der Entgegennahme anzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist hinsichtlich der Einkommensteuer 1976 bis 1979 unbegründet; hinsichtlich der Einkommensteuer 1974 und 1975 wird die Sache an das FG zurückverwiesen.

1. Der Senat hat zu der Frage, wann ein Zahnarzt durch die Entgegennahme von Altgold und seine Weiterlieferung an eine Scheideanstalt Betriebseinnahmen erzielt, in seiner Entscheidung vom 17. April 1986 IV R 115/84 (BFHE 146, 419, BStBl II 1986, 607) Stellung genommen.. . . (Die weiteren Ausführungen schließen inhaltlich an das BFH-Urteil in BFHE 146, 419, BStBl II 1986, 607, an; vgl. auch BFH/NV 1987, 759 ff.)2. Eine Änderung der Steuerbescheide kommt allerdings nur insoweit in Betracht, als die Steuern noch nicht verjährt sind.

Nach § 169 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) beträgt die Festsetzungfrist für die Einkommensteuer grundsätzlich vier Jahre. Da für die Einkommensteuerveranlagung eine Steuererklärung abzugeben ist, beginnt die Festsetzungsfrist grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird. Danach konnte die Frist für die Festsetzung der Einkommensteuer 1977 frühestens am 31. Dezember 1978 beginnen. Ihr Ablauf ist durch die 1982 begonnene Steuerfahndungsprüfung gehemmt worden (§ 171 Abs. 5 AO 1977).

Für die früheren Veranlagungszeiträume richtet sich die Verjährung noch nach den §§ 143 ff. der Reichsabgabenordnung - AO - (Art. 97 § 10 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung). Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 AO betrug die Verjährungsfrist für die Einkommensteuer 1976 fünf Jahre und begann grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung abgegeben wurde (§ 145 Abs. 2 Nr. 1 AO). Demzufolge war auch die Einkommensteuer 1976 bei Beginn der Steuerfahndungsprüfung noch nicht verjährt. Ob die Einkommensteuer für die Jahre 1974 und 1975 verjährt ist, läßt sich nicht feststellen, weil das angefochtene Urteil hierzu keine Ausführungen enthält und die Steuerakten die Vorgänge jener Jahre nicht enthalten. Soweit es auf die zehnjährige Verjährungsfrist für hinterzogene Steuern (§ 144 Abs. 1 Satz 1 AO) ankommt, konnte sich das FG nicht auf die Bemerkung beschränken, eine Steuerhinterziehung habe vorgelegen; es hätte vielmehr die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung im einzelnen feststellen müssen (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 16. Januar 1973 VIII R 52/69, BFHE 108, 286, BStBl II 1973, 273). Dabei kann sich für die Vorratshaltung von Feingold eine andere Beurteilung ergeben als für die Lieferung von Altgold- und Silberamalgam-Abfällen gegen Barüberweisungen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1987, 766

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