Leitsatz (amtlich)

Zum grundsätzlichen Erfordernis der Ablegung einer Prüfung als Voraussetzung für die Zulassung als Helfer in Steuersachen.

 

Normenkette

AO § 107a

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) war seit 1912 zunächst als Lehrling, anschließend als Angestellter bei der Einkommensteuer-Veranlagungskommission, später beim Preußischen Staatssteueramt, seit 1920 in der Reichsfinanzverwaltung bei einem Finanzamt beschäftigt. Im April 1942 wurde er in die Vergütungsgruppe VI b TO.A eingereiht. Unstreitig war er von April 1942 bis zu seiner im Oktober 1944 erfolgten Einberufung zur Wehrmacht als Bezirksbearbeiter einer Veranlagungsdienststelle tätig.

Im Jahre 1945 wurde er auf Anordnung der Militärregierung entlassen.

Die Finanzverwaltungsbehörden lehnten später seine Wiedereinstellung ab, obwohl sie nach dem Ergebnis des Entnazifizierungsverfahrens möglich gewesen wäre.

Im Jahre 1947 beantragte der Bf. seine Zulassung als Helfer in Steuersachen und erklärte sich unter bestimmten Voraussetzungen zunächst bereit, eine Prüfung abzulegen.

Mit Schreiben vom 1. August 1948 beantragte er, ihn mit Rücksicht auf seine langjährige Tätigkeit bei der Finanzverwaltung von der Ablegung der Prüfung zu befreien. Bevor der Hessische Minister der Finanzen über diesen Antrag entschieden hatte, wurde der Bf. zur Prüfung vorgeladen und nahm an der schriftlichen Prüfung teil. Auf Grund des Ausfalls der schriftlichen Prüfungsarbeiten lehnte das Finanzministerium eine Befreiung von der mündlichen Prüfung ab. Er bestand die Prüfung, an der er am 8. Dezember 1948 teilnahm, nicht. Unbeschadet des. Prüfungsergebnisses begehrte der Bf. in wiederholten Eingaben, ihn gleichwohl ohne Ablegung einer Prüfung als Helfer in Steuersachen zuzulassen. Der Hessische Minister der Finanzen lehnte -- in Übereinstimmung mit der Oberfinanzdirektion und dem Finanzamt -- zuletzt durch den in diesem Rechtsmittelverfahren angefochtenen Bescheid vom 9. Oktober 1951 diese Anträge ab.

 

Entscheidungsgründe

Die vom Bf. dagegen eingelegte Berufung wurde vom Finanzgericht, das das Rechtsmittel als Klage bezeichnete, als unbegründet zurückgewiesen.

Der Bundesfinanzhof ist in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, daß für den gegenüber der Reichsabgabenordnung (AO) erweiterten Rechtsschutz des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) durch die Steuergerichte verfahrensmäßig die Vorschriften des § 229 AO entsprechend anzuwenden sind, daß also die Berufungs entscheidungen der Finanzgerichte grundsätzlich durch Rechtsbeschwerde (Rb.) an den Bundesfinanzhof angegriffen werden können (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 107/53 U vom 25. August 1953, Bundessteuerblatt -- BStBl. -- 1953 Teil III S. 293, mit weiteren Entscheidungszitaten).

Die Rb. ist daher zulässig, kann jedoch sachlich keinen Erfolg haben.

Wie der erkennende Senat im Urteil II 113/52 U vom 1. Oktober 1952 (Slg. Bd. 56 S. 832, BStBl. 1952 Teil III S. 319, Steuerrechtskartei -- StRK -- AO § 107 Rechtsspr. 1, Steuer und Wirtschaft -- StuW -- 1953 Nr. 36) entschieden hat, darf nach dem mit dem GG vereinbarten § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 107a der Reichsabgabenordnung vom 11. Januar 1936 (Reichsgesetzblatt -- RGBl. -- I S. 11, Reichssteuerblatt -- RStBl. -- S. 65) die Erlaubnis zur Betätigung als Helfer in Steuersachen nur erteilt werden, wenn der Gesuchsteller die "genügende Sachkunde" besitzt. Im Hinblick auf die Vorschrift des § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 107a der Reichsabgabenordnung vom 11. Januar 1936 hat der Senat in dem genannten Urteil zum Ausdruck gebracht, daß es nicht zu beanstanden ist, wenn die Finanzverwaltungsbehörden für den Nachweis der Sachkunde grundsätzlich die Ablegung einer Prüfung vorschreiben.

Allerdings hat der Senat in den Urteilsgründen erwähnt, daß es eine Ermessensverletzung darstellen könne, wenn einem Bewerber, der einwandfrei seine Sachkunde anderweitig nachgewiesen hat (z. B. einem Dozenten für Steuerrecht an einer Hochschule), eine Prüfung zugemutet würde.

Im Streitfall ist das Finanzgericht ohne Rechtsirrtum zu dem Ergebnis gelangt, daß in dem Verlangen der Prüfung ein Ermessensmißbrauch der Finanzverwaltungsbehörden nicht zu erblicken ist. Denn, nachdem der Bf. die Prüfung nicht bestanden hat, ist -- bis zu einer etwaigen erfolgreichen Wiederholung -- davon auszugehen, daß er die nach § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 107a der Reichsabgabenordnung vom 11. Januar 1936 erforderliche genügende Sachkunde nicht besitzt. Dabei ist es unerheblich, daß der Bf., ohne die Entscheidung über seinen Antrag auf Befreiung von der Prüfung abzuwarten, der Ladung zur schriftlichen Prüfung Folge geleistet hat. Es kann auch nicht darauf ankommen, ob er, wie er meint, mit Rücksicht auf seine jahrzehntelange Tätigkeit in der Finanzverwaltung und seinen Einsatz als Bezirksbearbeiter an sich von der Prüfung hätte befreit werden müssen. Denn die Bestimmung des § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 107a der Reichsabgabenordnung vom 11. Januar 1936, nach der nur Bewerber mit genügender Sachkunde als Helfer in Steuersachen zugelassen werden dürfen, ist im Interesse der Allgemeinheit, nicht zuletzt der Steuerpflichtigen, getroffen. Aus diesem Grunde würden die Finanzverwaltungsbehörden im Streitfall durch eine prüfungsfreie Zulassung des Bf. die durch § 2 a. a. O. geschützten Interessen der Allgemeinheit gefährden, nachdem durch das Nichtbestehen der Prüfung -- jedenfalls vorerst -- das Fehlen der genügenden Sachkunde festgestellt ist. Die Einwände des Bf. gegen die Würdigung seiner Leistungen bei der Prüfung können, auch nach den Prüfungsunterlagen, die Entscheidung nicht in entgegengesetztem Sinne beeinflussen, ganz abgesehen von der Frage, inwieweit solche Einwendungen überhaupt und im besonderen im Streitfalle richterlicher Prüfung unterliegen würden.

Im Hinblick auf den Mißerfolg des Bf. bei der Prüfung stellt es auch keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, daß das Finanzgericht von der Anhörung der vom Bf. benannten Zeugen abgesehen hat. Die Bekundungen ehemaliger Vorgesetzter über die Kenntnisse und Leistungen des Bf. als Angestellter der Finanzverwaltung in einer zum Teil erheblich zurückliegenden Zeit sind nicht geeignet, den grundsätzlich durch eine Prüfung zu erbringenden Nachweis der Sachkunde zu ersetzen, zumal in Anbetracht der heutigen Schwierigkeiten der Materie des Steuerrechts. ....

Der Bundesfinanzhof kann ... nur über die in diesem Verfahren streitige Rechtsfrage entscheiden, ob die Versagung der Zulassung ohne erfolgreiche Prüfung einen Verstoß gegen die für die Ausübung des Ermessens maßgebenden Grundsätze von Recht und Billigkeit darstellt; diese Frage ist aus den oben angeführten Gründen zu verneinen.

 

Fundstellen

BStBl III 1954, 150

BFHE 1954, 627

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