Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Abzug des einem anderen zuzurechnenden Nutzungswerts einer Wohnung als dauernde Last

 

Leitsatz (NV)

Der zur unentgeltlichen Überlassung einer Wohnung Verpflichtete kann mangels Aufwendungen deren Nutzungswert nicht als dauernde Last abziehen, wenn der Nutzungswert unmittelbar dem Berechtigten zuzurechnen ist (Anschluß an BFH-Urteil vom 30. Oktober 1984 IX R 2/84 BFHE 143, 317).

 

Normenkette

EStG 1975 § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 21 Abs. 2 Alt. 2

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Ehefrau des Klägers erhielt von ihrer Mutter durch Vertrag vom 12. Dezember 1964 deren mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück übertragen. Die Mutter behielt sich hieran den lebenslänglichen Nießbrauch für sich und ihren Ehemann vor. Der Nießbrauch sollte nur auf Verlangen im Grundbuch eingetragen werden. Dies war im Streitjahr 1975 noch nicht geschehen. Die eine Wohnung in dem übertragenen Zweifamilienhaus wird von den Eltern der Ehefrau des Klägers bewohnt, die andere von der Ehefrau und dem Kläger. In dem Vertrag vom 12. Dezember 1964 wird die Ehefrau davon befreit, an ihre Eltern Miete für die von ihr und dem Kläger genutzte Wohnung zahlen zu müssen.

Das Finanzamt (FA) rechnete in der Zusammenveranlagung des Klägers und seiner Ehefrau zur Einkommensteuer für das Streitjahr 1975 den Nutzungswert des gesamten Zweifamilienhauses der Ehefrau des Klägers zu.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger, den Nutzungswert des Hauses als dauernde Last im Rahmen der Sonderausgaben abzuziehen.

Seine Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) rechnete zwar - ebenso wie das FA - den Nutzungswert des ganzen Hauses der Ehefrau des Klägers zu, da sie eine Wohnung als Eigentümerin zusammen mit ihrem Ehemann nutzte und die andere ihren Eltern als Unterhaltsberechtigte (§ 12 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) überlassen habe. Jedoch zog das FG den Nutzungswert der elterlichen Wohnung als dauernde Last nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1975 ab.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1975. Freiwillige Leistungen der Ehefrau des Klägers an ihre Eltern könnten mangels eines besonderen Verpflichtungsgrundes nicht als dauernde Last beurteilt werden. Da die Ehefrau ihren Eltern den vereinbarten dinglichen Nießbrauch nicht eingeräumt habe, nutzten diese ihre Wohnung ohne Rechtsgrund.

Das FA hat keinen ausdrücklichen Revisionsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist auch ohne einen ausdrücklichen Revisionsantrag zulässig. Denn aus seinem Gesamtvorbringen läßt sich entnehmen, daß das FA mit seiner Revision darauf abzielt, daß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen wird. Es wendet sich dagegen, daß das FG den Nutzungswert der von der Ehefrau des Klägers ihren Eltern überlassenen Wohnung als dauernde Last zum Abzug zugelassen hat.

Die Revision des FA ist teilweise begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das angefochtene Urteil des FG ist aufzuheben, weil das FG § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1975 unrichtig angewendet hat. Das FG hat den Nutzungswert der von der Ehefrau des Klägers ihren Eltern überlassenen Wohnung rechtsfehlerhaft als dauernde Last im Rahmen der Sonderausgaben des Klägers und seiner Ehefrau zum Abzug zugelassen. Hierfür fehlt es an für die Anerkennung einer dauernden Last nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1975 erforderlichen Aufwendungen der Ehefrau des Klägers.

Der Verpflichtete kann dem Berechtigten nichts zuwenden, was einkommensteuerrechtlich nicht zunächst beim Verpflichteten zu erfassen, sondern unmittelbar und allein dem Berechtigten zuzurechnen ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. Oktober 1984 IX R 2/84, BFHE 143, 317). Der Nutzungswert der ihnen überlassenen Wohnung ist den Eltern nach § 21 Abs. 2 2. Alternative EStG zuzurechnen, weil sie diese aufgrund einer gesicherten Rechtsposition innehaben. Sie haben aufgrund des Vertrages vom 12. Dezember 1984 ein schuldrechtliches Recht zur lebenslänglichen unentgeltlichen Nutzung ihrer Wohnung. Ein solches Nutzungsrecht ist - entgegen der Auffassung des FA - insbesondere auch dann gegeben, wenn die Vertragsparteien untereinander die Rechte und Pflichten eines Nießbrauchs gelten lassen, auch ohne daß ein Nießbrauch in das Grundbuch eingetragen ist (BFH-Urteil vom 16. Oktober 1984 IX R 81/82; Staudinger/Promberger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., Vorbem. zu §§ 1030 ff. Rz. 16).

2. Als dauernde Last kommen auch nicht anteilige Aufwendungen der Ehefrau des Klägers zur Instandhaltung der ihren Eltern überlassenen Wohnung in Betracht (vgl. grundsätzlich zum Abzug derartigen Aufwands als dauernde Last beim Übernehmer BFH-Urteil vom 30. Oktober 1984 IX R 2/84). Hierfür fehlt es am besonderen Verpflichtungsgrund i. S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1975. Der Vertrag vom 12. Dezember 1964 enthält keine Verpflichtung der Ehefrau des Klägers, ihren Eltern die Instandhaltungsaufwendungen abzunehmen.

3. Im Ergebnis sind die vom FG zum Abzug zugelassenen Sonderausgaben um den Nutzungswert der Wohnung zu kürzen, die die Ehefrau des Klägers ihren Eltern überlassen hat. Zugleich sind aber auch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um diesen Nutzungswert zu vermindern, da das FG diesen unzutreffend der Ehefrau des Klägers und nicht ihren Eltern zugerechnet hat. Schließlich kann die Ehefrau des Klägers insoweit mangels Einkünfteerzielung keine Werbungskosten geltend machen (BFH-Urteil vom 16. Oktober 1984 IX R 81/82).

Die Sache geht an das FG zurück, damit dieses feststellt, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Ehefrau des Klägers anteilige, auf die Wohnung ihrer Eltern entfallende Aufwendungen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen hat.

 

Fundstellen

BFH/NV 1985, 78

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