Leitsatz (amtlich)

Erwirbt ein Steuerpflichtiger ein bebautes Grundstück im Wege vorweggenommener Erbfolge mit der Auflage, dem Übertragenden weiterhin die Nutzung zu gestatten, so ist der Nutzungswert der Wohnung aufgrund einer gesicherten Rechtsposition nicht ihm, sondern dem Übertragenden zuzurechnen. Infolgedessen kann der Steuerpflichtige keine Werbungskosten abziehen.

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, §§ 21a, 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin eines Hausgrundstücks, das sie aufgrund eines notariellen Vertrags vom 12. September 1970 von ihren Eltern - den Voreigentümern - übertragen bekommen hat. Das 1920 auf dem Grundstück errichtete Wohnhaus enthält eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 88 qm. Es ist im Einheitswertverfahren als Einfamilienhaus bewertet worden.

Die Klägerin hatte sich in dem notariellen Vertrag u. a. verpflichtet, die in dem Vertrag als Verkäufer bezeichneten Eltern lebenslang auf dem Grundstück wohnen zu lassen. Im Veranlagungszeitraum 1976 wurde das Haus auch dementsprechend von den Eltern der Klägerin genutzt.

In der Einkommensteuererklärung 1976 erklärte die Klägerin bezüglich des Grundstücks Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung von 0 DM und Werbungskosten in Höhe von 14 731 DM, und zwar

DM

Reparaturen 9 544

gezahlte Grundsteuer 322

Stromgebühren für Hausbeleuchtung 30

Schornsteinfegergebühren 75

Beiträge zu den Hausversicherungen 159

Ausgaben für Hausverwaltung und Hausmeister 1 668

11 798

sonstige Ausgaben 290

Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 2 543

erhöhte Absetzungen von Herstellungskosten für Anlagen und Einrichtungen nach § 82a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 100

14 731.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte den von der Klägerin geltend gemachten Werbungskostenüberschuß zunächst an.

In der Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 1980 änderte das FA nach vorheriger Mitteilung den Einkommensteuerbescheid für 1976 in der Weise, daß es bei der Klägerin den Nutzungswert des Hauses nach § 21 a EStG ansetzte. Es war der Ansicht, die Klägerin habe ihren Eltern die Wohnung unentgeltlich überlassen; deshalb müsse sie als Eigentümerin den Nutzungswert der Wohnung versteuern (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11.April 1978 VIII R 164/77, BFHE 125, 155, BStBl II 1978, 493 ). Es berücksichtigte von den geltend gemachten Werbungskosten nur die erhöhten Absetzungen nach § 82a EStDV in Höhe von 100 DM und setzte unter Berücksichtigung eines Grundbetrages von 172 DM einen Einnahmenüberschuß von 72 DM als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung an.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Der Nutzungswert sei der Klägerin gemäß § 21 Abs. 2 1. Alternative EStG zuzurechnen, weil die Klägerin den Nutzungswert unentgeltlich an ihr gegenüber unterhaltsberechtigte Personen überlassen habe, und zwar unabhängig davon, ob das aufgrund schuldrechtlicher oder dinglicher Verpflichtung geschehe (BFH-Urteil vom 28. Februar 1974 VIII R 122/73, BFHE 112, 139, BStBl II 1974, 457 ). Als Nutzungswert des Hauses sei auch zu Recht der Wert nach § 21 a EStG angesetzt worden (vgl. BFH-Urteil vom 11. April 1978 VIII R 119/76, BFHE 126, 13, BStBl II 1979, 17 ).

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie macht geltend:

Die Eltern hätten den Erwerb der laufenden Nutzung der Wohnung durch die einmalige Hingabe eines ideellen Anteils am Hause im Verkehrswert von 75 600 DM teuer bezahlt. Es läge entgegen der Auffassung des FA und des FG auch keine Schenkung unter Auflage vor.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Einkommensteuer für 1976 auf 17 104 DM herabzusetzen und die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Herabsetzung der Einkommensteuer auf 24 428 DM (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Revision der Klägerin ist hinsichtlich eines Betrages von 61 DM begründet, wenn auch aus anderen als den von der Klägerin geltend gemachten Gründen.

1. Die Klägerin hat im Streitjahr keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i. S. von § 21 Abs. 1 und 2 oder § 21 a EStG bezogen.

a) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i. S. von § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG hat die Klägerin schon deshalb nicht bezogen, weil ihr keine Einnahmen i. S. von § 8 EStG zugeflossen sind, auch nicht in der Form eines zu verrechnenden "Kaufpreises".

Die Überlassung des Grundstücks von den Eltern auf die Klägerin ist vom FG unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 23. August 1963 VI 81/62 U (BFHE 77, 450, BStBl III 1963, 484 ) als Schenkung unter Auflage gewertet worden. Diese rechtliche Würdigung entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH. Der Senat teilt diese Auffassung. Infolgedessen kann auch insoweit keine anteilige Verrechnung des Wertes des schuldrechtlich vorbehaltenen Nutzungsrechts und eines Kaufpreises vorliegen.

b) Einkünfte i. S. von § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG hat die Klägerin nicht erzielt, denn sie hat als Eigentümerin die Wohnung nicht tatsächlich genutzt, und es ist ihr auch nicht die Nutzung der Wohnung durch ihre Eltern zuzurechnen.

aa) Bewohnt jemand, der sein Einfamilienhaus unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs veräußert hat, dieses Einfamilienhaus aufgrund des Vorbehaltsnießbrauchs selbst, so ist ihm der Nutzungswert der Wohnung gemäß § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG zuzurechnen (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 1982 VIII R 153/81, BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627). Der VIII. Senat des BFH hat diese Folge für den Fall ausgesprochen, daß die Schenkenden sich das dingliche Nutzungsrecht vorbehalten hatten; er hat offengelassen, ob dies auch zutreffe, wenn sich der Veräußerer des Grundstücks ein schuldrechtliches Nutzungsrecht vorbehält.

bb) Die Vereinbarung eines dem Nießbrauch im Ergebnis entsprechenden Nutzungsrechts auf schuldrechtlicher Grundlage ist zulässig (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 19. Juni 1957 IV ZR 214/56, BGHZ 25, 1; ferner Staudinger/Promberger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., Vorbem. zu §§ 1030 ff. Rz. 16). Das gilt insbesondere, wenn die Eintragung des Nießbrauchs an einem Grundstück unterlassen wurde und anzunehmen ist, daß die Beteiligten die Vereinbarung auch ohne solche Eintragung zwischen sich gelten lassen wollen (vgl. Staudinger/Promberger, a. a. O.). Bewohnt jemand aufgrund eines bürgerlich-rechtlich wirksamen schuldrechtlichen Nutzungsrechts, das er sich bei der Übertragung eines Hauses vorbehalten hat, das Haus selbst, so ist ihm der Nutzungswert der Wohnung gemäß § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG zuzurechnen (vgl. insoweit zutreffend Urteil des FG München vom 26. Mai 1982 IX 317/80 F - rkr -, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1983, 24). Denn in einem solchen Fall nutzt der Berechtigte das Grundstück aufgrund einer gesicherten Rechtsposition (vgl. BFH-Urteile vom 29. November 1983 VIII R 215/79, BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366 ; vom 29. November 1983 VIII R 184/83, BFHE 140, 203, BStBl II 1984, 371 , und vom 13. Dezember 1983 VII R 17/82, BFHE 140, 234, BStBl II 1984, 368 ). Das trifft hier zu. Wie sich aus den Abmachungen der Klägerin mit ihren Eltern ergibt, sollten diese entsprechend dem Übertragungsvertrag auch ohne Grundbucheintragung lebenslang auf dem Grundstück wohnen dürfen. Bedenken gegen die Ernsthaftigkeit und Wirksamkeit dieser Vereinbarungen oder ihre tatsächliche Durchführung bestehen nicht.

Daraus ergibt sich, daß von der Klägerin der Tatbestand der Einkünfteerzielung i. S. von § 21 Abs. 2 Alternative 1 EStG nicht erfüllt worden ist.

Damit entfällt auch die Frage, ob der Nutzungswert bei der Klägerin pauschaliert gemäß § 21 a EStG zu ermitteln wäre.

c) Der Klägerin ist der Nutzungswert der Wohnung auch nicht nach § 21 Abs. 2 Alternative 2 EStG zuzurechnen, denn ihr wurde die Wohnung nicht zur Nutzung überlassen.

2. Mangels Einkünfteerzielung der Klägerin entfällt die Möglichkeit des Abzugs von Werbungskosten einschließlich des Abzugs für AfA (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 1982 VIII R 166/80, BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660 ).

3. Die Einkommensteuerfestsetzung 1976 ist hiernach rechtsfehlerhaft. Der bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung angesetzte Einnahmenüberschuß von 72 DM war auszuscheiden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 426139

BStBl II 1985, 390

BFHE 1985, 310

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