Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschäftsführerhaftung für Umsatzsteuer

 

Leitsatz (NV)

1. Kein Schuldausschließungsgrund für den Geschäftsführer wegen Übertragung steuerlicher Angelegenheiten auf Steuerberater oder Angestellte.

2. Zu den Verschuldensmaßstäben für Fälle der Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung.

3. Hat das FA im Verwaltungsverfahren darauf hingewiesen, die Umsatzsteuerschulden der KG seien nicht anteilig zu anderen Geschäftsverbindlichkeiten beglichen worden, so ist es Sache des Klägers, dies zu widerlegen.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 69, 34; AO §§ 109, 105

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger war in der Zeit vom 1. Januar 1969 bis 1. Juli 1970 Geschäftsführer der GmbH, die iherseits Komplementärin einer KG war. Über das Vermögen der KG wurde im April 1971 das Konkursverfahren eröffnet, sie ist inzwischen aufgelöst worden.

Das FA hat den Kläger mit Haftungsbescheid vom 24. Oktober 1975 in Form der Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 1976 gemäß §§ 109, 103, 105 der Reichsabgabenordnung (AO) wegen rückständiger Umsatzsteuer

März - Mai 1970 in Höhe von 16 685,84 DM

Lohnsteuer JanuarMai 1970 11 996,86 DM

28 682,70 DM

als Haftungsschuldner in Anspruch genommen.

Die nach insoweit erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit der die Aufhebung des Haftungsbescheids begehrt wurde, hat das FG nach mündlicher Verhandlung am 13. August 1980 abgewiesen. Es hat ausgeführt: Der gegen den Schuldvorwurf (§ 109 AO) erhobene Einwand des Klägers, er habe wegen anderweitiger beruflicher Inanspruchnahme die Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten der KG seinen - sorgfältig ausgesuchten - Angestellten und den zugezogenen Steuerberatern übertragen und sich auf die Erledigung steuerlicher Verpflichtungen durch diese verlassen, sei nicht stichhaltig. Der Kläger sei in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer verpflichtet gewesen, die betrauten Angestellten (bzw. Steuerberater) zu überwachen und sich selbst darum zu kümmern, daß die fälligen Steuerschulden bezahlt würden. Da er dies zufolge seines eigenen Vorbringens nicht getan habe, könne er den Vorwurf eines grob fahrlässigen Überwachungsverschuldens nicht entkräften. Für den Schuldvorwurf komme es bei der Lohnsteuer nicht auf die wirtschaftliche Lage der KG an, weil die Lohnsteuer - als Teil des Arbeitslohnes - in jedem Fall hätte zurückbehalten und an das FA hätte abgeführt werden müssen. Das gleiche gelte im Ergebnis auch hinsichtlich der rückständigen Umsatzsteuer, weil diese - nach neuem Recht - kein Kostenfaktor sei und daher anderen Verbindlichkeiten vorgehe. Schließlich könne sich der Kläger auch nicht damit entlasten, daß er mehrfach dem späteren Geschäftsführer der KG zwecks Tilgung von Steuerschulden erhebliche Beträge (in bar) überlassen habe, die dieser nicht an das FA weitergeleitet, sondern für eigene Zwecke verwendet habe.

Mit der Revision verfolgt der Kläger das Klagebegehren weiter. Er rügt fehlerhafte Anwendung von § 109 AO und hält im wesentlichen daran fest, er sei außerstande gewesen, sich um sämtliche Einzelheiten des Geschäftsbetriebs der KG, insbesondere deren steuerliche Angelegenheiten zu kümmern. Er habe sich diesbezüglich auf seine sorgfältig ausgesuchten Angestellten bzw. Steuerberater verlassen. Auch habe er nicht wissen oder damit rechnen können, daß die seinerseits dem späteren Geschäftsführer zur Tilgung von Steuerschulden überlassenen Barbeträge von diesem nicht beim FA eingezahlt, sondern für eigene Zwecke verwendet würden. Es fehle jedenfalls an einem schuldhaften Verhalten seinerseits und daher an einer wesentlichen Voraussetzung für die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner (§ 109 AO)

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet.1) Der Kläger haftet als Geschäftsführer der GmbH, die ihrerseits Geschäftsführer der KG gewesen ist, gemäß §§ 109, 105 AO i. V. m. § 35 des Gesetzes betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG) insoweit persönlich, als durch schuldhafte Verletzung der ihm auferlegten Sorgfaltspflichten (§ 103 AO) Steueransprüche verkürzt worden sind. Steueransprüche sind hier dadurch verkürzt worden, daß die Umsatzsteuervorauszahlungen März bis Mai 1970 und die Lohnsteuerabzugsbeträge Januar bis Mai 1970 - in der im Haftungsbescheid aufgeführten Höhe - nicht gezahlt worden sind.

2) Die eingetretenen Steuerverkürzungen beruhen - wie das FG im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat - auf einer schuldhaften Pflichtverletzung des Klägers (§ 109 AO). Der Kläger kann sich nicht damit entlasten, er habe die Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten der KG - wegen zu starker Inanspruchnahme seiner Arbeitskraft aus anderer Berufstätigkeit - seinen Angestellten und Steuerberatern überlassen und damit gerechnet, daß diese die übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß erledigen würden. Der Kläger hätte vielmehr in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH die Pflicht gehabt, sich durch laufende Überwachung seiner Angestellten und Abstimmung mit den Steuerberatern davon zu überzeugen, daß die hier in Frage stehenden Steuerschulden auch tatsächlich gezahlt wurden. Das hat der Kläger jedoch - wie sich aus seinem eigenen Vorbringen ergibt - nicht getan. In diesem Unterlassen, von dem FG zutreffend als ,,Überwachungsverschulden" gekennzeichnet, liegt bereits für sich allein eine grob fahrlässige Pflichtverletzung, ohne daß es darauf ankäme, ob und inwieweit die beauftragten Personen sorgfältig ausgewählt waren oder nicht.

Schließlich kann sich der Kläger, wie vom FG zutreffend ausgeführt, auch nicht damit entlasten, daß er wiederholt dem späteren Geschäftsführer erhebliche Barbeträge zur Tilgung von Steuerschulden überlassen habe, die dieser zweckwidrig verwendet habe. Denn die zweckwidrige Verwendung lag im Verantwortungsbereich des Klägers.

3) Die dem Verschuldensbereich weiter zuzuordnende Frage, ob die GmbH in der Lage gewesen wäre, die Steuerschulden zu begleichen, hat das FG - jedenfalls im Ergebnis - zutreffend bejaht. Hinsichtlich der nicht abgeführten Lohnsteuerabzugsbeträge ergibt sich dies schon daraus, daß die Lohnsteuer als Teil des Arbeitslohnes vom Arbeitgeber treuhänderisch für das FA zurückbehalten wird, so daß die Nichtabführung von Lohnsteuerabzugsbeträgen - unabhängig von der wirtschaftlichen Lage des Arbeitsgebers - in jedem Fall als grobe Pflichtverletzung zu beurteilen ist (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - vgl. Urteil vom 20. April 1982 VII R 96/79, BFHE 135, 416, BStBl II 1982, 521).

Für die Umsatzsteuer gilt dieser strenge Verschuldensmaßstab - entgegen der Auffassung des FG - allerdings nicht, weil die Umsatzsteuer - anders als die Lohnsteuer - nur in etwa dem nämlichen Verhältnis zu tilgen ist, wie andere Verbindlichkeiten (Urteil des BFH vom 26. April 1984 V R 128/79, BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776). Nachdem das FA aber den Kläger in der Einspruchsentscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, auch eine solche - in etwa anteilige - Tilgung sei hier nicht eingehalten worden, weil die KG sämtliche ihr zur Verfügung stehenden Mittel zur ,,Erfüllung anderer Verpflichtungen" verwendet habe, wäre es Sache des Klägers gewesen, eine gegenteilige Sachlage darzutun. Dies ist nicht geschehen, obwohl es auch deshalb angezeigt gewesen wäre, weil sich die KG noch bis zum 29. April 1971, also noch nahezu 10 Monate nach Abgabe der Geschäftsführertätigkeit durch den Kläger, geschäftlich betätigt hat. Nach den Grundsätzen des Urteils des BFH vom 8. Juli 1982 V R 7/76 (BFHE 137, 1, BStBl II 1983, 249) erweist sich daher die Entscheidung des FG auch zu diesem Punkt im Ergebnis als zutreffend.

 

Fundstellen

BFH/NV 1987, 273

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