Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Erhebung von Lohnsummensteuer durch die Gemeinden ist mit dem GG vereinbar.

GewStG 1962 §§ 1, 6, 23 bis 27; AO § 1; Einführungsgesetz zu den Realsteuergesetzen §§ 3, 6; GG

 

Normenkette

GewStG §§ 1, 6, 23-27; EinfGRealStG 3; EinfGRealStG 6

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Erhebung der Lohnsummensteuer mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar ist.

In der Stadt X. wird Lohnsummensteuer erhoben. Die Bfin. beantragte beim Finanzamt in X. Festsetzung des Steuermeßbetrages nach der Lohnsumme für den Monat Januar 1962 (ß 27 GewStG). Gegen den daraufhin ergangenen Meßbescheid legte sie Einspruch ein und erklärte, der Einspruch verfolge allein den Zweck, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Rechtmäßigkeit der Besteuerung nach der Lohnsumme herbeizuführen. Der Einspruch und ebenso die gegen die Einspruchsentscheidung eingelegte Berufung blieben erfolglos.

Das Finanzgericht führte aus, durch die Erhebung von Lohnsummensteuer entstehe zwar eine Benachteiligung der lohnintensiven Betriebe gegenüber anderen Betrieben innerhalb derselben Gemeinde. Diese Benachteiligung sei aber gerechtfertigt, weil die Lohnsummensteuer der Zahl der Beschäftigten angepaßt sei und in der Regel größere Betriebe der Gemeinde auch größere Lasten auferlegten. Die Nachteile seien vom Gesetzgeber schon bei Erlaß des GewStG erkannt und in Kauf genommen worden. Eine Benachteiligung der in einer Gemeinde ansässigen Betriebe gegenüber den Betrieben in anderen Gemeinden, in denen Lohnsummensteuer nicht oder nach niedrigeren Hebesätzen erhoben werde, sei nicht verfassungswidrig, weil die Ermächtigung der Gemeinden zur unterschiedlichen Festsetzung der Hebesätze nach den örtlichen Gegebenheiten und der Haushaltslage auf Art. 106 Abs. 6 GG beruhe.

Die Bfin. legte Rb. ein. Auch mit ihr macht sie nur geltend, die Erhebung von Lohnsummensteuer sei verfassungswidrig. Sie beantragt, den Steuermeßbescheid aufzuheben und die Akten dem Bundesverfassungsgericht zur Bejahung der Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs. 2 GewStG gemäß § 90 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) vorzulegen und das Verfahren beim Bundesfinanzhof auszusetzen.

Der Bundesminister der Finanzen und der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen sind dem Verfahren beigetreten. Sie halten die Erhebung von Lohnsummensteuer für verfassungsgemäß.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet. Für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht besteht kein Anlaß.

A. - Zulässigkeit des Finanzgerichtlichen Rechtswegs

Es ist vorab zu entscheiden, ob der Rechtsweg zu den Finanzgerichten und damit zum Bundesfinanzhof gegeben ist. Das ist zu bejahen.

I. In der Regel wird bei der Lohnsummensteuer kein Steuermeßbetrag festgesetzt; die Steuer wird auf Grund einer Selbstveranlagung des Steuerpflichtigen gezahlt Nur auf Antrag des Steuerschuldners oder einer beteiligten Gemeinde erfolgt eine Festsetzung, und zwar nur wenn ein "berechtigtes Interesse" an der Feststellung dargetan wird (ß 27 Abs. 1 GewStG).

Eine Zuständigkeit der Finanzämter und damit die Eröffnung des finanzgerichtlichen Rechtszuges ist also nur gegeben, wenn die Voraussetzungen zum Erlaß eines Steuermeßbescheides im Sinne des § 27 Abs. 1 GewStG vorliegen. Sollte das nicht der Fall sein, so könnte die Entscheidung des Bundesfinanzhofs nur auf Aufhebung des Urteils des Finanzgerichts, der Einspruchsentscheidung und des Steuermeßbescheids und Zurückweisung des Antrags der Bfin. auf Festsetzung des Steuermeßbetrags lauten, dagegen über die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Lohnsummensteuer nicht befunden werden.

II. Die Voraussetzungen für die Zuständigkeit des Finanzamts zum Erlaß eines Steuermeßbescheids im Sinne des § 27 GewStG sind gegeben. Ein Antrag der Bfin. ist gestellt; auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung liegt vor.

Es ist zwar streitig, ob ein solches Interesse dann gegeben ist, wenn allein die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Lohnsummensteuer gestellt wird.

Nach Blümich-Boyens-Steinbring-Klein, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 7. Aufl., § 27 Anm. 1 (1), ist ein berechtigtes Interesse bei Streit über die Höhe der Steuerschuld gegeben. Littmann-Kilian, Buchreihe Finanz und Steuern Bd. 16 Gewerbesteuer S. 231, sehen ein berechtigtes Interesse als gegeben an, wenn keine Einigung über die "Grundlagen der Steuerberechnung" zu erzielen ist. Bei Priese, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, § 27 Anm. 3, heißt es, ein berechtigtes Interesse sei vorhanden, "wenn im Ergebnis die .... Steuerschuld .... nicht anerkannt" werde. Hoven, Deutsche Gemeindesteuerzeitung (DGemStZ) 1959 S. 37, nimmt das Vorliegen eines berechtigten Interesses an bei Meinungsverschiedenheiten über Grund oder Höhe des Steueranspruchs. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 305/55 vom 28. Februar 1956 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1963 S. 227) ist ein berechtigtes Interesse dann gegeben, wenn eine Einigung über die "Besteuerungsgrundlagen oder über Rechtsfragen" nicht zu erzielen ist (ebenso Dylla, Der Betrieb - DB - 1957 S. 343).

Die allgemeine Tendenz dieser Stellungnahmen, die sich nicht besonders mit der Frage des Vorliegens eines berechtigten Interesses bei Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit der Lohnsummensteuer befassen, geht also dahin, auch dann ein berechtigtes Interesse zu bejahen, wenn der Grund des Steueranspruchs, einschließlich der dabei auftauchenden Rechtsfragen, streitig geworden ist.

Mit der Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit insbesondere befassen sich Lenski-Steinberg (Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, § 27 Anm. 1), Hoven (Kommunale Steuer-Zeitschrift - KStZ - 1961 S. 49), Thiel (DB 1963 S. 1163), Risse (Der Betriebs-Berater - BB - 1963 S. 463), Heinemann (BB 1963 S. 346), Hillebrecht (BB 1963 S. 549), George (Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht 1963 S. 179), Beyer (Steuern und Finanzen 1963 S. 175), Leibrecht (Steuer und Wirtschaft - StuW - 1963 Sp. 432) und Loberg (BB 1963 S. 727). Während Hoven (ohne nähere Begründung) und Loberg (mit eingehender Begründung) das Vorliegen eines berechtigten Interesses verneinen, wird dieses von den anderen Autoren bejaht.

Loberg ist der Ansicht, bei dem Einwand der Verfassungswidrigkeit gehe das Interesse des Steuerpflichtigen über den üblichen Rahmen hinaus, es erstrecke sich auf die Beseitigung der Steuer und ihrer gesetzlichen Grundlage. Diese Entscheidung könne ein Finanzamt nicht treffen. Die Gemeinden könnten sich bei Beschreiten des Finanzrechtsweges auch nicht durch Rechtsmittel wehren. Es sei daher nur der Verwaltungsrechtszug gegen die Heranziehung zur Lohnsummensteuer nach den Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Bayer meint, zu dem Streit über die Grundlagen der Besteuerung, der nach überwiegender Ansicht ein berechtigtes Interesse an der Festsetzung begründe, gehöre auch die Frage der Verfassungswidrigkeit. Thiel verweist auf § 212 a Abs. 3 AO, wonach in der Festsetzung des Steuermeßbetrags auch die Feststellung der sachlichen und der persönlichen Steuerpflicht liege, wozu auch die Frage der Zulässigkeit der Erhebung der Steuer überhaupt gehöre.

Leibrecht führt aus, wenn schon beim Streit über die Höhe ein berechtigtes Interesse bejaht werde, müsse das erst recht bei der Grundfrage der Verfassungsmäßigkeit gelten (ebenso Risse und Heinemann). Nach Risse würde sich ein Finanzamt, das sich unter Berufung auf das Fehlen eines berechtigten Interesses weigere, einen Feststellungsbescheid zu erlassen, in den Verdacht setzen, möglicherweise unrechtmäßige Bestimmungen weiter anwenden und die Einziehung unrechtmäßiger Steuern ermöglichen zu wollen. Das wäre rechtsstaatswidrig.

In der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts VII C 119/60 vom 24. März 1961 (Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1961 S. 1371) ist die Frage offengelassen, ob die Finanzgerichte zuständig sind, während jedenfalls auch der Verwaltungsrechtsweg für gegeben erachtet wird (für den ähnlich gelagerten Fall der Zweigstellensteuer - § 17 GewStG).

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat in dem Urteil III A 1100/63 vom 27. November 1963 ausschließlich den finanzgerichtlichen Rechtszug für zulässig erachtet. Es ist dabei im wesentlichen der Ansicht von Thiel gefolgt, die Frage der Zulässigkeit der Erhebung der Steuer gehöre zur Frage der sachlichen und persönlichen Steuerpflicht, die von den Finanzgerichten zu prüfen sei.

Der überwiegenden, das Vorliegen eines berechtigten Interesses und damit die Zuständigkeit der Finanzgerichte bejahenden Ansicht ist zuzustimmen. Die Regelung des § 27 Abs. 1 GewStG geht offensichtlich von dem Grundgedanken aus, daß bei Streit über die von den Gemeinden in der Regel durch Selbstveranlagung des Steuerpflichtigen zu erhebende Gewerbesteuer in Form der Lohnsummensteuer die sachlich für überprüfungen besonders qualifizierten Finanzämter eingeschaltet werden sollen. Die schwerwiegendste Streitfrage im Rahmen einer sachlichen Prüfung ist immer die Frage nach der Rechtmäßigkeit des die Möglichkeit der Steuererhebung begründenden Gesetzes. Es besteht auch kein Anlaß, die nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 GewStG nicht begrenzte sachliche Zuständigkeit der Finanzämter einzuschränken und hier die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit auszuschließen.

Der Einwand Lobergs, den Finanzämtern komme eine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Lohnsummensteuer nicht zu, ist nicht berechtigt. Wie Beyer (Steuern und Finanzen 1963 S. 176) richtig bemerkt, träfe dieser Einwand auch für die Stellen der Gemeinden zu, die die Lohnsummensteuer entgegennehmen. Ferner darf die Verwaltung nicht nur die von ihr angewendeten Gesetze auf ihren verfassungsmäßigen Bestand prüfen, sondern sie muß es auch, da sie nach Art. 1 Abs. 3 GG zur Beachtung des GG verpflichtet ist (so mit Recht auch Thiel, DB 1963 S. 1164, und Beyer). Im übrigen wird die bindende Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit nicht von den Verwaltungsinstanzen, sondern erst von den Gerichten (und im Falle der Verfassungswidrigkeit nur vom Bundesverfassungsgericht) getroffen.

Wesentliche Belange der Gemeinden werden - entgegen der Ansicht Lobergs - nicht beeinträchtigt. Zwar kann sich die Gemeinde im finanzrechtlichen Rechtszug, wenn der Antrag vom Steuerpflichtigen gestellt ist, nicht mit Rechtsbehelfen oder Rechtsmitteln in das Verfahren einschalten (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs I B 43/55 U vom 22. November 1955, BStBl 1956 III S. 44, Slg. Bd. 62 S. 115). Dadurch sind aber ihre Rechte nicht in entscheidender Weise verkürzt. Entweder wird von den Instanzen des Finanzrechtsweges die Lohnsummensteuer für verfassungsgemäß erklärt; dann sind die Rechte der Gemeinden nicht beeinträchtigt. Oder die Finanzgerichte halten die Lohnsummensteuer für grundgesetzwidrig; dann müssen sie das Verfahren aussetzen und die Sache dem Bundesverfassungsgericht vorlegen (ß 90 Abs. 2 BVerfGG); es käme hier also ebensowenig zu einer Entscheidung der Finanzgerichte wie bei der Beschreitung des Verwaltungsrechtsweges zu einer Entscheidung durch die Verwaltungsgerichte.

Die Richtigkeit des hier gefundenen Ergebnisses ergibt sich auch aus folgender Erwägung. Wenn ein Steuerpflichtiger seinen Antrag nach § 27 GewStG lediglich auf eine Fehlbemessung der Höhe der Steuer stützte und sich dann erst im finanzgerichtlichen Verfahren Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Lohnsummensteuer zeigten, könnte man dem Finanzgericht nicht nur nicht verwehren, diesen Zweifeln nachzugehen, sondern wäre es seine Pflicht, dies zu tun. Der Steuerpflichtige, der eine Nachprüfung in verfassungsmäßiger Hinsicht erreichen will, müßte also lediglich pro forma behaupten, die Steuer sei falsch bemessen, um in das finanzgerichtliche Verfahren zu gelangen.

B. - Verfassungsmäßigkeit der Lohnsummensteuer

Die Erhebung von Lohnsummensteuer ist, wie außer der Vorinstanz auch das Verwaltungsgericht Münster (1 L 57/63 vom 17. Juli 1963, KStZ 1963 S. 181; 1 K 310/63 vom 13. August 1963 und 1 K 457/63 vom 15. Oktober 1963), das Verwaltungsgericht Düsseldorf (5 L 301/63 vom 23. August 1963, 5 K 712/63 vom 24. September 1963 und 5 K 559/63 vom 8. Oktober 1963), das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (3 K 597/63 vom 10. September 1963, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - Eildienst 1963 S. 462) und das Verwaltungsgericht Arnsberg (1 K 4/63 vom 30. September 1963) angenommen haben und wie offenbar auch das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung 2 BvR 2/60 vom 19. Dezember 1961 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 13 S. 279) unterstellt hat, mit dem GG vereinbar.

Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die sachliche Zuständigkeit der Gemeinden, die Erhebung von Lohnsummensteuer zu beschließen (ß 6 Abs. 2 GewStG).

Die Einführung der Lohnsummensteuer ist ein Akt der materiellen Gesetzgebung. Zwar heißt es in § 6 Abs. 2 GewStG lediglich, neben dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital könne die Lohnsumme als "Besteuerungsgrundlage" gewählt werden. Doch ist die Einführung einer neuen Besteuerungsgrundlage wie auch die Festsetzung von Hebesätzen als ein die Grundrechte berührender Vorgang nur in der Form eines materiellen Gesetzgebungsaktes möglich. Es bedurfte deshalb in Art. 105 Abs. 2 Ziff. 3 GG der Feststellung, daß von der an sich bestehenden (konkurrierenden) Gesetzgebungskompetenz des Bundes die Festsetzung der Hebesätze, die in den Realsteuergesetzen den Gemeinden vorbehalten war, ausgenommen sein soll. Aus dieser Herausnahme der Kompetenz für die Festsetzung der Hebesätze ergibt sich, daß das GG insoweit die Gesetzgebungskompetenz auf die zur autonomen Gesetzgebung befähigten Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 GG) überträgt.

In der Befugnis zur Festsetzung der Hebesätze ist notwendigerweise die Befugnis enthalten, Gewerbesteuer, und zwar auch in der Form der Lohnsummensteuer, zu erheben (vgl. §§ 1, 6 Abs. 2 GewStG). Bei der übertragung der Befugnis zur Festsetzung der Hebesätze auf die Gemeinden hat das GG in Art. 105 Abs. 2 Ziff. 3 die Realsteuern in ihrer traditionellen Form übernommen (BVerfGE Bd. 7 S. 251). In § 25 Abs. 4 GewStG ist ausdrücklich auch die Festsetzung der Hebesätze für die Lohnsummensteuer durch die Gemeinden erwähnt. Wenn das GG davon ausgeht, daß die Gemeinden Hebesätze festsetzen dürfen, und wenn es den Bund von der Festsetzung der Hebesätze ausschließt, so unterstellt es dabei stillschweigend, daß sich die Gemeinde überhaupt zur Erhebung der Steuer entschließen kann. So hat der Bundesfinanzhof im Urteil I 162/59 S vom 11. Juli 1961 (BStBl 1961 III S. 407, Slg. Bd. 73 S. 387) für die Zweigstellensteuer ausgeführt, die Befugnis zur Erhebung dieser Steuer ergebe sich aus der den Gemeinden eingeräumten Befugnis, Gewerbesteuer zu erheben und die Hebesätze festzusetzen. Leibrecht meint zwar (StuW 1963 Sp. 418) unter grundsätzlicher Billigung der Ansicht des Bundesfinanzhofs, was für die Zweigstellensteuer gelte, könne nicht auch ohne weiteres für die Lohnsummensteuer herangezogen werden weil es sich bei der Zweigstellensteuer nur um einen Zuschlag auf den Hebesatz für die veranlagte Gewerbesteuer handele und die Gemeinden für die Festsetzung des Hebesatzes zuständig seien, während bei der Lohnsummensteuer eine "zusätzliche" Gewerbesteuer beschlossen werde. Der Senat sieht indessen keinen entscheidenden Unterschied darin, ob für Zweigstellen durch den Beschluß, die Zweigstellensteuer in Form eines Zuschlags zum Hebesatz für die veranlagte Steuer zu erheben, praktisch ebenfalls eine weitere Steuer geschaffen wird, oder ob durch Einbeziehung einer neuen Besteuerungsgrundlage für die schon durch die veranlagte Gewerbesteuer erfaßten Betriebe eine Besteuerung lediglich nach einem anderen Maßstab geschieht.

Die durch das GG selbst vorgenommene Delegation, die Lohnsumme als Besteuerungsgrundlage heranziehen zu dürfen, die Hebesätze festzusetzen und damit materielles Steuerrecht zu schaffen, kann nicht, wie Forsthoff (Die Verfassungswidrigkeit der Zweigstellensteuer, Heft 4 der Schriftenreihe "Unternehmung und Steuer" S. 20) meint, durch eine analoge Anwendung des Art. 80 GG in Frage gestellt werden. Diese Vorschrift bezieht sich nur auf Rechtsverordnungen, d. h. auf materielle Gesetzgebungsakte, die durch Gesetz auf Verwaltungsstellen übertragen werden, womit die verfassungsmäßige Gewaltentrennung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) durchbrochen wird; nur diese Durchbrechung soll Art. 80 GG erschweren und begrenzen. Er betrifft also nicht die übertragung materieller Gesetzgebung auf Organe mit autonomer Satzungsgewalt (BVerfGE Bd. 12 S. 325). Bei der Delegation des Rechts zur Heranziehung der Lohnsumme und zur Festsetzung der Hebesätze auf die Gemeinden handelt es sich aber nicht um eine Verlagerung auf die Verwaltung, sondern auf ein demokratisches Gremium innerhalb der Legislative (Maunz-Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 80 Anm. 31; vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs I 162/59 S für die Zweigstellensteuer). Bei der Ausübung ihrer Befugnisse sind die Gemeinden - im Rahmen des Gesetzes - nur durch ihren Aufgabenkreis begrenzt (BVerfGE Bd. 12 S. 325 mit weiteren Nachweisen).

Auch in § 6 Abs. 2 Satz 2 GewStG, in dem bestimmt ist, daß die Lohnsummensteuer nur mit Zustimmung der Landesregierung erhoben werden darf, ist keine Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen auf die Exekutive zu erblicken. Die Rechtsetzung geschieht allein durch die Gemeinde; die Zustimmung der Landesregierung gehört nicht mehr zu dem Rechtsetzungsakt; sie ist lediglich Wirksamkeitsvoraussetzung (vgl. BVerfGE Bd. 10 S. 50). Soweit sich die Exekutive selbst und den nachgeordneten Stellen, auf die sie in gesetzlich zulässiger Weise das Recht zur Erteilung der Zustimmung delegiert hat, Richtlinien gibt, unter welchen Voraussetzungen die Zustimmung zu erteilen ist, handelt sie im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens. Sie wird nicht gesetzgeberisch bei der Ausgestaltung der Lohnsummensteuer tätig. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, daß es in § 6 des Einführungsgesetzes zu den Realsteuergesetzen vom 1. Dezember 1936 (RGBl I S. 961) in der Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 1951 (BGBl I S. 996 (1002)) heißt, daß die Landesregierung "durch Rechtsverordnung" Vorschriften darüber erlassen kann, in welchem Verhältnis die Hebesätze für die Grundsteuer und die Gewerbesteuer (und damit auch die Lohnsummensteuer als Teil der Gewerbesteuer) zueinander stehen müsse, und inwieweit die Hebesätze für diese Steuern der Genehmigung der Gemeindeaufsichtsbehörden bedürfen. Zwar wird damit indirekt Einfluß auf die Ausgestaltung der Lohnsummensteuer durch die Gemeinden genommen. Jedoch verbleibt der eigentliche gesetzgeberische Akt in der Zuständigkeit der Gemeinde. Was sich dem Wesen nach nur als Zustimmung der Exekutive zu einem Gesetzgebungsakt, also als ein Akt der Exekutive, darstellt, kann nicht dadurch zu einem Gesetzgebungsakt werden, daß die Voraussetzungen, unter denen die Zustimmung erteilt oder abgelehnt werden kann, durch eine Rechtsverordnung, also einen materiellen Akt der Gesetzgebung, festgelegt werden. So wie es der Landesregierung unbelassen bleibt, in jedem Einzelfalle nach pflichtgemäßem Ermessen im Rahmen der vorgegebenen verfassungsmäßigen Grenzen die Zustimmung zu erteilen oder zu versagen, muß es ihr auch überlassen bleiben, im Rahmen dieser Grenzen allgemeine Richtlinien aufzustellen.

Der Bund hat von seinem Recht konkurrierender Gesetzgebung (Art. 72 Abs. 2 Ziff. 3 GG in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2 GG) keinen Gebrauch gemacht und damit die Gesetzgebungskompetenz der Gemeinden hinsichtlich des Rechts, die Erhebung von Lohnsummensteuer zu beschließen, nicht beschränkt. An Vorschriften, die insoweit in Betracht kommen könnten, sind nur § 6 Abs. 2 GewStG und § 6 des Einführungsgesetzes zu den Realsteuergesetzen erkennbar. Es handelt sich bei beiden Vorschriften um nachkonstitutionelles Recht, da sie durch das Gesetz vom 27. Dezember 1951 geändert wurden. Beide Vorschriften, die den Landesregierungen ein Zustimmungsrecht zur Erhebung von Lohnsummensteuer oder ein Rechtsverordnungsrecht über die Koppelung von Hebesätzen und die Genehmigung der Hebesätze einräumen, besagen nichts gegen die den Gemeinden zuerkannten Kompetenzen; sie setzen vielmehr solche Kompetenzen der Gemeinden voraus.

II. Die Verfassungswidrigkeit der Lohnsummensteuer kann nicht damit begründet werden, daß sie mit dem herkömmlichen, vom GG übernommenen und mit "Verfassungsrang" ausgestatteten Steuerbegriff (so Hamann, Finanz-Rundschau - FR - 1962 S. 261) in Widerspruch stünde. Zwar sind Steuern Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen (ß 1 AO). Bei einzelnen Steuerarten, z. B. der Lohnsummensteuer und auch der Kraftfahrzeugsteuern, kann jedoch der sogenannte äquivalenzgedanke, auf den noch im einzelnen einzugehen sein wird, durchaus als Motiv für die Besteuerung vorhanden und sogar entscheidend für die Frage sein, ob eine Besteuerung "gerecht" im Sinne des Art. 3 GG ist, ohne daß dadurch die Steuern nicht mehr als Steuern, sondern als Beitrag einzuordnen wäre.

III. Mit der Behauptung allein, die Lohnsummensteuer sei systemwidrig, weil sie gegen die Grundtendenz des GewStG, den Gewerbeertrag zu besteuern, verstoße, kann die Verfassungsmäßigkeit der Lohnsummensteuer nicht in Frage gestellt werden. Es ist keine Bestimmung des GG ersichtlich, die dem Steuergesetzgeber verböte, die Besteuerung auch nach anderen Gesichtspunkten vorzunehmen, und zwar auch bei einer einheitlichen Steuerart. Das GG hat die Steuer und auch die Gewerbesteuer (vgl. Art. 105 Abs. 2 Ziff. 3 GG) in ihrer traditionellen Form übernommen (BVerfGE Bd. 7 S. 251). Gerade die Gewerbesteuer, die, soweit der Bemessungsfaktor Ertrag in Betracht kommt, Gewinnsteuer, soweit der Bemessungsfaktor Kapital in Frage steht, aber Substanzsteuer ist, zeigt, daß es verfassungsrechtlich für die Steuern auf die starre Einordnung in systematische Begriffskategorien nicht ankommt. So hat das Bundesverfassungsgericht mit Recht hervorgehoben (BVerfGE Bd. 9 S. 20 (28), S. 201 (207); Bd. 12 S. 341 (349), daß eine Sondervorschrift nicht schon dadurch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoße, daß sie von dem einen Rechtsbereich bestimmenden Grundgedanken abweiche, und (BStBl 1962 I S. 500 ff. (504)) daß der Gesetzgeber nicht verpflichtet sei, den Objektsteuercharakter bei einer Steuer rein zu verwirklichen.

Es ist allerdings richtig - und darauf wird noch zurückzukommen sein -, daß systemwidrige Gedanken bei einer Steuer auf eine willkürliche Behandlung hindeuten und zu einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 GG) führen können (vgl. BVerfGE Bd. 9 S. 20 (28)).

IV. Die Erhebung von Lohnsummensteuer verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG.

Der in dieser Vorschrift niedergelegte Grundsatz bedeutet, daß (wesentlich) gleiche Tatbestände nicht ungleich behandelt werden dürfen und daß (wesentlich) ungleiche Tatbestände ungleich behandelt werden müssen (BVerfGE Bd. 1 S. 14). Wird geltend gemacht, es lägen tatsächliche Ungleichheiten vor, so ist entscheidend, ob für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die tatsächlichen Ungleichheiten in dem in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam sind, daß der Gesetzgeber sie hätte beachten müssen (BVerfGE Bd. 1 S. 264 (276); Bd. 2 S. 118 (119); Bd. 9 S. 124 (130), S. 334 (337); Bd. 12 S. 341 (348)). Der Gleichheitsgrundsatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich das der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß (BVerfGE Bd. 1 S. 14 (52)). Auch der allgemeine, vom Bundesverfassungsgericht entwickelte und im Interesse des hohen Rechtsgutes der Rechtssicherheit zu billigende Grundsatz, eine Vermutung spreche dafür, daß Gesetze in Einklang mit dem GG stehen (BVerfGE Bd. 2 S. 267 (282)), ist bei der Entscheidung von Bedeutung.

Es kann nicht bestritten werden, daß durch die Einführung von Lohnsummensteuer das innere Gefüge der Gewerbesteuer entscheidend beeinflußt wird. Während mit der veranlagten, nach Ertrag und Kapital bemessenen Gewerbesteuer besonders die ertragsstarken und die kapitalintensiven Betriebe belastet werden, werden bei der Lohnsummensteuer die Betriebe belastet, die eine hohe Lohnsumme aufweisen. Da der Finanzbedarf der Gemeinde Rechtfertigung der Besteuerung ist und damit in seiner Höhe als gegebene Größe angesehen werden muß, bedeutet die Einführung der Lohnsummensteuer daß das Aufkommen aus der veranlagten Gewerbesteuer gesenkt werden muß. Das führt dazu, daß die Belastung der Betriebe nach Ertrag und Kapital sich mindert und daß sich die Belastung auf Grund der Lohnsumme erhöht. Diese Verminderung der veranlagten Gewerbesteuer kann sich bei ertragsstarken Unternehmen erheblich zu deren Gunsten auswirken, während ertragsschwache Unternehmen, die besonders lohnintensiv sind, benachteiligt werden. Diese Benachteiligung wirkt sich um so stärker aus, je lohnintensiver ein Betrieb arbeitet, je mehr also eine Anspannung des Kostenfaktors "Arbeit" Einfluß auf den Ertrag gewinnt. Das führt aber u. U. dazu, daß die auf Besteuerung des Ertrags ausgerichtete Grundform der Gewerbesteuer erheblich von dieser Ausrichtung abweichen kann. Entstehen somit innerhalb einer Gemeinde Ungleichheiten zwischen der Besteuerung der Betriebe, so werden solche Unterschiede noch offenbarer, wenn man strukturell gleiche Betriebe in Gemeinden mit Lohnsummensteuer einerseits und in Gemeinden ohne Lohnsummensteuer andererseits miteinander vergleicht.

Diese Folgen der von Gesetz eingeräumten Möglichkeit einer Besteuerung nach der Lohnsumme mögen darauf hindeuten, daß die gesetzliche Regelung nicht gerade die beste oder gerechteste Lösung darstellt. Ob sie das ist und wie etwa eine bessere Lösung aussehen würde, ist eine politische Frage. Es ist nicht Sache der Gerichte, die vom Gesetzgeber gewählte Lösung auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu prüfen oder zu untersuchen, ob sie vom Standpunkt einer beteiligten Interessengruppe aus die "gerechteste" denkbare Lösung darstellt (BVerfGE Bd. 3 S. 58 (135)). Auch ist nicht zu untersuchen, ob die mit einer Steuer verfolgte politische Zielsetzung erreicht wird (Bundesverwaltungsgericht, NJW 1961 S. 1370). Ebensowenig ist für die verfassungsrechtliche Beurteilung entscheidend, ob in einzelnen Gemeinden die Möglichkeit der Erhebung von Lohnsummensteuer in ihrer an sich gerechtfertigten Form dazu mißbraucht wird, praktisch die Lohnsumme an Stelle des Ertrages zur Hauptgrundlage der Steuer zu machen. Verfassungsrechtlich hält der Senat die Entscheidung des Gesetzgebers jedenfalls für eine mögliche Lösung, für die sich Gründe finden lassen und die deshalb nicht als willkürlich bezeichnet werden kann.

Bei der Untersuchung, ob der Gleichheitsgrundsatz durch die gewählte gesetzliche Regelung verletzt ist, muß zunächst Klarheit darüber geschaffen werden, welche Aufgabe dem Gesetzgeber gestellt war und welcher rechtlichen Mittel er sich bei ihrer Lösung bediente. Denn nur so kann man erkennen, ob ein grober Verstoß gegen den Grundsatz der Gerechtigkeit vorliegt (BVerfGE Bd. 9 S. 291 (294)).

Die Situation des Gesetzgebers war bei der Schaffung der Gewerbesteuer im wesentlichen durch zwei Faktoren gekennzeichnet. Der Finanzbedarf der Gemeinden mußte gedeckt werden, und ein nicht unerheblicher Teil dieses Bedarf entstand durch die in der Gemeinde ansässigen gewerblichen Betriebe. Daß die Lasten durch Gewerbebetriebe erhöht werden und daß größere Betriebe in der Regel größere Lasten mit sich bringen, kann ernstlich nicht zweifelhaft sein. Man kann allenfalls darüber streiten, ob die größeren Lasten durch die Beschäftigung sehr vieler Arbeitnehmer (so Loberg, KStZ 1963 S. 93) oder durch größere Mechanisierung (so Leibrecht, StuW 1963 Sp. 428 ff. unter Berufung auf die Veröffentlichung des Instituts für Finanzen und Steuern, Heft 36, Deutsches Steuerrecht 1962/63 S. 256) verursacht werden. Beides hat seinen Einfluß. Fürsorgeleistungen der Gemeinde für die Gemeindebürger im weitesten Sinne (Fürsorgeunterstützung, Bau und Unterhaltung von Häusern, Kirchen, Schulen, Straßen, Krankenhäusern, Altersheimen) werden sich im wesentlichen nach der Beschäftigtenzahl richten. Dabei ist es nicht von ausschlaggebender Bedeutung, daß ein Teil der Arbeitnehmer nicht in der Gemeinde wohnt. Schon ihr An- und Abtransport und ihre Anwesenheit in der Gemeinde während eines nicht unwesentlichen Teils des Tages verursacht Lasten. Andere Leistungen werden überwiegend vom Ausmaß der Mechanisierung abhängen (Kanalisation, Abwässerreinigung, Luftreinigung und auch Straßenbau).

Diese Erkenntnis legte es nahe, die Höhe der Steuer mit der Höhe der durch die einzelnen Betriebe erwachsenen Leistungen zu verknüpfen. Das sogenannte äquivalenzprinzip stand also nicht nur, wie in der Diskussion um die Lohnsummensteuer oft verkannt wird, bei der Lohnsummensteuer, sondern bei der Gewerbesteuer überhaupt Pate. Das geht eindeutig aus der amtlichen Begründung zum GewStG 1936 (RStBl 1937 S. 693 (696)) hervor, wo gesagt ist, bei der Lohnsummensteuer sei " der Grundgedanke der Gewerbesteuer, der Gemeinde einen Ausgleich für die Lasten zu bieten, die ihr der Betrieb der Industrie, des Handels und des Handwerks verursachen, am reinsten verwirklicht". Das geht auch aus § 3 des Einführungsgesetzes zu den Realsteuergesetzen hervor, nach dem die Gemeinde die Hebesätze für die Realsteuern für einen Teil des Gemeindegebietes oder für eine Gruppe von Steuergegenständen höher als die allgemeinen Hebesätze festsetzen kann, soweit der Gemeinde Kosten durch Einrichtungen erwachsen, "die ausschließlich oder in besonders hervorragendem Masse diesem Teil des Gemeindegebiets oder dieser Gruppe von Steuergegenständen zustatten kommen und für die Beiträge nicht erhoben werden (Mehrbelastung)".

Aufgabe des Gesetzgebers war es, möglichst die Betriebe am meisten zu belasten, die ihrerseits höhere Lasten verursachten. Das war keine Abweichung vom Steuerbegriff, sondern nur ein gerechtes Bemessungsprinzip. Daneben mußte gewährleistet sein, daß die Gemeinden mit einem einigermaßen beständigen Steueraufkommen rechnen konnten.

Eine absolut richtige Lösung zu finden, war unmöglich. Wie aus der amtlichen Begründung hervorgeht, hat sich der Gesetzgeber aber erheblich bemüht, eine möglichst gerechte Lösung zu finden. Daß eine Besteuerung nach dem Ertrag nicht ungerecht ist, wird von keiner Seite bezweifelt, obschon hier der äquivalenzgedanke in den Hintergrund tritt. Dieser Bemessungsfaktor beruht auf dem allgemeinen Grundsatz des Steuerrechts, daß die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit am besten dem Gedanken der sozialen Gerechtigkeit entspricht. Diese Betonung des Ertragsfaktors berechtigt aber nicht zu dem Einwand, die Lohnsummensteuer stelle innerhalb der Gesamtregelung der Gewerbesteuer einen derartigen Fremdkörper dar, daß man nur von Willkür und damit Verfassungswidrigkeit unter dem Gesichtspunkt des Gebots der Gleichbehandlung sprechen könne. Falsch ist hier schon der Ausgangspunkt, das "System" der Gewerbesteuer (im ganzen gesehen) bestehe in einer Besteuerung des Ertrags, der Grundsatz der Steuergerechtigkeit erfordere also, daß die Steuerschuldner nur entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu ihr herangezogen werden könnten (Hamann, FR 1962 S. 262 unter Berufung auf das Bundesverwaltungsgericht, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwGE - Bd. 12 S. 171 (173), und das Bundesverfassungsgericht, BVerfGE Bd. 8 S. 51 ff. (68); Leibrecht, StuW 1963 Sp. 424 unter Berufung auf das Bundesverfassungsgericht, BVerfGE Bd. 13 S. 181 (193), und NJW 1962 S. 437 (438)). Hamann räumt selbst ein, daß das Prinzip der Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auf indirekte Steuern nicht anwendbar ist. Es ist aber auch auf eine Reihe von weiteren Steuern - wenn überhaupt - nur sehr bedingt anwendbar. Das gilt z. B. von der Grundsteuer, der Kraftfahrzeugsteuer, der Mineralölsteuer und auch der Vermögensteuer. Da das GG die Steuern in ihrer traditionellen Form übernommen hat, sind solche Steuern - und das wird auch von niemanden angezweifelt - trotz der Nichtberücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verfassungsmäßig.

Nun ist zwar richtig, daß die Gewerbesteuer, soweit sie nach dem Gewerbeertrag ausgerichtet ist, eine Ertragsteuer ist; sie ist es aber auch nur insoweit. Die von Haman und Leibrecht zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts ergeben nicht, daß die Gewerbesteuer eine reine Ertragsteuer sein müsse. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE Bd. 8 S. 51 befaßt sich mit der Einkommensteuer, bei der allerdings allein die Höhe des Einkommens maßgebend ist. Die übrigen Entscheidungen erwähnen zwar, daß Objekt der Gewerbesteuer die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sei, wie sie sich in einem stehenden Betrieb als solchem auspräge; sie versuchen auf diese Weise, nämlich durch die Charakterisierung der Gewerbesteuer als Ertragsteuer, eine Abgrenzung zu anderen Steuern zu finden (BVerfGE Bd. 13 S. 193: zur Abgrenzung gegenüber der Schankerlaubnissteuer, bei der nicht der Ertrag eines Betriebes, sondern die Erlangung einer wirtschaftlichen Position besteuert werden; BVerwGE Bd. 12 S. 173: zur Abgrenzung gegenüber einer Aufwandsteuer, wobei die Lohnsummensteuer ausdrücklich als eine nur "sehr rohe" Ertragsteuer angesehen wird; Bundesverfassungsgericht, NJW 1962 S. 438: Abgrenzung gegenüber der Einkommensteuer, die eine Person besteuert). Keine der Entscheidungen befaßt sich dagegen mit der Frage, ob die Gewerbesteuer, die im wesentlichen nach dem Ertrag ausgerichtet ist, in ihrer Gänze Ertragsteuer sein müsse.

Der Gesetzgeber hat die Gewerbesteuer bewußt nicht nur auf den Ertrag abgestellt. Zunächst ist - obligatorisch - auch das Gewerbekapital als Besteuerungsgrundlage heranzuziehen. Insoweit ist die Gewerbesteuer aber nicht Ertragsteuer, sondern Substanzsteuer. In der amtlichen Begründung zum GewStG 1936 (RStBl 1937 S. 694) heißt es, die Besteuerung nach dem Ertrag allein sei zu konjunktur- und krisenempfindlich. Deshalb müsse auch das Gewerbekapital herangezogen werden. Es ist bemerkenswert, daß auch die Kritiker der Lohnsummensteuer die Abweichung vom Ertragsteuercharakter durch die Heranziehung der Besteuerungsgrundlage "Kapital" hinnehmen. Rath (Deutsches Steuerrecht 1962/63 S. 253) führt hierzu aus, das Kapital sei als Bemessungsgrundlage herangezogen worden, um die Gemeindeeinkünfte krisenfester zu machen; das sei zwar unsystematisch, aber mit einer Zweckbestimmung erfolgt und daher zu rechtfertigen; es sei auch unschädlich, da das Kapital nur einen kleinen Bruchteil der Gesamtbelastung der Betriebe ausmache. Auch Leibrecht (StuW 1963 Sp. 424) hält die Berücksichtigung des Kapitals zwar für systemwidrig, aber noch tragbar, dagegen die Verwertung der Lohnsumme für "ernsthaft" systemwidrig. In der Tat können gerade bei Betrieben, die erhebliches Kapital, insbesondere auch für Investitionen und für die Mechanisierung verwendet haben, hohe Gemeindelasten entstehen, und zwar auch wenn die Betriebe keine Gewinne erzielen.

In der Heranziehung des Kapitals allein sah der Gesetzgeber unter Umständen eine Bevorzugung der mit wenig Kapital arbeitenden Betriebe. Um "für den Steuerpflichtigen bis zu einem gewissen Grad" zu einem "inneren Ausgleich" zu kommen, sollten mehrere Besteuerungsgrundlagen geschaffen werden. Dazu sollte auch die Lohnsumme gehören.

Bei dieser mit Absicht differenzierenden Ausgestaltung der Gewerbesteuer durch den Gesetzgeber kann nicht anerkannt werden, daß die Lohnsummensteuer "systemwidrig" sei und sich daraus ein Indiz für ihre willkürliche Ausgestaltung ergebe. Die Frage ist vielmehr allein, ob der Gesetzgeber die Gewerbesteuer teils als Ertrag-, teils als Substanz- oder Objektsteuer ausgestalten durfte. Daß hierfür beachtenswerte Gründe vorliegen, ist ausgeführt worden. Der Gesetzgeber erkannte auch die Nachteile der Lohnsummensteuer, insbesondere daß sie lohnintensive Betriebe benachteilige und überhaupt industrielle Betriebe stärker belaste als etwa den Handel. Sie wog diese Nachteile mit den Interessen der Gemeinde ab. Mit Recht hebt die amtliche Begründung zum GewStG 1936 hervor (RStBl 1937 S. 696), daß der Betriebsfaktor "Arbeit" auch andere Lasten für die Betriebe (besonders lohnintensive Betriebe) mit sich bringe, wie Sozialversicherungsabgaben und Beiträge zur Berufsgenossenschaft. Diese Lasten, wie besonders die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle, liegen im allgemeinen erheblich über der Belastung durch die Lohnsummensteuer (vgl. hierzu auch Loberg, KStZ 1963 S. 93). Eine mögliche Krise gerade der lohnintensiven Betriebe wird also im allgemeinen weniger auf der Lohnsummensteuer als auf anderen Ursachen beruhen.

Es darf allerdings nicht verkannt werden, daß die Lohnsummensteuer die Lage der lohnintensiven Betriebe, die in der sozialen Marktwirtschaft durch die fortschreitende Tendenz der sozialen Sicherstellung der Arbeitnehmer besonders betroffen sind, noch schwieriger macht. Es ist auch zuzugestehen, daß sich erhebliche Wettbewerbsverzerrungen dadurch ergeben können, daß gleichartige Betriebe in verschiedenen Gemeinden verschieden behandelt werden, je nachdem ob in der Gemeinde Lohnsummensteuer erhoben wird oder nicht. Hierbei darf allerdings zunächst nicht übersehen werden, daß sich gleichartige Betriebe wegen der Standortbedingungen im gleichen Raum zusammenzuballen pflegen und daß entsprechend der besonderen Struktur dieser Industrien auch in der Regel in allen Gemeinden im gleichen Raum über die Frage der Erhebung von Lohnsummensteuer gleichmäßig entscheiden werden wird, so daß die tatsächlichen Wettbewerbsverhältnisse in der Regel in einem erträglichen Rahmen bleiben. Dieser Nachteil der Lohnsummensteuer ergibt sich aber im wesentlichen unvermeidbar daraus, daß überhaupt kleinen Gebietskörperschaften im Rahmen eines einheitlichen großen Wirtschaftsraumes (Bundesgebiet) vom GG das Recht zur Erhebung und Bemessung von Steuern gewährt wird. Da den Gemeinden durch die örtlichen Gegebenheiten verschieden hohe Lasten erwachsen und die Gewerbesteuer, wie auch vom GG an erkannt ist, die Hauptquelle der Gemeindefinanzen ist, kann nur eine individuelle und damit verschiedene Steuerfestsetzung in Betracht kommen. Eine unterschiedliche Belastung der Betriebe je nach ihrem Standort ist auch bei der veranlagten Gewerbesteuer nicht selten und durch Art. 105 Abs. 2 Ziff. 3 GG dadurch gebilligt, daß den Gemeinden die Festsetzung der Hebesätze, also auch die unterschiedliche Festsetzung von Gemeinde zu Gemeinde, vorbehalten ist (Urteil des Bundesfinanzhofs I 1962/59 S - für die Zweigstellensteuer; Verwaltungsgericht Münster, KStZ 1963 S. 181 (182)). Können also die Gemeinden entsprechend ihrem Bedarf die veranlagte Gewerbesteuer verschieden hoch festsetzen, so kann die Einführung der Lohnsumme als Besteuerungsgrundlage nicht schon deshalb verfassungswidrig sein, weil dadurch die Betriebe in verschiedenen Gemeinden verschieden hoch belastet werden.

Bei der Entscheidung darüber, ob die Lohnsummensteuer verfassungsmäßig ist, kann man, wie die amtliche Begründung hervorhebt und mit Recht das Verwaltungsgericht Münster ausführt, nicht die Lohnsummensteuer isoliert betrachten. Man muß vielmehr die Gewerbesteuer in ihrer Gesamtgestaltung prüfen. Unter diesem Gesichtspunkt begründet die Heranziehung möglichst vieler verschiedener Besteuerungsgrundlagen geradezu eine Vermutung für eine höchstmögliche Verwirklichung des Prinzips der Steuergerechtigkeit. Jedenfalls hat der Gesetzgeber, wie sich aus der amtlichen Begründung des GewStG ergibt, unter Verwertung der bei den verschiedenen Systemen in den deutschen Ländern bisher gemachten Erfahrungen versucht, ein wohlausgewogenes Besteuerungssystems zu schaffen. Dabei sind auch soziale Gesichtspunkte dadurch verwirklicht worden, daß Betriebe, die im wesentlichen ohne Kapital arbeiten, besonders kleinere Handwerksbetriebe, nur oder fast nur nach dem Ertrag besteuert werden. Bei kleinen Betrieben mit einer Lohnsumme unter 24.000 DM im Rechnungsjahr werden vorweg 9.000 DM von der Lohnsumme abgezogen (ß 23 Abs. 2 GewStG) Die Feststellung Raths (Deutsches Steuerrecht 1962/63 S. 255), die mittleren und kleinen, besonders die Handwerksbetriebe seien am stärksten durch die Lohnsummensteuer betroffen, ist zumindest in dieser Allgemeinheit unrichtig. Rath berücksichtigt außer dem Abzug der 9.000 DM auch nicht, daß bei kleinen Handwerksbetrieben oft nur der Inhaber tätig ist, der mit Lehrlingen arbeitet, deren Vergütung bei der Berechnung der Lohnsumme ausgenommen ist (ß 24 Abs. 3 Ziff. 1 GewStG), und der wegen des Abzugs von 9.000 DM jährlich auch noch mindestens einen Gesellen beschäftigen kann, ohne daß die Lohnsummensteuer anfällt. Es ist schließlich noch zu berücksichtigen, daß die Gewerbesteuer bei der Festsetzung der Einkommen- und Körperschaftsteuer als Betriebsausgabe abgesetzt wird, wodurch unbefriedigende Auswirkungen der Lohnsummensteuer an Belastung und Bedeutung verlieren.

Alle in diesem Verfahren und im Schrifttum angestellten Untersuchungen zeigen, daß es sich bei der Schaffung der Lohnsummensteuer und bei ihrer Würdigung im heutigen Wirtschaftssystem nur um ein Abwägen zwischen dem Für und Wider der verschiedenen sich bietenden Möglichkeiten handeln kann. Es läßt sich jedenfalls nicht feststellen, daß der vom Gesetzgeber gewählte und gebilligte Bemessungsfaktor der Lohnsumme willkürlich sei. Die Rolle, die bei der Verschiedenartigkeit der Betriebe Ertrag, Kapital und Arbeit spielen, ist so kompliziert, daß sich eine unter allen Gesichtspunkten befriedigende Gestaltung der Gewerbesteuer nicht verwirklichen läßt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411077

BStBl III 1964, 47

BFHE 1964, 116

BFHE 78, 116

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