Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer, Kfz-Steuer, sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 8 GrEStG ist nicht auf den Grundstückserwerb mit Hilfe einer Kapitalabfindung nach dem Häftlingshilfegesetz anwendbar.

 

Normenkette

GrEStG § 8 Abs. 1, 3; HHG § 5; BVG § 72

 

Tatbestand

Die Bgin. ist die Witwe eines Beschädigten im Sinne des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Personen, die aus politischen Gründen in Gebieten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) in Gewahrsam genommen wurden (Häftlingshilfegesetz - HHG -) in der Fassung vom 13. März 1957 (BGBl 1957 I S. 168). Am 8. September 1957 stellte die Bgin. bei dem Versorgungsamt D. einen Antrag auf Auszahlung einer Kapitalabfindung gemäß § 5 HHG in Verbindung mit §§ 72 ff. des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz - BVG -) in der damals geltenden Fassung. Durch notariellen Vertrag vom 29. Oktober 1958 erwarb sie zum Zwecke des sozialen Wohnungsbaues zwei Zuflurstücke von zusammen 837 qm und ein Straßenstück von 46 qm zum Gesamtpreis von 4.856,50 DM. Der Preis war zur Zeit des Vertragsabschlusses bereits bezahlt. Durch Bescheid vom 13. April 1959 wurde der Bgin. vom Versorgungsamt zum Erwerb und zur wirtschaftlichen Stärkung des Grundbesitzes eine Kapitalabfindung von 7.560 DM gewährt. Der Betrag wurde zur Bezahlung von Baumateriallieferungen und Handwerkerrechnungen verwendet. Das Finanzamt rechnete bei der Steuerfestsetzung dem Kaufpreis noch die Vermessungskosten von 142 DM zu, befreite auf Grund des Zweiten Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau für das Land Hessen vom 15. Juli 1958 (GVBl 1958 S. 74) das Fünffache der überbauten Fläche = 740 qm von der Grunderwerbsteuer und ermittelte im geänderten vorläufigen Steuerbescheid vom 20. Februar 1959 den auf den steuerpflichtigen Erwerb entfallenden Kaufpreis mit 810,10 DM. Es setzte demnach die Grunderwerbsteuer auf 56,70 DM fest. Mit dem Einspruch begehrte die Bgin. Freistellung von der Grunderwerbsteuer unter Hinweis auf § 8 Abs. 3 GrEStG. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg. Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, daß die Kapitalabfindung nicht zum Erwerb des Grundstücks, sondern zur Ausführung von Bauarbeiten verwendet worden sei. Diesen Verwendungszweck begünstige das Gesetz nicht. Auf die Berufung der Bgin. hat das Finanzgericht die angefochtene Einspruchsentscheidung aufgehoben und die Bgin. von der Grunderwerbsteuer freigestellt. Die Vorinstanz sah die Bgin. als Kriegerwitwe an und nahm an, daß gemäß § 8 Abs. 3 GrEStG dem Kriegsbeschädigten auch dann die Grunderwerbsteuer zu erlassen sei, wenn eine Kapitalabfindung nur wegen des Fehlens von Mitteln, also ohne Verschulden des Beschädigten, nicht gewährt werden könne. Gleiches müsse gelten, wenn sich die Bearbeitung eines derartigen Antrags ohne Verschulden des Beschädigten erheblich verzögere. Erwerbe ein Beschädigter oder dessen Witwe - wie hier - 13 Monate nach Antragstellung mit eigenen Mitteln ein Grundstück, so sei dieser Erwerb als mit Hilfe der Kapitalabfindung vorgenommen anzusehen. Der Bundesfinanzhof habe es für unschädlich gehalten, wenn die Kapitalabfindung zur Abdeckung eines Zwischenkredits (vgl. Urteil des Senats II 30/53 S vom 3. Juni 1953, BStBl 1953 III S. 211, Slg. Bd. 57 S. 550) oder zum Abschluß oder zur Auffüllung eines Bausparvertrages (vgl. Urteil des Senats II 12/54 U vom 20. Oktober 1954, BStBl 1954 III S. 384, Slg. Bd. 59 S. 455) verwendet werde. Da unsachgemäße Maßnahmen nicht zumutbar seien, müsse es auch als unschädlich angesehen werden, wenn zunächst eigene Mittel zum Kauf verbraucht würden, um die Ersparnisse später mit der Kapitalabfindung wieder aufzufüllen. Mit der Rb. wendet sich der Vorsteher des Finanzamts dagegen, daß das Finanzgericht § 8 GrEStG auch auf Versorgungsberechtigte nach dem HHG angewendet habe. Im übrigen sei den Urteilen des Senats zu entnehmen, daß nur die Vorfinanzierung mit fremden Mitteln begünstigt werden solle, nicht dagegen die mit eigenen Mitteln. Schließlich sei die Kapitalabfindung von der Bgin. auch nicht zur Auffüllung eigener Ersparnisse, sondern zum Hausbau verwendet worden. Die Bgin. andererseits ist der Ansicht, daß sie wegen der Verweisung in § 5 Abs. 1 Satz 1 HHG auf das BVG zu dem Kreis der nach § 8 GrEStG begünstigten Personen gehöre.

 

Entscheidungsgründe

Der Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist der Erfolg nicht zu versagen.

§ 8 GrEStG 1940 bestimmt, daß die Steuer dann nicht erhoben wird, wenn u. a. ein Kriegsbeschädigter ein Grundstück mit Hilfe einer Kapitalabfindung erwirbt, die ihm mit Rücksicht auf seine Kriegsbeschädigung nach den Vorschriften des Reichsversorgungsrechts gewährt wird. Zum Reichsversorgungsrecht im Sinne dieser Vorschrift gehören das Kapitalabfindungsgesetz für Offiziere vom 26. Juli 1918 (RGBl 1918 S. 994) und das Reichsversorgungsgesetz vom 12. Mai 1920 in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. April 1939 (RGBl 1939 I S. 663), geändert durch Gesetz vom 29. April 1940 (RGBl 1940 S. 687). § 8 Abs. 4 GrEStG findet Anwendung auf Personen, die wegen einer Beschädigung bei besonderem Einsatz im Sinne des Einsatzfürsorge- und -versorgungsgesetzes vom 6. Juli 1939 (RGBl 1939 I S. 1217) mit seinen Ergänzungen (zuletzt vom 7. Mai 1942, RGBl 1942 I S. 286) versorgt werden (vgl. Begründung zum GrEStG, II § 8 Absätze 4 - 9, Reichssteuerblatt 1940 S. 387, 400). Grundsätzlich ist eine Ausdehnung dieser Vorschrift auf ähnlich gelagerte Fälle der Kapitalabfindung nicht möglich. In der Gesetzesbegründung wird z. B. ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Grundstückserwerb mit Kapitalabfindungen nach dem Wehrmachtfürsorge- und -versorgungsgesetz vom 26. August 1938 (RGBl 1938 I S. 1077) nicht begünstigt werden kann. Durch die staatsrechtlichen Verhältnisse nach Beendigung des Krieges und das Grundgesetz (GG) hat der Charakter der Grunderwerbsteuer eine wesentliche änderung erfahren. Nach Art. 105 Abs. 2 Nr. 1 GG unterliegt die Grunderwerbsteuer (- als Steuer mit örtlich bedingtem Wirkungskreis -) der Landesgesetzgebung; ihr Aufkommen steht nach Art. 106 Abs. 2 Nr. 7 GG den Ländern zu. Aus der früheren Reichssteuer ist eine Landessteuer geworden. Daraus folgt, daß auch nur der Landesgesetzgeber Steuerbefreiungen über den Wortlaut des Gesetzes hinaus gewähren kann. Die Steuervergünstigungen nach § 8 GrEStG können demnach auf Kapitalabfindungen nach § 72 BVG nicht angewendet werden. Die Verkehrsteuerreferenten der Länder haben diese Rechtslage nicht verkannt und daher in der Besprechung vom 12. - 14. November 1952 unter Nr. V, 7 empfohlen, die Vorschrift auf Grund der zu erwartenden änderung des § 131 AO dahin umzugestalten, daß die vorgesehene steuerliche Befreiung allen Beschädigten zugestanden werde, die nach den Vorschriften des BVG (§§ 72 ff.) zum Zweck des Erwerbs eigenen Grundbesitzes oder zum Zweck des Erwerbs grundstücksgleicher Rechte durch Zahlung eines Kapitals abgefunden werden. Einige Länder haben auf Grund dieser Empfehlung Billigkeitserlasse herausgegeben, so z. B. Nordrhein-Westfalen durch Erlaß des Finanzministers vom 14. August 1953 - A 4503 - 9163/VC - 3 (Ministerialblatt für Nordrhein-Westfalen 1953 S. 1419) und Rheinland-Pfalz durch Runderlaß des Ministers für Finanzen und Wiederaufbau vom 30. Dezember 1952 - S 4503 A - IV S 25.922/52 (Ministerialblatt 1953 Spalte 29). Das Land Hessen hat weder für Kapitalabfindungen nach dem BVG noch nach dem HHG Billigkeitsmaßnahmen verfügt. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Ansicht von Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 6. Aufl., 1960, § 8 Anm. 12, zu folgen ist, daß eine sinngemäße Anwendung der Befreiungsvorschriften des § 8 GrEStG mit Rücksicht auf § 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes für Kapitalabfindungen nach § 72 BVG möglich sei, jedenfalls können Kapitalabfindungen auf Grund des HHG nicht unter die Befreiungsvorschrift fallen. Es ist nicht möglich, die Steuerbefreiung auf Beschädigte auszudehnen, die 1940 bei Schaffung des § 8 nicht begünstigt werden sollten oder damals eine Kapitalabfindung nicht erhalten konnten (Boruttau-Klein, a. a. O., § 8 Anm. 16). Es fehlt somit an einer Rechtsgrundlage für die von der Bgin. erstrebte Grunderwerbsteuerbefreiung.

Hiernach war die angefochtene Entscheidung, die von anderen Grundsätzen ausging, aufzuheben und die Berufung der Bgin. gegen die Einspruchsentscheidung als unbegründet zurückzuweisen.

Das Gericht, das nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden ist, konnte zu keiner anderen Entscheidung gelangen. Der Senat hält es jedoch mit Rücksicht auf das unbefriedigende Ergebnis für erforderlich, daß die Verwaltungsbehörden prüfen, ob der Bgin. die Grunderbsteuer gemäß § 131 AO zu erlassen ist.

Die Bgin. hat grundsätzlich die Kosten des Rechtsmittels zu tragen, da sie im endgültigen Ergebnis unterlegen ist. Mit Rücksicht auf die besondere Sachlage erschien es jedoch ausnahmsweise angemessen, der Bgin. die Kosten der Rechtsbeschwerdeinstanz in vollem Umfang zu erlassen (ß 319 AO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 410319

BStBl III 1962, 67

BFHE 1962, 175

BFHE 74, 175

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