Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Der Erwerb eines Grundstücks mit Hilfe einer Kapitalabfindung kann auch dann gegeben sein, wenn die Abfindung zum Abschluß oder zur Auffüllung eines Bausparvertrags gewährt wird.

 

Normenkette

GrEStG § 8

 

Tatbestand

Der kriegsbeschädigte Beschwerdeführer (Bf.) hatte im Jahre 1949 einen Bausparvertrag abgeschlossen. Im Februar 1951 gewährte ihm das Landesversorgungsamt eine Kapitalabfindung in Höhe von ungefähr 3.000 DM zur Auffüllung des Bausparvertrags.

Am 14. Februar 1953 kaufte der Bf. ein Hausgrundstück für 16.500 DM und verwendete dazu den Betrag, den er in Höhe von ungefähr 9.300 DM von der Bausparkasse ausbezahlt erhielt. Seine Einzahlungen hatten einschließlich des erwähnten Auffüllungsbetrags 5.260 DM betragen.

Die Vorinstanzen haben die Befreiung aus § 8 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) versagt. Die Rechtsbeschwerde (Rb.) führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung.

Das Finanzgericht gibt die Begründung des Urteils des Bundesfinanzhofs II 30/53 S vom 3. Juni 1953 (Slg. Bd. 57 S. 550, Bundessteuerblatt - BStBl. - 1953 III S. 211) wieder, in dem der Senat den Erwerb eines Grundstücks mit Hilfe der Kapitalabfindung unter gewissen Voraussetzungen auch dann als gegeben erachtet hat, wenn der Erwerber zur Bezahlung des Kaufpreises einen Zwischenkredit aufgenommen hat, und entnimmt dieser Entscheidung den Grundsatz, daß der Grundstückserwerb auch dann mit Hilfe der Abfindung erfolgt, wenn ein mittelbarer enger wirtschaftlicher und zeitlich eng begrenzter Zusammenhang zwischen der Abfindung und dem Erwerb besteht. Das Finanzgericht verneint dies für den Streitfall mit Rücksicht auf die lange Zeit zwischen dem Antrag auf Gewährung der Kapitalabfindung und dem Grundstückserwerb und mit Rücksicht auf den Umstand, daß der Bf. zuerst den Bau eines Eigenheimes geplant, dann aber ein fertiges Wohnhausgrundstück erworben hat.

 

Entscheidungsgründe

Dieser engen Auslegung des Begriffs des Erwerbs mit Hilfe der Kapitalabfindung vermag der Senat nicht zu folgen.

Das Urteil vom 3. Juni 1953 betraf einen Fall, in dem die Gewährung der Kapitalabfindung dem Erwerb des Grundstücks, sogar der teilweisen Kaufpreiszahlung, nachfolgte. Dort war insbesondere ein zeitlich enger Zusammenhang zwischen der Kapitalabfindung und dem Erwerb des Grundstücks vorausgesetzt. Geht aber die Gewährung der Kapitalabfindung dem Grundstückserwerb voraus, so kann unter Umständen ein weniger enger zeitlicher Zusammenhang nicht schädlich sein, und das trifft in den Fällen des § 72 Abs. 2 Ziff. 2 des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz) zu.

In dieser Vorschrift ist ausdrücklich vorgesehen, daß eine Kapitalabfindung auch zum Abschluß eines Bausparvertrags mit einer Bausparkasse für die Zwecke des Abs. 1 a. a. O., d. h., u. a. zum Erwerb eines Grundstücks gewährt werden kann. Nach Nummer 1 Abs. 3 des Abschn. "Zu §§ 72-80" der Verwaltungsvorschriften vom 1. März 1951 zum Bundesversorgungsgesetz (Bundesversorgungsblatt S. 1 ff.), deren Entwurf schon vorher als vorläufige Richtlinien gedient hatte, kann die Abfindung auch zur Auffüllung eines Bausparvertrags gewährt werden. Diese Maßnahmen dienen dazu, dem Kriegsbeschädigten zu dem Erwerb einer Wohnung, ggf. eines Grundstücks zu verhelfen. Die Natur des Bausparvertrags bringt es dabei mit sich, daß die Zuteilung der Bausparsumme erst nach einer gewissen Zeit erfolgt. Jedenfalls werden aber durch die Einzahlung eines größeren Sparbetrags mit Hilfe der Abfindung die Zuteilungsaussichten zeitlich verbessert. Nach § 73 des Bundesversorgungsgesetzes ist u. a. Voraussetzung der Bewilligung der Kapitalabfindung, daß Gewähr für eine nützliche Verwendung des Geldes besteht; die Verwaltungsvorschriften befassen sich auch besonders mit der Prüfung der Nützlichkeit der Verwendung. Geschieht nun die Zuteilung und die Verwendung der Summe, in der betragsmäßig die Abfindung enthalten ist, zum Erwerb eines Grundstücks so steht der Auffassung nichts entgegen, daß das Grundstück mit Hilfe der Kapitalabfindung erworben wird. Es würde dem Sinn und Zweck der Vergünstigungsvorschrift des § 8 GrEStG widersprechen, wenn man den Kriegsbeschädigten durch eine zu enge Auslegung der Vergünstigungsvorschrift zu unsachgemäßen Maßnahmen oder zur Abstandnahme von zweckmäßigen Vorhaben zwingen würde. Ob der Bausparer hinsichtlich der verschiedenen Möglichkeiten der Verwendung des Auszahlungsbetrages seinen ursprünglich gefaßten Plan ändert oder nicht, kann nichts ausmachen, insbesondere wenn der Durchführung jenes Plans äußere Hindernisse entgegenstehen. Fordert die Versorgungsbehörde die Abfindung zurück, weil der Kriegsbeschädigte von dem Bausparvertrag zurücktritt oder dgl., so entfällt die Anwendung des § 8 GrEStG von selbst.

Da das Finanzgericht von einer abweichenden Rechtsauffassung ausgegangen ist, waren die Vorentscheidungen aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie geht an das Finanzamt zur Prüfung, ob die sämtlichen Voraussetzungen des § 8 GrEStG erfüllt sind, und zur dementsprechenden erneuten Entscheidung zurück.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408052

BStBl III 1954, 384

BFHE 1955, 455

BFHE 59, 455

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