Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung von Umsatzsteuerzahlungen auf das Konto einer Unternehmereinheit

 

Leitsatz (NV)

Der Streit, ob und in welcher Höhe auf das Konto einer Unternehmereinheit geleistete Umsatzsteuerzahlungen zu erstatten sind, betrifft Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. von § 37 Abs. 2 AO 1977. Darüber entscheidet die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO 1977. Solange dies nicht geschehen ist, ist eine Leistungsklage unbegründet.

 

Normenkette

AO 1977 § 37 Abs. 2, § 218 Abs. 2; FGO § 40 Abs. 2; UStG 1967 § 2 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Anschlußrevisionskläger (das Finanzamt - FA -) veranlagte den Kläger, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagten (Kläger) zur Umsatzsteuer 1970 bis 1973 mit seinen Umsätzen als Einzelunternehmer und mit Umsätzen der N-KG (im folgenden: KG). Das FA ging bei den mehrfach geänderten Veranlagungen von einer Unternehmereinheit aus, weil der Kläger jeweils der einzige Gesellschafter der GmbH und der einzige Kommanditist der KG gewesen war. Insgesamt setzte das FA in den Umsatzsteuerbescheiden 1970 bis 1973 betreffend die Unternehmereinheit . . . DM Umsatzsteuer fest.

Nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden hatte (Urteil vom 16. November 1978 V R 22/73, BFHE 127, 243, BStBl II 1979, 347), daß die Rechtsfigur der Unternehmereinheit im Umsatzsteuergesetz (UStG 1967) keine Grundlage finde, änderte das FA die erwähnten Umsatzsteuerbescheide (nach § 172 Abs. 1 Nr. 2a der Abgabenordnung - AO 1977 -) und veranlagte die vom Kläger als Einzelunternehmer erzielten Umsätze in Umsatzsteuerbescheiden 1970 bis 1973 vom 29. August 1979 (Summe der festgesetzten Umsatzsteuern . . . DM) und die von der KG ausgeführten Umsätze in Umsatzsteueränderungsbescheiden vom 3. Juli 1979 (Summe der festgesetzten Umsatzsteuern . . . DM). Die Umsatzsteuerbescheide gegen den Kläger und gegen die KG für 1970 bis 1973 wurden bestandskräftig.

Auf dem für die Unternehmereinheit geführten Konto ,,A.B.-Unternehmereinheit", Steuernummer 78/187, waren . . . DM als Tilgungen für Umsatzsteuerschulden 1970 bis 1972 gebucht worden. Für 1973 ergab sich eine negative Umsatzsteuerzahlungsschuld von . . . DM, die das FA gegen andere Steuerschulden der KG aufgerechnet hatte.

Den sich danach ergebenden Zahlungsüberschuß von . . . DM rechnete das FA am 29. August 1979 gegen Umsatzsteuerzahlungsschulden für 1970 bis 1973 aus den Umsatzsteuerbescheiden 1970 bis 1973 gegen den Kläger (Bescheid vom 29. August 1979) und die KG (Bescheide vom 3. Juli 1979) auf.

Das FA wies den Antrag des Klägers, . . . DM auf seine Einkommensteuerrückstände umzubuchen, durch ein Schreiben (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) vom 30. August 1979 ab.

Mit einer ohne Vorverfahren erhobenen Klage auf Verurteilung des FA zur Zahlung von . . . DM machte der Kläger u.a. geltend, ihm stehe in dieser Höhe der Anspruch auf Erstattung zu viel gezahlter Beträge auch insoweit zu, als die KG gezahlt habe.

Das Finanzgericht (FG) hielt die Klage für zulässig und in Höhe eines Teilbetrages für begründet. Es meinte, die Klage sei zulässig, weil der Anspruch des Klägers nicht aus ,,seinem Steuerschuldverhältnis" erwachse, sondern aus Zahlungen, die er für ein ,,fremdes Steuerschuldverhältnis" - dem Steuerschuldverhältnis der Unternehmereinheit A.B. - geleistet habe. Durch Verwaltungsakt gemäß § 218 Abs. 2 AO 1977 könne aber nur über Erstattungsansprüche des Steuerpflichtigen entschieden werden.

Kläger und KG, führte das FG zur Begründung an, hätten auf Rechnung des ,,Steuerschuldners Unternehmereinheit" gezahlt, den es nicht gegeben habe. Der Kläger habe die Umsatzsteuer der Unternehmereinheit nicht allein geschuldet. Deshalb habe er nach § 37 Abs. 2 AO 1977 auch keinen Anspruch auf Erstattung der von der KG für Umsatzsteuerschulden der Unternehmereinheit gezahlten Beträge.

Der Kläger könne aber Erstattung von . . . DM verlangen. Dieser Betrag sei ohne seine Zustimmung zur Tilgung fremder Steuerschulden verwandt worden. Das FA habe nicht annehmen dürfen, daß der Kläger mit eigenen Mitteln Steuerschulden der KG habe tilgen wollen, selbst wenn er als Geschäftsführer Mittel der KG zur Tilgung eigener Steuerschulden eingesetzt habe.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 37 AO 1977 und macht Verfahrensmängel wegen Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 76 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO) und Verstoßes gegen den Inhalt der Akten geltend.

Er beantragt, das FA unter Aufhebung der Vorentscheidung zur Zahlung von . . . DM zu verurteilen.

Das FA tritt der Revision des Klägers entgegen und beantragt - innerhalb der Revisionsfrist - die Aufhebung der Vorentscheidung und die Abweisung der Klage. Es rügt fehlerhafte Anwendung des § 37 Abs. 2 AO 1977.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Das FG hat die Leistungsklage unzutreffend als teilweise begründet beurteilt.

Eine auf Zahlung gerichtete Leistungsklage kann nur Erfolg haben, wenn aufgrund eines abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens der geltend gemachte Anspruch durch Verwaltungsakt festgestellt ist und nur seine Erfüllung noch aussteht (BFH-Urteil vom 12. Juni 1986 VII R 103/83, BFHE 147, 1, BStBl II 1986, 702). Der von dem Kläger geltend gemachte Zahlungsanspruch ist aber nicht durch Verwaltungsakt festgestellt worden, obwohl dies hätte geschehen müssen.

Der Kläger begehrt Erstattung von Zahlungen, die aufgrund von Umsatzsteuerbescheiden 1970 bis 1973 gegen die ,,A.B. Unternehmereinheit" geleistet worden sind. Nach Aufhebung dieser Steuerbescheide durch das FA ist der Rechtsgrund für die Zahlungen nachträglich weggefallen. Fällt der Rechtsgrund für die Zahlung einer Steuer nachträglich weg, kann derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, Erstattung von dem Leistungsempfänger beanspruchen (§ 37 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO 1977). Der Anspruch auf Erstattung von Steuern, für deren Zahlung der Rechtsgrund nachträglich weggefallen ist, gehört nach § 37 Abs. 1 AO 1977 zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis bestehen nicht nur zwischen der Finanzbehörde und dem wirklichen Steuerschuldner im materiell-rechtlichen Sinn. Vielmehr kann daran auch ein Steuerschuldner im formellen Sinn beteiligt sein, gegen den eine Steuer durch Steuerbescheid (zu Unrecht) festgesetzt worden ist (vgl. Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 37 AO 1977 Anm. 6). Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. von § 37 Abs. 1 AO 1977 entstehen auch bei fehlgeleiteter Zahlung (vgl. BFH-Urteil vom 1. März 1974 VI R 253/70, BFHE 111, 457, BStBl II 1974, 369), die weder auf einen bestehenden materiellen noch auf einen formellen Steueranspruch geleistet wird. Durch das Verlangen, Zahlungen auf ein nicht bestehendes Steuerschuldverhältnis zu erstatten, entsteht ein auf Beseitigung einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung gerichtetes Steuerschuldverhältnis i.S. von § 37 AO 1977 (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 18. Juni 1986 II R 38/84, BFHE 146, 519, BStBl II 1986, 704). Das FG hat diese Zusammenhänge nicht beachtet, wenn es eine Entscheidung durch Verwaltungsakt nach § 218 Abs. 2 AO 1977 nur bei Steuererstattungsansprüchen des Steuerpflichtigen annimmt, die aus ,,seinem Steuerschuldverhältnis" erwachsen.

Der Kläger macht mit der Klage geltend, er sei Inhaber eines Erstattungsanspruchs, denn der Betrag, dessen Erstattung er begehrt, sei auf seine Rechnung gezahlt worden. Das FA hat dies bestritten. Streit besteht aber nicht nur über die materiell- rechtliche Entstehung eines Erstattungsanspruchs (§ 38 AO 1977) für den Kläger, sondern auch über das Erlöschen (§ 47 AO 1977) eines etwa entstandenen Erstattungsanspruchs durch Aufrechnung (Aufrechnungserklärungen des FA vom 29. August 1979) oder Verrechnung (Vereinbarung der Beteiligten am 11. Januar 1980). Für diese Fälle sieht § 218 Abs. 2 AO 1977 ein besonderes Verwaltungsverfahren vor. Danach entscheidet die Finanzbehörde über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen, durch Verwaltungsakt (§ 218 Abs. 2 Satz 1 AO 1977). Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch betrifft (§ 218 Abs. 2 Satz 2 AO 1977). Bei einem Streit über das Entstehen und über das Erlöschen eines Erstattungsanspruchs wird der Verwaltungsakt nach § 218 Abs. 2 AO 1977 - der sog. Abrechnungsbescheid - zur Grundlage für die Verwirklichung dieses Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 218 Abs. 1 AO 1977 (vgl. BFHE 147, 1, BStBl II 1986, 702; Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 218 AO 1977 Tz. 3; von Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 218 AO 1977 Anm. 5c; Kühn/Kutter/Hofmann, a.a.O., § 218 AO 1977 Anm. 4). Gegen diesen Verwaltungsakt oder die Ablehnung, einen Verwaltungsakt über das Erstattungsbegehren zu erlassen, ist der Einspruch gegeben (§ 348 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2 AO 1977; vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 9. April 1986 I R 62/81, BFHE 146, 344, BStBl II 1986, 565).

Ein derartiger Abrechnungsbescheid ist im Streitfall nicht ergangen. Damit fehlt die Anspruchsgrundlage für das Zahlungsbegehren. Diese ist erst vorhanden, wenn durch Verwaltungsakt nach § 218 Abs. 2 AO 1977 festgestellt worden ist, daß der geltend gemachte Erstattungsanspruch noch besteht und nur seine Erfüllung noch aussteht.

2. Danach erweist sich die Revision des Klägers als unbegründet. Sie war zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

 

Fundstellen

BFH/NV 1989, 353

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