Leitsatz (amtlich)

1. Eine nicht in den Prüfungszeitraum fallende neue Tatsache ist im Rahmen einer Berichtigungsveranlagung nur dann gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 2 AO zu berücksichtigen, wenn ein innerer und unmittelbarer Zusammenhang mit dem Gegenstand der Prüfung besteht.

2. Der Senat hält an der ständigen Rechtsprechung des BFH fest, daß dem Steuerpflichtigen ein unbedingter Rechtsanspruch auf Vornahme einer Betriebsprüfung und Aufdeckung ihm günstiger neuer Tatsachen nicht zusteht.

 

Normenkette

AO § 222 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) verpflichtet ist, die rechtskräftigen Umsatzsteuerveranlagungen 1955 bis 1957 wegen Bekanntwerdens neuer Tatsachen bei einer im Jahre 1962 durchgeführten Betriebsprüfung zugunsten der Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 2 AO zu berichtigen.

Die Steuerpflichtige, eine chemische Fabrik, stellt u. a. die sogenannten X-Erzeugnisse her, die zu mehr als 50 Gewichthundertteilen aus Erdöl bestehen. Es handelt sich dabei um technische Schmiermittel, für die bis zur Änderung des Umsatzsteuersystems Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 4 UStG 1951 - a. F. - in Verbindung mit Nr. 5 Buchst. a) aa) der Freiliste 3 (a. F.) und Buchst. c) des Verzeichnisses der besonders zugelassenen Bearbeitungen und Verarbeitungen (a. F.) in Anspruch genommen werden konnte, sofern die sonstigen Voraussetzungen der Befreiungsvorschriften vorlagen. In den Umsatzsteuererklärungen für 1955 bis 1957 hatte die Steuerpflichtige jedoch in Unkenntnis der Rechtslage Umsatzsteuerfreiheit für die Großhandelslieferungen der X-Erzeugnisse nicht begehrt. Das FA, dem die nähere Beschaffenheit der von der Steuerpflichtigen hergestellten und vertriebenen Artikel nicht bekannt war, hatte die in den Umsatzsteuererklärungen errechneten Umsatzsteuern im abgekürzten Veranlagungsverfahren als Erhebungssoll festgesetzt. Die Umsatzsteuerfestsetzungen 1955 bis 1957 sind rechtskräftig geworden. Eine im Dezember 1958 durchgeführte Betriebsprüfung (Betriebsprüfungsbericht vom 3. Januar 1959), die für die Umsatzsteuer auftragsgemäß die Zeit von Januar 1952 bis einschließlich Oktober 1958 umfaßte, hatte bezüglich der Umsatzsteuer nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des FG keine Änderungen ergeben. An der Schlußbesprechung hatten für die Steuerpflichtige deren Geschäftsführer sowie ein Rechtsanwalt und ein Steuerbevollmächtigter teilgenommen. Einwendungen gegen den Betriebsprüfungsbericht sind, was die Umsatzsteuer anbelangt, von der Steuerpflichtigen nicht erhoben worden.

Erstmalig mit Schreiben an das FA vom 4. Dezember 1961 beantragte die Steuerpflichtige, ihr für die X-Erzeugnisse Umsatzsteuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 4 UStG 1951 zu gewähren. Nachdem sie vom FA durch Bescheid vom 12. Dezember 1961 zunächst abschlägig beschieden worden war, weil Hersteller der genannten Produkte die Steuerfreiheit nicht in Anspruch nehmen könnten, erklärte die OFD auf ein weiteres Schreiben der Steuerpflichtigen vom 8. Januar 1962, in dem die Zusammensetzung der X-Erzeugnisse im einzelnen dargelegt war, mit Bescheid vom 7. Februar 1962, daß gegen die Steuerfreiheit keine Bedenken bestünden, sofern die anderen Voraussetzungen der Befreiungsvorschrift gegeben seien. Bei der daraufhin auftragsgemäß - bezüglich der Umsatzsteuer für die Jahre 1959 bis 1962 - durchgeführten Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Umsatzsteuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 4 UStG 1951 ab 1. Januar 1961 vorlagen (vgl. Tz. 16 des Betriebsprüfungsberichts vom 28. Dezember 1962). Auf Grund des ihr am 4. April 1963 in Abschrift übersandten Betriebsprüfungsberichts beantragte die Steuerpflichtige mit Schreiben vom 25. Juli 1963, die ursprünglichen Umsatzsteuerbescheide 1958 bis 1960 zu ihren Gunsten zu berichtigen. In einem Zusatzbericht vom 13. Dezember 1963 stellte der Prüfer unter Ausdehnung der Prüfung auf das Jahr 1958 fest, daß in den Veranlagungszeiträumen 1958 bis 1960, auf die sich der Berichtigungsantrag der Steuerpflichtigen bezog, die buchmäßigen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der streitigen Umsätze vorgelegen hätten und daß spätestens seit 1950/51 der Anteil des Erdöls an den gesamten Bestandteilen der X-Erzeugnisse höhergelegen habe als 50 Gewichtsanteile. Die Umsatzsteuerbescheide 1958 bis 1960 wurden daraufhin durch Sammelberichtigungsbescheid vom 2. März 1964 entsprechend dem Antrage der Steuerpflichtigen berichtigt.

Mit Schreiben vom 15. Juli 1964 stellte die Steuerpflichtige den weiteren Antrag, über die bereits durchgeführten Berichtigungen betreffend die Jahre 1958 bis 1960 hinaus auch die Umsatzsteuerbescheide aus den Vorjahren auf Grund der im Betriebsprüfungsbericht vom 28. Dezember 1962 festgestellten neuen Tatsachen gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 2 AO zu berichtigen. Gegen den ablehnenden Bescheid des FA vom 23. November 1964 legte die Steuerpflichtige mit Schreiben vom 23. Dezember 1964 Einspruch ein. Auf Anfrage des FA vom 18. Oktober 1965 präzisierte die Steuerpflichtige durch Schreiben vom 4. November 1965 ihren Einspruch dahin, daß sie Berichtigungen für die Jahre 1955 bis einschließlich 1957 begehre. Der Einspruch wurde vom FA durch Einspruchsentscheidung vom 22. November 1965 als unbegründet zurückgewiesen.

Auch die Klage der Steuerpflichtigen, mit der sie beantragte, das FA zu verpflichten, Berichtigungsveranlagungen gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 2 AO auch bezüglich der Umsatzsteuerbescheide 1955 bis 1957 durchzuführen, blieb ohne Erfolg. In der Vorentscheidung wird ausgeführt: § 222 Abs. 1 Nr. 2 AO setze voraus, daß die neue Tatsache zugunsten des Steuerpflichtigen "durch eine Betriebsprüfung" bekanntgeworden sei. Hieran fehle es im Streitfalle. Die Feststellung, daß der dem Steuerpflichtigen günstige Sachverhalt auch schon in früheren Jahren vorgelegen habe, genüge nicht. Es könne dahingestellt bleiben, ob ein Steuerpflichtiger bei Anhaltspunkten für das Vorliegen eines für ihn günstigen Sachverhalts vom FA verlangen könne, die Prüfung auf alle noch nicht geprüften Jahre auszudehnen. Soweit ein bereits geprüfter Zeitraum in Betracht komme, sei ein solches Verlangen nur in den Fällen der unmittelbaren Ausstrahlung in dem oben dargestellten Sinne berechtigt. Andernfalls bestände die Gefahr, daß die durch § 94 AO bestimmte Bestandskraft rechtskräftiger Steuerbescheide ausgehöhlt würde. Das FG habe erwogen, ob das vorliegende Verfahren hätte ausgesetzt werden müssen, um der Steuerpflichtigen Gelegenheit zu geben, zunächst - nach Durchführung eines entsprechenden Vorverfahrens - Klage auf Vornahme einer Betriebsprüfung zu erheben. Für eine Aussetzung wäre dann Raum gewesen, wenn die Ablehnung einer Betriebsprüfung für die Jahre 1955 bis 1957 durch das FA einen Mißbrauch des Ermessens darstellen würde. Ein solcher Fall sei aber hier nicht gegeben. Ein Steuerpflichtiger habe keinen Rechtsanspruch auf die Vornahme einer Betriebsprüfung. Es gebe keine allgemeine gesetzliche Vorschrift, die die Finanzverwaltungsbehörden verpflichte, rechtskräftige Veranlagungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und etwaige Fehler zu berichtigen. Es wäre Sache der Steuerpflichtigen gewesen, in ihrer Steuererklärung und in dem sich anschließenden Verfahren dem FA den richtigen Sachverhalt darzulegen und gegebenenfalls von den vorgesehenen Rechtsbehelfen Gebrauch zu machen. Außer im Falle der Aufdeckung eines Fehlers durch die Aufsichtsbehörden gemäß § 224 AO habe ein Steuerpflichtiger keine Möglichkeit, die Änderung eines rechtskräftigen Steuerbescheides zu erzwingen. Die Ablehnung einer nochmaligen Überprüfung bereits geprüfter Veranlagungszeiträume durch das FA verstoße nicht gegen die Grundsätze von Recht und Billigkeit.

Mit der Revision rügt die Steuerpflichtige die Verletzung von Bundesrecht, nämlich des § 222 Abs. 1 Nr. 2 AO. Das FG habe zu Unrecht die Auffassung im Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung von Hübschmann-Hepp-Spitaler (Anm. 204 zu § 222 AO) abgelehnt, daß hinsichtlich eines nicht geprüften Zeitraums eine Prüfung als stattgefunden und die neue Tatsache als hierbei bekanntgeworden gelten solle, "wenn der Prüfer trotz ausdrücklicher an ihn herangetragener Bitte eine mit dem Prüfungszeitraum nicht zusammenhängende neue Tatsache ungeprüft läßt". Dies müsse zumindest dann gelten, wenn - wie im Streitfalle - das Nichtaufdecken der neuen Tatsachen (Zusammensetzung der X-Produkte) nicht dem Steuerpflichtigen, sondern dem Prüfer anzulasten sei. Die Zusammensetzung der X-Produkte habe sich nicht nur auf den Prüfungszeitraum, sondern auch auf die Jahre vorher bezogen. Ein einheitlicher Sachverhalt dürfe nicht auseinandergerissen werden. Außerdem hätte das FA auch Berichtigungen nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO durchführen müssen, weil die Befreiung von der Umsatzsteuer eine Erhöhung des Gewinns zur Folge gehabt hätte. Schließlich sei ein Verstoß gegen Treu und Glauben darin zu erblicken, daß das FA entgegen dem ursprünglichen Prüfungsauftrag (Prüfung der Jahre 1959 bis 1961) die Betriebsprüfung auf 1958 ausgedehnt und den Umsatzsteuerbescheid für dieses Jahr berichtigt, eine Einbeziehung der Jahre 1955 bis 1957 in die Berichtigung jedoch abgelehnt habe.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision hat keinen Erfolg.

Nach § 222 Abs. 1 Nr. 2 AO findet eine Berichtigungsveranlagung statt, wenn durch eine Betriebsprüfung vor dem Ablauf der Verjährungsfrist neue Tatsachen oder Beweismittel bekanntwerden, die eine niedrigere Veranlagung rechtfertigen. Danach ist - wie in der Vorentscheidung zutreffend ausgeführt wird - Voraussetzung für eine Berichtigung zugunsten des Steuerpflichtigen, daß die neue Tatsache "durch eine Betriebsprüfung" in irgendeiner Weise hervorgekommen oder bestätigt worden ist (vgl. Vogel, Die Berichtigungsveranlagung, 1959, S. 54 ff.; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2.-4. Aufl., Anm. 25 zu § 222 AO). Nicht in den Prüfungszeitraum fallende Tatsachen sind nur dann zu berücksichtigen, wenn ein innerer und unmittelbarer Zusammenhang mit dem Gegenstand der Prüfung besteht (Riewald-Koch, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 1963, Anm. 3g zu § 222; Urteil des BFH I R 154/67 vom 5. Februar 1969, BFH 95, 260, BStBl II 1969, 383), mit anderen Worten, wenn eine unmittelbare Ausstrahlung einzelner Prüfungsfeststellungen auf bestimmte Vorgänge eines nichtgeprüften Steuerabschnittes (z. B. infolge des Bilanzenzusammenhanges) vorliegt (Urteil des RFH VI A 2010/32 vom 14. Februar 1934, RStBl 1934, 279; Tipke-Kruse, a. a. O.). Dieser Tatbestand ist nicht schon dann verwirklicht, wenn Waren, die nach der Feststellung oder Bestätigung durch eine Betriebsprüfung zu den in der Freiliste 3 aufgeführten Gegenständen gehören, in einem früheren Zeitraum, auf den sich der Prüfungszeitraum nicht bezog, ebenfalls geliefert worden sind. Außerdem rechtfertigt die Tatsache, daß bestimmte Waren zu den Gegenständen der Freiliste 3 zu rechnen sind, allein noch nicht eine niedrigere Veranlagung. Weitere Tatsachen (z. B. Umfang der Lieferung, Höhe der vereinnahmten bzw. vereinbarten Entgelte, insbesondere Vorliegen eines ordnungsmäßigen Buchnachweises) müssen hinzukommen. Diese aber können vom Prüfer nur für jeden einzelnen Veranlagungszeitraum gesondert geprüft und festgestellt werden.

Die in der Revisionsbegründung aufgegriffene, vom FG verneinte Frage, ob eine außerhalb des Prüfungszeitraums liegende Tatsache auch dann als durch die Betriebsprüfung bekanntgeworden zu gelten habe, wenn der Prüfer diese Tatsache trotz ausdrücklicher Bitte des Steuerpflichtigen, sie in die Prüfung einzubeziehen, ungeprüft gelassen hat, ist im Schrifttum umstritten. Während die Frage von Hübschmann-Hepp-Spitaler (a. a. O.) uneingeschränkt bejaht wird, hält die Mehrzahl der Autoren (z. B. Vogel, a. a. O., S. 56; Tipke-Kruse, a. a. O.; Berger, Die Reichsabgabenordnung nach ihren Schwerpunkten für die Praxis der Besitz- und Verkehrsteuern, 2. und 3. Aufl., S. 00/102 ff.) diese Rechtsfolge nur dann für möglich, wenn ein innerer und unmittelbarer Zusammenhang mit dem Prüfungszeitraum oder eine unmittelbare Ausstrahlung in dem oben dargestellten Sinne besteht. In der Streitsache braucht nicht entschieden zu werden, welche der beiden Rechtsauffassungen vorzuziehen ist. Denn die Steuerpflichtige hat in ihrem Schreiben an das FA vom 5. August 1963 versichert, daß über die zurückliegenden Jahre, für die rechtskräftige Veranlagungen vorgelegen hätten, weder bei der Betriebsprüfung noch in der Schlußbesprechung gesprochen worden sei. Unter diesen Umständen kann die Steuerpflichtige mit ihrer Andeutung, der Prüfer sei gebeten worden, die Prüfung auf die Vorjahre auszudehnen, nicht gehört werden, weil sie ihrem eigenen früheren Vorbringen widerspricht.

Abwegig ist auch die Auffassung der Steuerpflichtigen, der Prüfer hätte die Steuerfreiheit der X-Lieferungen erkennen müssen. Zutreffend hat bereits die Vorinstanz darauf hingewiesen, daß die Steuerpflichtige die Einzelheiten ihres Unternehmens besser kennt als der Betriebsprüfer, der sich wegen der Kürze der für eine Betriebsprüfung zur Verfügung stehenden Zeit ein nur oberflächliches Bild von den technischen Gegebenheiten eines Fabrikbetriebes verschaffen kann, insbesondere wenn sich Betriebsgeheimnisse hinderlich auswirken. Wenn die durch Steuerfachleute beratene Steuerpflichtige, weder in den Umsatzsteuererklärungen, noch im Verlaufe der Betriebsprüfung 1958, noch bei der Schlußbesprechung auf die Steuerfreiheit der X-Lieferungen hingewiesen hat, und auch nach der Kenntnisnahme vom Betriebsprüfungsbericht - zu einem Zeitpunkt, zu dem ihr ein Anspruch auf Prüfung des streitigen Sachverhalts noch zustand - nichts gegen die Besteuerung der X-Lieferungen unternommen hat, so kann sie die Schuld an der Nichtaufdeckung der für sie günstigen Tatsache nicht auf den Prüfer abschieben.

Es ist dem FG auch darin zuzustimmen, daß der Prüfer des Jahres 1962 nicht verpflichtet war, über seinen Prüfungsauftrag hinaus die bereits geprüften Vorjahre einer nochmaligen Prüfung zu unterwerfen. Eine solche nochmalige Prüfung wäre nur bei einer unmittelbaren Ausstrahlung festgestellter neuer Tatsachen dieser Jahre (z. B. zur Herbeiführung einer kontinuierlichen Besteuerung) geboten gewesen. Von diesen Ausnahmefällen abgesehen, brauchte der Prüfer über den ihm erteilten Prüfungsauftrag nicht hinauszugehen, zumal die Steuerpflichtige nach ihrem eigenen Vorbringen im Schriftsatz vom 5. August 1963 eine solche Bitte an ihn nicht herangetragen hatte.

Schließlich sind auch die Ausführungen der Vorinstanz zur Frage, ob einem Steuerpflichtigen ein Rechtsanspruch auf Vornahme einer Betriebsprüfung und Aufdeckung ihm günstiger neuer Tatsachen zusteht, nicht zu beanstanden. Sie entsprechen der ständigen Rechtsprechung des RFH und BFH (vgl. die Urteile des RFH VI A 2010/32 vom 14. Februar 1934, RStBl 1934, 279, und des BFH IV 196/54 U vom 27. April 1955, BFH 61, 9, BStBl III 1955, 201; I 234/60 vom 28. Februar 1961, HFR 1961, 134) und der allgemeinen Meinung im Schrifttum (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., Anm. 201 zu § 222 AO; Tipke-Kruse, a. a. O., Anm. 28 zu § 222 AO). Die Entscheidung darüber, ob eine Betriebsprüfung für einen bestimmten, in der Vergangenheit liegenden Zeitraum stattfinden soll, ist vom FA zwar nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben zu treffen. Ein Ermessenfehler ist aber nicht anzunehmen, wenn ein Steuerpflichtiger die Veranlagung so, wie sie erfolgt ist, selbst schuldhaft veranlaßt hat und weder im Betriebsprüfungsverfahren noch in einem Rechtsbehelfsverfahren dagegen angegangen ist. Es ist insbesondere nicht ermessensfehlerhaft, wenn das FA, nachdem bereits eine Betriebsprüfung stattgefunden hat, die Durchführung einer zweiten Betriebsprüfung ablehnt (Urteile des RFH I A 233/32 vom 18. Oktober 1932, RStBl 1932, 1006; VI A 2010/32 vom 14. Februar 1934, a. a. O.). Im Streitfalle kommt hinzu, daß die Steuerpflichtige zunächst (mit Schreiben vom 25. Juli 1963) nur eine Berichtigung der Umsatzsteuerbescheide 1958 bis 1960 beantragt und erst viele Monate nach Kenntnisnahme von dem Betriebsprüfungsbericht 1962 (mit Schreiben vom 15. Juli 1964 und 4. November 1965) die Berichtigung auch der Umsatzsteuerbescheide 1955 bis 1957 verlangt hat. Für die Ausdehnung der ursprünglich nur für die Veranlagungszeiträume 1959 bis 1961 vorgesehenen Betriebsprüfung 1962 auf den Veranlagungszeitraum 1958, auf die die Steuerpflichtige in der Revisionsbegründung hinweist, gab es zwei Gründe: Die Betriebsprüfung 1958 hatte sich nur auf die Zeit von Januar 1952 bis Ende Oktober 1958 erstreckt; der Prüfer hatte sich eine eingehende Nachprüfung des Veranlagungszeitraums 1958 bei der nächsten Betriebsprüfung im Betriebsprüfungsbericht ausdrücklich vorbehalten. Von einer willkürlichen Bestimmung des Prüfungszeitraumes durch das FA kann daher keine Rede sein. Zu Unrecht bemängelt die Steuerpflichtige auch, daß das FA für 1955 bis 1957 von einer Berichtigung der Körperschaftsteuerbescheide zu ihren Ungunsten abgesehen hat. Eine sekundäre Berichtigung der Körperschaftsteuerbescheide hätte nur bei Berichtigung der Umsatzsteuerbescheide erfolgen können; bei gleichbleibender Umsatzsteuer bestand kein Anlaß zu einer Erhöhung der Körperschaftsteuer. Näher braucht auf diese Punkte nicht eingegangen zu werden, weil ein förmlicher Antrag auf Vornahme einer Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 1955 bis 1957 vom Steuerpflichtigen beim FA nicht gestellt worden ist. Ein solcher Antrag hätte, wenn er gestellt und vom FA abgelehnt worden wäre, nicht im Einspruchsverfahren, sondern im Beschwerdeverfahren weiterverfolgt werden müssen.

 

Fundstellen

BStBl II 1970, 767

BFHE 1970, 514

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