Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbschaftsteuer. Aufwendungen als Gegenleistung für den Abschluß eines Erbvertrages sind wie Nachlaßverbindlichkeiten abzugsfähig

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nur die für den Erwerber unentgeltliche Bereicherung unterliegt der Erbschaftsteuer. Aufwendungen, die aufgrund eines materiell gegenseitigen Vertrags als Gegenleistung für die Erbeinsetzung (Erbvertrag; vgl. BGH-Urteil vom 3.11.1961 V ZR 48/60) erbracht werden, hier die Zahlung einer monatlichen Leibrente und die Übernahme laufender Grundstücksaufwendungen, sind wie Nachlaßverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG 1974 abzugsfähig, auch, wenn es sich um „Unterhalt” i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974 handelt.

2. Ausführungen (Literatur, Rechtsprechung) zur Abzugsfähigkeit von Aufwendungen und zur Auslegung von § 10 ErbStG 1974 und dessen Vorrang gegenüber § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974.

 

Normenkette

ErbStG 1974 § 10 Abs. 5 Nr. 3, § 13 Abs. 1 Nr. 9

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und Frau D hatten am 19. November 1970 zwei notarielle Verträge geschlossen, nämlich einen Erbvertrag, wonach Frau D den Kläger zum Alleinerben eingesetzt und einen weiteren Vertrag, worin sich der Kläger verpflichtet hatte, an Frau D ab 1. Januar 1971 eine monatliche Leibrente von … DM zu bezahlen sowie laufende Grundstückskosten zu übernehmen. Frau D verstarb am … 1978 und wurde aufgrund des o.a. Erbvertrags vom Kläger allein beerbt. Die beklagte Behörde und Revisionsklägerin (das Finanzamt – FA–) hat dem Erbschaftsteuerbescheid einen Erwerb von … DM abzüglich des Freibetrags gemäß § 16 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) in Höhe von 3.000 DM zugrunde gelegt, so daß sich ein steuerpflichtiger Erwerb von … DM ergab. Dabei hat es die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung einer Leibrente an Frau D nicht als Nachlaßverbindlichkeit abgezogen.

Der Einspruch ist erfolglos geblieben.

Auf die Klage hat das Finanzgericht (FG) Steuerbescheid und Einspruchsentscheidung aufgehoben und die Steuer auf … DM festgesetzt.

Das FG führte zur Begründung seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 356 veröffentlichten Entscheidung insbesondere aus, die Kosten für Rente und für Grundstück seien abzugsfähig, weil sie mit der Erlangung des Erwerbs in Zusammenhang stünden (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG 1974). Nach Sinn und Zweck des ErbStG, das die Bereicherung besteuern wolle, sei diese Abzugsfähigkeit zu bejahen. Der Kläger habe die Kosten nicht nur aufgewendet, um seine Erbeinsetzung zu erreichen, sondern auch, um den Erwerb zu erlangen. Das FG hat offengelassen, ob die tatsächlich geleisteten Zahlungen oder –wie vom Kläger beantragt– nur der kapitalisierte Wert der Rentenverpflichtung zuzüglich der laufenden Kosten abziehbar sind, weil über den Antrag des Klägers nicht hinausgegangen werden könne.

Mit der Revision beantragt das FA die Aufhebung der Vorentscheidung und die Abweisung der Klage. Gerügt wird die Verletzung des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG 1974. Im angefochtenen Urteil werde verkannt, daß § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG zwar den Bereicherungsgrundsatz festlege, daß aber in Satz 2 der Vorschrift genau geregelt sei, was beim Erwerb von Todes wegen als Bereicherung anzusehen sei. Dabei sei auf den Begriff der Nachlaßverbindlichkeit, wie er in Abs. 3 geregelt sei, verwiesen. Diesen Begriff habe das FG unzutreffend abgegrenzt.

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision. Er hebt insbesondere hervor, daß aufgrund der im ErbStG 1974 erfolgten Gesetzesänderung nunmehr ein weitergehender Abzug von Nachlaßverbindlichkeiten als bisher zulässig sei. Der jetzt allgemein gehaltene Wortlaut der Vorschrift rechtfertige eine solche Auslegung.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet.

Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß die vom Kläger geleisteten Leibrentenzahlungen Kosten darstellen, die unmittelbar der Erlangung des Erwerbs i.S. von § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG 1974 gedient haben.

Zwischen dem Kläger und Frau D hat sich ein Erwerb von Todes wegen in der Form des Erwerbs durch Erbanfall i.S. von § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 vollzogen. Dieser Vorgang unterliegt der Erbschaftsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974). Als steuerpflichtiger Erwerb gilt die Bereicherung des Erwerbers (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974). Als Bereicherung wiederum gilt in den Fällen des § 3 ErbStG 1974 „der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem … Wert des gesamten Vermögensanfalls … die nach den Abs. 3 bis 9 des § 10 abzugsfähigen Nachlaßverbindlichkeiten … abgezogen werden” (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974). Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG 1974 sind als Nachlaßverbindlichkeiten u.a. abzugsfähig „die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen”. Die im vorliegenden Falle vom Kläger an Frau D geleisteten Zahlungen sind den im Gesetz genannten Kostenarten zuzuordnen. Die Frage, ob Ausgaben, die als Gegenleistung für eine Erbeinsetzung gewährt werden, als Nachlaßverbindlichkeiten anzusehen sind, wird im Schrifttum unterschiedlich beantwortet. Meincke/Michel verneinen in Anm. 48 zu § 10 die Eigenschaft als Nachlaßverbindlichkeit unter Bezugnahme auf die Urteile des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 8. November 1934 (RStBl 1935, 154) und des Niedersächsischen FG vom 18. September 1979 III 67/78 (EFG 1980, 190), heben aber andererseits in Anm. 7 zu § 3 hervor, daß es dem Bereicherungsgedanken des § 10 Abs. 1 Nr. 1 widersprechen würde, wenn das für den Vermögensanfall aufgewendete Entgelt nicht zur Minderung des steuerpflichtigen Erwerbs herangezogen werden dürfe. Bedenken gegen die Versagung des Abzugs äußern u.a. auch Troll (Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz- Kommentar, Anm. 37 zu § 10 ErbStG) und Kapp (Kommentar zum Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Rz. 103 zu § 3 ErbStG, derselbe in Betriebs-Berater – BB– 1980, 845 f.) sowie Crezelius (Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, 1979, 73).

Das FG Münster (EFG 1982, 356) sowie das Niedersächsische FG (EFG 1980, 190) haben den Abzug als Nachlaßverbindlichkeit versagt.

Der Senat hält es für sowohl dem Wortlaut wie auch dem Sinnzusammenhang des § 10 ErbStG entsprechend, Aufwendungen, die als Gegenleistung für den Abschluß eines Erbvertrages erbracht werden, wie Nachlaßverbindlichkeiten i.S. der genannten Vorschrift anzusehen.

Wie mehrfach entschieden (vgl. u.a. Beschluß des Bundesfinanzhofs – BFH– vom 18. Dezember 1972 II R 87–89/70, BFHE 108, 393, 402, BStBl II 1973, 329), unterliegt nur die für den Erwerber unentgeltliche Bereicherung der Erbschaftsteuer. Dieser Grundsatz ist Maßstab bei der Auslegung des § 10 ErbStG 1974. Seine Anwendung auf den Fall der vertraglichen Erbeinsetzung gegen Entgelt, d.h. aufgrund eines materiell gegenseitigen Vertrages (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH– vom 3. November 1961 V ZR 48/60, BGHZ 36, 65), macht es notwendig, das vom vertraglich eingesetzten Erben für die Erbeinsetzung Geleistete als „Kosten, die unmittelbar mit der Erlangung des Erwerbs entstehen”, zu betrachten. Denn nur in Höhe des um diese Kosten geminderten Vermögensanfalls liegt eine unentgeltliche Bereicherung des Erben vor.

Auch eine Zusammenschau von § 10 Abs. 5 Nrn. 1 und 3 ErbStG 1974 läßt diese Auslegung als die richtige erscheinen. Nach Nr. 1 der Vorschrift sind vom Erblasser herrührende Schulden (auch solche, die gegenüber dem Erben bestehen; § 10 Abs. 3 ErbStG 1974) als Nachlaßverbindlichkeiten abzugsfähig. Wirtschaftlich betrachtet nimmt derjenige, der sich eine Leistung dafür erbringen läßt, daß er den Leistenden zum Erben einsetzt, einen erst anläßlich seines Todes „rückzahlbaren” Kredit auf. Es liegt faktisch ein mit spekulativen Elementen angereichertes und mit Risikokomponenten behaftetes Darlehen vor. Der Leistende ähnelt einem Kreditgeber, der Testierende einem Kreditnehmer. Wenn auch der Testierende nicht mehr zu Lebzeiten verpflichtet ist, das Erhaltene bzw. ein Äquivalent zurückzugeben, so war gleichwohl sein Vermögen mit einer solchen Pflicht wirtschaftlich belastet. Parallelen beider Gestaltungen machen es nach Auffassung des Senats erforderlich, § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG 1974 unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs mit Nr. 1 dieser Vorschrift auszulegen. § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974 steht dem Abzug der vom Kläger geleisteten Zahlungen nicht entgegen. Auch wenn diese Zahlungen als „Unterhalt” i.S. der genannten Vorschrift anzusehen wären, käme ihre Anwendung nicht in Betracht, weil sie gegenüber § 10 ErbStG 1974 logisch nachrangig zu prüfen ist. Mindern Unterhaltszahlungen bereits gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG 1974 den Erwerb, so kann die Anwendung von § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974 nicht mehr zum Zuge kommen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1179025

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