Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Veräußerung des einzigen Fahrzeugs eines Küstenschiffahrtsunternehmens stellt nur dann eine steuerbegünstigte Betriebsveräußerung (Betriebsaufgabe dar, wenn der Unternehmer damit die Küstenschiffahrt aufgibt.

Die Veräußerung eines Schiffes stellt nur dann eine steuerbegünstigte Teilbetriebsveräußerung oder Teilbetriebsaufgabe dar, wenn das Schiff die wesentliche Grundlage eines selbständigen Zweigunternehmens bildet und das Zweigunternehmen dabei im ganzen veräußert oder aufgegeben wird.

 

Normenkette

EStG § § 15, 16/1, § 16/3, § 34/1, § 34/2

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1958, ob der Gewinn aus der Veräußerung eines Schiffes zu den laufenden Einkünften aus Gewerbebetrieb zählt oder ob er als Betriebsveräußerungsgewinn steuerbegünstigt ist (§§ 16, 34 EStG).

Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger) betrieb bis Juli 1958 mit seinem Motorschiff X (rd. 150 BRT) Küstenfrachtschiffahrt nach dänischen Häfen, auf dem Rhein und dem Dortmund-Ems-Kanal. Er beförderte Stückgut und Grubenholz. Heimathafen war A. Im Dezember 1957 verkaufte der Steuerpflichtige das Motorschiff X für 160.000 DM. Eigentumswechsel und übergabe fanden im Juli 1958 statt. Dabei wurde der Kaufpreis auf 157.500 DM herabgesetzt. Der Steuerpflichtige erstellte auf den 10. Juli 1958 für sein Einzelunternehmen eine Schlußbilanz.

Am 28. Januar 1957 schloß der Steuerpflichtige mit einer Werft einen Bauvertrag über ein Motorschiff Y von rd. 430 BRT ab. Der Vertrag sollte erst mit der Genehmigung der Finanzierungs- und Bauanträge in Kraft treten. Im Spätherbst 1957 vereinbarte der Steuerpflichtige mit der Werft, daß in den Bauvertrag die Partenreederei, die er mit seinem Sohne gründen wollte, eintreten solle. Ende 1957 leistete der Steuerpflichtige eine erste Anzahlung an die Werft von 30.000 DM. Am 2. Januar 1957 vereinbarte er mit seinem Sohn die Gründung der Partenreederei. Im Juni 1958 wurden, adressiert an die Partenreederei, die Baufinanzierung und die Bauanträge genehmigt. Im Juli 1958 leistete die Partenreederei der Werft die zweite Anzahlung in Höhe von 155.000 DM. Im September 1958 wurde das Motorschiff Y für die Zwecke einer erweiterten Küstenschiffahrt in Dienst gestellt. Heimathafen war wiederum A. Mit dem Schiff wurden Holz, Kohle und Eisenerze auf Fahrten vor allem von und nach Finnland, England mit Irland und Norwegen befördert. Auf den 24. September 1958 stellte die Partenreederei eine Eröffnungsbilanz auf. Darin übernahm sie die verbliebenen kleineren Aktivposten aus dem Einzelunternehmen des Steuerpflichtigen sowie den Schuldposten Kreditgewinnabgabe.

Das veräußerte Schiff stand mit 10.790 DM zu Buche. Der Veräußerungsgewinn betrug 146.710 DM. Der Steuerpflichtige beantragte für den Veräußerungsgewinn die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG, da er mit dem Schiffsverkauf seinen Betrieb veräußert oder aufgegeben habe und der Betrieb der Partenreederei eine Geschäftseröffnung darstelle.

Das Finanzamt sah den Gewinn als laufenden Gewinn aus Gewerbebetrieb an, da der Steuerpflichtige seinen Betrieb in die Partenreederei eingebracht habe und deshalb nur die Veräußerung eines Betriebsmittels vorliege.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Mit der Berufung machte der Steuerpflichtige geltend, daß im Hinblick auf Betriebsmittel, Wirkungsfeld und Kundschaft keine Fortführung des alten Betriebs mit verbesserten Mitteln vorliege, sondern daß es sich um den Aufbau eines neuen Betriebes, der mit dem alten Betriebe nichts zu tun habe, handle. Der Tätigkeitsbereich habe sich grundlegend gewandelt. Das Unternehmen sei von der "kleinen" zur "großen Küstenschiffahrt" übergegangen. Die wirtschaftliche und organisatorische Struktur des Unternehmens der Partenreederei sei von derjenigen des Einzelunternehmens verschieden. Der Betrieb des Einzelunternehmens sei nicht in das Unternehmen der Partenreederei eingebracht, sondern veräußert worden (Hinweis auf Urteil des Reichsfinanzhofs VI 217/39 vom 19. April 1939, RStBl 1939 S. 852).

Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück. Es führte aus, daß der Verkauf des Schiffes X, der Neubau des Schiffes Y und die Gründung der Partenreederei eng zusammenhingen. Der Steuerpflichtige habe die Absicht gehabt, den Betrieb zu vergrößern und dazu seinen Sohn aufzunehmen. Die Anzahlungen für den Bau des Schiffes Y und die Betriebsausgaben der Partenreederei in der Zeit bis September 1958 habe der Steuerpflichtige aus seinem Einzelunternehmen geleistet. Der Betrieb des Einzelunternehmens sei nicht aufgegeben, sondern erweitert worden. Der Betrieb der Partenreederei sei wesensmäßig derselbe geblieben, unbeschadet der Tatsache, daß sich der Kundenkreis verändert habe (Hinweis auf das Urteil des Reichsfinanzhofs V 452/39 vom 7. November 1941, RStBl 1941 S. 976). Die Veräußerung des Schiffes X stelle somit nicht die Veräußerung eines Betriebes oder Teilbetriebes, sondern nur eines wesentlichen Betriebsmittels dar. Es sei nur ein Schiff durch ein anderes ersetzt worden.

Mit der Rb. beantragt der Steuerpflichtige, die Vorentscheidung aufzuheben und auf den Veräußerungsgewinn den begünstigten Tarif des § 34 EStG anzuwenden.

Er führt aus, das Finanzgericht habe nicht berücksichtigt, daß nach der eindeutigen Vertragsgestaltung das Einzelunternehmen unabhängig neben der Partenreederei bestanden habe. Der Annahme, daß der Betrieb des Einzelunternehmens in die Partenreederei eingebracht worden sei, stehe das mit dem Sohn beschlossene Reederei-Statut entgegen. Danach habe der Steuerpflichtige nicht seinen Betrieb, sondern nur einen Barbetrag einzubringen gehabt. Die Veräußerung des Motorschiffes X habe die Aufgabe des Betriebes der Einzelunternehmung bedeutet. Die Sache könne im übrigen nicht anders beurteilt werden, als wenn in dem bisherigen Einzelunternehmen ein zweites Schiff angeschafft und das erste veräußert worden wäre. Die Veräußerung eines von zwei Schiffen aber könne als Teilbetriebsveräußerung angesehen werden. Der Zweck der §§ 16, 34 EStG bestehe darin, außergewöhnliche Gewinne, die durch Veräußerung größerer Betriebsvermögensteile entstünden, steuerlich zu begünstigen.

 

Entscheidungsgründe

über das als Rb. (§§ 285 ff. AO) zulässig eingelegte Rechtsmittel ist nach den für die Revision geltenden Vorschriften der §§ 121 ff FGO zu entscheiden (§ 184 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 FGO).

Die Revision ist unbegründet, da die Voraussetzungen einer steuerbegünstigten Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebes oder Teilbetriebes (§ 16 Abs. 1 und 3 EStG) nicht erfüllt sind.

Eine Betriebsveräußerung im ganzen liegt vor, wenn der Betrieb mit seinen wesentlichen Grundlagen und unter Aufrechterhaltung des geschäftlichen Organismus auf den Erwerber übergeht. Werden nicht der Betriebsorganismus, sondern nur ein wichtiges Betriebsmittel übertragen, während der Steuerpflichtige das Unternehmen in derselben oder in einer veränderten Form fortführt, so kann von einer Betriebsveräußerung nicht gesprochen werden. Die Veräußerung des Hauptbetriebsmittels kann als Betriebsveräußerung angesehen werden, wenn damit der alte Betrieb nicht nur vorübergehend eingestellt, sondern endgültig aufgegeben wird. Das ist anzunehmen, wenn infolge der Veräußerung des wesentlichen Betriebsmittels der Betrieb neu aufgebaut wird und abgesehen von der Person des Betriebsinhabers keinen Zusammenhang mit dem alten Betrieb mehr hat. Ob das der Fall ist, ist unter Berücksichtigung der gesamten Verhältnisse (Betriebsmittel, Wirkungsfeld, Kundschaft) zu beurteilen (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs VI 217/39 vom 19. April 1939, RStBl 1939 S. 852; V 452/39).

Wird ein Betrieb mit örtlich beschränktem Wirkungskreis (z. B. ein Ladengeschäft) veräußert und ein neues Geschäft an einem anderen Ort - auch unter derselben Firma - aufgebaut, so kann darin eine Betriebsveräußerung (Betriebsaufgabe) im Sinne des § 16 Abs. 1 und 3 EStG gesehen werden. Handelt es sich jedoch um ein Umternehmen mit örtlich nicht gebundenem Wirkungskreis, so genügt für die Annahme einer Betriebsveräußerung (Betriebsaufgabe) nicht, daß nur der bisherige Wirkungskreis (das Betätigungsfeld und die Kundschaft) verändert wird. Das Unternehmen muß seinen bisherigen Charakter ändern. Eine Betriebsveräußerung setzt deshalb in diesen Fällen voraus, daß der Unternehmer die Betätigung in dem bisherigen Geschäftszweig aufgibt. Nur unter dieser Voraussetzung kann davon gesprochen werden, daß der bisherige betriebliche Zusammenhang gelöst ist.

Ein Schiff stellt für sich allein keinen Betrieb dar (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 356/59 U vom 1. Dezember 1960, BStBl 1961 III S. 274, Slg. Bd. 73 S. 138). Es hat nur die Bedeutung eines - wenngleich wesentlichen - Betriebsmittels. Der Betrieb ist darüber hinaus die Gesamtheit aller durch den Betriebszweck zusammengefaßten Vermögenswerte, personellen Mittel und geschäftlichen Beziehungen. Die Veräußerung des einzigen Fahrzeugs eines Küstenschiffahrtsunternehmens fällt deshalb nur dann unter die Vorschrift des § 16 EStG, wenn damit zugleich die Küstenschiffahrt aufgegeben wird. Blosse Veränderungen der innerbetrieblichen Struktur, wie sie der erkennende Senat in der nicht im BStBl veröffentlichten, einen dem vorliegenden ähnlich gelagerten Fall betreffenden Entscheidung IV 353/61 vom 16. Mai 1963 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 16, Rechtsspruch 51) noch für genügend erachtete, reichen nicht aus.

Da im Streitfall das Küstenschiffahrtsunternehmen mit der Veräußerung des kleineren Schiffes nicht beendet, sondern, wie das Finanzgericht fehlerfrei feststellte, durch den Erwerb eines größeren und leistungsfähigeren Schiffes nur auf eine neue Grundlage gestellt wurde, ist der Charakter des Unternehmens unverändert geblieben. Zutreffend nahm das Finanzgericht deshalb an, daß das Unternehmen in größerem Umfang fortgeführt wurde. Der Erstellung einer Schlußbilanz für die Einzelfirma und später einer Eröffnungsbilanz für die Personengesellschaft kommt insoweit keine steuerliche Bedeutung zu. Der Betrieb war nicht aufgegeben, sondern nur vorübergehend bis zur Indienststellung des neuen Schiffes eingestellt. Der Hinweis des Stpfl. auf die nach seiner Ansicht entgegenstehende gesellschaftsrechtliche Vertragsgestaltung greift nicht durch. Der Umstand, daß in das bisherige Einzelunternehmen ein Gesellschafter aufgenommen wurde, steht der Annahme einer Fortführung des Betriebes durch den bisherigen Inhaber im übrigen nicht entgegen.

Im Streitfall käme auch die Veräußerung eines Teilbetriebes unter dem Gesichtspunkt in Betracht, daß innerhalb des Gesamtunternehmens des Stpfl. der "Betrieb" des veräußerten Schiffes und der im Entstehen begriffene "Betrieb" des größeren Motorschiffes als verschiedene Teilbetriebe aufgefaßt werden könnten. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Teilbetrieb ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebes, der für sich lebensfähig ist (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 987/31 vom 13. Mai 1931, RStBl 1931 S. 490; VI 502/37 vom 1. Dezember 1937, RStBl 1938 S. 108; VI 70/38 vom 27. Juli 1938, RStBl 1938 S. 887; Urteile des Senats IV 67/58 U vom 9. Dezember 1960, BStBl 1961 III S. 124, Slg. Bd. 72 S. 331; IV 114/61 S vom 18. März 1964, BStBl 1964 III S. 303, Slg. Bd. 79 S. 195). So stellte z. B. für einen landwirtschaftlichen Teilbetrieb die Rechtsprechung als Erfordernis auf, daß es sich um einen in sich geschlossenen Teil eines Betriebes, eine Untereinheit, handeln müsse, bei der besondere Wirtschaftsgebäude, eigenes Inventar und besondere Rechnungsführung vorhanden sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 220/58 vom 31. Januar 1963, StRK, Einkommensteuergesetz, § 14, Rechtsspruch 9, sowie die dort angeführten Entscheidungen). Entsprechende Voraussetzungen gelten auch für gewerbliche Teilbetriebe.

In weitergehender Auslegung des Teilbetriebsbegriffs nahm der erkennende Senat in der Entscheidung IV 251/57 U vom 27. Oktober 1960 (BStBl 1961 III S. 230, Slg. Bd. 72 S. 628) an, daß Schiffe dann Teilbetriebe sein könnten, wenn sie örtlich getrennt geführt und für verschiedene, "eigene" Kundenkreise gefahren würden. In dem entschiedenen Fall handelte es sich um den Gewinn aus der Veräußerung eines von mehreren Lastschiffen (Schleppkähnen) eines Binnenschiffers. An dieser Auffassung hält der Senat nicht fest. Eine Teilbetriebsveräußerung kommt auch bei Schiffen nur unter den gleichen Voraussetzungen in Betracht, wie sie für Betriebsveräußerungen im ganzen gelten. Ein Schiff kann wesentliche Grundlage eines Teilbetriebes sein. Hierzu muß jedoch gefordert werden, daß der Betrieb des Schiffes den alleinigen Gegenstand eines selbständigen Zweigbetriebes des Gesamtunternehmens bildet, der alle sonst an einen Teilbetrieb gestellten Anforderungen erfüllt und mit der Veräußerung des Schiffes untergeht. Es muß sich, wie die Vorschrift des § 85 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz es ausdrückt, um einen in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Betrieb handeln. Die Veräußerung dieses einem derartigen Teilbetrieb dienenden Schiffes ist steuerbegünstigt, wenn der Teilbetrieb dabei aufgegeben wird. Das Gesetz erwähnt zwar die Aufgabe von Teilbetrieben nicht. Es entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung, daß auch sie unter § 16 EStG fällt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 102/64 U vom 28. Oktober 1964, BStBl 1965 III S. 88, Slg. Bd. 81 S. 240).

Im Streitfall hatte das veräußerte Schiff zwar insofern eine besondere Funktion, als es auf eigenen Routen und für einen eigenen Kundenkreis eingesetzt wurde. Es diente jedoch nicht einem in der dargelegten Weise organisatorisch verselbständigten Zweigunternehmen, sondern dem einheitlichen ungegliederten Gesamtbetrieb. Da hiernach auch die Voraussetzungen der Veräußerung oder Aufgabe eines Teilbetriebes nicht erfüllt sind, war die Vorentscheidung im Ergebnis zu bestätigen.

 

Fundstellen

BStBl III 1966, 168

BFHE 1966, 461

BFHE 84, 461

StRK, EStG:16 R 93

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