Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Erlaß der Vermögensabgabe bei Verpachtung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes an einen Vertriebenen.

Mitverpachtete Nutzungsrechte, die nicht als land- und forstwirtschaftliches Vermögen in den Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes einbezogen worden sind, können beim Erlaß der Vermögensabgabe nach § 53 Abs. 3 i. V. m. § 50 Abs. 2 BVFG nicht berücksichtigt werden.

 

Normenkette

LAG § 202; BVFG § 53 Abs. 3, § 50 Abs. 2; 2-StDVO-SHG 6

 

Tatbestand

Der Bg. ist Eigentümer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes. Durch Pachtvertrag vom 12. August 1950 hat er den Betrieb an einen Flüchtling auf 12 Jahre verpachtet. Nach dem Pachtvertrage sind die mit dem Eigentum an den verpachteten Grundstücken verbundenen Rechte (Wegerecht, Realgemeindeberechtigungen usw.), auch wenn diese Rechte im Grundbuch oder der Hofbeschreibung nicht vermerkt sind, mitverpachtet worden. Zum Vermögen des Bg. gehören auch zwei Anteile an einer Forstgenossenschaft. Der Grundbesitz der Forstgenossenschaft ist zum 1. Januar 1935 durch Feststellungsbescheid dieser zugerechnet worden. Die Anteile des Bg. an der Genossenschaft sind bei seiner Veranlagung zur Vermögensteuer mit 8.500 DM als sonstiges Vermögen angesetzt worden. Dieser Wert entspricht dem Betrage, der bei einer Aufteilung des Einheitswertes auf die beiden Anteile entfällt. Nach übernahme der Bewirtschaftung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes durch den Pächter am 1. Mai 1951 hat dieser auch die Nutzungen aus den beiden Holzberechtigungen gezogen.

Unter dem 15. Juni 1951 bescheinigte die zuständige Siedlungsbehörde, daß der Pächter Heimatvertriebener nach § 31 Ziff. 1 des Soforthilfegesetzes (SHG) sei, und daß es sich um einen auf mindestens 12 Jahre abgeschlossenen Pachtvertrag im Sinne des Flüchtlingssiedlungsgesetzes (FlüSG) vom 10. August 1949 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes - WiGBl - 1949 S. 231) handle. Bei der Beschreibung des verpachteten Betriebes sind von der Siedlungsbehörde nur die Hofstelle, nicht aber die beiden Holzberechtigungen erwähnt worden.

Das Finanzamt hat den Bg. zu einer Vermögensabgabe mit Vierteljahrsbeträgen von 256,80 DM herangezogen. Gleichzeitig verfügte es, daß von dem zu leistenden Vierteljahresbetrage wegen der Verpachtung des Hofes nach den §§ 47, 50 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) vom 19. Mai 1953 (BGBl 1953 I S. 201) 0,55 v. H. von 34.300 DM (Anteil des Verpächters am Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebes abzüglich der Schulden), das sind 188,65 DM, für die Zeit vom 1. April 1952 bis zum 31. März 1963 als abgegolten gelten bzw. erlassen sind. Der Wert der Forstanteile wurde nicht in die Vergünstigung einbezogen.

Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Berufung hat das Finanzgericht auch 0,55 v. H. von 8.500 DM (Wert der Anteile an der Forstgenossenschaft) erlassen und dementsprechend die Einspruchsentscheidung und den Vermögensabgabe-Erlaßbescheid geändert. Während des Berufungsverfahrens hat der Bg. mit dem Pächter seines landwirtschaftlichen Betriebes im Jahre 1959 einen Nachtragsvertrag abgeschlossen, in dem ausgeführt ist, daß in Erfüllung des Pachtvertrages vom 12. August 1950 die mit dem Grundbesitz verbundenen beiden Holzberechtigungen am 1. Mai 1951 dem Pächter übergeben worden seien und der Pächter seit dieser Zeit auch die Nutzungen daraus ziehe. Hierüber seien sich die Beteiligten bei Abschluß des Vertrages vom 12. August 1950 auch einig gewesen. Der Bg. hat ferner zwei Bescheinigungen der Siedlungsbehörde vorgelegt, nach denen die Hofstelle und zwei damit verbundene Holzberechtigungen an einen Heimatvertriebenen im Sinne der §§ 1 bis 4 BVFG verpachtet worden seien und die Voraussetzungen der §§ 35 bis 37, 44 Abs. 1 BVFG (Schaffung einer selbständigen Existenz in der Land- und Forstwirtschaft) erfüllt seien. Auf Anregung des Finanzgerichts hat der Bg. zwei neue Bescheinigungen der Siedlungsbehörde vom 5. Juni 1959 vorgelegt, in denen die Voraussetzungen der Vergünstigung nach dem FlüSG und SHG als vorliegend bestätigt worden sind. Wegen der Vergünstigung für die beiden streitigen Holzberechtigungen führte das Finanzgericht unter anderem folgendes aus: Nach den Bescheinigungen der Siedlungsbehörde vom 5. Juni 1959 seien nicht nur die Hofstelle, sondern auch die beiden damit verbundenen Holzberechtigungen an einen Heimatvertriebenen im Sinne des § 31 Ziff. 1 SHG verpachtet worden; es handle sich insoweit um einen Pachtvertrag im Sinne des FlüSG. Es bestehe keine Veranlassung, in rechtlicher Hinsicht von dem Inhalt der Bescheinigungen abzuweichen. Die Vorschriften der §§ 4, 6 FlüSG seien nicht so eng auszulegen, daß nicht auch zwei mit dem Betrieb unlöslich verbundene Holznutzungsrechte - auch wenn sie bewertungsrechtlich als "sonstiges Vermögen" behandelt worden seien - begünstigt werden könnten. Eine Eingliederung des Flüchtlings in die Landwirtschaft habe tatsächlich nicht nur hinsichtlich des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, sondern auch hinsichtlich der beiden damit verbundenen Holznutzungsrechte stattgefunden.

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts rügt unrichtige Anwendung des bestehenden Rechtes und Verstoß wider den Inhalt der Akten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

I. - Auf dem am 12. August 1950 abgeschlossenen langjährigen Pachtvertrag waren zunächst die Vorschriften des SHG und die hierzu ergangenen Durchführungsbestimmungen anzuwenden. Das SHG enthält in § 28 Ziff. 3 lediglich eine Ermächtigung zum Erlaß von Durchführungsbestimmungen, durch die im Falle der Veräußerung oder der langfristigen Verpachtung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben oder von gewerblichen Betrieben an Geschädigte im Sinne von § 31 SHG besondere Vergünstigungen gewährt werden können. Die entsprechenden Bestimmungen sind in der Durchführungsverordnung zum Ersten Teil des Soforthilfegesetzes (StDVO-SHG) vom 8. August 1949 (WiGBl 1949 S. 214) geschaffen worden. Nach § 66 Abs. 1 dieser Verordnung bleibt, wenn in der Zeit vom 1. April 1949 bis zum 30. September 1950 ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb im Sinne des Reichsbewertungsgesetzes an Flüchtlinge auf mindestens neun Jahre verpachtet wird, die auf den Betrieb entfallende Soforthilfeabgabe (SHA) unerhoben. Das Landwirtschaftsamt mußte den Pachtvertrag genehmigt und die Siedlungsbehörde ihm zugestimmt haben. Die Zweite Durchführungsverordnung zum Ersten Teil des Soforthilfegesetzes (2. StDVO-SHG) vom 29. Dezember 1950 (BGBl 1951 I S. 51) hat für das Gebiet des früher vereinigten Wirtschaftsgebietes die Durchführungsbestimmungen den Vorschriften des FlüSG angepaßt. § 6 der 2. StDVO-SHG hat den § 66 der (Ersten) StDVO-SHG aufgehoben und folgendes bestimmt: "Wird ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb im Sinne des Reichsbewertungsgesetzes nach dem 31. März 1949 unter Mitwirkung der zuständigen Siedlungsbehörde an Flüchtlinge (ß 31 Ziff. 1 des Gesetzes) auf mindestens neun Jahre verpachtet, so bleibt die auf den Betrieb entfallende SHA unerhoben." Diese Bestimmung stimmt somit mit dem aufgehobenen § 66 der (Ersten) StDVO-SHG im wesentlichen überein.

Das LAG hat die Vergünstigungen im Falle der Veräußerung oder langfristigen Verpachtung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und von gewerblichen Betrieben an Geschädigte im Sinne des § 254 Abs. 1 LAG nicht näher geregelt, sondern einer Rechtsverordnung vorbehalten (ß 202 LAG). Für den Bereich der gewerblichen Betriebe ist die Dreizehnte Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (13. AbgabenDV-LA), die sogenannte Eingliederungsverordnung, vom 25. April 1955 ergangen. Die für das Gebiet der Land- und Forstwirtschaft maßgebenden Vorschriften sind durch das BVFG erlassen worden. Für diejenigen Fälle, bei denen die Verpachtung wie im Rechtsstreite vor dem Inkrafttreten des BVFG erfolgt ist und auf Grund des § 66 der (Ersten) StDVO-SHG oder des § 6 der 2. StDVO-SHG die auf den Betrieb entfallenden Leistungen an SHA unerhoben geblieben sind, bestimmt § 53 Abs. 3 Satz 1 BVFG, daß die unerhoben gebliebenen Beträge für die Berechnung der Vermögensabgabe als entrichtet gelten. Die ab 1. April 1952 während der Dauer der Bewirtschaftung durch den Vertriebenen fällig werdenden Vierteljahrsbeträge werden nach Maßgabe des § 50 Abs. 2 BVFG erlassen (ß 53 Abs. 3 Satz 2 BVFG). Nach § 50 Abs. 2 BVFG ist ein Betrag von 0,55 v. H. des für den 21. Juni 1948 geltenden Einheitswertes (Einheitswertanteiles) des verpachteten Betriebes unter Abzug der mit dem Betriebe nach dem Stande vom 21. Juni 1948 in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten zu erlassen.

II. - Streitig ist nur, ob bei der Veranlagung des Bg. zur Vermögensabgabe der für die Anteile an der Forstgenossenschaft angesetzte Wert in den Erlaß gemäß § 53 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 50 Abs. 2 BVFG einzubeziehen ist. Der Pachtvertrag wurde während der Geltungsdauer der 1. bzw. der 2. StDVO-SHG geschlossen. Deshalb ist zur Beurteilung der Streitfrage von der Bestimmung des § 6 der 2. StDVO-SHG auszugehen. Diese Bestimmung gewährt die Vergünstigung bei der Verpachtung eines "landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betriebes im Sinne des Reichsbewertungsgesetzes". Damit ist der Steuergegenstand, auf den die Vergünstigung anzuwenden ist, eindeutig abgegrenzt, und zwar in der Weise, daß die bei der Einheitswertfeststellung vorgenommene Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes auch für die Vergünstigung maßgebend ist. Auch nach § 50 Abs. 2 BVFG ist für den Erlaß der Vermögensabgabe von dem für den 21. Juni 1948 geltenden Einheitswert des Betriebes auszugehen. Wenn die Vorinstanz unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs III 191/55 S vom 13. Januar 1956 (BStBl 1956 III S. 142, Slg. Bd. 62 S. 386) ausführt, § 50 Abs. 2 BVFG regele nur die Berechnungsmethode, nicht aber die allgemeinen Voraussetzungen für die Gewährung der Vergünstigung aus Anlaß der Verpachtung eines landwirtschaftlichen Betriebes, so ist dies zwar richtig. Der Rechtsstreit geht jedoch darum, ob die allgemeinen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Vergünstigung gegeben sind, sondern nur darum, ob für die Berechnung des Erlaßbetrages der Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes maßgebend ist, oder ob der Wert der mitverpachteten Holznutzungsrechte zusätzlich zu berücksichtigen ist. Hierzu bestimmt § 53 Abs. 3 in Verbindung mit § 50 Abs. 2 BVFG eindeutig, daß die ab 1. April 1952 während der Dauer der Bewirtschaftung des Betriebes durch den Vertriebenen fällig werdenden Vierteljahrsbeträge Vermögensabgabe in Höhe von 0,55 v. H. des für den 21. Juni 1948 geltenden Einheitswertes (Einheitswertanteiles) unter Berücksichtigung der mit dem Betriebe nach dem Stande vom 21. Juni 1948 in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten zu erlassen sind. Bei der Verpachtung von gewerblichen Betrieben ist allerdings nach § 2 Abs. 2 der 13.AbgabenDV-LA unter bestimmten Voraussetzungen für die Gewährung der Vergünstigung von dem Begriffe "gewerblicher Betrieb im Sinne des Bewertungsgesetzes" abgewichen worden. Eine entsprechende Ausweitung bei Verpachtungen auf dem Gebiete der Land- und Forstwirtschaft ist jedoch nicht erfolgt, und zwar auch nicht durch das BVFG.

Unstreitig ist, daß die beiden Anteile an der Forstgenossenschaft nicht in die wirtschaftliche Einheit des landwirtschaftlichen Betriebes einbezogen worden sind. Der Grundbesitz der Forstgenossenschaft ist durch Feststellungsbescheid zum 1. Januar 1935, der auch am 21. Juni 1948 noch maßgebend war, dieser zugerechnet worden, nicht den Anteilsberechtigten. Unabhängig davon, ob diese bewertungsmäßige Behandlung richtig war, umfaßt der zum 21. Juni 1948 maßgebende Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebes nicht die Holznutzungsrechte. Sie können deshalb auch nicht in die Vergünstigung des Erlasses von Vermögensabgabe einbezogen werden.

III. - Die Vorinstanz stützt ihre Entscheidung darauf, die Holznutzungsrechte seien tatsächlich mitverpachtet und von dem Pächter genutzt worden. Auch bestehe keine Veranlassung, von den Bescheinigungen der Siedlungsbehörde in rechtlicher Hinsicht abzuweichen; denn die Holznutzungsrechte seien so unmittelbar mit dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb verbunden, daß eine weitere Nutzung durch den Bg. selbst gar nicht in Betracht komme. Die tatsächliche Mitverpachtung der Holznutzungsrechte ist für die rechtliche Beurteilung, die nur auf Grund des bereits dargestellten Rechtes getroffen werden kann, nicht entscheidend. Ebensowenig stehen die Bescheinigungen der Siedlungsbehörde der zutreffenden rechtlichen Würdigung des Sachverhalts entgegen. Mit Recht weist der Vorsteher des Finanzamts auf die bei den Akten befindliche Niederschrift über eine Verhandlung des Finanzamts mit dem Vorsitzenden der Forstgenossenschaft hin, nach der zwar die Anteile der Genossenschaft überwiegend in den Händen von Bauern und Ackerbürgen des Dorfes seien, aber infolge von Erdübergängen auch außerhalb des Dorfes Wohnende einige Anteile besäßen. Selbst Nichtlandwirte seien nach dieser Niederschrift Inhaber einiger Anteile. Aus der Niederschrift ergibt sich weiter, daß die Nutzungen in natura und, soweit es sich um Nutzholz handelt, in Geld bezogen werden. Die Ausführungen des Finanzgerichts, der Bg. hätte für die Dauer der Verpachtung nichts mit den beiden Holzberechtigungen anfangen können, entspricht somit nicht dem Akteninhalt. Der Vorsteher des Finanzamts weist ferner zutreffend auch darauf hin, daß die Eingliederung des Flüchtlings in die Landwirtschaft nicht von der Mitverpachtung der Holznutzungsrechte abhängig war. Nach dem bei den Akten befindlichen Schreiben der Siedlungsbehörde an das Finanzamt vom 21. Juni 1956 ist weder der Abschluß des Pachtvertrages noch die Genehmigung des Vertrages von der übertragung der Nutzung der Holznutzungsrechte abhängig gemacht worden.

Da das Finanzgericht die Rechtslage verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist auch spruchreif; die Berufung war als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410616

BStBl III 1963, 52

BFHE 1963, 146

BFHE 76, 146

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