Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist ein Gewerbetreibender aus betrieblichen Gründen an einer GmbH beteiligt und sind der Betrieb des Gewerbetreibenden und der Betrieb der GmbH wirtschaftlich eng miteinander verflochten, so sind in aller Regel die Einkünfte aus der "Verpachtung" des Grundstücks, auf dem die GmbH ihren Betrieb führt, gewerbliche Einkünfte des Gewerbetreibenden.

 

Normenkette

EStG § 15 Nr. 2; AO § 215 Abs. 2

 

Tatbestand

Gesellschafter der Steuerpflichtigen (Stpfl.), einer KG, sind Ehegatten; der Ehemann ist Komplementär und die Ehefrau Kommanditistin. Die Stpfl. betreibt den Anstrich und Verkauf sowie die Zubereitung von Tierhaaren. Die Zubereitungsanstalt befindet sich auf einem betriebseigenen Grundstück der Stpfl. Die Ehegatten sind außerdem Gesellschafter einer GmbH, deren alleiniger Geschäftsführer der Ehemann ist. Diese GmbH betreibt den Handel mit Tierfellen und Häuten. Zwischen der steuerpflichtigen KG und der GmbH besteht seit dem Jahre 1959 ein vom Finanzamt (FA) bisher anerkanntes Organverhältnis mit Gewinnabführungsvereinbarung. Die GmbH-Anteile sind zum 31. Dezember 1960 in die Bilanz der Stpfl. aufgenommen worden.

Der Ehemann hat zwei ihm gehörende Grundstücke mit Bürogebäude, Geschäftsräumen und Lagerräumen an die GmbH verpachtet, die diese Grundstücke betrieblich nutzt. Die Nettopachteinnahmen wies der Ehemann für 1960 als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus.

Das FA rechnete die Grundstücke zum notwendigen Betriebsvermögen der steuerpflichtigen KG und sah demgemäß die Pachteinnahmen als gewerbliche Einkünfte an, die in die einheitliche Gewinnfeststellung 1960 einzubeziehen und dem Ehemann zuzurechnen seien.

Der Einspruch und die Berufung blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hielt die Grundsätze der Entscheidung des BFH I 221/59 S vom 2. August 1960 (BFH 71, 425, BStBl III 1960, 408) für anwendbar, nach der bei einer GmbH & Co. KG das Geschäftsführergehalt des Gesellschafters, soweit der Gesellschafter für die GmbH tätig werde, zu dessen Einkünften aus Gewerbebetrieb gehöre. Das müsse entsprechend gelten, wenn der Gesellschafter einer Personengesellschaft der GmbH für ihren Betrieb Wirtschaftsgüter zur Verfügung stelle und dafür eine Vergütung erhalte; denn der Betrieb der Personengesellschaft sei zugleich sein Betrieb. Nach diesen Grundsätzen, die sich aus der Auslegung des § 15 Ziff. 2 EStG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG ergäben, seien die streitigen Pachteinnahmen bei der steuerpflichtigen KG Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die bei der einheitlichen Gewinnfeststellung der Stpfl. zu erfassen seien (§ 215 Abs. 2 AO). Die GmbH sei auf Grund des Organverhältnisses und des Gewinnabführungsvertrags in das Unternehmen der Stpfl. eingegliedert. Sie entfalte, da sie ihre Tätigkeit im Sinne des Gewerbesteuerrechts nicht selbständig ausübe, keine eigene gewerbliche Tätigkeit, sondern werde ausschließlich im Rahmen des Unternehmens der Stpfl. tätig; sie gelte als deren Betriebsstätte (§ 2 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GewStG). Ihre Tätigkeit im Dienst der Stpfl. sei einkommensteuerrechtlich ein unselbständiger Teil der einheitlichen gewerblichen Betätigung der Stpfl. und ihres Gesellschafters. Bei dieser Beurteilung werde die Rechtsform der GmbH nicht unzulässig übergangen. Die Beurteilung beruhe vielmehr darauf, daß die GmbH infolge der organschaftlichen Verbundenheit mit der Stpfl. für die Einkommensteuer des Komplementärs und die Gewerbesteuer der KG außer Betracht bleibe.

Mit der Revision rügt die Stpfl. unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts, insbesondere des § 15 Ziff. 2 EStG. Das FG, so macht sie geltend, überspitze die wirtschaftliche Betrachtungsweise, indem es die eigene Rechtspersönlichkeit der GmbH außer Betracht lasse und allein die organschaftliche Verbundenheit von GmbH und KG als Brücke für die Einheitstheorie verwende. Die Tatsache, daß die Pachtzahlungen Betriebsausgaben der GmbH seien und daß die einzige Verbindung zum Organträger die spätere Abführung des verbleibenden Gewinns sei, lasse das FG zu Unrecht außer Betracht.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision kann keinen Erfolg haben. Es kann dahingestellt bleiben, ob zwischen einer Personengesellschaft und einer Kapitalgesellschaft überhaupt ein Organverhältnis mit Ergebnisausschluß mit Wirkung für die Einkommen- und Körperschaftsteuer vereinbart und infolgedessen der von der Kapitalgesellschaft erwirtschaftete Gewinn unmittelbar bei der Personengesellschaft erfaßt werden kann. Zu der Grundsatzentscheidung des I. Senats des BFH I 280/63 vom 17. November 1966 (BFH 87, 253, BStBl III 1967, 118), in der für Fälle dieser Art die Möglichkeit eines Organverhältnisses mit Ergebnisausschluß verneint worden ist, braucht der Senat hier nicht Stellung zu nehmen. Denn im Ergebnis ist dem FG zuzustimmen, gleichviel wie man sich zu der erwähnten Zweifelsfrage stellt.

Der Senat hält es nämlich für entscheidend, daß die Betriebe der KG und der GmbH einander ergänzen und daß bei beiden Unternehmen dieselben Gesellschafter beteiligt sind. Die Gesellschafter einer Personengesellschaft (Mitunternehmer) sind einkommensteuerrechtlich selbst Gewerbetreibende (§ 15 Ziff. 2 EStG). Die enge Verbundenheit beider Betriebe kommt vor allem auch dadurch zum Ausdruck, daß die Stpfl. und das FA bisher übereinstimmend ein "Organschaftsverhältnis" angenommen haben. Wenn dieses Organschaftsverhältnis auch nicht zu den erstrebten einkommen- und körperschaftsteuerlichen Folgen führen sollte, für die es gedacht war, so kommt darin doch die enge wirtschaftliche und personale Verflechtung beider Unternehmen zum Ausdruck. Wie sich auch aus der Aufnahme der GmbH-Anteile in das Betriebsvermögen der Stpfl. ergibt, betrachten die Gesellschafter der Stpfl. selbst ihre Beteiligung an der GmbH als einen Teil ihrer Betätigung und ihres Risikos in der KG.

Wie der Senat in dem Urteil VI 169/65 vom 24. Februar 1967 (BFH 88, 319, BStBl III 1967, 387) entschieden hat, kann eine gewerbliche Tätigkeit darin liegen, daß der Gesellschafter seiner Kapitalgesellschaft ein Grundstück, das für den Betrieb der Kapitalgesellschaft eine notwendige Grundlage bildet, "verpachtet". Die "Verpachtung" muß aber als Teil der gewerblichen Betätigung des Gesellschafters besonders dann gelten, wenn der Gesellschafter zugleich und vor allem Gesellschafter einer Personengesellschaft ist, die sich der Kapitalgesellschaft für die Zwecke ihres eigenen Betriebs bedient. Zwar kann ein Steuerpflichtiger, der an einer Kapitalgesellschaft "privat" beteiligt ist, der Kapitalgesellschaft ein Darlehen geben oder ein Grundstück vermieten mit der Folge, daß die Darlehnszinsen für ihn Einkünfte aus Kapitalvermögen und die Mieteinkünfte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind. Die Rechtsgrundlage ist aber anders, wenn - wie im Streitfall - die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft zum Betriebsvermögen einer Personengesellschaft gehört und der Betrieb der GmbH mit dem Betrieb der Personengesellschaft so eng verbunden ist, daß man von einem wirtschaftlich einheitlichen Betrieb sprechen muß. Ob der Gewerbetreibende in solchen Fällen Einzelunternehmer oder Gesellschafter einer Personengesellschaft ist, spielt dann keine Rolle; denn nach § 15 Ziff. 2 EStG steht der Mitunternehmer einer Personengesellschaft dem Einzelunternehmer gleich.

Die Gründe, aus denen das FG hier einen wirtschaftlich einheitlichen Betrieb zwischen der Stpfl. und der GmbH bejaht hat, sind rechtlich einwandfrei. Sie rechtfertigen den Schluß, daß die Vermietung der Grundstücke an die GmbH ein Teil der gewerblichen Gesamtbetätigung des Ehemann-Gesellschafters als Mitunternehmer der Stpfl. ist. Unter diesen Umständen müssen folgerichtig die Pachteinnahmen in die einheitlich festzustellenden Einkünfte der Stpfl. aus Gewerbebetrieb einbezogen werden. Zu diesem Ergebnis ist das FG, wenn auch zum Teil mit anderer Begründung, ebenfalls gekommen, so daß die Revision der Stpfl. unbegründet ist.

 

Fundstellen

BStBl III 1967, 461

BFHE 1967, 455

BFHE 88, 455

StRK, EStG:15/2 R 12

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