Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

übernimmt ein Mieter entsprechend dem Einheitsmietvertrage der Bauindustrie die Kosten der Unterhaltung gemieteter Baugeräte, so bewirkt er damit keine Gegenleistung gegenüber dem Vermieter für die Vermietung der Mietsache.

 

Normenkette

UStG § 1 Ziff. 1, § 5/1/1; UStDB §§ 7, 10; UStG § 1/1/1, § 10/1, § 3/8

 

Tatbestand

In der Rb. ist nur noch die umsatzsteuerliche Behandlung der Instandhaltung und überholung von Baugeräten streitig, die der Bg. in den Jahren 1950 bis 1954 an die X.-GmbH, in den Jahren 1953 und 1954 auch an Arbeitsgemeinschaften vermietet hat, an denen diese GmbH beteiligt war. Das Finanzamt hat den unbestrittenen, vom Bg. vereinnahmten Mietentgelten zusätzliche Gegenleistungen der Mieter hinzugerechnet, die diese zur Instandhaltung, Instandsetzung und Beschaffung der Baugeräte aufgewendet haben. Das Finanzamt schätzte die Beträge entsprechend den Erklärungen zu der vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie herausgegebenen Baugeräteliste (WiBau-Liste) bis 1951 auf 60 v. H., ab 1952 auf 66 v. H. der tatsächlich in Rechnung gestellten Mieten.

Die Berufung des Steuerpflichtigen hatte in diesem Punkte Erfolg. Das Finanzgericht verneinte die Umsatzsteuerpflicht der bezeichneten Mieterleistungen. Die mietweise überlassung eines Gegenstandes durch den Vermieter und seine Instandhaltung durch den Mieter stünden nicht im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zueinander. Die vom Mieter übernommene Instandhaltung der Mietsache sei Bestandteil seiner Verpflichtung, die Sache bei Beendigung der Miete in dem Zustande zurückzugeben, in dem er sie erhalten habe (§ 556 Abs. 1 BGB). Die Instandhaltung der Mietsache sei daher ein unselbständiger Bestandteil der Rückgabepflicht und ebensowenig wie die Rückgabe selbst eine Gegenleistung für die Vermietung der Mietsache.

Der Vorsteher des Finanzamts begründet die gegen das Urteil des Finanzgerichts erhobene Rb. wie folgt: Die Umsatzsteuer belaste ausschließlich die ausgetauschten Leistungen, wobei allein entscheidend sei, ob zwischen den gegenseitigen Leistungen eine "innere Verknüpfung" bestehe. Für den vorliegenden Fall unterscheide die Rechtsprechung zwischen Vermietung und Verpachtung. Im Gegensatz zur Verpachtung, bei der dem Pächter die Unterhaltung des gepachteten Gegenstandes obliege, sei bei der Miete der Vermieter zum Unterhalt der Mietsache verpflichtet. übernehme der Mieter in Abweichung von der gesetzlichen Regelvorschrift vertraglich die Unterhaltspflicht, so erbringe er damit neben dem Mietzins eine besondere Gegenleistung. Ob der Vermieter oder der Mieter den Mietgegenstand zu unterhalten habe, bleibe vom Standpunkt der Aufwendungen des Mieters aus gesehen gleich. Wenn den Vermieter die Unterhaltspflicht treffe, werde er einen höheren Mietzins verlangen. übernehme, wie im vorliegenden Falle, der Mieter die entsprechenden Aufwendungen, so komme diese "Sachleistung der Instandhaltung" zu dem "Barzins" für die Vermietung hinzu.

Der Bg. begründet seinen abweichenden Standpunkt unter Bezugnahme auf ein beigefügtes Gutachten des Bundesverbandes der Baumaterial-, Baumaschinen- und Baugeräte-Firmen e. V. in Bonn wie folgt: Die Vermietung von Baugeräten erfolge in der Bauindustrie abweichend von den Vorschriften des BGB über die Miete. Es sei branchenüblich, daß der Vermieter in die Miete Kapitalverzinsung, Kosten der Abschreibung, sonstige Betriebskosten, Unternehmerrisiko und Unternehmergewinn einkalkuliere. Das hierfür gezahlte Entgelt stelle die Gegenleistung des Mieters dar. Wenn der Mieter infolge des harten Baustellenbetriebes im Tiefbau die unvermeidlichen Schäden an den Geräten zur schnellen und ständigen Einsatzbereitschaft selbst beseitige, so sei darin keine Gegenleistung an den Vermieter zu erblicken. Nur bei kurzfristiger Vermietung, die im Streitfalle nicht vorliege, würden die Kosten der Grundüberholung einkalkuliert. Es sei auch aus praktischen Gründen für den Vermieter unmöglich, die beim Mieter angefallenen Reparaturkosten zu ermitteln, um sie der Umsatzbesteuerung zuzuführen. Kein Mieter werde in der Lage oder auch bereit sein, dem Vermieter laufend Auskunft über die aufgewendeten Beträge zu geben.

Der vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie empfohlene Einheitsmietvertrag stelle für die Beteiligten eine Norm auf freiwilliger Grundlage dar, deren verbindliche Kraft den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, zum Beispiel des Versicherungs-, Bank- und Speditionsgewerbes, gleichzusetzen sei (vgl. Enneccerus- Nipperdey, BGB, Allgemeiner Teil, 1960 S. 1005/7). Wolle man aber in dem Einheitsmietvertrage keine Norm im Sinne objektiver Rechtsetzung sehen, so drücke er zum mindesten eine unter allen Beteiligten anerkannte Verkehrsauffassung aus, die besonders im Umsatzsteuerrecht berücksichtigt werden müsse. Durch die im Baugewerbe üblichen Mietverträge werde auf Grund freier Vereinbarung der Rechtszustand herbeigeführt, wie er gemäß § 582 BGB bei der Pacht besteht.

Gegenüber dem Verlangen des Finanzamts, in Anlehnung an die vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie herausgegebene WiBau-Liste den Wert der Geräteunterhaltung durch den Mieter bis 1951 mit 60 v. H., ab 1952 mit 66 v. H. der Barmiete zu bemessen, macht der Bg. folgendes geltend: Diese Sätze seien Höchstbeträge für öffentliche Aufträge im Rahmen der früheren Vorschriften des Reichspreiskommissars gewesen. Den Sätzen lägen inzwischen überholte, rein preisrechtliche Erwägungen zugrunde, die als Besteuerungsgrundlage unbrauchbar seien. Die Annahme, "wenn der Vermieter die Reparaturen trüge, würde die Miete 60 % höher sein", stelle reine Theorie dar. Der Bg. bestreitet, daß er der von ihm beherrschten GmbH, die bis 1952 die größte und ab 1953 die alleinige Mieterin der Baugeräte war, niedrigere Mieten eingeräumt habe, als sie von fremden Dritten hätten bezahlt werden müssen. Auf die Mietbemessung wegen übernahme der Reparaturen durch den Mieter könne es hier überhaupt nicht ankommen, da bei der Vermietung von Baugeräten der Mieter stets die Reparaturen trage.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

über die Frage, wie bei der Vermietung und Verpachtung die übernahme von Instandhaltungskosten durch den Benutzer umsatzsteuerrechtlich zu behandeln ist, besteht keine einheitliche Auffassung. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat bisher in Anknüpfung an die Regelung im bürgerlichen Recht eine Mittelstellung eingenommen. Reichsfinanzhof und Bundesfinanzhof halten die übernahme der Instandhaltungskosten durch den Pächter für nicht umsatzsteuerpflichtig, da er nach §§ 582, 586 Abs. 1 BGB zur Vornahme der gewöhnlichen Ausbesserungen verpflichtet sei. Dagegen unterliege die übernahme der Kosten durch den Mieter der Umsatzsteuer, da grundsätzlich der Vermieter gemäß § 536 BGB zur Instandhaltung der Mietsache verpflichtet sei. So für Verpachtung: Urteil des Reichsfinanzhofs V A 47/29 vom 5. Oktober 1929 (RStBl 1930 S. 120) bezüglich der Verpachtung eines Fabrikbetriebes; Urteil des Bundesfinanzhofs V 33/55 U vom 26. Juli 1955 (BStBl 1955 III S. 258, Slg. Bd. 61 S. 155) bezüglich der Verpachtung eines Unternehmens; ebenso das amtlich nicht veröffentlichte Urteil des Bundesfinanzhofs V 17/59 vom 18. Mai 1961 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1962 Nr. 64 S. 65) bezüglich der Verpachtung einer Druckerei. Für Vermietung: Urteil des Reichsfinanzhofs V A 680/32 vom 28. Juli 1933 (RStBl 1933 S. 1357, Slg. Bd. 34 S. 50) bezüglich der Vermietung eines Lichtspieltheaters.

Im Schrifttum stehen sich Ansichten gegenüber, die für volle Umsatzsteuerpflicht der Instandsetzungsaufwendungen ohne Unterscheidung zwischen Pacht und Miete eintreten (so Schettler, Umsatzsteuer-Rundschau 1955 S. 173, und Schmid, Steuer und Wirtschaft 1955 Sp. 809) oder die Steuerpflicht in beiden Fällen verneinen (so Caumanns, Umsatzsteuer-Rundschau 1955 S. 144, und Hirschmann, Umsatzsteuer-Rundschau 1960 S. 65). Plückebaum- Malitzky, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 8. Aufl. 1958 Tz. 2836, begründen die unterschiedliche Behandlung von Vermieter und Verpächter wirtschaftlich damit, daß durch das Fruchtziehungsrecht des Pächters Wertveränderungen einträten, die seinen Gewinn beeinflußten. Die Schadensbeseitigung sei eine innerbetriebliche Leistung des Pächters, die er in seinem eigenen Interesse im engen Zusammenhang mit seiner Nutzung erbringe. Nach Wauer, Steuer und Wirtschaft 1955 Sp. 812, ist das Miet- und Pachtrecht des bürgerlichen Rechts zwar dispositiv, es bildet aber in jedem Falle "den Ausgangspunkt für das, was von den Beteiligten als Leistung und Gegenleistung angesehen werde". Werde von der gesetzlichen Regelung abgewichen, so müsse man sich die Frage vorlegen, was der Vermieter mehr an Zins verlangt hätte, wenn der Mieter die im Vertrag enthaltenen Verpflichtungen nicht übernommen hätte.

Grundsätzlich läßt sich nicht einheitlich über die Umsatzsteuerpflicht von Instandhaltungsaufwendungen des Mieters und des Pächters entscheiden. (Für Verneinung der Steuerpflicht Hertz in Steuer und Wirtschaft 1933 Sp. 1203 bei Besprechung des Urteils des Reichsfinanzhofs V A 680/32.) Allerdings stellte nach dem Willen der Urheber des BGB der Gesetzgeber nicht auf das förmliche Vorliegen eines Miet- oder Pachtvertrages ab, um dementsprechen die Unterhaltspflicht zu verteilen. Er wollte vielmehr wirtschaftlichen überlegungen der Beteiligten Raum geben. Vgl. hierzu im einzelnen Barth "Die übernahme von Instandhaltungskosten als umsatzsteuerlicher Tatbestand" in Steuer und Wirtschaft 1961 Sp. 503, der auch mit Recht darauf hinweist, daß in dem bisher einzigen höchstrichterlich entschiedenen Falle zur Unterhaltsverpflichtung des Mieters eines eingerichteten Kinos - in dem erwähnten Urteil des Reichsfinanzhofs V A 680/32 - bürgerlich-rechtlich ein Pachtvertrag nähergelegen hätte als ein Mietvertrag.

Es kommt entscheidend darauf an, ob und in welchem Ausmaß das Mietrecht, von dem die Vertragsparteien hier über den bürgerlich- rechtlich verbindlichen Einheitsmietvertrag Gebrauch gemacht haben, die Umsatzsteuerpflicht des Vermieters beeinflußt. Wenn die Parteien ihre vertraglichen Leistungen abweichend von der gesetzlichen Regel abgrenzen können, so muß sich die umsatzsteuerliche Beurteilung mit dieser Gestaltung auseinandersetzen, wenn sie den wirtschaftlichen Gegebenheiten entspricht. Vom Standpunkt des Mietrechts läßt sich der Auffassung des Vorstehers des Finanzamts, für die Umsatzsteuerpflicht der Unterhaltsleistung des Mieters spreche die einfache überlegung, daß sich dadurch der an den Vermieter zu zahlende bare Mietzins verringere, die ebenso einleuchtende Begründung im Urteil des Finanzgerichts entgegenhalten, daß sich die Leistung des Vermieters entsprechend mindert, wenn er von der ihm nach § 536 BGB obliegenden Verpflichtung, die Mietsache instand zu halten, vertraglich befreit wird. Der vorliegende Streitfall ist ein durch den Einheitsmietvertrag der Bauindustrie geregelter Sonderfall, bei dem der Leistungsaustausch von vornherein in einer bestimmten Weise verbindlich abgegrenzt worden ist. Die Pflicht, für die laufende Instandhaltung der Baumaschinen aufzukommen, ist sowohl auf der Seite des Vermieters als auch auf der Seite des Mieters von vornherein aus dem Leistungsaustausch ausgeschlossen worden. Dieser beschränkt sich hier auf die überlassung der Baumaschinen zum Gebrauch gegen ein Entgelt. Unter dem Gesichtspunkt des Leistungsentgelts betrachtet, fließt dem Vermieter weder während des Mietvertrages noch nach dessen Beendigung etwas durch die Instandhaltung der Baumaschinen zu. Auf die Schwierigkeiten der Konkretisierung der Unterhaltskosten, deren Umfang weitgehend vom Einsatz der Baugeräte und ihrer Pflege abhängig ist, braucht nicht eingegangen zu werden, da es sich insoweit nicht um einen rechtlichen Gesichtspunkt handelt.

 

Fundstellen

BStBl III 1963, 77

BFHE 1963, 217

BFHE 76, 217

StRK, UStG:1/1 R 243

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