Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Bundesfinanzhof hält an der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs fest, daß bei Verpachtung eines Unternehmens aus dem umsatzsteuerbaren Entgelt der Teil als umsatzsteuerfrei auszuscheiden ist, der auf Grundstücke entfällt, es sei denn, daß der hierauf entfallende Entgeltsanteil im Verhältnis zum ganzen Entgelt als geringwertig erscheint.

 

Normenkette

UStG § 4 Ziff. 10, § 4/12/a

 

Tatbestand

Die steuerpflichtige KG, die bis November 1948 eine Armaturenfabrik und Metallgießerei betrieben hatte, verpachtete im November 1948 ihr gesamtes Anlagevermögen, bestehend aus Grundstücken und Gebäuden, Maschinen, Motoren, Werkzeugen, Einrichtungsgegenständen und Fahrzeugen, an eine neu gegründete GmbH. Der Pachtvertrag sieht in § 4 vor, daß die Pächterin verpflichtet ist, die ihr pachtweise überlassenen Gegenstände ordnungsmäßig zu verwalten, für laufenden Ersatz verbrauchter Werkzeuge und Einrichtungsgegenstände auf ihre Kosten zu sorgen und die Gebäude auf ihre Rechnung in Stand zu halten. Nach § 5 des Vertrages übernimmt die Pächterin die gesamten auf den verpachteten Gegenständen, insbesondere auf den Grundstücken und Gebäuden lastenden Steuern und Abgaben. Sie ist ferner verpflichtet, alle gepachteten Gegenstände ordnungsmäßig und in ausreichender Höhe zu versichern und an die Verpächterin die jährlichen steuerlichen Abschreibungen auf das gesamte Anlagevermögen, insbesondere auf die Gebäude, Maschinen und Einrichtungsgegenstände, mindestens aber 48.000 DM sowie eine Verzinsung von 6 v. H. des Wertes der verpachteten Gegenstände, der nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten festzustellen ist, zu zahlen.

Das Finanzamt hat das Verhältnis zwischen der KG und der GmbH als ein Pachtverhältnis angesehen und als Pachtentgelt die Verzinsung des Wertes der verpachteten Gegenstände, die von der Pächterin gezahlten jährlichen Abschreibungen auf das Anlagevermögen sowie die übernommenen Steuern und Abgaben und die Versicherungsbeträge und ferner die von der Pächterin gemachten Aufwendungen für Instandhaltungen erachtet. Bestimmte Beträge ließ das Finanzamt als Grundstückspacht steuerfrei (§ 4 Ziff. 10 des Umsatzsteuergesetzes - UStG -), im übrigen aber zog es die von ihm als Pachtentgelt angesehenen Beträge zur Umsatzsteuer heran.

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) bestritt die Steuerpflicht der übernommenen Steuern und Abgaben und der Versicherungsbeträge sowie der Aufwendungen für Instandhaltung und machte geltend, daß für den Fall der Bejahung der Steuerpflicht auch von diesen Beträgen ein Anteil auf die Grundstückspacht ausgeschieden werden müßte. Der Einspruch blieb erfolglos. In der Berufungsinstanz machte das Finanzamt im Gegensatz zu seiner bisherigen Auffassung geltend, daß zwischen der Bfin. und der GmbH ein Pachtverhältnis nicht vorliege. Es handele sich vielmehr um ein Vertragsverhältnis besonderer Art. Deshalb müßte die gesamte Pacht, also auch die bisher nach § 4 Ziff. 10 UStG steuerfrei belassenen Beträge, versteuert werden. Das Finanzgericht schloß sich dieser Auffassung an und zog alle Beträge, die das Finanzamt als Pachtentgelt angesehen hatte, einschließlich der bisher nach § 4 Ziff. 10 UStG freigebliebenen Beträge zur Umsatzsteuer heran. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.).

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Der Auffassung der Vorinstanz, daß es sich bei dem zwischen der Bfin. und der GmbH abgeschlossenen Vertrag um einen Vertrag besonderer Art handele mit der Wirkung, daß § 4 Ziff. 10 UStG nicht angewandt werden könne, vermag der Senat nicht beizutreten. Richtig ist, daß der Inhalt des Vertrages in der überlassung der von der KG bisher betriebenen Armaturenfabrik und Gießerei, also eines ganzen Unternehmens, einer wirtschaftlichen Einheit, besteht. Es ist jedoch rechtsirrig, diese überlassung als einen Vertrag besonderer Art zu beurteilen. Bei der Verpachtung eines ganzen Unternehmens handelt es sich ebenso wie bei der Veräußerung eines Geschäfts um das Recht auf Fortführung des Betriebes nur mit der Einschränkung, daß nicht das Eigentum, sondern das Gebrauchsrecht am ganzen bestehenden Geschäft überlassen wird. Gerade die Umstände wie überlassung der Betriebserfahrung, der Organisation, des ganzen lebenden Betriebes, des Firmennamens, die die Vorinstanz als Anzeichen dafür anführt, daß es sich bei dem Verhältnis zwischen der Bfin. und der GmbH um einen Vertrag besonderer Art handele, sind Merkmale der Verpachtung eines ganzen Unternehmens und nicht Merkmale verschiedener Vertragsarten oder einer besonderen Vertragsart. Derartige Verpachtungen ganzer Unternehmungen sind Verpachtungen im bürgerlich-rechtlichen Sinne, die den für Verpachtungen maßgebenden bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen unterliegen (§ 581 ff. BGB, § 22 HGB). Wenn das Finanzgericht auf die Urteile des Bundesfinanzhofs V 4/51 U vom 19. Dezember 1952 (Slg. Bd. 57 S. 249, Bundessteuerblatt - BStBl. - 1953 III S. 98) und V 177/52 U vom 25. September 1953 (Slg. Bd. 58 S. 116, BStBl. 1953 III S. 335) hinweist, so übersieht es, daß dort die Merkmale gerade die Annahme der Verpachtung oder Vermietung im bürgerlich-rechtlichen Sinne nicht zuließen, sondern zur Annahme gemischter Verträge oder von Verträgen besonderer Art nötigten. Liegt aber eine Verpachtung im bürgerlich-rechtlichen Sinne vor, so muß auch § 4 Ziff. 10 UStG anwendbar sein; denn nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs ist der Begriff der Verpachtung im Sinne des § 4 Ziff. 10 UStG nach bürgerlichem Recht zu beurteilen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V A 389/36 vom 4. Juni 1937, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1937 S. 999, und das oben erwähnte Urteil des Bundesfinanzhofs V 4/51 U vom 19. Dezember 1952). Deshalb ist auch bei Verpachtung eines Unternehmens als einer wirtschaftlichen Einheit die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ständig davon ausgegangen, daß aus dem Pachtzins derjenige Teil als steuerfrei auszuscheiden ist, der anteilsmäßig auf die Grundstücke entfällt (vgl. das eben erwähnte Urteil des Reichsfinanzhofs V A 389/36 vom 4. Juni 1937). Der erkennende Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs abzuweichen und schließt sich ihr aus den dort angeführten Gründen ausdrücklich an. § 4 Ziff. 10 UStG käme in diesen Fällen nur dann nicht zum Zuge, wenn es sich bei dem Anteil der Grundstückspacht um geringwertige Beträge handelte. Im Streitfalle trifft diese Ausnahme offensichtlich nicht zu, wie sich aus den Bilanzansätzen für Grundstücke und Gebäude ergibt. Die Vorinstanz hat sonach insoweit die Rechtslage verkannt. Die Vorentscheidung war deshalb schon aus diesem Grunde aufzuheben.

Streitig ist aber ferner noch, welche Beträge als Pachtentgelt anzusprechen und welche hiervon unter Beachtung des § 4 Ziff. 10 UStG steuerpflichtig sind. Unbestritten ist die vorgesehene Verzinsung des Wertes des Anlagevermögens ein Teil des Pachtentgelts. Aber auch die von der Pächterin übernommenen Steuern und Abgaben sowie Versicherungsbeträge müssen zum Pachtentgelt gerechnet werden. Diese Beträge gehören zu den Lasten, die der Verpächter zu tragen hat. Die übernahme dieser Lasten durch den Pächter kann deshalb nur als weitere Gegenleistung für die überlassung des Unternehmens gewertet werden. Wären sie von der Pächterin nicht übernommen worden, hätte das bar zu leistende Pachtentgelt entsprechend höher bewertet werden müssen. Aus dem gleichen Grunde sind auch die Zahlungen der jährlichen steuerlichen Abschreibungen, zu denen sich die Pächterin vertraglich verpflichtet hat, Gegenleistungen der Pächterin für die überlassung des Unternehmens. Die Bfin. kann sich nicht darauf berufen, daß ihr bereits nach § 586 BGB die Erhaltung der Inventarstücke obliegt. Bei dieser Bestimmung handelt es sich nach der allgemeinen Rechtsauffassung nur um die laufenden Instandhaltungen, um Erneuerung von Gegenständen nur in Fällen, in denen infolge eines vom Pächter zu vertretenden Umstandes eine Ergänzung in Frage kommt. Die steuerlichen Abschreibungen aber sind der Ersatz für den trotz Erhaltungsaufwandes stets eintretenden Verschleiß der Gegenstände, der das Vermögen des Verpächters trifft. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hat deshalb auch ständig bei Verpachtungen von Unternehmungen die Beträge für Abschreibungen, wenn sie der Pächter übernommen hat, zum Pachtentgelt gerechnet (vgl. hierzu Urteile des Reichsfinanzhofs V A 47/29 vom 5. Oktober 1929, RStBl. 1930 S. 120; V 39/42 vom 16. April 1943, RStBl. 1943 S. 436). Der Senat kann keine Gründe erkennen, die ein Abweichen von dieser Rechtsprechung rechtfertigen könnten. Auch aus dem vorliegenden Pachtvertrag, insbesondere aus § 4 ergeben sich keine Umstände, die eine andere Beurteilung zulassen. Dagegen kann der Vorinstanz hinsichtlich der Zurechnung der Beträge zum Pachtentgelt, die die Pächterin für die ordnungsmäßige Verwaltung der gepachteten Gegenstände und für die Instandhaltung der Gebäude aufgewendet hat, nicht beigetreten werden. Auch zu dieser Frage hat der Reichsfinanzhof schon in dem oben erwähnten Urteil V A 47/29 grundsätzlich Stellung genommen und die Verpflichtung des Pächters zur Vornahme der gewöhnlichen Ausbesserungen, auch wenn sie - wie hier - als Instandhaltung der Betriebseinrichtungen zu deren Erhaltung übernommen worden ist, nicht als Teil des steuerpflichtigen Entgelts angesehen, weil als Gegenleistung für die Verpachtung der vereinbarte Pachtzins in Frage kommt, dieser aber die gesetzlichen Verpflichtungen des Pächters stets unberücksichtigt läßt. Der erkennende Senat kann die vom Finanzamt vorgebrachten Gründe gegen diese wirtschaftlich gerechtfertigte Beurteilung der übernommenen Instandhaltungskosten nicht als stichhaltig anerkennen, insbesondere vermag § 10 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) die Auffassung des Finanzamts nicht zu stützen. Da die gesetzlich bestehenden Verpflichtungen des Pächters keine Gegenleistungen darstellen, kann § 10 UStDB nicht wirksam werden. Auch auf das Urteil des Reichsfinanzhofs V A 680/32 vom 28. Juli 1933 (RStBl.) 1933 S. 1357) kann sich das Finanzamt bei seiner Beurteilung nicht berufen. Der dort entschiedene Fall betraf ein Vertragsverhältnis, bei dem nach den näheren Umständen in der übernommenen Erhaltungspflicht ein den Mietzins um den Wert dieser Gegenleistung erhöhendes umsatzsteuerpflichtiges Entgelt zu erblicken war. Ein Widerspruch zu der im Urteil V A 47/29 vom 5. Oktober 1929 vertretenen Auffassung kann wegen der bei dem anderen Falle vorliegenden Umstände nicht anerkannt werden.

Somit kommen als Pachtentgelte die Verzinsung, die übernommenen Steuern, Abgaben und Versicherungsbeträge sowie die gezahlten steuerlichen Abschreibungen in Betracht. Es bleibt nur noch festzustellen, welche Beträge in den streitigen Jahren auf die einzelnen Entgeltsarten treffen; ferner ist noch zu prüfen, welcher Anteil von der Summe aller dieser Beträge auf die Grundstückspacht (§ 4 Ziff. 10 UStG) entfällt. Der Senat ist nicht in der Lage, diese Feststellungen zu treffen, da die Akten weder Aufschluß darüber geben, welche Beträge auf die übernommenen Steuern usw. entfallen, noch welcher Betrag von der Gesamtpacht auf die Grundstückspacht entfällt. Die Sache war deshalb an die Vorinstanz zurückzuverweisen, damit diese die erforderlichen Ermittlungen, nötigenfalls unter Zuhilfenahme von Sachverständigen hinsichtlich der Grundstückspacht, treffe und sodann erneut entscheide.

 

Fundstellen

BStBl III 1955, 258

BFHE 1956, 155

BFHE 61, 155

StRK, UStG:4/1 R 7

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