Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschäftsführerhaftung - keine Entlastung durch interne Geschäftsverteilung

 

Leitsatz (NV)

1. Soweit intern für den steuerlichen Bereich einer GmbH bestimmte Mitarbeiter zuständig sind, ist der Geschäftsführer verpflichtet, diese zu überwachen und namentlich für die pünktliche Erledigung der Steuerangelegenheiten zu sorgen. Das gilt auch, wenn eine Gesellschafterin der GmbH für die steuerlichen Angelegenheiten zuständig ist.

2. Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 26. April 1984 V R 128/79, BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776 (Haftungsbegrenzung bei Geschäftsverteilung unter mehreren Geschäftsführern) sind auf Nichtgeschäftsführer, mögen sie auch sonst leitende Funktionen in der GmbH wahrnehmen oder gar Gesellschafter sein, nicht übertragbar.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 69, 34

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war vom 16. Oktober 1979 bis 11. September 1980 alleiniger Geschäftsführer der GmbH. Die GmbH reichte durch ihre Gesellschafterin S Lohnsteueranmeldungen für die Monate November 1979 bis August 1980 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) ein. Die angemeldeten Beträge wurden jedoch nicht entrichtet.

Nach erfolglosen Vollstreckungsersuchen bei der GmbH nahm das FA den Kläger für Steuerabzugsbeträge, für Säumniszuschläge und Verspätungszuschläge als Haftungsschuldner in Anspruch. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit folgender Begründung ab:

Die Voraussetzungen für die Haftung des Klägers nach §§ 69, 34 der Abgabenordnung (AO 1977) seien erfüllt, weil er seine Verpflichtung als gesetzlicher Vertreter der GmbH zur Abführung der einbehaltenen Lohnsteuer aus §§ 38 Abs. 3, 41 a Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) grob fahrlässig verletzt und dadurch bewirkt habe, daß Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO 1977) nicht erfüllt worden seien. Der Kläger sei als Geschäftsführer der GmbH gemäß § 34 AO 1977 i. V. m. § 35 des Gesetzes betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) dafür verantwortlich gewesen, daß die steuerlichen Pflichten der GmbH erfüllt und insbesondere die Steuern aus Mitteln der GmbH entrichtet wurden. Soweit die vorhandenen Geldmittel zur Auszahlung der Nettolöhne und zur Abführung der Lohnsteuer nicht ausgereicht hätten, hätte der Kläger einen Teil der Nettolöhne für die steuerlichen Abgaben zurückbehalten und entsprechend niedrigere Barauszahlungen vornehmen müssen.

Der Kläger könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß nicht er, sondern die Gesellschafterin S die Lohnsteueranmeldungen unterschrieben habe, denn dies sei mit seinem - des Klägers - Wissen und Wollen geschehen. Auch komme es auf wirksame Lohnsteueranmeldungen nicht an, weil für die Haftung nur das Entstehen der Steuerschuld - hier nach § 38 Abs. 2 EStG im Zeitpunkt des Lohnzuflusses - von Bedeutung sei.

Die Inanspruchnahme des Klägers lasse auch keinen Ermessensfehler des FA erkennen. Bei mehreren Arbeitnehmern sei es ermessensgerecht, den Arbeitgeber zur Lohnsteuerhaftung heranzuziehen. Aufgrund seiner Unterschriftsbefugnis habe der Kläger gewußt oder wissen müssen, daß die Lohnsteuerbeträge nicht abgeführt worden seien. Den Kläger treffe daher an der Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten dasselbe Verschulden wie die ebenfalls in Anspruch genommene Gesellschafterin S.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Das FG habe keine Feststellungen über die gezahlten Löhne und die sich daraus ergebende Lohnsteuerschuld getroffen. Nur diese und nicht die Lohnsteueranmeldungen könnten jedoch Grundlage eines Haftungsbescheids sein. Die Richtigkeit der von der Gesellschafterin S gefertigten Lohnsteueranmeldungen sei sowohl im Verwaltungs- als auch im Klageverfahren bestritten worden.

Unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. April 1984 V R 128/79 (BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776), wonach bei Bestellung mehrerer Geschäftsführer, die steuerlichen Pflichten in erster Linie den für den steuerlichen Bereich zuständigen Geschäftsführer treffen, verneint der Kläger seine eigene Haftung. Er selbst sei nur für den technischen Bereich der GmbH zuständig gewesen. Zwar sei die Gesellschafterin S kein Geschäftsführer gewesen, doch könne sie auch nicht als einfache Angestellte angesehen werden. Aufgrund ihrer Vorbildung als Anwaltsgehilfin, ihrer besonderen Verantwortung als Gesellschafterin und der Tatsache, daß sie bereits vor der Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer den kaufmännischen Bereich immer korrekt geführt habe, habe sie keiner besonderen Überwachung im finanziellen Bereich bedurft. Darüber hinaus sei die GmbH immer durch ein Steuerbüro betreut worden.

Das FG habe weiter verkannt, daß das FA sein Ermessen überschritten habe. Er - der Kläger - habe während seiner Geschäftsführertätigkeit laufend von der Gesellschafterin S gezeichnete Schecks auch für das FA gegengezeichnet. Ob diese Schecks auch an das FA weitergeleitet worden seien, sei unbekannt. Das FG habe keine Feststellungen darüber getroffen, ob die GmbH überhaupt Steuern gezahlt habe und inwieweit die GmbH ihren Verpflichtungen hinsichtlich anderer Steuerarten im Haftungszeitraum nachgekommen sei. Je mehr Zahlungen der GmbH geleistet worden seien, desto mehr entlaste dies den Kläger, da er aufgrund der ihm vorgelegten Schecks davon ausgehen konnte, daß regelmäßig die laufenden Verpflichtungen dem FA gegenüber erfüllt worden seien. Es habe keine Veranlassung bestanden, die Gesellschafterin S in dieser Hinsicht zu überprüfen. Das Verschulden des Klägers sei damit nicht richtig gewürdigt worden. Wegen der unzureichenden Aufklärung durch das FG habe das FG verkannt, daß das FA sein Ermessen falsch ausgeübt habe.

Da der Kläger die Lohnsteueranmeldungen und die Höhe der Arbeitslöhne nicht gekannt habe, habe für ihn, da er ja Schecks für das FA gegengezeichnet habe, keine Veranlassung bestanden, eine Divergenz zwischen Steuerschuld und tatsächlichen Zahlungen anzunehmen.

Soweit eine haftungsrechtliche Inanspruchnahme in Betracht komme, müsse sich diese am Maß des Verschuldens, an den besonderen Umständen des Falles und der Leistungsfähigkeit des Haftenden orientieren. Danach sei eine volle Inanspruchnahme nicht gerechtfertigt. Diese müsse den Fällen vorbehalten bleiben, in denen ein Geschäftsführer von vornherein für den steuerlichen Bereich zuständig sei, ohne daß er sich auf vertrauenswürdige Mitgeschäftsführer oder zumindest Mitgesellschafter verlasse. Unter Berücksichtigung der eigenen Leistungsfähigkeit entspreche es nicht der Billigkeit, einen Geschäftsführer über einen Betrag von 150 000 DM in Anspruch zu nehmen, obwohl die Geschäftsführervergütung nie diesen Betrag erreicht habe und auch kein relevantes, schuldenfreies Vermögen vorhanden sei. Auch solche Erwägungen seien bei der Ermessensausübung nicht angestellt worden.

Weiterhin sei nicht festgestellt worden, ob, wann und mit welchem Erfolg die GmbH in Anspruch genommen worden sei. Sollte dies erst nach Ausscheiden des Klägers als Geschäftsführer erfolgt sein, müsse das bei der Ermessensausübung berücksichtigt werden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG und den Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nur hinsichtlich der steuerlichen Nebenleistungen begründet.

Das FG hat die Klage gegen die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner für Lohnsteuer der Arbeitnehmer der GmbH für die Zeit vom November 1979 bis August 1980 aus zutreffenden Gründen abgewiesen. Die Haftungsvoraussetzungen sind in der Person des Klägers erfüllt. Die Inanspruchnahme gerade des Klägers läßt einen Ermessensfehler nicht erkennen.

Das FG hat die Voraussetzungen des Haftungstatbestands nach §§ 69, 34 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 191 Abs. 1 AO 1977 zu Recht bejaht. Der Kläger war im Haftungszeitraum alleiniger Geschäftsführer der GmbH. Ihn persönlich traf die Verpflichtung aus § 34 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 35 GmbHG, die angemeldeten Lohnsteuerbeträge aus Mitteln der GmbH an das FA abzuführen.

1. Das FG ist davon ausgegangen, daß die Löhne im fraglichen Zeitraum tatsächlich ausgezahlt wurden, Steueransprüche in der festgesetzten Höhe mithin nach § 38 Abs. 2 EStG entstanden waren. An diese Feststellungen der Vorinstanz ist der Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden, weil insoweit durchgreifende Revisionsgründe nicht vorgebracht worden sind. Das FG hat den Inhalt der Anmeldungen seiner Entscheidung zugrundegelegt, weshalb von einer Auszahlung der Löhne und dem Einbehalten der Lohnsteuer in der angemeldeten Höhe auszugehen ist. Eine Bindung des Senats entfiele nur dann, wenn die Folgerungen des FG mit den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen unvereinbar wären (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 118 Anm. 40; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 118 FGO Tz. 55 mit Rechtsprechungsnachweisen). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor, weshalb Grundlage der Beurteilung die von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen über die Höhe der einbehaltenen, nicht abgeführten Lohnsteuern und die auf ihnen gründende Würdigung der Tatumstände bleibt.

Soweit die Revision rügt, das FA habe keine Feststellungen über die Höhe der gezahlten Löhne und die sich daraus ergebende Lohnsteuerschuld getroffen und dadurch gegen die Aufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 FGO verstoßen, ist die Rüge nicht zulässig. Dafür wäre es nach § 120 Abs. 2 FGO notwendig gewesen, daß der Kläger die Tatsachen bezeichnet, die den Mangel der Aufklärung ergeben. Dazu gehören Angaben über Beweisantritte, die das FG übergangen haben soll mit Bezeichnung des konkreten Beweisthemas, der Beweismittel, derer sich das FG hätte bedienen sollen oder der vorgetragenen Tatsachen, deren Aufklärung sich dem FG hätte aufdrängen müssen, mit der Angabe der dazu gehörenden Schriftsätze (Gräber/Ruban, a. a. O., § 120 Rdnr. 40). Das ist vorliegend jedoch nicht geschehen. Das allgemeine Bestreiten der Höhe der Lohnsteuerschuld und der Hinweis auf die Buchführungsunterlagen der Gesellschafterin S genügen diesen Anforderungen nicht.

Das gleiche gilt für den Vortrag der Revision, es sei nicht aufgeklärt worden, ob, wann und mit welchem Erfolg das FA die GmbH in Anspruch genommen habe. Dazu hat die Vorinstanz festgestellt, der Kläger sei als Haftender in Anspruch genommen worden, nachdem erfolglos versucht worden sei, die Lohnsteuerrückstände bei der GmbH beizutreiben. Auf welchem Mangel diese Feststellungen beruhen sollen, wird von der Revision nicht in substantiierter Weise vorgetragen.

2. Das FG hat zutreffend ausgeführt, daß der Kläger als Geschäftsführer der GmbH nach § 34 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 35 Abs. 1 GmbHG verpflichtet war, die von den Arbeitnehmern der GmbH einbehaltene Lohnsteuer an das FA abzuführen und daß der Kläger dieser Verpflichtung schuldhaft i. S. von § 69 AO 1977 nicht nachgekommen ist. Der Kläger war alleiniger Geschäftsführer der GmbH. Er hatte für die Entrichtung der Steuern aus Mitteln der GmbH zu sorgen, was jedoch nicht bedeutet, daß er diese steuerlichen Angelegenheiten in jedem Fall selbst hätte erledigen müssen. Er war grundsätzlich befugt, die Erledigung auf andere - hier die Gesellschafterin S - zu übertragen. Allerdings durfte sich der Kläger nach seiner Bestellung als Geschäftsführer nicht mehr allein damit begnügen, wie zuvor nur den technischen Bereich der GmbH zu führen und zu überwachen. Mit seiner Bestellung als Geschäftsführer wurde der Kläger nach § 35 Abs. 1 GmbHG deren gesetzlicher Vertreter und hatte als solcher auch alle Verpflichtungen der GmbH als Steuersubjekt zu erfüllen, die ihr durch die Steuergesetze aufgegeben wurden. Dazu gehörte nach § 34 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 41 a Abs. 1 EStG auch die Abführung der einbehaltenen Lohnsteuer.

Soweit intern für den steuerlichen Bereich andere Mitarbeiter zuständig sind, ist der Geschäftsführer verpflichtet, diese zu überwachen und namentlich für die pünktliche Erledigung der Steuerangelegenheiten zu sorgen. Dabei kann es grundsätzlich keinen Unterschied machen, ob es sich bei den Mitarbeitern um Prokuristen oder mit geringfügigeren Vollmachten ausgestattete Mitarbeiter handelt (Senatsurteil vom 5. März 1986 VII R 134/80, BFH/NV 1986, 61, 62). Das muß auch gelten, wenn eine Gesellschafterin als Mitarbeiterin im Unternehmen tätig wird. Der Geschäftsführer muß sich jedenfalls über den Geschäftsgang so eingehend unterrichten, daß er bei normalen Umständen mit der ordnungsgemäßen Erledigung der Geschäfte rechnen kann (Tipke/Kruse, a. a. O., § 69 AO 1977 Anm. 12 Abs. 4). Welche Überwachungsmaßnahmen im einzelnen vom Kläger hätten getroffen werden müssen, kann vorliegend offenbleiben. Sie hängen weitgehend von den Umständen des Einzelfalles ab. Der Geschäftsführer verletzt aber in jedem Fall die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er den Mitarbeitern freie Hand läßt und praktisch seine Aufsichtspflicht weder ausübt noch organisatorische Vorkehrungen für eine geeignete Überwachung trifft. Der Kläger hat keinerlei Angaben darüber gemacht, ob und wie er die Gesellschafterin S überwacht hat. Er hat sich auch nach seiner Bestellung zum Geschäftsführer weiterhin nur mit dem technischen Bereich der GmbH befaßt und ansonsten Schecks unterschrieben, die seiner Unterschrift als Geschäftsführer bedurften. Damit hätte sich der Kläger nicht begnügen dürfen. Vielmehr hätte er auch die ordentliche Verwendung der Schecks überwachen müssen. Das ist nicht geschehen. Weder die jahrelange korrekte Arbeit der Gesellschafterin S noch ihre Stellung als Gesellschafterin konnten den Kläger von dieser Kontrolle entlasten.

Die Berufung der Revision auf das BFH- Urteil in BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776 geht fehl. Die Gesellschafterin S war nicht Geschäftsführerin der GmbH. Sie traf nicht die Verpflichtung nach § 34 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 35 GmbHG, die steuerlichen Verpflichtungen der GmbH zu erfüllen. Diese oblagen nur dem Kläger als alleinigem Geschäftsführer. Die Grundsätze dieses Urteils sind auf Nichtgeschäftsführer, mögen sie auch sonst leitende Funktionen in einer GmbH wahrnehmen oder gar Gesellschafter sein, nicht übertragbar.

Die Erfüllung der der GmbH als Arbeitgeber obliegenden Pflicht zur rechtzeitigen Abführung der einbehaltenen Lohnsteuerbeträge oblag somit ausschließlich nach § 34 Abs. 1 AO 1977 dem Kläger. Diese Pflicht wird durch Nichtabführung der Lohnsteuerbeträge - fremde Gelder für den Arbeitgeber, die dieser nur treuhänderisch einzieht - im allgemeinen ohne weiteres verletzt (Senatsurteil vom 21. Oktober 1986 VII R 144/83, BFH/ NV 1987, 286, 287, m. w. N. zur Rechtsprechung). Ob der Kläger für das FA bestimmte Schecks unterschrieben hat, ist dabei unerheblich. Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) sind jedenfalls die angemeldeten Lohnsteuerabzugsbeträge nicht an das FA abgeführt worden.

3. Die haftungsrechtliche Inanspruchnahme des Klägers ist auch nicht ermessensfehlerhaft. Das FG hat die Ermessensentscheidung des FA mit Recht nicht beanstandet.

Die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner war zwar nicht zwingend, aber möglich (§ 191 Abs. 1 AO 1977). Die Entscheidung darüber, ob bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftung der Haftende heranzuziehen sei, ist eine Ermessensentscheidung (Senatsurteil in BFH/NV 1987, 286, 297, m. w. N. zur Rechtsprechung), die gerichtlich nur beschränkt, nämlich nur auf Ermessensfehler nach § 102 FGO überprüfbar ist. Sowohl aus dem Haftungsbescheid als auch aus dem Einspruchsbescheid geht hervor, daß sich das FA des Umstands bewußt war, daß es bei der Heranziehung des Klägers als Haftungsschuldner eine Ermessensentscheidung gemäß § 191 Abs. 1 AO 1977 zu treffen hatte. Beide Entscheidungen stellen darauf ab, daß das FA den gesetzlichen Auftrag habe, sicherzustellen, daß geschuldete Steuern und Abgaben vollständig und rechtzeitig abgeführt werden und dies durch die Inanspruchnahme der GmbH nicht erreicht werden konnte. Diese Ausführungen sind nach den Umständen des Streitfalles jedenfalls ausreichend (vgl. Senatsurteil vom 29. September 1987 VII R 54/84, BFHE 151, 111, BStBl II 1988, 176). Die Heranziehung der Arbeitnehmer als Steuerschuldner kam nach § 42 d Abs. 3 Satz 4 EStG nicht in Betracht.

Eine Verpflichtung des FA zur Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Haftungsschuldners bereits beim Erlaß des Haftungsbescheids besteht nicht (Senatsurteil vom 2. Oktober 1986 VII R 28/83, BFH/NV 1987, 349, 352).

4. Die Vorentscheidung ist jedoch insoweit rechtsfehlerhaft, als sie die Haftung des Klägers auch für die Verspätungs- und Säumniszuschläge betrifft. Das FG- Urteil enthält keinerlei Feststellungen darüber, ob der Kläger auch hinsichtlich dieser steuerlichen Nebenleistungen (§ 3 Abs. 3 AO 1977) den Haftungstatbestand des § 69 AO 1977 erfüllt hat. Das angefochtene Urteil war daher nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen, soweit die Haftung des Klägers für diese Nebenleistung bejaht worden ist.

Bei einer erneuten Entscheidung wird das FG Feststellungen darüber zu treffen haben, ob bei der GmbH im haftungsrechtlich relevanten Zeitraum ausreichend liquide Mittel vorhanden waren, um die Nebenleistungen an das FA abzuführen. Dabei wird auch zu untersuchen sein, ob angesichts der 1981 erfolgten Löschung der GmbH eine Erhebung der Säumniszuschläge in der im Haftungsbescheid festgesetzten Höhe gerechtfertigt war. Sollte die GmbH als Haftungsschuldnerin im Zeitpunkt der Entstehung der Säumniszuschläge bereits zahlungsunfähig oder überschuldet gewesen sein, so wären ihr gegenüber die Säumniszuschläge zu erlassen gewesen (BFH-Urteil vom 23. Mai 1985 V R 124/79, BFHE 143, 512, BStBl II 1985, 489, mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung). Kommt ein Erlaß gegenüber der GmbH in Betracht, wird sich das FG auch mit den Auswirkungen eines solchen Erlasses auf die Haftungsschuld des Klägers zu befassen haben (vgl. dazu Buciek, Erlaßsituation und Haftungsverfahren, Der Betrieb - DB - 1986, 2254).

 

Fundstellen

BFH/NV 1989, 72

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