Entscheidungsstichwort (Thema)

Ersatzanspruch des Nießbrauchers als Zuwendung gem. § 12 Nr. 2 EStG; Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs (Nutzen der Maßnahme im Verhältnis zur Dauer des Nießbrauchs); Unmaßgeblichkeit des generellen Substanzerhaltungsinteresses

 

Leitsatz (NV)

Eine Zuwendung i. S. des § 12 Nr. 2 EStG liegt bei außergewöhnlichen Aufwendungen, zu denen der Nießbraucher berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, nur vor, wenn ein gesetzlicher Erstattungsanspruch gegeben ist, vom Nießbraucher aber nicht geltend gemacht wird.

 

Normenkette

EStG § 12 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Sie begehren für das Jahr 1980 im Wege des Verlustrücktrages die Herabsetzung ihrer Einkommensteuerschuld wegen Aufwendungen des Jahres 1982, die der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nicht als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung abgezogen hat.

Die am 12. März 1938 geborene Klägerin ist Nießbraucherin des Grundstücks in X. Das Grundstück wurde in den Jahren 1968/69 bebaut und im Oktober 1969 bezogen. Für das Gebäude wurden öffentliche Mittel gewährt; die Wohnungen unterlagen den Bestimmungen des Wohnungsbindungsgesetzes (WoBindG). Das Haus befand sich seit 1974 im Eigentum einer Erbengemeinschaft, an der die Klägerin und ihre Kinder beteiligt waren. Die Erbengemeinschaft wurde zum 1. Januar 1979 aufgelöst. Eigentümer des Grundstücks wurde der 1956 geborene Sohn der Klägerin. Dieser bestellte der Klägerin unentgeltlich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht, das am 12. Oktober 1981 in das Grundbuch eingetragen wurde.

Die Klägerin vermietete in der Folgezeit die Wohnungen des Hauses im eigenen Namen; die Mieter leisteten die Mietzahlungen auf ein Konto der Klägerin. Die Mieteinnahmen betrugen im Jahr 1982 64 035 DM.

Die Klägerin ließ im Jahr 1982 in dem Haus neue Fenster und neue Balkontüren einbauen. Die alten Holzfenster stammten aus dem Jahre 1968 und waren bereits 1980 durch Witterungseinflüsse stark beschädigt. Die Mieter beschwerten sich und drohten mit Mietkürzungen und Auszug. Die Klägerin holte Kostenvoranschläge für die Reparatur der Fenster ein. Nach diesen Kostenvoranschlägen sollte die Reparatur der alten Fenster 35 081,25 DM kosten. Wegen der Höhe der Aufwendungen wurden die Reparaturen zunächst zurückgestellt. Nachdem ein Teil der Mieter bereits ausgezogen war und mehrere Wohnungen leer standen, ließ die Klägerin die Reparatur zum Preis von 60 275,55 DM durchführen. Die neuen Fenster haben eine Haltbarkeit von 20 bis 30 Jahren.

Nach den Feststellungen des FA verfügte der Eigentümer, der Sohn der Klägerin, über keine eigenen Einkünfte und wäre zur Bestreitung der Aufwendungen für die Reparatur bzw. die Erneuerung der Fenster und Türen nicht in der Lage gewesen.

Unter Einbeziehung der Einbaukosten machte die Klägerin in der Einkommensteuererklärung für 1982 einen Überschuß der Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 56 684 DM geltend. Das FA berücksichtigte diese Einkünfte nicht. Wegen anderer negativer Einkünfte ermittelte es für 1982 einen negativen Gesamtbetrag der Einkünfte und setzte die zunächst auf . . . DM festgesetzte Einkommensteuer der Kläger für 1980 in einem Bescheid vom 26. Januar 1984 auf . . . DM herab.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger Einspruch und verlangten eine weitere Herabsetzung der Einkommensteuer 1980 wegen der Verluste aus dem Objekt in X. Das FA wies die Kläger auf eine im Falle der Anerkennung des Nießbrauchs beabsichtigte Verböserung wegen eines Überschusses von 3 592 DM aus dem Objekt in X hin und gab den Klägern Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit der Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 1984 änderte das FA den Bescheid vom 26. Januar 1984 dahingehend ab, daß es unter steuerlicher Anerkennung des Nießbrauchs der Klägerin 3 592 DM an positiven Einkünften zurechnete und die für 1980 geschuldete Einkommensteuer auf . . . DM festsetzte. Die Kläger erhoben daraufhin Klage. Nach einem Hinweis des Finanzgerichts (FG) auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. Dezember 1982 VIII R 53/82 (BFHE 139, 28, BStBl II 1983, 710) vereinbarte die Klägerin in einem notariellen Vertrag vom 6. Mai 1985 mit ihrem Sohn bezüglich des ihr eingeräumten Nießbrauchsrechtes u. a.: ,,Die Erschienenen waren und sind sich darüber einig, daß der Erschienenen zu 2. als der Nießbrauchsberechtigten von Anfang an außer der gewöhnlichen Instandhaltung auch außergewöhnliche Ausbesserungen und Erneuerungen obliegen."

Nach Klageerhebung änderte das FA aufgrund einer Prüfung den Einkommensteuerbescheid 1980 nach § 10 d Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Diesen machten die Kläger zum Gegenstand des Verfahrens.

Das FG gab der Klage statt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 12 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2, § 9 EStG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Klägerin war zum Werbungskostenabzug berechtigt.

a) Der Zuwendungsnießbrauch wurde bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart; die Beteiligten führten die zwischen ihnen getroffenen Vereinbarungen tatsächlich durch (vgl. BFH-Urteil vom 13. Mai 1980 VIII R 75/79, BFHE 131, 208, BStBl II 1981, 297).

Nutzt der Nießbraucher das Grundstück durch Vermietung, so erzielt er Einkünfte i. S. des § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Ihm sind die Einnahmen zuzurechnen; korrespondierend kann er die durch die Vermietung veranlaßten Werbungskosten abziehen.

b) Das FG hat die streitigen Aufwendungen zutreffend als sofort abziehbare Werbungskosten beurteilt. Die Aufwendungen für die Erneuerung der Türen und Fenster waren durch die Vermietung des Gebäudes veranlaßt. Aufwendungen für die Erneuerung bereits vorhandener Teile oder Einrichtungen sind regelmäßig als Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 25. August 1989 III R 17/84, BFHE 158, 283, BStBl II 1990, 79).

c) § 12 EStG steht dem Abzug der Aufwendungen als Werbungskosten nicht entgegen.

Entgegen der Auffassung des FA können die Aufwendungen nicht als solche i. S. des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG beurteilt werden. Die Aufwendungen dienten weder der Lebensführung der Klägerin noch der Freistellung des Eigentümers von möglichen Ersatzansprüchen.

Eine Zuwendung i. S. des § 12 Nr. 2 EStG liegt bei außergewöhnlichen Aufwendungen, zu denen der Nießbraucher berechtigt (§ 1041 Satz 2, § 1043 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -), aber nicht verpflichtet ist, nur vor, wenn ein gesetzlicher Erstattungsanspruch gemäß § 1049 i. V.m. §§ 677, 670, 683, 684 Satz 2 BGB gegeben ist, vom Nießbraucher aber nicht geltend gemacht wird (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 1989 IX R 110/85, BFHE 159, 442, BStBl II 1990, 462).

Daran fehlt es. Die Klägerin kann keinen Ersatz gemäß § 683 BGB als Geschäftsführer ohne Auftrag für ihren Sohn beanspruchen, da sie die Reparaturen im eigenen Interesse ausgeführt hat.

Als Geschäftsführer für einen anderen wird tätig, wer ein Geschäft nicht nur als eigenes, sondern zumindest auch als fremdes besorgt, also mit dem Bewußtsein, der Erkenntnis und dem Willen, im Interesse eines anderen zu handeln. Das ausgeführte Geschäft muß zum Rechtskreis des anderen gehören. Ein zugleich eigenes und fremdes Geschäft besorgt der Handelnde, wenn die Übernahme zugleich im eigenen und im Interesse eines anderen liegt, also wenn er ein objektives fremdes Geschäft mitbesorgt (vgl. Palandt/Thomas, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 50. Aufl., 1991, § 677 Anm. 3 und 6). Ein Interesse eines anderen an der Übernahme des Geschäftes besteht, wenn sie ihm nützlich ist. Das ist anhand der konkreten Sachlage im Einzelfall nach der objektiven Nützlichkeit, subjektiv bezogen auf die Verhältnisse seiner Person, festzustellen (vgl. Palandt/Thomas, a.a.O., § 683 Anm. 4).

Im Streitfall liegt das Interesse an der Reparatur ganz überwiegend bei der Klägerin. Der Nutzen dieser Maßnahme ist in zeitlicher Hinsicht deutlich kürzer als die Lebenserwartung der Klägerin und damit die Dauer des Nießbrauchs im Zeitpunkt der Ausführung der Reparatur. Dem Eigentümer kommt die Maßnahme allenfalls mittelbar in Gestalt der Substanzerhaltung zugute.

Dieser Gesichtspunkt hat aber zurückzutreten, denn wäre das Substanzerhaltungsinteresse ausschlaggebend, könnte der Nießbraucher in jedem Falle Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Eine Verweisung durch § 1049 BGB auf die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag wäre dann wirkungslos; dies würde aber dem Interessenausgleich zwischen Eigentümer und Nießbraucher, wie ihn das Gesetz beabsichtigt, zuwiderlaufen.

Dieser Beurteilung entsprechend hat auch der IX. Senat diesem Umstand im Urteil in BFHE 159, 442, BStBl II 1990, 462 keine Bedeutung beigemessen.

Bei dieser Sachlage kann der Senat offenlassen, ob das Eigentum an den eingebauten Fenstern und Türen gemäß § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB bei der Klägerin verblieben ist (dazu vgl. Urteil des Reichsgerichts vom 2. Dezember 1922 V 162/22, RGZ 106, 49; BFH in BFHE 159, 442, BStBl II 1990, 462; Holch in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., 1984, § 95 Rdnr. 15 f.), so daß dem Eigentümer bereits aus diesem Grunde nichts zugewendet worden wäre.

Ferner braucht der Senat nicht der Frage nachzugehen, ob sich die Klägerin und der Eigentümer bereits bei Bestellung des Nießbrauches darüber einig waren, daß der Klägerin auch außergewöhnliche Ausbesserungen und Erneuerungen oblagen (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 159, 442, BStBl II 1990, 462, und vom 10. Juli 1990 IX R 50/88, BFH/NV 1991, 157).

d) Entgegen der Auffassung des FG widerspricht diese von ihm geteilte Rechtsauffassung nicht der bisherigen Rechtsprechung. Das BFH-Urteil in BFHE 139, 28, BStBl II 1983, 710 betraf den Fall, daß ein - vorhandener - Ersatzanspruch nicht geltend gemacht werden sollte. In dem Urteil vom 13. Mai 1980 VIII R 128/78 (BFHE 131, 216, BStBl II 1981, 299) stand fest, daß der Kläger freiwillig Leistungen erbracht hatte, die zu erbringen die Nießbraucher verpflichtet waren. Ebenso ging die Entscheidung vom 19. Oktober 1976 VIII R 65/73 (BFHE 120, 234, BStBl II 1977, 72) davon aus, daß der Nießbraucher einen Anspruch gegen den Eigentümer besaß. Schließlich steht auch das Urteil vom 5. Juli 1957 VI 74/55 U (BFHE 65, 419, BStBl III 1957, 393) der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen; in bezug auf den Inhalt des § 12 Nr. 2 EStG war allein die Zurechnung von Einnahmen problematisch.

 

Fundstellen

BFH/NV 1991, 740

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