Leitsatz (amtlich)

Größere Aufwendungen eines Nießbrauchers für die Instandsetzung eines Mietwohnhauses kurz nach dem Erwerb des Eigentümers und zeitnaher unentgeltlicher Nießbrauchseinräumung sind keine Werbungskosten des Nießbrauchers. Derartige Aufwendungen fallen unter § 12 Nr. 2 EStG, wenn Eigentümer und Nießbraucher gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen sind.

 

Normenkette

EStG §§ 9, 12 Nr. 2, § 21 Abs. 1 Nr. 1; BGB §§ 1041, 1049

 

Tatbestand

Die beiden Töchter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarben im Herbst 1963 ein Mietwohngrundstück für 94 500 DM. Den beim Kauf fälligen Kaufpreis schenkten ihnen ihr inzwischen verstorbener Vater und ihre Mutter, die Klägerin. Beide Elternteile erhielten im Anschluß an den Kauf den lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch bestellt. Tilgungsraten und Zinsleistungen für die auf den Grundstücken ruhenden Hypotheken und Grundschulden erbrachten die Nießbraucher.

In den Jahren 1964 und 1965 wandten die nießbrauchsberechtigten Eltern für Instandsetzungsarbeiten an dem Grundstück 48 426 DM auf, die sie als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) ging davon aus, daß es sich bei einem Anteil der Aufwendungen in Höhe von 45 462 DM um sogenannte anschaffungsnahe Herstellungskosten handele. Dementsprechend erhöhte das FA die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG ist der Ansicht: Die Höhe der in beiden Jahren nach dem Erwerb des Mietwohngrundstücks erwachsenen Instandsetzungsarbeiten habe die Annahme gerechtfertigt, daß bereits bei Erwerb des Grundstücks dessen gründliche Überholung beabsichtigt gewesen sei und daß sich dies auch in dem Kaufpreis niedergeschlagen habe. Deshalb seien die Aufwendungen als sogenannte anschaffungsnahe Herstellungskosten anzusehen. Die Absetzungen für Abnutzung hierauf stünden aber nicht den Nießbrauchern, sondern den Grundstückseigentümerinnen zu.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, daß ihre Aufwendungen unstreitig der Instandhaltung gedient hätten. Nach der Rechtsprechung des BFH seien Instandhaltungsaufwendungen erheblichen Umfangs nur dann wie Herstellungskosten behandelt worden, wenn sie vom Erwerber in zeitlichem und vor allem sachlichem Zusammenhang mit dem Erwerb getätigt worden seien. Das gelte aber nicht für Aufwendungen des Nießbrauchers, da für diesen eine völlig andere Interessenlage gegeben sei. Es treffe auch nicht zu, daß die Instandhaltungsmaßnahme ursächlich für die spätere Mieterhöhung gewesen sei. Schließlich folge aus dem BFH-Urteil vom 6. Juli 1966 VI 124/65 (BFHE 86, 578, BStBl III 1966, 584), daß dem unterhaltsberechtigten Nießbraucher die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zustünden, also sowohl die Einnahmen als auch die Werbungskosten. Nach dem Urteil des BFH vom 5. Juli 1957 VI 74/55 U (BFHE 65, 419, BStBl III 1957, 393) könne aber derjenige die Kosten als Werbungskosten geltend machen, der sie trage, ohne Rücksicht darauf, wer nach bürgerlichem Recht zur Kostentragung verpflichtet sei.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung die Einkommensteuer für 1964 und 1965 unter Berücksichtigung ihrer Aufwendungen als Werbungskosten entsprechend herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, daß die von der Klägerin bzw. ihrem verstorbenen Ehemann in den Jahren nach dem Grundstückserwerb gemachten Aufwendungen bei diesen keine Werbungskosten darstellten. Zwar ist es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, daß auch beim Nießbraucher Werbungskosten anfallen können, wenn und soweit von ihm Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt werden. Für Aufwendungen, die der Nießbraucher auf eine ihm zur Nutzung überlassenen Sache erbringt, kommt es aber für die einkommensteuerrechtliche Anerkennung als Werbungskosten darauf an, ob ihm diese nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften obliegen. Nach § 1041 BGB trifft dies für den Nießbraucher nur für solche Aufwendungen - abgesehen von den hier nicht für die Entscheidung erheblichen §§ 1045 und 1047 BGB - zu, die der Erhaltung der Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand dienen. Ausbesserungen und Erneuerungen obliegen ihm nur insoweit, als sie zur gewöhnlichen Unterhaltung der Sache gehören (§ 1041 BGB). Instandsetzungsaufwendungen in dem hier vorliegenden Umfang rechnen jedoch nicht zu den den Nießbraucher aus § 1041 BGB treffenden Pflichten zur gewöhnlichen Unterhaltung der Sache. Wie der BFH in seinem Urteil VI 74/55 U ausgeführt hat, treffen Reparaturen zur Beseitigung von vor der Nießbrauchsbestellung eingetretenen Schäden nach bürgerlichem Recht den Hauseigentümer. Ob diese Aufwendungen dann bei dem Eigentümer Werbungskosten sind (wie in dem Urteil VI 74/55 U wegen der Besonderheiten des Falles) oder als anschaffungsnaher herstellungsaufwand behandelt werden müssen (vgl. hierzu den Beschluß des Großen Senats des BFH vom 22. August 1966 GrS 2/66, BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672), kann hier dahinstehen. Jedenfalls sind es keine Werbungskosten bei dem Nießbraucher.

Macht der Nießbraucher gleichwohl Verwendungen auf die Sache, zu denen er nicht verpflichtet ist, so hat er einen Anspruch gegen den Eigentümer nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 1049 BGB). Seine Verwendungen, mit denen er in Vorlage getreten ist, werden hierdurch ausgeglichen. Er ist demnach nicht belastet. Soweit der Nießbraucher seinen Anspruch gegenüber dem Eigentümer nicht geltend macht, trifft er damit eine Verfügung über einen seinem Privatvermögen angehörenden Anspruch. Denn es ist wirtschaftlich gleich, ob er dem Eigentümer den zur Instandsetzung erforderlichen Betrag zuwendet oder ob er die Instandsetzungen selbst vornimmt und dann auf seinen Anspruch nach § 1049 BGB verzichtet. Der Senat kann offenlassen, ob eine andere Beurteilung eingreift, wenn die Leistungen des Nießbrauchers nicht freiwillig erbracht werden. Im vorliegenden Fall sind Nießbraucher und Eigentümer unterhaltsberechtigte Personen. Eine andere Entscheidung würde daher schon an § 12 Nr. 2 EStG scheitern.

Zu einem anderen Ergebnis gelangt man entgegen der Meinung der Klägerin auch nicht bei Berücksichtigung der dem Urteil des BFH VI 74/55 U zugrunde liegenden Rechtsmeinung. In seinem Rechtssatz hatte der BFH dort zwar unter anderem ausgeführt, daß Aufwendungen zur Instandhaltung und Instandsetzung bei dem Nießbraucher oder Hauseigentümer als Werbungskosten abzugsfähig seien, und zwar jeweils bei demjenigen, der sie trage, ohne Rücksicht darauf, wer nach bürgerlichem Recht zur Kostentragung verpflichtet sei. Dieser Ausspruch betraf jedoch nur den Teil des Urteils, bei dem über Aufwendungen i. S. von § 1041 BGB zu entscheiden war, die vom Eigentümer getragen worden waren, obwohl sie vom Nießbraucher hätten getragen werden müssen. Dabei hat der BFH, wie sich aus den Entscheidungsgründen ergibt, dem Umstand besondere Bedeutung beigemessen, daß der Eigentümer des Hauses die Aufwendungen vor allem im Hinblick darauf erbrachte, daß er wegen des fortgeschrittenen Alters der Nießbrauchsberechtigten mit Mieteinkünften in absehbarer Zeit wieder rechnen konnte. Der Entscheidung lag demnach die Vorstellung zugrunde, daß der Eigentümer eigene - wenn auch nur vorweggenommene - Werbungskosten geltend machte. Wäre das Urteil gleichwohl anders zu verstehen, hätte der Senat wegen § 12 Nr. 2 EStG Bedenken, ob er sich den dortigen Ausführungen anschließen könnte.

Unabhängig davon sind aber diese Rechtsausführungen des Urteils VI 74/55 U im vorliegenden Fall schon deshalb ohne Bedeutung, weil hier nicht über Aufwendungen i. S. von § 1041 BGB zu befinden war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72135

BStBl II 1977, 72

BFHE 1977, 234

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