Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung der Anteile an einer vermögensverwaltenden GmbH nur nach dem Vermögenswert

 

Leitsatz (NV)

Der Bewertung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die sich überwiegend auf die Verwaltung ihrer Beteiligungen oder ihres Kapitalvermögens beschränkt, ist - wie der Bewertung von Anteilen an einer reinen Holdinggesellschaft ohne eigenen Geschäftsbetrieb - in der Regel nur der Vermögenswert der Kapitalgesellschaft zugrunde zu legen.

 

Normenkette

BewG § 11 Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte zu 1 (Klägerin zu 1) ist eine Verwaltungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH, die fast ausschließlich Wertpapiere verwaltet. An der Klägerin zu 1 ist als Mehrheitsgesellschafterin die Klägerin und Revisionsbeklagte zu 2 (Klägerin zu 2) beteiligt. Der Wertpapierbestand der Klägerin zu 1 hatte nach ihrer Vermögensaufstellung auf den 1. Januar 1976 einen (Kurs-)Wert von insgesamt 5187774 DM; er enthielt keine beherrschenden Beteiligungen an anderen Kapitalgesellschaften. Darüber hinaus hatte die Klägerin zu 1 zum Stichtag 1. Januar 1976 noch ein Bankguthaben von 3267 DM sowie Forderungen in Höhe von 340180 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) schätzte den gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin zu 1 zum 31. Dezember 1975 - abweichend von der Regelbewertung im sog. Stuttgarter Verfahren - nach Abschn. 81 Abs. 1 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1974 ohne Berücksichtigung der Ertragsaussichten nur nach dem Vermögenswert in Höhe von 1718 DM je 100 DM des Stammkapitals. Diesen Wert errechnete das FA, indem es den auf den 1. Januar 1976 festgestellten Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin zu 1 von 4911000 DM mit dem voll eingezahlten Stammkapital von 200000 DM verglich und den sich hierbei ergebenden Vermögenshundertsatz von 2455 v.H. um einen Abschlag von 30 v.H. nach Abschn. 79 Abs. 3 VStR 1974 ermäßigte.

Die nach erfolglosem Einspruch von den Klägerinnen erhobene und vom Finanzgericht (FG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundene Klage hatte Erfolg.

Das FG stellte entsprechend dem Klageantrag den gemeinen Wert der Anteile zum 31. Dezember 1975 unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten auf 1035 DM je 100 DM des Stammkapitals fest; die Voraussetzungen für die Ermittlung des gemeinen Werts unter Außerachtlassung der Ertragsaussichten nach Abschn. 81 VStR 1974 seien nicht erfüllt.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 11 Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes - BewG -) und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß bei der Bewertung der Anteile an der Klägerin zu 1 im Rahmen des Stuttgarter Verfahrens die Ertragsaussichten zu berücksichtigen seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Die Außerachtlassung der Ertragsaussichten bei der Bewertung der Anteile an der Klägerin zu 1 ist im Streitfall gerechtfertigt.

1. Die Anteile an der Klägerin zu 1, für die, da es sich um eine GmbH handelt, kein Kurswert gegeben ist, sind mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Gesetzliche Grundlage für die Feststellung des gemeinen Werts zum Bewertungsstichtag 31. Dezember 1975 ist § 11 Abs. 2 BewG i.d.F. der Bekanntmachung vom 26. September 1974 (BGBl I 1974, 2369, BStBl I 1974, 862). Danach ist der gemeine Wert unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen, wenn - wie im Streitfall - zeitnahe Verkäufe fehlen, aus denen der gemeine Wert abgeleitet werden könnte. Diese Schätzung erfolgt im Interesse einer möglichst gleichmäßigen und praktikablen Wertermittlung nach dem in Abschn. 76ff. der VStR - hier VStR 1974 - geregelten Stuttgarter Verfahren. Nach dieser Bewertungsmethode ist maßgebende Größe der Vermögenswert (Abschn. 77 VStR), der aufgrund der Ertragsaussichten (Abschn. 78 VStR) korrigiert wird. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in ständiger Rechtssprechung das Stuttgarter Verfahren als ein geeignetes Schätzungsverfahren anerkannt, von dem mit Rücksicht auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nur abgewichen werden könne, wenn es im Ausnahmefall zu offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führt (s. Urteile vom 2. Oktober 1991 II R 153/88, BFHE 166, 372, BStBl II 1992, 274, und vom 6. März 1991 II R 18/88, BFHE 164, 91, BStBl II 1991, 558, m.w.N.).

2. Abweichend von der Regelbewertung des Stuttgarter Verfahrens, bei der der Vermögenswert als maßgebliche Größe aufgrund der Ertragsaussichten korrigiert wird, sieht Abschn. 81 VStR 1974 vor, daß als gemeiner Wert der nach Abschn. 77 VStR 1974 ermittelte Vermögenswert angesetzt wird, wenn die Ertragsaussichten einer Gesellschaft ohne Einfluß auf den gemeinen Wert der Anteile sind. Nach Abschn. 81 Abs. 2 VStR 1974 sollen zu den Gesellschaften, bei denen der gemeine Wert der Anteile dem nicht durch die Ertragsaussichten korrigierten und nicht nach Abschn. 77 Abs. 5 VStR 1974 gekürzten Vermögenswert entspricht, u.a. die Gesellschaften gehören, die sich überwiegend auf die Verwaltung ihrer Beteiligungen oder ihres Kapitalvermögens beschränken. Diese Regelung findet sich erstmals in Abschn. 81 Abs. 2 VStR 1972. Demgegenüber bezog Abschn. 81 Abs. 2 der davor geltenden Vermögensteuer-Richtlinien nur Holdinggesellschaften ein, die sich auf die Verwaltung von Beteiligungen beschränken. Bezüglich der Holdinggesellschaften hat der BFH bereits mit Urteil vom 3. Dezember 1976 III R 98/74 (BFHE 121, 93, BStBl II 1977, 235) die auf Abschn. 81 VStR 1960 beruhende Anteilsbewertung bestätigt. Danach sind die Anteile an einer Holdinggesellschaft, deren Geschäftsbetrieb durch die Verwaltung beherrschender Anteile an anderen Kapitalgesellschaften gekennzeichnet ist, abweichend von der Regelbewertung im Stuttgarter Verfahren ohne Berücksichtigung der Ertragsaussichten nur mit dem Vermögenswert anzusetzen. Wie in diesem Urteil zutreffend ausgeführt wird, ist entscheidend, daß die Anteilsinhaber an einer Holding-Kapitalgesellschaft wirtschaftlich die gleiche Stellung haben, wie wenn sie die von der Holdinggesellschaft gehaltenen Beteiligungen unmittelbar selbst halten würden. Die Regelbewertung im Stuttgarter Verfahren unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Holdinggesellschaft würde deshalb die vermögensrechtliche Stellung des Anteilsinhabers verfälschen. Die Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die eine reine Holdinggesellschaft ohne eigenen Geschäftsbetrieb ist, sind folglich nicht deshalb mit einem anderen Wert anzusetzen, als die von der Holdinggesellschaft gehaltenen Anteile, weil die Anteilsinhaber zwischen sich und das von der Holdinggesellschaft gehaltene Vermögen eine juristische Person eingeschaltet haben.

3. Diese Überlegungen treffen grundsätzlich auch für die Bewertung von Anteilen an den in Abschn. 81 Abs. 2 VStR 1974 genannten Gesellschaften, die sich überwiegend auf die Verwaltung ihrer Beteiligungen oder ihres Kapitalvermögens beschränken, zu. Bei einer derartigen Gesellschaft (im folgenden Obergesellschaft) ist es im Regelfall ebenfalls sachgerecht, der Bewertung der Anteile an der Obergesellschaft nur deren Vermögenswert zugrunde zu legen. Anderenfalls würden sich die Ertragsaussichten doppelt auswirken: Zum einen bei der Bewertung der von der Obergesellschaft gehaltenen Anteile - dies gilt auch, wenn es sich um Aktien handelt, bei denen sich die Ertragsaussichten im Kurswert niederschlagen -, zum anderen bei der Bewertung der Anteile an der Obergesellschaft. Dadurch würde das Ergebnis zugunsten oder zu Lasten der Anteilseigner verfälscht, je nach dem, ob die Rendite der Obergesellschaft unter oder über der in Abschn. 79 Abs. 1 VStR angenommenen Verzinsung liegt, obwohl ein gedachter Erwerber den Kaufpreis für einen Anteil an der Obergesellschaft nur nach dem Wert der von ihr gehaltenen Beteiligungen bemessen würde (vgl. hierzu Troll, GmbH-Rundschau 1980, 206 sowie Bewertung der Aktien und GmbH-Anteile bei der Vermögensteuer, 5. Aufl., S. 154).

Nach Auffassung des Senats gilt dies jedenfalls dann für eine Obergesellschaft, die sich überwiegend auf die Verwaltung ihrer Beteiligungen oder ihres Kapitalvermögens beschränkt, wenn der Ertrag des neben den Beteiligungen vorhandenen übrigen Gesellschaftsvermögen wirtschaftlich nicht ins Gewicht fällt und deshalb ohne Einfluß auf den gemeinen Wert der Anteile an der Obergesellschaft bleibt. In diesem Ausnahmefall ist es gerechtfertigt, bei der Schätzung des gemeinen Werts der Anteile abweichend von der Regelbewertung die Ertragsaussichten insgesamt außer acht zu lassen (vgl. BFH-Urteil vom 3. Dezember 1982 III R 19/80, BFHE 137, 363, BStBl II 1983, 190).

4. Die vorstehend genannten Voraussetzungen sind entgegen der Auffassung des FG im Streitfall erfüllt. Nach den Feststellungen der Vorinstanz gehören zum Betriebsvermögen der Klägerin zu 1 neben einem Wertpapiervermögen mit einem Kurswert zum 1. Januar 1976 von 5187774 DM noch übriges Vermögen (Bankguthaben und Forderungen) von insgesamt 343447 DM. Bezogen auf dieses Rohbetriebsvermögen von insgesamt 5531221 DM beträgt der Anteil an Bankguthaben und Forderungen nur 6,2 v.H. und ist damit so gering, daß der Ertrag aus dem übrigen Vermögen ohne Einfluß auf den Wert der Anteile an der Klägerin bleibt. Das FA ist deshalb zutreffend bei der Schätzung des Werts der Anteile an der Klägerin zu 1 nach Abschn. 81 Abs. 2 VStR 1974 unter Außerachtlassung der Ertragsaussichten nur von dem Vermögenswert der Klägerin zu 1 ausgegangen.

Der Senat verkennt nicht, daß der Klägerin zu 1 bezüglich der von ihr gehaltenen Beteiligungen zum maßgebenden Bewertungsstichtag 31. Dezember 1975 weder für die Vermögensteuer noch für die Körperschaftsteuer das sog. Schachtelprivileg zustand (vgl. § 102 BewG, § 9 des Körperschaftsteuergesetzes in der vor dem 1. Januar 1977 geltenden Fassung - KStG a.F. -); ihre berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen unterlagen lediglich dem ermäßigten Steuersatz von 15 v.H. (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 KStG a.F.). Die hierdurch eintretende Ertragsminderung aus der Sicht der Anteilseigner kann jedoch im Rahmen der hier streitigen Schätzung des Werts der Anteile an der Obergesellschaft unberücksichtigt bleiben. Das FA hat überdies durch die Gewährung des bei der Bewertung nach Abschn. 81 VStR 1974 nicht vorgesehenen Abschlags von 30 v.H. nach Abschn. 79 Abs. 3 VStR 1974 etwaige Belastungen, die sich aus der fehlenden Anrechnung der Körperschaftsteuer nach altem Recht ergaben, hinreichend berücksichtigt. Die Klägerinnen werden daher durch die vom FA getroffene Feststellung des Werts der Anteile an der Klägerin zu 1 in ihren Rechten nicht verletzt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419088

BFH/NV 1994, 361

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