Leitsatz (amtlich)

Die auch bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit anwendbare Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG kann bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG auf das Honorar für einen sich über mehrere Jahre erstreckenden Auftrag nicht angewendet werden, wenn das gesamte Honorar für diesen Auftrag in mehreren Kalenderjahren zugeflossen ist.

 

Normenkette

EStG § 34 Abs. 3

 

Tatbestand

Streitig war bei der Einkommensteuer-Veranlagung 1963, ob dem Revisionskläger (Steuerpflichtiger) für eine Einnahme von 100 000 DM die Tarifvergünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG zusteht.

Der Steuerpflichtige war Rechtsanwalt und nahm seit 1948 die Interessen einer GmbH gegenüber der Besatzungsmacht wahr, die die Betriebsgebäude und Betriebseinrichtungen der GmbH beschlagnahmt hatte und für ihre Zwecke nutzte. Als die Besatzungsmacht Mitte 1961 die Gebäude freigab, vertrat der Steuerpflichtige die GmbH auch gegenüber dem Bund bei der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen der von der Besatzungsmacht verursachten Schäden. Der Steuerpflichtige erhielt von der GmbH die folgenden Vorschüsse: 1958 10 000 DM, 1959 10 000 DM, 1960 20 000 DM, 1961 20 000 DM und 1962 10 000 DM. Im Streitjahr 1963 einigten sich der Steuerpflichtige und die GmbH auf eine Restzahlung von 100 000 DM, die in diesem Jahr an den Steuerpflichtigen ausgezahlt wurden.

Der Steuerpflichtige vertrat in seiner Einkommensteuererklärung die Auffassung, daß ihm für die Einnahme von 100 000 DM die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG zustehe und er deshalb diese Einnahme auf die Jahre 1959, 1960 und 1961 verteilen dürfe. Bei der Wahrnehmung der Interessen der GmbH habe es sich um eine abgrenzbare Sondertätigkeit gehandelt, die ihn weitgehend an der Ausübung seiner normalen Anwaltspraxis gehindert habe und die über den Rahmen einer Anwaltstätigkeit hinausgehe. Der Revisionsbeklagte (FA) lehnte die Tarifvergünstigung ab, weil keine abgrenzbare Sondertätigkeit vorliege und zudem die Vergütung für diese Tätigkeit nicht in einem Kalenderjahr zugeflossen sei.

Die Klage des Steuerpflichtigen hatte keinen Erfolg. Das FG lehnte die Tarifvergünstigung mit der Begründung ab, daß es sich bei dem vereinbarten Honorar um das Entgelt für einen einheitlichen Auftrag gehandelt habe und daß die Vergütung von 170 000 DM im Laufe mehrerer Jahre bezahlt worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des Steuerpflichtigen ist nicht begründet.

Nach § 34 Abs. 3 EStG können Einkünfte, die die Entlohnung für eine Tätigkeit darstellen, die sich über mehrere Jahre erstreckt, zum Zwecke der Einkommensteuer-Veranlagung auf die Jahre verteilt werden, in deren Verlauf sie erzielt wurden, und als Einkünfte eines jeden dieser Jahre angesehen werden, vorausgesetzt, daß die Gesamtverteilung drei Jahre nicht überschreitet. Es entspricht, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, feststehender Rechtsprechung, daß nur eine solche Gesamtvergütung auf drei Jahre verteilt werden darf, die grundsätzlich in einem Kalenderjahr angefallen ist (vgl. zuletzt Urteil des BFH VI R 338/67 vom 11. Juni 1970, BFH 99, 306, BStBl II 1970, 639). Es ist allerdings zutreffend, worauf der Steuerpflichtige in seiner Revisionsbegründung hinweist, daß der BFH im Urteil VI 381/65 vom 16. September 1966 (BFH 86, 760, BStBl III 1967, 2) die Vorschrift des § 34 Abs. 3 EStG in einem Fall angewandt hat, in dem eine Pensionsabfindung von 100 000 DM in zwei Teilbeträgen von 60 000 DM und 40 000 DM in zwei Kalenderjahren gezahlt wurde. Es kann dahingestellt bleiben, ob damit allgemein der Grundsatz aufgegeben worden ist, daß die Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit in einem Kalenderjahr zugeflossen sein muß. Denn keinesfalls kann die Tarifvergünstigung, also die Verteilung der Gesamtvergütung auf drei Jahre, gewährt werden, wenn die Vergütung bereits auf drei Jahre verteilt gezahlt wurde. Das muß um so mehr gelten, wenn wie im vorliegenden Falle die Gesamtvergütung von 170 000 DM in erheblichen Teilbeträgen im Laufe von sechs Jahren zufloß und die Teilbeträge in diesen Jahren bereits der Versteuerung unterworfen wurden.

Nun gewährte allerdings der VI. Senat des BFH trotz seiner grundsätzlichen Auffassung, daß die zusammengeballte Entlohnung eines Arbeitnehmers für eine mehrjährige Tätigkeit nur dann begünstigt ist, wenn sie in einem Kalenderjahr gezahlt wird, in seinem Urteil VI R 258/68 vom 30. Juli 1971 (BFH 103, 339, BStBl II 1971, 802) die Tarifvergünstigung für eine freiwillige Lohnnachzahlung des Arbeitgebers, obwohl der Arbeitnehmer in den vergangenen Jahren neben dem laufenden Arbeitslohn auch laufende Tantiemen erhalten hatte. Der Senat stellte es bei der Entscheidung, ob diese Nachzahlung eine begünstigte Zusammenballung darstelle, darauf ab, daß die Nachzahlung offensichtlich aus dem Rahmen früherer Bezüge herausfiel. Aus dieser Entscheidung darf aber nicht der Schluß gezogen werden, daß eine in dieser Weise zusammengeballte Teilvergütung, die ein selbständig Tätiger, hier ein Rechtsanwalt, bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG für die Durchführung eines sich über mehrere Jahre erstreckenden Auftrages erhält, als nach § 34 Abs. 3 EStG zu begünstigende außerordentliche Einkünfte unabhängig davon zu behandeln sei, ob bereits in früheren Kalenderjahren für diesen Auftrag Teilzahlungen geleistet wurden. Denn während Arbeitnehmer in aller Regel laufende und ihrer regelmäßigen Arbeitsleistung entsprechende Vergütungen erhalten und auf die Zusammenballung einer zusätzlichen Vergütung für vergangene Arbeitsleistungen im allgemeinen nur einen geringen Einfluß ausüben können, liegen die Verhältnisse bei selbständig Tätigen, besonders bei Freiberuflern, insofern grundsätzlich anders, als es sich bei ihnen meist um zahlreiche selbständige Einzelaufträge für zahlreiche Auftraggeber handelt und die jeweilige Abrechnung der sich über mehrere Jahre erstreckenden Einzelaufträge in der Regel zu einer Nachzahlung führt, die die in den vorhergehenden Jahren jeweils vereinnahmten Vorschüsse übersteigt. Eine solche sich aus diesen Abrechnungen ergebende Zusammenballung bei einem bestimmten Auftrag gleicht sich in aller Regel durch die laufenden Abrechnungen zahlreicher anderer Aufträge und durch für solche Aufträge vereinnahmte Vorschüsse aus. Eine solche Nachzahlung führt nicht zu außerordentlichen Einkünften. Sie entspricht der Natur und dem Charakter der selbständigen Tätigkeit.

Diese Überlegungen rechtfertigen es, wenn man die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG auch auf selbständig Tätige mit mehreren laufenden Aufträgen anwendet und damit die danach begünstigte Zusammenballung einer Vergütung für einen einzelnen mehrjährigen Auftrag für möglich hält, dem Moment der Zusammenballung in einem Kalenderjahre für die mehrjährige Ausführung eines bestimmten Auftrags eine weit größere Bedeutung beizumessen, als das bei Arbeitnehmern notwendig erscheint. Deshalb kann die in § 34 Abs. 3 EStG vorgesehene Verteilung eines Honorars für einen mehrjährigen Auftrag grundsätzlich nur in Betracht kommen, wenn die Beteiligten nicht bereits vereinbarungsgemäß das Honorar durch ins Gewicht fallende Teilzahlungen auf mehrere Jahre verteilt haben.

 

Fundstellen

BStBl II 1972, 529

BFHE 1972, 255

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