Leitsatz (amtlich)

1. Die Anwendung der Vergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ist allein davon abhängig, daß eine zusammengeballte Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit gegeben ist und daß für die Zusammenballung wirtschaftlich vernünftige Gründe vorliegen.

2. Es ist für ihre Anwendung unerheblich, ob die Entlohnung für eine abgrenzbare Tätigkeit gezahlt wird, ob auf sie ein Rechtsanspruch besteht oder ob statt des gesamten Arbeitslohns nur Teilbeträge für mehrere Jahre zusammengeballt gezahlt werden.

 

Normenkette

EStG § 34 Abs. 3

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Ehemann) ist seit 1951 Prokurist bei der im Jahre 1948 gegründeten Firma X-KG (Holzverarbeitung). Er übt neben dem einzigen geschäftsführenden Gesellschafter, der sich seit 1956 zumeist im Ausland aufhält, leitende Funktionen aus.

Im Jahr 1965 hat der Kläger zusätzlich eine Zahlung von 100 000 DM erhalten. In einem Begleitschreiben ist ausgeführt: "Aufgrund Ihrer hervorragenden Leistungen in den Aufbaujahren des Unternehmens gewährt Ihnen die Firma X-KG eine einmalige Abfindung in Höhe von 100 000 DM, ohne daß hierzu eine rechtliche Verpflichtung besteht. Es gilt als klargestellt, daß Ihnen diese Abfindung als zusätzliches Entgelt für den gesamten Zeitraum des Aufbaues, also für die Geschäftsjahre 1951 bis 1964, gewährt wird."

Der Kläger beantragte in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1965, die Zahlung unter Anwendung der Vorschrift des § 34 Abs. 3 EStG auf die Jahre 1956 bis 1958 zu verteilen. Bis 1964 sei eine Honorierung der Sonderleistungen im Aufbaustadium nicht möglich gewesen, da, wie die Jahresabschlüsse bewiesen, jeder Pfennig für den technischen und finanziellen Aufbau des Unternehmens benötigt worden sei. Er sei entscheidend am Aufbau und an der Gestaltung des Werkes sowie am Mitaufbau aller Verkaufsabteilungen des Unternehmens und verschiedener Tochtergesellschaften beteiligt gewesen. Seit 1956 leite er das Unternehmen weitgehend selbständig, da der geschäftsführende Gesellschafter den Aufbau von Tochtergesellschaften im Ausland forciert habe.

Das FA lehnte bei der Zusammenveranlagung der Ehegatten und im Einspruchsverfahren die Anwendung der Vergünstigung ab. Das Unternehmen sei durchaus in der Lage gewesen, in den Jahren 1951 bis 1964 einen zusätzlichen Arbeitslohn von 7 143 DM (= insgesamt 100 000 DM) zu zahlen.

Das FG wies die Klage ab. Es verwies auf die Entwicklung des Gehaltes des Klägers und führte u. a. aus:

Der Kläger habe nicht dargetan, daß die 100 000 DM Entlohnung für eine Tätigkeit darstellen, die sich über mehrere Jahre erstrecke. Dies ergebe sich weder aus der Bescheinigung der Arbeitgeberin noch aus den sonstigen Umständen mit hinreichender Deutlichkeit. Eine Sondertätigkeit oder ein Sondererfolg des Klägers, die getrennt von der übrigen Tätigkeit hätte vergütet werden können, lasse sich nicht abgrenzen. Auch behaupte der Kläger selbst nicht, daß hier ein Betrag nachgezahlt sei, der ihm aufgrund vertraglicher Vereinbarungen oder aus anderen Gründen rechtlich zugestanden hätte. Zwar habe die Gesamtvergütung im Streitjahr erheblich über den Vergütungen der Vorjahre und der Vergütung der beiden folgenden Jahre gelegen. Der Betrag bewege sich jedoch im Rahmen dessen, was unter Berücksichtigung der Funktionen des Klägers im Unternehmen, der Größe des Unternehmens und der bis dahin bezogenen Tantiemen im Verhältnis zu dem erzielten Gewinn als Jahresgehalt in Betracht komme. Die Tantieme 1961 habe rund 9,2 % des Gewinns 1960, die Tantieme 1962 rund 7,2 % des Gewinns 1961, die Tantieme 1963 rund 6 % des Gewinns 1962, die Tantieme 1964 rund 5,4 % des Gewinns 1963 und die Tantieme 1965 (einschließlich der Sonderzahlung) rund 9,6 % des Gewinns 1964 betragen. Wäre es im Streitjahr bei einer Tantieme wie im Vorjahr geblieben, so hätte die Erfolgsbeteiligung für das Jahr 1964 nur rund 4,3 % betragen. Dieses Beispiel besage, daß man aus der Höhe der Sonderzahlung nicht unbedingt auf die Abgeltung von in der Vergangenheit geleisteten Diensten schließen müsse, vielmehr ebenso gute Gründe für eine laufende Vergütung sprechen. Aus der Höhe der in den früheren Jahren zugeflossenen Beträge könnte sich allenfalls ergeben, daß der Kläger keinen Rechtsanspruch auf erheblich höhere Bezüge habe. Damit wäre lediglich die Freiwilligkeit der Leistung der Arbeitgeberin dargetan. Mangels einer festen Bemessungsgrundlage für die laufenden Tantiemen-Zahlungen spreche deshalb vieles dafür, daß eine laufende Vergütung vorliege.

Wenn eine Vergütung, offenbar aufgrund eines besonderen gegenseitigen Vertrauensverhältnisses, Jahr für Jahr einseitig neu festgesetzt werde, seien die Gründe, die zu dieser Festsetzung führten, von der mannigfaltigsten Art, z. B. Gewinn und Liquidität der Arbeitgeberin, persönliche Bedürfnisse des Arbeitnehmers, möglicherweise auch besondere Leistungen in der Vergangenheit. Das seien aber alles nur Motive für die Festsetzung der Bezüge; sie besagten nichts Entscheidendes darüber, welche konkreten Leistungen abgegolten worden seien. Schließlich seien auch keine plausiblen wirtschaftlichen Gründe dafür erkennbar, daß der Kläger nicht wie üblich laufend für seine Tätigkeit honoriert worden sei, sondern erst Jahre später. Zwar brauchten (entsprechend dem Urteil des BFH VI 32/56 U vom 8. März 1957, BFH 64, 496, BStBl III 1957, 185) zwingende Gründe für eine Nachzahlung nicht vorzuliegen. Wohl aber verstärkten sich in zweifelhaften Fällen die Umstände, die gegen eine mehrjährige Vergütung sprächen, um so mehr, je weniger bedeutsam die wirtschaftlichen Gründe seien, die sich für eine nachträgliche Abgeltung laufend geleisteter Dienste finden ließen. Das FA habe überzeugend und vom Kläger unwidersprochen dargetan, daß die KG finanziell spätestens seit 1955 in der Lage gewesen sei, ihm ein erheblich höheres Gehalt zu zahlen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision der Eheleute ist begründet und führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache.

Nach § 34 Abs. 3 EStG können Einkünfte, die die Entlohnung für eine Tätigkeit darstellen, die sich über mehrere Jahre erstreckt, auf die Jahre verteilt werden, in deren Verlauf sie erzielt wurden, und als Einkünfte eines jeden dieser Jahre angesehen werden, vorausgesetzt, daß die Gesamtverteilung drei Jahre nicht überschreitet. Der BFH hat bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit die noch auf der alten Fassung der Vorschrift beruhende Rechtsprechung des RFH, nach der als Voraussetzung für die Anwendung der Vergünstigung gefordert wurde, daß die Entlohnung für eine abgrenzbare Sondertätigkeit gezahlt sein mußte, in dem Urteil VI 32/56 U vom 8. März 1957 (a. a. O.) aufgegeben. Hieran ist festzuhalten, da die Einschränkung im jetzigen Wortlaut der Vorschrift keine Stütze findet (vgl. BFH-Urteile VI R 338/67 vom 11. Juni 1970, BFH 99, 306, BStBl II 1970, 639, und VI R 66/67 vom 17. Juli 1970, BFH 99, 381, BStBl II 1970, 683). Mit der Prüfung, ob im Streitfall eine Sondertätigkeit des Klägers oder ein Sondererfolg abgegrenzt werden kann, der getrennt von der übrigen Tätigkeit hätte vergütet werden können, setzt das FG sich mithin in Widerspruch zum geltenden Recht.

Auch die Überlegungen der Vorinstanz, ob der Kläger auf die Zahlung einen Rechtsanspruch gehabt habe, sind für die Anwendung der Vergünstigung ohne Bedeutung. Freiwillige Leistungen des Arbeitgebers im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses gehören ebenso zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit wie Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Dies ist in § 19 Abs. 1 letzter Satz EStG ausdrücklich ausgesprochen (vgl. auch § 2 Abs. 1 Satz 3 LStDV). Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift des § 34 Abs. 3 EStG könnten es rechtfertigen, abweichend von diesen allgemeinen Grundsätzen den Begriff "Entlohnung" auf solche Bezüge zu beschränken, auf die ein Rechtsanspruch besteht.

Die Anwendung der Vergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG ist vielmehr, wie der BFH seit jener Änderung in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit allein davon abhängig, daß eine zusammengeballte Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit gegeben ist und daß für die Zusammenballung wirtschaftlich vernünftige Gründe vorliegen. Diese Gründe muß der Steuerpflichtige, der die Vergünstigung in Anspruch nehmen will, dartun. Eine willkürliche, wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Zusammenballung schließt die Anwendung der Vergünstigung aus. Daß im übrigen eine Zusammenballung schon dann gegeben sein kann, wenn nicht der gesamte Arbeitslohn, sondern nur Teilbeträge für mehrere Jahre zusammengeballt gezahlt werden, hat der Senat in seiner Entscheidung VI R 338/67 vom 11. Juni 1970 (a. a. O.) ausdrücklich anerkannt. Das vorinstanzliche Urteil hat den Streitfall zwar auch unter diesen nach Auffassung des Senats allein entscheidenden Gesichtspunkten geprüft und ist zum Ergebnis gelangt, daß weder eine zusammengeballte Entlohnung vorliegt noch vernünftige Gründe für eine solche erkennbar wären. Es ist aber nicht auszuschließen, daß diese Prüfung durch die vorherige Zugrundelegung unrichtiger Auslegungsgrundsätze mit beeinflußt worden ist. Das Urteil läßt zusammenfassend erkennen, daß das FG bei der Anwendung des § 34 Abs. 3 EStG von unrichtigen Voraussetzungen ausgegangen ist. Es war daher aufzuheben.

Die Sache ist dem Grunde nach entscheidungsreif. Durch die streitige Zahlung haben die Bezüge des Klägers im Jahre 1965 eine Höhe erreicht, die offensichtlich aus dem Rahmen der früheren und auch unmittelbar danach gewährten Bezüge herausfällt. Schon dieser Umstand spricht entscheidend gegen die Annahme des FG, daß die Zahlung eine nur auf das Jahr 1965 bezogene laufende Vergütung darstelle. Aus dem Verhältnis der Tantiemen zum Gewinn des Unternehmens kann nichts Gegenteiliges hergeleitet werden. Dieses Verhältnis zeigt eine insgesamt fallende Tendenz. Würde die streitige Zahlung als Tantieme des Jahres 1965 beurteilt, so würde diese Tendenz umgekehrt werden, ohne daß dafür eine verständliche Erklärung ersichtlich wäre. Diese Überlegung spricht im Gegenteil sogar ebenfalls dafür, daß die Zahlung nicht allein auf das Jahr 1965 bezogen war.

Bei dieser Sachlage erscheint die Darlegung des Klägers, daß die Zahlung eine nachträgliche Entlohnung für besondere Aufbauleistungen früherer Jahre darstelle, nicht unglaubwürdig. Das Vorbringen, das von der Arbeitgeberin des Klägers ausdrücklich bestätigt worden ist, kann nach Auffassung des Senats auch nicht mit den weiteren Überlegungen des FG beiseite geschoben werden. Es ist keineswegs unglaubwürdig, daß Arbeitgeber erst eine gewisse Zeit, nachdem das ausgebaute Unternehmen eine Konsolidierung erreicht hat, daran denken, ihren darum verdienten Arbeitnehmern eine finanzielle Anerkennung zukommen zu lassen. Auch der Gesichtspunkt, daß das Unternehmen bei nachträglicher Betrachtung vielleicht doch in der Lage gewesen wäre, den nachträglich gezahlten Betrag schon in den früheren Jahren in Teilbeträgen aufzubringen, vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen, da erfahrungsgemäß in der Aufbauphase und der darauffolgenden Konsolidierungsphase die verfügbaren Mittel in erster Linie auf den Aufbau konzentriert zu werden pflegen. Schließlich vermag nach Auffassung des Senats angesichts der vom Arbeitgeber bestätigten schlüssigen Darlegungen des Klägers auch der Hinweis des FG, daß persönliche Bedürfnisse des Arbeitnehmers (wie der Kläger vermutet, im Streitfall etwa sein Hausbau) eine Rolle gespielt haben können, die Darlegungen des Klägers nicht auszuräumen. Selbst wenn persönliche Bedürfnisse eines Arbeitnehmers der auslösende Anlaß für besondere Leistungen seines Arbeitgebers gewesen sein sollten, so würde dies nicht ohne weiteres ausschließen, daß der Arbeitgeber damit zugleich Arbeitsleistungen vergangener Jahre nachträglich abgelten will.

Zur Rüge des Klägers, daß das FA die Gewinnzahlen der KG nicht hätte verwenden und mitteilen dürfen, braucht der Senat keine Stellung zu nehmen. Nachdem der Kläger in der Sache obsiegt, ist er insoweit jedenfalls nicht beschwert.

Die Vergünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG war hiernach dem Grunde nach anzuerkennen. Der Senat konnte jedoch nicht durcherkennen, weil wegen der Steuerberechnung durch Verteilung auf die Jahre 1956 bis 1958 noch weitere Feststellungen getroffen werden müssen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69599

BStBl II 1971, 802

BFHE 1972, 339

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