Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Verpflichtet sich der Erwerber eines Grundstücks, die auf das Grundstück entfallende Soforthilfeabgabe für den Veräußerer zu zahlen, so sind seine Leistungen keine einkommensteuerpflichtigen Einkünfte des Veräußerers.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 3, § 22/1

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.), ein Bauer, übereignete durch notariellen Vertrag vom 9. Dezember 1950 - mit Ausnahme einiger ihm selbst verbliebener Flächen - seinen Grundbesitz zu einem kleineren Teile seinem jüngeren Sohn A. und überließ den restlichen größeren Teil seinem ältesten Sohn B. mit der Maßgabe, daß er seinen Eltern einen Altenteil im Wert von jährlich 3.000 DM gewährte. Im § 6 des Vertrages vom 9. Dezember 1950 ist bestimmt:

"Es ist selbstverständlich, daß zu jedem Grundstück diejenigen Anteile vom Lastenausgleich und der Soforthilfe zu übernehmen sind, die bei einer entsprechenden Bewertung auf Grund des neu festzusetzenden Einheitswerts auf die entsprechenden Teile des Grundstücks entfällt. Jeder der Berechtigten, insbesondere der übernehmer für die ihm verbleibenden Teile des Erbhofes, der Bauer selbst für diejenigen Teile, die er behält, und A. für die von ihm übernommenen Parzellen hat demgemäß den entsprechenden Anteil von der Soforthilfe und dem bevorstehenden Lastenausgleich zu übernehmen und zu tragen."

Die Vorinstanzen sind bei der Festsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen 1951 davon ausgegangen, daß die von den Söhnen nach dieser Vereinbarung zu zahlende Soforthilfeabgabe steuerpflichtiges Einkommen des Vaters darstellt, und zwar eine Altenteilsleistung.

Hiergegen hat der Bf. eingewendet, daß seine Söhne die Bezahlung der Soforthilfeabgabe übernommen hätten, weil er weitere Leistungen als das Altenteil nicht erhalten habe. Die Zulässigkeit der übernahme der Soforthilfeabgabe ergebe sich auch aus § 23 des Soforthilfegesetzes, wonach eine teilweise Abwälzung der Soforthilfeabgabe von dem Grundeigentümer auf denjenigen möglich sei, dem wirtschaftlich die Nutzung zustehe.

Der Vertreter des Bf. hat ergänzend ausgeführt, daß er als Notar seit der Währungsumstellung kaum einen Kauf- oder einen mit einer Altenteilsübernahme verbundenen überlassungsvertrag beurkundet habe, ohne daß Soforthilfeabgabe und Lastenausgleich von dem Grundstückserwerber übernommen worden seien. Diese übernahme habe zur Folge, daß sich die Grunderwerbsteuer insoweit erhöhe, als ein Mehrfaches des Soforthilfeabgabe-Jahresbetrages als Teil des Kaufpreises zu der Kaufsumme hinzugesetzt werde. In keinem der genannten Fälle sei das Finanzamt bisher auf den Gedanken gekommen, in der übernahme der Soforthilfeabgabe und des Lastenausgleichs eine Altenteilsleistung zu sehen.

Die Berufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht hat ausgeführt, daß der Altenteilsvertrag ein contractus sui generis sei, der nicht in den Bereich der §§ 433 ff. BGB falle. Beim Kaufvertrag beruhe die Höhe des vereinbarten Kaufpreises auf einer von beiden Parteien erwogenen wertmäßigen Relation zur Kaufsache. Diese rechnerische überlegung gehöre nicht zum Wesen eines Altenteilsvertrages, der nach bäuerlicher Anschauung vom Gedanken der Versorgung der Familienmitglieder getragen sei. Die Vereinbarung werde selbstverständlich auch durch das Wertverhältnis der einzelnen Vermögenskomplexe bestimmt, jedoch nicht wie beim Kaufvertrag im Sinne des Austausches von Sachen gegen einen entsprechenden Gegenwert. Steuerlich gesehen hätten die Söhne Grundvermögen vom Bf. unentgeltlich erworben. Der Eigentumsübergang werde durch die den Söhnen gemachten Auflagen nicht zu einem ganz oder teilweise entgeltlichen Erwerb.

Nach alledem bedeute der von dem ältesten Sohn zu zahlende Teil der Soforthilfeabgabe nichts anderes als eine Erhöhung des Altenteils. Dieser Betrag müsse infolgedessen bei Festsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen den Einkünften des Bf. hinzugesetzt werden.

Der Sohn A. habe zwar seinem Vater gegenüber keine Altenteilslast übernommen. Er sei jedoch neben seinem Bruder Partner eines mit dem Bf. geschlossenen Vertrages, der eine altenteilsmäßige Versorgung der Eltern sicherstellen soll. Die von A. in Erfüllung dieser Schuldübernahme auf das Soforthilfeabgabekonto seines Vaters gezahlten Beträge hätten altenteilsähnlichen Charakter.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde des Steuerpflichtigen ist begründet.

Leidet das Verfahren des Finanzamts an wesentlichen Mängeln, so hat das Finanzgericht gemäß § 284 der Reichsabgabenordnung gleichwohl in der Sache zu entscheiden. Eine Zurückverweisung der Sache unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung ist nur aus besonderen Gründen, insbesondere zur Ersparung von Kosten, Arbeit oder Zeit zulässig.

Obwohl ein Verfahrensmangel des Finanzamts nicht vorliegt, hat das Finanzgericht die Sache an das Finanzamt zurückverwiesen. Da dies unzulässig war, muß die Vorentscheidung bereits aus diesem Grunde aufgehoben werden. Sie ist aber auch sachlich nicht frei von Rechtsirrtümern und unterliegt auch deshalb der Aufhebung.

Ein vertragliches Altenteilsrecht ist ein Inbegriff von dinglich gesicherten Nutzungen sowie Sach- und Dienstleistungen, die aus oder auf einem Grundstück zum Zwecke der allgemeinen leiblichen und persönlichen Versorgung des Berechtigten zu gewähren sind (vgl. die Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bf. 152 S. 104 und Bd. 162 S. 57 sowie Palandt "Bürgerliches Gesetzbuch", 11. Aufl. Bem. 2 b zu § 759 BGB). Die übernahme der Soforthilfeabgabe durch die Söhne des Bf. stellt weder eine Nutzung noch eine Sachdienstleistung im Sinne der vorstehenden Begriffsbestimmung dar. Die Befreiung des Bf. von der Soforthilfeabgabe dient nicht seiner "leiblichen und persönlichen Versorgung", was sich schon daraus ergibt, daß der Berechtigte von der Schuldübernahme - für sich allein - nicht leben könnte. Daß der Bf. infolge der übernahme der Abgabe durch seine Söhne wirtschaftlich besser gestellt ist, kann nicht zweifelhaft sein. Das ist aber eine mittelbare Folge der Schuldübernahme, die nicht anders zu beurteilen ist, wie die übernahme einer hypothekarisch gesicherten Forderung oder einer Amortisationshypothek durch den Erwerber eines Grundstücks. Mag man in dem notariellen Vertrag vom 9. Dezember 1950 einen entgeltlichen Vertrag (Kaufvertrag) oder eine Schenkung unter einer Auflage sehen, in jedem Falle stellen die von den Söhnen auf Grund der übernahme der Soforthilfeabgabe zu bewirkenden Leistungen bei dem Bf. kein Einkommen dar. Sie sind entweder Kaufpreisraten oder auf Grund der Auflage an einen Dritten zu bewirkende Leistungen. Sie stellen weder sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dar, noch fallen sie unter die anderen im § 2 Abs. 3 EStG aufgeführten Einkünfte. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird an das Finanzgericht zurückverwiesen, damit dieses unter Berücksichtigung der vorstehenden Rechtsausführungen erneut entscheidet. Wegen der auf dem Grundbesitz lastenden Umstellungsgrundschuld wird hierbei die Frage zu prüfen sein, inwieweit bei dem Bf. eine Anrechnung von Zinsen in Frage kommt. Vgl. auch §§ 105, 106, des Lastenausgleichsgesetzes.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407720

BStBl III 1953, 244

BFHE 1954, 637

BFHE 57, 637

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