Entscheidungsstichwort (Thema)

Globalkredite als Dauerschulden

 

Leitsatz (NV)

Globalkredite sind Dauerschulden i. S. des Gewerbesteuerrechts.

 

Normenkette

GewStG § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) stellt Maschinen her, die sie ins Ausland liefert.

Zur Finanzierung der Exportaufträge nahm die Klägerin bei der A-Bank in X einen Globalkredit in Höhe von . . . DM in Anspruch. Dieser wurde ihr von der A-Bank durch Schreiben vom 24. Oktober 1974 bis zum 17. Oktober 1976 eingeräumt. Dem Kredit wurden zunächst Ausfuhrgeschäfte im Wert von . . . DM zugrunde gelegt.

Der Kredit konnte sofort in Anspruch genommen werden. Die Inanspruchnahme erfolgte durch Diskontierung von Solawechseln, die von der Klägerin an Order der A-Bank ausgestellt und bei der A-Bank zahlbar waren. Die Abrechnung der Solawechsel wurde jeweils für 90 Tage im voraus zu dem jeweils gültigen Zinssatz vorgenommen.

Die Klägerin hatte der A-Bank vierteljährlich Sammelaufstellungen einzureichen, aus der sich u. a. Auftrags- und Lieferdatum, Auftragswert und Zahlungsbedingungen der einzelnen Geschäftsabschlüsse ergaben. Abgewickelte Aufträge waren in der folgenden Aufstellung abzusetzen und durch neue Geschäfte in etwa gleicher Höhe zu ersetzen.

Nach Abschnitt II des Schreibens vom 24. Oktober 1974 sollten in dem Auftragsnachweis möglichst solche Geschäfte aufgenommen werden, die nicht vor dem Ende des nächsten Quartals ausliefen. Die Restforderung sollte während des der Meldung folgenden Quartals nicht so weit absinken, daß die festgesetzte Selbstfinanzierungsquote von mindestens 30 v. H. nicht mehr gegeben war. Keinesfalls durften die zugrunde gelegten Aufträge den Kreditbetrag unterschreiten. War das Auftragsvolumen für den gewährten Kredit nicht mehr ausreichend, so mußte der in Anspruch genommene Betrag entsprechend vermindert werden.

Die A-Bank behielt sich das Recht vor, die Finanzierung von einzelnen Geschäften wegen besonderer Risiken auszuschließen.

Zur Sicherung aller Ansprüche aus dem Globalkredit übertrug die Klägerin der A-Bank mit dem Sicherungsvertrag vom 30. Oktober/7. November 1974 die Forderungen aus den dem Globalkredit zugrunde gelegten und zugrunde zu legenden Exportverträgen, die für diese Forderungen etwa haftenden Sicherheiten und etwaige Ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland aus Bürgschafts- und Garantieerklärungen. Die Klägerin blieb aber bis auf Widerruf berechtigt, die übertragenen Rechte - ggf. gerichtlich - im eigenen Namen geltend zu machen.

Die Klägerin hat im Streitjahr für den Globalkredit . . . DM Zinsen gezahlt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hat diese Zinsen bei Ermittlung des Gewerbeertrags gemäß § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) hinzugerechnet. Entsprechend wurde der Kredit der A-Bank von . . . DM bei Ermittlung des Gewerbekapitals gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG hinzugerechnet. Das FA setzte den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag 1975 auf . . . DM fest.

Der Einspruch blieb erfolglos. Auf die Klage setzte das Finanzgericht (FG) den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag auf . . . DM herab. Die hinzugerechneten Zinsen und der Kredit der A-Bank blieben dabei unberücksichtigt. Das FG führt aus: Nach den vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der A-Bank habe der Kredit sowohl bei der Begründung als auch bei der Abwicklung jeweils mit bestimmten Geschäftsvorfällen so in Verbindung gestanden, daß nicht von einer Dauerschuld gesprochen werden könne. Die A-Bank habe bei der Kreditzusage Geschäfte im Wert von insgesamt . . . DM zugrunde gelegt. Aus dieser genau errechneten Zahl werde deutlich, daß die Vertragsparteien bei Darlehensbegründung von ganz bestimmten, noch nicht bezahlten Lieferaufträgen ausgegangen seien. Die vierteljährlichen Sammelaufstellungen seien den Listen vergleichbar, die der Steuerpflichtige in dem vom Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 17. März 1959 I 171/58 U (BFHE 70, 131, BStBl III 1960, 49) entschiedenen Fall zu erstellen hatte.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG. Das FG habe zu Unrecht die Auffassung vertreten, daß Zinsen für einen Globalkredit nicht Dauerschuldzinsen seien. Auch die Hinzurechnung des Kredits als Dauerschuld im Rahmen des Kapitals sei zu Unrecht verneint worden. Globalkredite zur Finanzierung von Ausfuhren seien allgemein als Dauerschulden anzusehen.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Klägerin führt aus, das FG sei zutreffend davon ausgegangen, daß der Kredit der A-Bank nicht als Dauerschuld zu werten sei. Es seien jeweils nur bestimmte Kundenforderungen finanziert worden. Dem Fall, daß der eingehende Erlös dem kreditgebenden Gläubiger zustehe, müsse der Fall gleichstehen, in dem der eingehende Erlös entweder zur Finanzierung weiterer Ausfuhrgeschäfte verwendet oder zurückgezahlt werden müsse.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage.

1. Nach § 8 Nr. 1 GewStG i. d. F. des Streitjahres werden zur Berechnung des Gewerbeertrags dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die bei seiner Ermittlung abgezogenen Zinsen für Schulden wieder hinzugerechnet, die - bezogen auf den Streitfall - der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen. Dementsprechend sind nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG zur Berechnung des Gewerbekapitals dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs die bei seiner Ermittlung abgezogenen Verbindlichkeiten wieder hinzuzurechnen, die den Schuldzinsen i. S. des § 8 Nr. 1 GewStG entsprechen.

Schulden dienen der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals, wenn der Gegenwert der Schulden auf Grund ihrer tatsächlichen Laufzeit das Betriebskapital für längere Zeit verstärkt. Den Gegensatz dazu bilden die laufenden Verbindlichkeiten, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr eines Untenehmens entstehen, soweit sie in der nach Art des Geschäftsvorfalls üblichen Frist getilgt werden (BFH-Urteil vom 9. April 1981 IV R 24/78, BFHE 133, 67, BStBl II 1981, 481 mit weiteren Nachweisen).

Für die Unterscheidung von Dauerschulden i. S. von § 8 Nr. 1 und § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG einerseits und laufenden Verbindlichkeiten andererseits ist in erster Linie der ,,Charakter der Schuld" maßgeblich. Danach ist regelmäßig eine laufende Verbindlichkeit gegeben, wenn die Schuld mit nach der Art des Betriebs immer wiederkehrenden bestimmbaren Geschäftsvorfällen, insbesondere mit dem Erwerb und der Veräußerung von Umlaufvermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang steht (BFH-Urteile in BFHE 133, 67, BStBl II 1981, 481; vom 6. November 1985 I R 297/82, BFHE 146, 91, BStBl II 1986, 415). Der Zusammenhang mit dem einzelnen Geschäftsvorfall und dem in Anspruch genommenen Kredit muß vertraglich begründet und bei der Abwicklung des Kredits auch tatsächlich gewahrt werden (BFH-Urteile vom 25. Juli 1961 I 54/60 U, BFHE 73, 427, BStBl III 1961, 422; vom 23. Februar 1967 IV 344/65, BFHE 88, 134, BStBl III 1967, 322).

Dagegen sind allgemeine Geschäftskredite, d. h. Schulden, die insbesondere der Beschaffung des für das Unternehmen erforderlichen Anlagevermögens dienen, ihrem Charakter nach regelmäßig keine laufenden Verbindlichkeiten, sondern Dauerschulden, und zwar jedenfalls dann, wenn ihre Laufzeit 12 Monate übersteigt (BFHE 133, 67, BStBl II 1981, 481). Die lange Laufzeit des Kredits kann ein Anzeichen für die nicht nur vorübergehende Verstärkung des Betriebskapitals bilden, wenn unklar ist, ob ein Geschäftsvorfall als laufender einzuordnen ist (BFH-Urteile vom 18. Dezember 1986 I R 293/82, BFHE 149, 64, BStBl II 1987, 446; BFHE 133, 67, BStBl II 1981, 481). Eindeutig mit dem laufenden Geschäftsverkehr zusammenhängende Verbindlichkeiten sind nicht bereits deshalb Dauerschulden, weil ihre Laufzeit mehr als 12 Monate beträgt (BFH-Urteil vom 7. Juni 1989 X R 127/87, BFH/NV 1990, 391).

2. Die Auflösung eines einheitlich gewährten Kredits in einzelne, steuerlich für sich zu beurteilende Kreditgeschäfte ist nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) und des BFH nur zulässig, wenn ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Kreditgewährungen, den einzelnen Warengeschäften und deren Abwicklung festgestellt werden kann (RFH-Urteil vom 5. Dezember 1939 I 132/39, RStBl 1940, 27; BFHE 88, 134, BStBl III 1967, 322 mit weiteren Nachweisen). Der Zusammenhang muß von den Beteiligten vertraglich begründet und bei der Abwicklung des Geschäfts auch tatsächlich gewahrt werden. Ein derartiger wirtschaftlicher Zusammenhang kommt insbesondere darin zum Ausdruck, daß die Erlöse aus den kreditfinanzierten Geschäften zur Abdeckung des Kredits zu verwenden sind (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1986 IV R 185/83, BFHE 149, 248, 252, BStBl II 1987, 443 mit weiteren Nachweisen). Verbindlichkeiten aus einem allgemeinen Geschäftskredit, den eine Bank für längere Zeit bis zu einer bestimmten Höchstgrenze einräumt, sind demnach auch dann keine Schulden aus laufendem Geschäftsbetrieb, wenn die Beteiligten den Kredit zwar zur Finanzierung von Warengeschäften gewährt und aufgenommen haben, die enge wirtschaftliche Verknüpfung zwischen dem Kredit und den einzelnen Geschäften aber nicht gegeben und nicht nachprüfbar ist (BFH-Urteile vom 1. Dezember 1959 I 172/58 U, BFHE 70, 137, BStBl III 1960, 51; in BFHE 73, 427, BStBl III 1961, 422; BFHE 149, 248, BStBl II 1987, 443).

3. Das FG hat diese Grundsätze nicht zutreffend auf den Streitfall angewandt.

Der von der A-Bank der Klägerin gewährte Kredit war nicht ein Vollkredit zur Finanzierung von Ausfuhrgeschäften, sondern lediglich ein Teilkredit. Die Summe der Ausfuhrgeschäfte der Klägerin war stets höher als der von der A-Bank gewährte Globalkredit. Die Kreditsumme, die in ihrer Höhe stets gleichbleibend war, war von den einzelnen Ausfuhrgeschäften lediglich in der Weise abhängig, daß die Summe der Ausfuhrgeschäfte unter Berücksichtigung einer Eigenfinanzierung von mindestens 30 v. H. nicht unter den bewilligten Globalkredit von . . . DM sinken durfte. Bis zur Neubemessung am Quartalsende blieb die Kreditsumme in unveränderter Höhe bestehen. Sie wurde durch einzelne Liefergeschäfte während des Quartals weder gemindert noch erhöht. Zahlungen auf einzelne Ausfuhrgeschäfte beeinflußten bis zum Ende des Quartals nicht die Höhe des Globalkredits.

Bei einer derartigen Gestaltung handelt es sich nicht um Schulden des laufenden Geschäftsverkehrs. Der erforderliche Finanzierungszusammenhang bei der Abwicklung des Globalkredits ist mit den einzelnen Ausfuhrgeschäften nicht gewahrt. Im Streitfall wird der einzelne Warenkredit nicht für sich abgewickelt. Hierfür genügt die Abtretung der Forderungen aus den Ausfuhrgeschäften an den Kreditgeber nicht. Vielmehr ist Voraussetzung, daß die eingehenden Zahlungen aus den Warengeschäften unmittelbar zur Abdeckung des jeweiligen Kredits verwendet werden. Da der Globalkredit erst nach Eintritt der zuvor vereinbarten Fälligkeit getilgt wird, ist nicht festzustellen, welche Erlöse mit welchem Kredit zusammenhängen und ob der für ein bestimmtes Ausfuhrgeschäft aufgenommene Kredit innerhalb einer bestimmten Zeit abgedeckt worden ist (gl. A. Lenski / Steinberg, Gewerbesteuergesetz, 7. Aufl., § 8 Nr. 1 Rz. 33; Glanegger / Güroff, Gewerbesteuergesetz, § 8 Nr. 1 Anm. 49; Zitzelsberger, Der Betrieb 1983, 2709, 2712; ders., Grundlagen der Gewerbesteuer, Köln 1990, 254; Felder, StWK, Gr. 5, 153, 161; Herden, Betriebs-Berater - BB -, Beilage 9/1983, 4).

Der Senat vermag sich nicht der gegenteiligen Ansicht von Ulbrich (BB 1982, 1418) anzuschließen, der den Globalkrediten den Charakter von Dauerschulden abspricht, weil eine zweckfremde Verwendung der Globalkredite so gut wie ausgeschlossen sei. Eine derartige abstrakte Möglichkeit reicht nicht aus, um den Globalkredit als Schuld des laufenden Geschäftsverkehrs zu beurteilen. Der Streitfall kann auch - entgegen der Auffassung der Klägerin in der Revisionserwiderung - nicht einem Fall gleichgestellt werden, bei dem die Erlöse aus den kreditfinanzierten Geschäften zur Abdeckung des Kredits zu verwenden sind.

4. Der Globalkredit der A-Bank kann auch nicht deshalb als Schuld des laufenden Geschäftsverkehrs angesehen werden, weil mehrere Einzelkredite zur Finanzierung entsprechender Ausfuhrgeschäfte nicht als Dauerschulden beurteilt werden. Eine Gleichstellung von Globalkrediten und Einzelkrediten kann weder aus dem Gesetz noch der bisherigen Rechtsprechung abgeleitet werden, denn zwischen der Vereinbarung von Einzelkrediten und der Vereinbarung eines Globalkredits bestehen wesentliche rechtliche und wirtschaftliche Unterschiede.

 

Fundstellen

BFH/NV 1991, 186

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