Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuerpflicht von Schulden mit einer Laufdauer von mehr als 12 Monaten

 

Leitsatz (NV)

Mit dem laufenden Geschäftsverkehr zusammenhängende Verbindlichkeiten sind nicht bereits deshalb Dauerschulden, weil ihre Laufzeit mehr als 12 Monate beträgt.

 

Normenkette

GewStG § 8 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt einen Einzelhandel mit . . . maschinen. Den Absatz der Maschinen wickelt er in der Weise ab, daß er mit den Kunden einen als Mietkaufvertrag bezeichneten Vertrag abschließt. In diesem ist der ,,Gesamtpreis" und die einen Zinszuschlag enthaltende monatliche Miete angegeben. Nach Ablauf der Mietzeit soll das Gerät in das Eigentum des Mieters übergehen.

Jeweils nach Abschluß eines solchen Vertrages schließt der Kläger mit der Stadtsparkasse einen Darlehensvertrag in Höhe des im Mietkaufvertrag genannten Gesamtkaufpreises. Die Stadtsparkasse eröffnet für den Kredit ein gesondertes Darlehenskonto. Die ,,Mietkäufer" zahlen regelmäßig die Monatsraten unmittelbar auf dieses Darlehenskonto ein.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beurteilte die Verträge als ,,Ratenkaufverträge", die Mietzahlungen als Kaufpreisraten. Die Kredite der Sparkasse seien Dauerschulden i. S. des § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Dementsprechend erhöhte das FA bei der Festsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge für die Streitjahre 1980 bis 1982 die hinzugerechneten Dauerschulden und Dauerschuldzinsen.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) steht zwar jeder einzelne Kredit mit einem bestimmten Warenkauf im Zusammenhang; dieser bleibe bis zur Tilgung des Kredits gewahrt. Da aber das in § 8 Nr. 1 GewStG mit dem Tatbestandsmerkmal ,,vorübergehend" angesprochene Zeitmoment Bedeutung auch für die laufenden Geschäftsvorfälle habe, nähmen derart mit dem laufenden Geschäftsverkehr zusammenhängende Verbindlichkeiten allein wegen ihrer Laufzeit von mehr als 12 Monaten, wie sie im Streitfall vorliege, Dauerschuldcharakter an.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 8 Nr. 1 GewStG.

Er beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Gewerbesteuermeßbeträge 1980 auf . . . DM, 1981 auf . . . DM und 1982 auf . . . DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Gemäß § 8 Nr. 1 GewStG werden zur Berechnung des Gewerbeertrags dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die bei seiner Ermittlung abgezogenen Zinsen für Schulden wieder hinzugerechnet, die - bezogen auf den Streitfall - der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen. Dies ist grundsätzlich der Fall, wenn der Gegenwert der Schulden auf Grund ihrer tatsächlichen Laufzeit das Betriebskapital für längere Zeit verstärkt. Den Gegensatz dazu bilden die laufenden Verbindlichkeiten, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr eines Unternehmens entstehen, sofern sie in der nach Art des Geschäftsvorfalls üblichen Frist getilgt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. April 1981 IV R 24/78, BFHE 133, 67, BStBl II 1981, 481, mit weiteren Nachweisen).

Für die Unterscheidung von Dauerschulden i. S. von § 8 Nr. 1 GewStG einerseits und laufenden Verbindlichkeiten andererseits ist in erster Linie der ,,Charakter der Schuld" maßgeblich. Danach ist regelmäßig eine laufende Verbindlichkeit gegeben, wenn die Schuld mit nach der Art des Betriebs immer wiederkehrenden bestimmbaren Geschäftsvorfällen, insbesondere mit dem Erwerb und der Veräußerung von Umlaufvermögen im wirtschaftlichen Zusammenhang steht (BFH in BFHE 133, 67, BStBl II 1981, 481, mit weiteren Nachweisen). Der Zusammenhang mit dem einzelnen Geschäftsvorfall und dem in Anspruch genommenen Kredit muß vertraglich begründet und bei der Abwicklung des Kredits auch tatsächlich gewahrt werden (vgl. insbesondere BFH-Urteile vom 25. Juli 1961 I 54/60 U, BFHE 73, 427, BStBl III 1961, 422; vom 23. Februar 1967 IV 344/65, BFHE 88, 134, BStBl III 1967, 322).

Dagegen sind allgemeine Geschäftskredite, d. h. Schulden, die der Beschaffung des für das Unternehmen erforderlichen Anlagevermögens dienen, ihrem Charakter nach regelmäßig keine laufenden Verbindlichkeiten, sondern Dauerschulden, und zwar jedenfalls dann, wenn ihre Laufzeit 12 Monate übersteigt (BFH in BFHE 133, 67, BStBl II 1981, 481, mit weiteren Nachweisen). Die lange Laufzeit des Kredits kann ein Anzeichen für die nicht nur vorübergehende Verstärkung des Betriebskapitals bilden, wenn unklar ist, ob ein Geschäftsvorfall als laufender einzuordnen ist (BFH-Urteile vom 18. Dezember 1986 I R 293/82, BFHE 149, 64, BStBl II 1987, 446; in BFHE 133, 67, BStBl II 1981, 481 für einen Grenzfall zwischen Anlage- und Umlaufvermögen).

Entgegen der Ansicht des FG sind jedoch eindeutig mit dem laufenden Geschäftsverkehr zusammenhängende Verbindlichkeiten nicht bereits deshalb Dauerschulden, weil ihre Laufzeit mehr als 12 Monate beträgt. Das FG beruft sich zur Begründung seiner Entscheidung zu Unrecht auf das BFH-Urteil vom 12. Juni 1975 IV R 34/72 (BFHE 116, 386, BStBl II 1975, 784). Der BFH hat zwar in dieser Entscheidung die Ansicht vertreten, bestimmte Warenschulden mit einer Laufzeit von mehr als 12 Monaten könnten Dauerschuldcharakter annehmen. Er hat dies jedoch ausdrücklich für den Fall verneint, daß die längere Schuldentilgungsfrist bei der Art der Geschäfte üblich ist (Nr. 3 des Urteils). Der BFH hat diese Rechtsauffassung, die auch der herrschenden Meinung im Schrifttum entspricht (vgl. insbesondere Blümich / Hofmeister, Einkommensteuergesetz / Körperschaftsteuergesetz / Gewerbesteuergesetz, Rdnr. 49 ff. zu § 8 GewStG; Glanegger / Güroff, Gewerbesteuergesetz, Randnote 23 zu § 8 Nr. 1), im Urteil vom 6. Februar 1985 I R 81/81 (BFHE 143, 468, BStBl II 1985, 431) bestätigt. Entsprechende Regelungen haben die Finanzbehörden in Abschn. 47 Abs. 7 der Gewerbesteuer-Richtlinien 1984 getroffen; so ist nach Nr. 1 bei Leasinggeschäften ein Finanzierungszeitraum von bis zu sechs Jahren unschädlich.

2. Nach den unangefochtenen Feststellungen des FG standen die bei der Stadtsparkasse aufgenommenen Kredite in wirtschaftlichem Zusammenhang mit immer wiederkehrenden, bestimmbaren Geschäftsvorfällen; jeder einmalige Erwerbsvorgang war - im Unterschied zu den im Fall des Urteils in BFHE 133, 67, BStBl II 1981, 481 vorliegeden Leasinggeschäften - mit einem einmaligen Veräußerungsvorgang verknüpft. Bei den Maschinen handelte es sich zudem eindeutig um Umlaufvermögen. Dementsprechend war die Laufzeit der vom Kläger aufgenommenen Kredite von mehr als 12 Monaten nicht allein entscheidend für die Annahme einer Dauerschuld. Maßgebend ist vielmehr, ob die längere Schuldentilgungsfrist bei der Art der Geschäfte allgemein üblich ist.

Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat - nach seiner Rechtsansicht zutreffend - keine Feststellungen getroffen, die es dem Senat erlauben, abschließend darüber zu befinden, ob der Kläger die Kredite in der bei der Art der Geschäfte branchenüblichen Tilgungsfrist zurückgezahlt hat. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die erforderlichen Feststellungen nachholen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416482

BFH/NV 1990, 391

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge