Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Errichtet ein Bauunternehmer auf eigenem Betriebsgrundstück für eigene Wohnzwecke ein Einfamilienhaus, so ist der Eigenverbrauch, soweit er die Herstellung des Hauses betrifft, in der Regel nicht nach § 4 Ziff. 9 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Gegenstand des Eigenverbrauches ist regelmäßig nicht nur der Rohbau, sondern das schlüsselfertige Haus. Besteuerungsmaßstab ist der Wiederverkäufer-Einkaufspreis, der erforderlichenfalls zu schätzen ist.

 

Normenkette

UStG § 1 Ziff. 2, § 1/1/2, § 4 Ziff. 9, § 4/8, § 5 Abs. 1 S. 3, § 10/5

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige (Stpfl.) ist Diplom-Architekt und Bauunternehmer. Er betreibt in X. ein Architekturbüro einschließlich Bauberatung und eine Unternehmung für neuzeitlichen Hoch-, Tief- und Betonbau.

Der Stpfl. hat in den Jahren 1952 und 1953 auf einem Teil des in seiner Bilanz ausgewiesenen Grund und Bodens in unmittelbarer Nähe seines Betriebsgebäudes ein als Einfamilienhaus bewertetes und von ihm allein bewohntes Haus errichtet. Bei der Fertigstellung des Gebäudes über den Rohbau hinaus hat er sich selbständiger Bauhandwerker bedient.

Streitig ist für das Kalenderjahr 1952

ob dieser Vorgang, der von den Parteien übereinstimmend als Eigenverbrauch angesehen wird,

eine nach § 4 Ziff. 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) insgesamt steuerfreie Entnahme von Grund und Boden einschließlich des darauf errichteten Einfamilienhauses oder

eine nach § 4 Ziff. 9 UStG steuerfreie Entnahme von Grund und Boden und eine sich anschließende steuerpflichtige Errichtung des Einfamilienhauses darstellt;

ob im Falle 1 b) der Eigenverbrauch die Errichtung

nur des Rohbaues oder

des gesamten, schlüsselfertigen Wohnhauses umfaßt;

ob als Besteuerungsmaßstab

der Herstellungsaufwand oder

ein darüber liegender Betrag, der auch die Fertigungsgemeinkosten, die allgemeinen Verwaltungskosten und den Gewinn berücksichtigt, in Betracht kommt. Finanzamt und Finanzgericht haben die unter 1 b) und 2 b) dargestellten Ansichten vertreten. Während das Finanzamt bei der Bemessung des Eigenverbrauchs den für 1952 auf 53.500 DM geschätzten Teilwert des Einfamilienhauses zugrunde gelegt hat, ist das Finanzgericht von den im Jahre 1952 mit 48.263,52 DM angefallenen Herstellungskosten des Hauses als Besteuerungsmaßstab ausgegangen. Das Finanzgericht hat demgemäß die Umsatzsteuer des Stpfl. für 1952 von 26.324,65 DM auf 26.115,20 DM herabgesetzt.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird unter Darlegung des Standpunktes oben zu 1a) in erster Linie Befreiung des streitigen Umsatzes von der Umsatzsteuer, hilfsweise unter Darlegung des Standpunktes oben zu 2a) Erstreckung des Eigenverbrauchs nur auf den Rohbau beantragt.

Der Vorsteher des Finanzamts hat Anschlußbeschwerde eingelegt und unter Darlegung des Standpunktes oben zu 3b) die Heraufsetzung der Umsatzsteuer auf den im endgültigen Umsatzsteuerbescheid für 1952 ausgewiesenen Steuerbetrag beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. muß ohne Erfolg bleiben. Die Anschlußbeschwerde ist begründet.

Wenn ein Bauunternehmer auf einem zu seinem Betriebsvermögen gehörenden Grundstück für Eigenwohnzwecke ein Einfamilienhaus errichtet, so tätigt er einen steuerbaren Eigenverbrauch im Sinne des § 1 Ziff. 2 UStG. Unterstellt man, daß die Entnahme des Betriebsgrundstückes für unternehmensfremde Zwecke erst nach Fertigstellung des Gebäudes stattfindet, so ist der gesamte Eigenverbrauch gemäß § 4 Ziff. 9 UStG umsatzsteuerfrei, weil das Gebäude als Bestandteil des Grundstückes dessen steuerliches Schicksal teilt. Nimmt man dagegen an, daß die Bebauung erst nach der Entnahme des Grund und Bodens erfolgt, so kommt für die Errichtung des Gebäudes eine Befreiung von der Umsatzsteuer nicht in Betracht, weil eine entsprechende Werklieferung an einen Dritten ebenfalls nicht umsatzsteuerfrei wäre. Der Reichsfinanzhof hat im Urteil V 131/40 vom 17. Oktober 1941 (RStBl 1942 S. 51) ausgeführt, es sei anzunehmen, daß bei Errichtung eines Hauses für private Zwecke des Unternehmers das Grundstück schon mit dem Baubeginn entnommen, das Haus also auf einem Privatgrundstück errichtet werde. Der andere Standpunkt sei nur gerechtfertigt, wenn besondere Umstände dafür sprächen. Der Senat sieht keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Der Unternehmer, der auf einem bislang zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstück für eigene Wohnzwecke ein Einfamilienhaus errichten will, bringt diesen Willen spätestens in dem Zeitpunkt zum Ausdruck, in dem er nach seinen Bauplänen mit dem Bauen beginnt. Es entspricht einer natürlichen Betrachtungsweise, anzunehmen, daß der Unternehmer spätestens in diesem Zeitpunkt das Baugelände (einschließlich Nebengelände) aus seinem Betriebsvermögen in sein Privatvermögen überführt.

Umstände, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen, sind im Streitfalle nicht ersichtlich. Wie der Stpfl. den Grund und Boden vom Baubeginn bis zur Baubeendigung buchmäßig behandelt hat, ist ohne Bedeutung, weil bei der Umsatzbesteuerung von den tatsächlichen Gegebenheiten auszugehen ist. Aus demselben Grunde ist es belanglos, daß der Betriebsprüfer, der die Besteuerung so, wie sie vom Finanzamt durchgeführt wurde, in seinem Betriebsprüfungsbericht vorgeschlagen hatte, in seiner Prüferbilanz das Baugelände fälschlicherweise nicht ausgebucht hat. Tatsachen, aus denen auf eine ausnahmsweise Entnahme erst nach erfolgter Bebauung des Grundstücks geschlossen werden könnte (z. B. das Haus war ursprünglich von einem fremden Bauherrn bestellt, der später zugunsten des Bauunternehmers verzichtet hat), sind vom Stpfl. nicht vorgebracht worden.

Die Frage nach dem Umgang des Eigenverbrauches in den Fällen, in denen ein Bauunternehmer bei der Errichtung eines Hauses für eigene Wohnzwecke nur die Rohbauarbeiten (Maurerarbeiten) selbst vornimmt, während er die sogenannten Baunebenarbeiten (Zimmer-, Dachdecker-, Klempner-, Installateur- usw. Arbeiten) durch fremde Unternehmer ausführen läßt, hat bereits der Reichsfinanzhof dahin entschieden, daß Gegenstand des Eigenverbrauches grundsätzlich der Gesamtbau sei. In einem solchen Falle stelle der Bauunternehmer das Haus vollständig her, indem er einen Teil der Arbeiten selbst ausführe, einen anderen Teil durch selbständige Erfüllungsgehilfen ausführen lasse. Bei Lieferung des Bauwerkes an einen zahlenden dritten Auftraggeber würde man bei dieser Sachlage von einem Gesamtunternehmen (einer Generalinterprise) sprechen können (Urteil des Reichsfinanzhofs V 513/38 vom 8. November 1940, RStBl 1941 S. 15). Der Bundesfinanzhof schließt sich dieser Rechtsprechung an. Im Falle des Eigenverbrauches ist der Bauunternehmer gleichzeitig Hersteller (Lieferant) und Besteller (Abnehmer) des Gebäudes; er bestellt das Haus gewissermaßen als Privatmann bei sich als Unternehmer. Es ist natürlich, daß hierbei der Bauunternehmer - vom Standpunkt sowohl des Herstellers als auch des Bestellers aus gesehen - das Haus in seiner Gesamtheit, also schlüsselfertig, in Betracht zieht, auch wenn er Bauhandwerker zur Herstellung heranzieht. Diese beauftragt er nicht als Privatmann, sondern als Unternehmer.

Der Streitfall gibt Anlaß, zweierlei klarzustellen:

Gegenstand des Eigenverbrauches ist das schlüsselfertige Gebäude auch dann, wenn der Bauunternehmer sonst im Wirtschaftsleben niemals als Generalunternehmer auftritt, sondern stets nur Rohbauarbeiten übernimmt. Nach § 1 UStG vollzieht sich auch der Eigenverbrauch im Rahmen des Unternehmens. Ein Rohbauunternehmer kann daher außer durch eine Lieferung auch durch einen Eigenverbrauch den Rahmen seines Unternehmens auf die Herstellung schlüsselfertiger Häuser ausdehnen. Schon der erste Umsatz dieser Art unterliegt der Umsatzsteuer.

auch wenn der Bauunternehmer nicht über die Einrichtungen und das Personal verfügt, um außer Rohbauten auch schlüsselfertige Bauten aus eigener Kraft zu errichten, erstreckt sich der Eigenverbrauch auf das fertige Gebäude. Denn er kann sich jederzeit zur Erstellung und Lieferung eines solchen Gebäudes im eigenen Namen verpflichten und dieser Verpflichtung durch Hinzuziehung selbständiger Bauhandwerker als Erfüllungsgehilfen nachkommen.

Im vorliegenden Falle bedarf es eines näheren Eingehens auf diese beiden Fragen nicht, weil der Stpfl. unstreitig schon in früheren Jahren zwei Aufträge auf Errichtung von Fertighäusern ausgeführt und in späteren Jahren des öfteren solche Häuser erstellt hat. Es spielt keine Rolle, daß die beiden ersten Aufträge unbedeutend waren; denn die Frage des nachhaltigen Tätigwerdens eines Unternehmers hängt nicht von dem Umfange des einzelnen Umsatzes ab. Durch die Errichtung schlüsselfertiger Häuser für fremde Besteller und für sich selbst hat der Stpfl. bewiesen, daß er die Fähigkeit besitzt, sich als Generalunternehmer zu betätigen, d. h. die Gesamtausführung eines Bauwerkes unter Hinzuziehung von Subunternehmern für die Arbeiten der Baunebengewerbe zu übernehmen. Diese Fähigkeit beruht mehr auf Organisationstalent und praktischen Erfahrungen als auf einer akademischen Ausbildung. Die Ausführungen des Stpfl. über eine angeblich ungleichmäßige steuerliche Behandlung akademisch ausgebildeter und akademisch nicht ausgebildeter Bauunternehmer gehen daher fehl.

Besteuerungsmaßstab für den Eigenverbrauch ist nach § 5 Abs. 1 Satz 3 UStG der Preis, der am Ort und zur Zeit der Entnahme für Gegenstände der gleichen oder ähnlichen Art von Wiederverkäufern gezahlt zu werden pflegt (Wiederverkäufer-Einkaufspreis). Ist der Eigenverbraucher Hersteller des entnommenen Gegenstandes, so ist Besteuerungsmaßstab für den Eigenverbrauch nicht die Summe der für den Gegenstand aufgewendeten Herstellungskosten, sondern der Preis, den der nächste Unternehmer in der Umsatzkette für den Gegenstand aufzuwenden bereit ist. Besteht - wie das bei Gebäuden die Regel ist - kein Wiederverkäufer-Einkaufspreis, weil der entnommene Gegenstand individueller Art ist und infolge dessen keinen Marktpreis hat, so muß ein (fingierter) Widerverkäufer- Einkaufspreis geschätzt werden. Dieser kann in Ausnahmefällen mit den Herstellungskosten übereinstimmen oder sogar darunter liegen, z. B. dann, wenn der Bauunternehmer verkalkuliert hat oder wenn das Gebäude für Dritte einen nur geringen Wert besitzt. In der Regel wird man, um zu dem (fiktiven) Wiederverkäufer- Einkaufspreise zu kommen, zu den Herstellungskosten (Materialkosten, produktive Löhne, Handwerkerrechnungen) Fertigungsgemeinkosten, allgemeine Verwaltungskosten und einen angemessenen (niedrigen) Gewinnaufschlag, der sich auch auf die Rechnungen der vom Bauunternehmer herangezogenen Bauhandwerker zu erstrecken hat, hinzurechnen müssen.

Mit Recht hat die Vorinstanz es bemängelt, daß das Finanzamt in Anlehnung an den Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 24. Juli 1944 - S 2137 - 13 III - S 4200 - 439 III (RStBl 1944 S. 521) ohne weiteres den Teilwert als Besteuerungsmaßstab angewendet hat. Denn abgesehen davon, daß der Teilwert, der bei der Gewinnermittlung für die Privatentnahmen anzusetzen ist, keineswegs immer mit dem Wiederverkäufer-Einkaufspreis übereinstimmt und der Erlaß des Reichsministers der Finanzen für die Rechtsmittelbehörden nicht bindend ist, berechtigt der Erlaß nur die Unternehmer, nicht dagegen die Finanzverwaltungsbehörden, den Teilwert zu wählen. Außerdem ist für den Teilwertbegriff im Streitfalle deshalb kein Raum, weil das vom Stpfl. errichtete Einfamilienhaus - wie oben ausgeführt - nicht zu seinem Betriebsvermögen, sondern zu seinem Privatvermögen gehört.

Der Senat trägt jedoch kein Bedenken als (fingierten) Wiederverkäufer-Einkaufspreis im Schätzungswege denselben Betrag anzusetzen, den das Finanzamt für das Jahr 1952 als Teilwert angenommen hat (53.500 DM). Dieser Betrag liegt nur um rund 10,8 v. H. über dem im Jahre 1952 bei der Errichtung des Hauses erwachsenden Herstellungsaufwand (48.264 DM). Auch bei voller Berücksichtigung der vom Stpfl. vorgetragenen Gründe für einen niedrigeren Ansatz des Wertes des erstellten Hauses (insbesondere unmittelbare Nähe des Bauhofes) ist anzunehmen, daß durch den Unterschiedsbetrag von 5.236 DM die nach den obigen Ausführungen zu den Herstellungskosten hinzuzurechnenden Kosten und Aufschläge kaum gedeckt werden.

Es war daher die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen und auf die Anschlußbeschwerde hin der endgültige Umsatzsteuerbescheid des Finanzamts für das Kalenderjahr 1952 vom 7. März 1956 wiederherzustellen.

 

Fundstellen

BStBl III 1959, 396

BFHE 1960, 362

BFHE 69, 362

StRK, UStG:1/2 R 6

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