Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, inwieweit bei einem Rohbauunternehmer, der ein Einfamilienhaus zu eigenen Wohnzwecken erstellt, Eigenverbrauch vorliegt.

 

Normenkette

UStG § 1 Ziff. 2, § 1/1/2

 

Tatbestand

Der Bf. unterhält als selbständiger Maurermeister einen Handwerksbetrieb. Im Jahre 1956 errichtete er auf einem nicht zu seinem Betriebsvermögen gehörenden Grundstück ein Einfamilienhaus, das er ausschließlich mit seiner Familie bewohnt. Hierbei wurde von ihm selbst der Rohbau des Hauses erstellt, während die sonstigen für die Herstellung erforderlichen Arbeiten von fremden Unternehmern ausgeführt wurden. Die Herstellungskosten des Hauses errechnete der Bf. für das Jahr 1956 mit 33.969 DM und für das Jahr 1957 mit weiteren 2.111 DM.

Für die Jahre 1956 und 1957 erklärte der Bf. seine Umsätze ohne Berücksichtigung eines Eigenverbrauchs, während das Finanzamt für 1956 einen Eigenverbrauch von 33.969 DM und für 1957 einen solchen von 2.111 DM dem Umsatz hinzurechnete und jeweils mit 4 % der Umsatzsteuer unterwarf.

Der Einspruch des Bf. hatte keinen Erfolg. Mit seiner Berufung machte der Bf. geltend, er sei selbständiger Maurermeister und nicht Bauunternehmer. Er habe immer nur Rohbauten hergestellt, nicht aber schlüsselfertige Häuser. Selbst die Baumaterialien würden bei seinen Aufträgen meistens von dem Bauherrn besorgt. Als Eigenverbrauch könnten ihm nur seine Aufwendungen für Löhne und die Materialaufwendungen zur Erstellung des Rohbaues angesetzt werden. Die sonstigen, für die schlüsselfertige Herstellung erforderlichen Arbeiten anderer Unternehmer dürften ihm dagegen nicht als Eigenverbrauch zugerechnet werden, weil er solche Arbeiten für dritte Personen niemals ausführe und auch nicht als Generalunternehmer besorge. Die Beurteilung des Eigenverbrauchs müsse aber von den gewöhnlichen Geschäftsgepflogenheiten eines Unternehmers ausgehen und dürfe nicht einen ganz anderen Geschäftsbereich zugrunde legen.

Das Finanzgericht hat die Berufung unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhof V 49/57 U vom 7. August 1959 (BStBl 1959 III S. 396, Slg. Bd. 69 S. 362) zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidungen des Finanzamts vom 11. März 1960.

Streitig ist lediglich der Umfang des vom Bf. getätigten Eigenverbrauchs. Bei einem Rohbauunternehmer, der für Eigenwohnzwecke ein Einfamilienhaus errichtet, geht es dabei um die Frage, ob lediglich der Rohbau oder aber das schlüsselfertige Gebäude Gegenstand des Eigenverbrauchs ist. § 1 Ziff. 2 UStG stellt den Eigenverbrauch den Lieferungen und sonstigen Leistungen umsatzsteuerrechtlich deswegen gleich, weil der Unternehmer, der seinem Unternehmen Gegenstände für betriebsfremde Zwecke entnimmt, nicht besser gestellt sein soll als ein anderer Unternehmer, der Lieferungen an Dritte erbringt. Die umsatzsteuerrechtlich gleiche Behandlung von Eigenverbrauch einerseits und Lieferungen und sonstigen Leistungen andererseits läßt erkennen, daß für die Bestimmung des Umfangs des Eigenverbrauchs und der Lieferungen und sonstigen Leistungen die gleichen Grundsätze zu gelten haben. Ein Unternehmer kann an dritte Personen nur Lieferungen erbringen, die im Rahmen seines Betriebs bewirkt werden können. Auch der Gegenstand des Eigenverbrauchs kann - wendet man die gleichen Grundsätze an - nur das umfassen, was im Gewerbe des Unternehmers an Lieferungen und sonstigen Leistungen möglich ist. Bei einem Rohbauunternehmer, der für Eigenwohnzwecke ein Einfamilienhaus errichtet, kann als Gegenstand des Eigenverbrauchs nur in Betracht kommen, was auch als Gegenstand von Werklieferungen an dritte Personen üblicherweise geleistet wird. Wenn ein Bauunternehmer bisher schlüsselfertige Einfamilienhäuser weder selbst errichtet hat noch als Generalunternehmer aufgetreten ist, dann erstreckt sich auch sein Eigenverbrauch im Falle der Errichtung eines Eigenwohnzwecken dienenden Einfamilienhauses nicht auf das schlüsselfertige Gebäude, sondern lediglich auf den von ihm erstellten Rohbau. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß ein Rohbauunternehmer durch einen Eigenverbrauch den Rahmen seines Unternehmens auf die Herstellung schlüsselfertiger Einfamilienhäuser ausdehnt.

Soweit in dem Urteil des Senats V 49/57 U vom 7. August 1959 (a. a. O.) eine andere Auffassung zum Ausdruck kommt, hält der Senat daran nicht mehr fest. Die wirtschaftliche Entwicklung hat dazu geführt, daß insbesondere bei kleineren Bauunternehmen die Generalunternehmerschaft nur noch selten ausgeübt wird. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle führen Bauunternehmer nur die Rohbauarbeiten durch. Das Ausbaugewerbe, das weitgehend ebenfalls dem Bauhauptgewerbe zuzuordnen ist, tritt in eigene Vertragsbeziehungen zu den Bauherren. Kleinere Bauunternehmer haben auch nicht die Fachkenntnisse, die durch die hohen Anforderungen moderner technischer Anlagen und Verfahren an das Ausbaugewerbe gestellt werden. Es entspricht darum auch den wirtschaftlichen Gegebenheiten, daß ein Rohbauunternehmer in aller Regel nicht als Generalunternehmer auftritt (vgl. hierzu Honigmann in "Der Betriebs-Berater" 1961 S. 442).

Gegenstand des Eigenverbrauchs des Bf. ist nur der von ihm selbst hergestellte Rohbau seines Einfamilienhauses, denn der Bf. hat bisher schlüsselfertige Einfamilienhäuser nicht hergestellt und ist in keinem Falle als Generalunternehmer aufgetreten. Da der Bf. als Maurermeister erstmalig und wahrscheinlich letztmalig ein privates Einfamilienhaus errichtete und hierbei selbst nur die Maurerarbeiten ausführte, während er alle anderen Arbeiten selbständigen Handwerkern übertrug, würde es den wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht entsprechen, wollte man eine Ausweitung seines Unternehmens allein durch den Eigenverbrauch annehmen.

Die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidungen des Finanzamts sind deshalb aufzuheben. Nur zur Berechnung der Umsatzsteuer 1956 und 1957 wird die Sache an das Finanzamt zurückverwiesen. Die übertragung der Entscheidung über die Kosten des gesamten Rechtsmittelverfahrens und der Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes beruhen auf §§ 320 Abs. 3, 318 Abs. 2 AO. Bei der Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes wird das Finanzamt zu beachten haben, daß der Bf. sich weder im Einspruchs- oder Berufungsverfahren noch in der Rb. dagegen gewandt hat, daß Gegenstand seines Eigenverbrauchs der von ihm hergestellte Rohbau ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411012

BStBl III 1964, 55

BFHE 1964, 142

BFHE 78, 142

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