Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerb eines unbebauten Grundstücks und teilweise Bebauung innerhalb der Verwendungsfrist

 

Leitsatz (NV)

Die (frühere landesrechtliche) Grunderwerbsteuerbefreiung für Grundstückserwerbe zur Bebauung erfaßt nicht notwendigerweise in vollem Umfang das Grundstück im Rechtssinn. Nichtbebaute Umgriffsflächen sind nur begünstigt, wenn sie unmittelbar für die Errichtung oder Nutzung der Wohnungen erforderlich oder doch zumindest förderlich sind.

 

Normenkette

GrEStG WoBauG NW § 1 Nr. 1; GrEStG WoBauG NW § 1a

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb durch notariell beurkundeten Vertrag vom Oktober 1981 ein rechtlich noch zu bildendes Grundstück (Teilfläche eines bestehenden Grundstücks). Die erworbene Teilfläche besaß eine Größe von ca. 6000 qm. Katastertechnisch war sie mit Flur..., Flurstück Nr. 66 bezeichnet. Sie wurde in der Folge katastertechnisch in zwei Flurstücke (Flurstück Nr. 95 mit 3,42 ar und Nr. 96 mit 56,9 ar) aufgeteilt. Danach erklärten die Vertragsparteien durch notariell beurkundete Erklärungen die Auflassung.

Die Klägerin veräußerte dann die Parzelle Flurstück Nr. 95 an die Stadt als Straßenland weiter. Die Parzelle Flurstück Nr. 96 wurde katastertechnisch weiter aufgeteilt in folgende (neue) Flurstücke:

Nr. 98 für Haus 1 und 2

Nr. 99 für Haus 3

Nr. 100 für Haus 4

Nr. 101 und Nr. 105 für Haus 5

Nr. 106 für Haus 6

Nr. 103 für Haus 7

Nr. 104 für Haus 8.

In der Folge wurden die Grundstücksparzellen mit Häusern bebaut, die zu Wohnzwecken dienen. Die Häuser 1 bis 4 wurden bis zum Jahre 19.., die Häuser 5 und 6 in den Jahren 19.. und 19.. und die Häuser 7 und 8 im Jahre 1990 fertiggestellt. Es erfolgte eine Aufteilung in Eigentumswohnungen.

Für den Erwerb vom Oktober 1981 beantragte die Klägerin Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 1 des damals geltenden Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau (GrEStWoBauG). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) entsprach diesem Antrag und stellte den Erwerb vorläufig von der Steuer frei und erteilte die Unbedenklichkeitsbescheinigung. Durch Bescheid vom 12. November 1987 setzte das FA gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer und einen Zuschlag fest. Es war der Auffassung, daß der begünstigte Zweck nur für einen Teil des Grundstücks erfüllt worden sei. Hinsichtlich der Parzellen 95, 99, 103, 104 und 106 liege keine fristgemäße Verwendung zum begünstigten Zweck vor. Der Grundstückserwerb sei daher nur anteilig von der Steuer befreit. Dem dagegen gerichteten Einspruch gab das FA teilweise statt. Es vertrat die Auffassung, daß die Grunderwerbsteuer lediglich hinsichtlich der Parzellen 103 und 104 nach § 3 GrEStWoBauG nachzuerheben sei, da (nur) diese Grundstücke nicht innerhalb der Frist bebaut worden seien.

Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser wurde im wesentlichen geltend gemacht, daß es nicht zulässig sei, die beim Erwerb noch nicht vermessenen Parzellen 103 und 104 hinsichtlich der Steuervergünstigung als selbständige Grundstücke zu werten und deshalb die Voraussetzungen der Steuerfreiheit für diese Grundstücke jeweils gesondert zu beurteilen. Für den Umfang der Steuerbefreiung komme es nach § 1a i.V.m. § 2 GrEStWoBauG nur darauf an, daß innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums 1/12 der Grundfläche überbaut werde. Die überbaute Fläche der 6032 qm großen Grundfläche betrage (innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums) 1330 qm und übertreffe damit bei weitem das erforderliche Zwölftel der Grundfläche, nämlich 502,67 qm.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 GrEStWoBauG werde die Grunderwerbsteuer nacherhoben, wenn das Grundstück nicht innerhalb von fünf Jahren nach Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung von dem Erwerber zu dem steuerbegünstigten Zweck verwendet werde. Der Kaufvertrag vom Oktober 1981 unterliege nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des damals geltenden Nordrhein-Westfälischen Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) der Steuer. Nach § 1 Nr. 1 GrEStWoBauG sei der Erwerb eines unbebauten Grundstücks von der Grunderwerbsteuer freigestellt, wenn der Erwerb zum Zwecke der Errichtung eines Gebäudes vorgenommen werde, dessen anrechenbare Grundfläche aller Räume zu mehr als 662/3 v.H. auf steuerbegünstigte Wohnungen und Wohnräume entfalle. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei diese Voraussetzung für die Parzellen Nr. 103 und 104 nicht erfüllt. Dieser Teil des Grundstücks sei erst nach Ablauf der Verwendungsfrist bebaut worden.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Zu Recht hat das FG entschieden, daß der Erwerb der Klägerin nur in dem vom FA angenommenen Umfang von der Grunderwerbsteuer befreit ist.

Der Kaufvertrag vom Oktober 1981 unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Zutreffend hat das FA die Grunderwerbsteuer für diesen Erwerb teilweise nacherhoben, da das Grundstück innerhalb der gesetzlichen Frist nicht in vollem Umfang zu dem begünstigten Zweck verwendet wurde. Nach § 1 Nr. 1 GrEStWoBauG ist von der Grunderwerbsteuer befreit der Erwerb eines unbebauten Grundstücks zur Errichtung eines Gebäudes, dessen anrechenbare Grundfläche aller Räume zu mehr als 66 2/3 v.H. auf Wohnungen und Wohnräume entfällt, die grundsteuerbegünstigt oder als steuerbegünstigt anzuerkennen sind. Wird das Grundstück innerhalb von fünf Jahren nicht zu diesem begünstigten Zweck verwendet, so ist die Grunderwerbsteuer nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 GrEStWoBauG nachzuerheben. Wird das Grundstück innerhalb der gesetzlichen Frist nur teilweise zu dem begünstigten Zweck verwendet, so ist die Grunderwerbsteuer für den Erwerb, der die nicht begünstigte Fläche betrifft, anteilmäßig nachzuerheben (vgl. z.B. Senatsurteil vom 15. Dezember 1970 II 96-97/65, BFHE 101, 558, BStBl II 1971, 370).

Im Streitfall wurden die Flächen der Parzellen Nr. 103 und 104 innerhalb der Frist selbst nicht zu dem begünstigten Zweck verwendet. Eine volle Steuerbefreiung für den Erwerb der Klägerin käme daher nur dann in Betracht, wenn die innerhalb der Frist erfolgte Verwirklichung des begünstigten Zwecks durch Errichtung von Wohngebäuden auf den anderen Grundstücksteilen diese Teilflächen mit erfaßte. Dies ist grundsätzlich möglich.

Die Steuerbefreiung nach § 1 Nr. 1 GrEStWoBauG erfaßt nicht (notwendigerweise) in vollem Umfang das Grundstück i.S. von § 2 GrEStG, das Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist. Die Steuerbefreiung ist nach § 1a Abs. 1 Satz 1 GrEStWoBauG vielmehr beschränkt auf die bebaute Fläche des Grundstücks und auf die dazugehörigen Hofräume und Hausgärten. Diese grundsätzlich begünstigungsfähige Fläche ist nach Satz 2 der Vorschrift größenmäßig beschränkt auf das Zwölffache der bebauten Fläche. Von dieser größenmäßigen Begrenzung läßt Satz 3 der Vorschrift Unterausnahmen zu. Diese Regelung des Umfangs der Steuerbefreiung darf nicht dahin mißverstanden werden, daß nichtbebaute Umgriffsflächen - abgesehen von der größenmäßigen Begrenzung - ohne Rücksicht auf ihre Verwendung oder Nutzung stets und ohne weiteres begünstigt wären. Voraussetzung ist nach dem Wortlaut der Vorschrift vielmehr stets, daß es sich um dazugehörige Hofräume oder Hausgärten handelt. Zwar wird die Begünstigung über den Wortlaut der Vorschrift hinaus auch andere (nicht bebaute) Grundstücksteile erfassen, die im Zusammenhang mit den steuerbegünstigten Wohnungen und Wohnräumen stehen. Voraussetzung muß jedoch sein, daß auch diese Flächen unmittelbar für die Errichtung oder Nutzung der Wohnungen erforderlich oder doch zumindest förderlich sind (vgl. Senatsurteil vom 21. Novmber 1979 II R 146/76, BFHE 129, 213, 216, BStBl II 1980, 132). Nur dann handelt es sich um dazugehörige Flächen. Flächen, die zu anderen Zwecken (z.B. Parkplatz für ein anderes Grundstück) oder gar nicht genutzt (Unland) werden, fallen daher von vornherein nicht unter die Begünstigung. Dazu bedarf es keines Rückgriffs auf die Beschränkung auf das Zwölffache der bebauten Grundfläche.

Ausgehend von diesen Grundsätzen erstreckt sich im Streitfall die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 1a Abs. 1 GrEStWoBauG nicht auf die (noch) streitigen Teilflächen. Bei Ablauf der Verwendungsfrist waren diese bereits den damals noch nicht errichteten Häusern 7 und 8 zugeordnet. Nach den Feststellungen des FG, an die der Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist, ergibt sich dies aus der ursprünglichen Bebauungsabsicht der Klägerin, die sich in der entsprechenden Parzellierung des Grundstücks manifestiert hatte und durch die spätere tatsächlich erfolgte Bebauung bestätigt wurde. Damit war zum maßgeblichen Zeitpunkt die Nichtzuordnung der streitigen Flächen zu den innerhalb der Verwendungsfrist errichteten Gebäuden konkretisiert.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419310

BFH/NV 1994, 575

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