Leitsatz (amtlich)

1. Ist eine größere als die gemäß §§ 2, 4 SGrEWBG vom 5. Juli 1960 begünstigte Fläche erworben, ist die Steuer für den nicht begünstigten Teil des Erwerbs vorläufig festzusetzen, sofern der begünstigte Teil des Erwerbs noch nicht endgültig von der Steuer befreit ist (§§ 3, 7 SGrEWBG).

2. Bei einem einheitlichen Kauf wird die Berechnung der Steuer für den nicht begünstigten Teil des Erwerbs aus dem Teil der Besteuerungsgrundlage, der nach dem Größenverhältnis der Flächen anteilsmäßig hierauf entfällt (§ 4 Abs. 6 Satz 1 SGrEWBG), nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß die Beteiligten im Vertrag neben dem Gesamtpreis unterschiedliche Quadratmeterpreise für Bauland und Hinterland angegeben haben.

 

Normenkette

SGrEWBG (Saarland) vom 5. Juli 1960 §§ 3-4, 7 (ABl, § 563)

 

Tatbestand

Die Kläger sind Eheleute. Sie haben im Saarland von verschiedenen Verkäufern zu nahezu gleichen Bedingungen zwei aneinander angrenzende, nahezu gleich große Grundstücke je zur unabgeteilten Hälfte gekauft, um auf den zur Straße liegenden Teilflächen beider Grundstücke ein Wohngebäude zu errichten. Die restliche Fläche beider Grundstücke sollte landwirtschaftlich genutzt bleiben. Beide Kaufverträge geben unterschiedliche Preise für das zu bebauende Land - jeweils "ca. 4 ar" für 4 000 DM - und für das nicht zu bebauende Land - jeweils 500 DM - an; zugleich ist der gesamte Kaufpreis mit jeweils 4 500 DM ausgewiesen.

Das FA (Beklagter) hat aus jedem der beiden Käufe gegen jeden der beiden Kläger Grunderwerbsteuer aus dem Erwerb des Miteigentums festgesetzt. Zur Besteuerungsgrundlage nahm es bei einem Grundstück jeweils die Hälfte des Kaufpreises abzüglich eines wegen beabsichtigter Bebauung steuerbefreiten Anteils. Diesen setzte es mit der Hälfte des Preises an, der sich für 800 qm ergibt, wenn aus dem Gesamtkaufpreis des Grundstücks ein durchschnittlicher Quadratmeterpreis errechnet wird. Der Erwerb dieser Fläche wurde durch gesonderten Bescheid vorläufig von der Steuer freigestellt. Bei dem anderen Grundstück setzte das FA gegen jeden der Kläger die Steuer aus der ungekürzten Hälfte des Kaufpreises fest.

Den vier Einspruchsentscheidungen sind als Anlagen berichtigte Steuerbescheide und berichtigte Bescheide über eine vorläufige Abstandnahme von der Grunderwerbsteuer beigefügt. Ausweislich derer ergab sich für jedes Grundstück und für jeden der Kläger eine Grunderwerbsteuer aus dem halben Kaufpreis abzüglich einer vorläufigen Befreiung von 5,56 ar bei jedem der beiden Grundstücke. Der Ansatz von 5,56 ar beruht auf der Annahme, daß über beide Grundstücke hinweg eine Fläche von 158,81 qm bebaut werde, somit das Siebenfache dieser Fläche, also 1 111,67 qm, vorläufig von der Grunderwerbsteuer befreit sei, für jeden Grundstückserwerb "demnach" 5,56 ar. Für die verbleibende Besteuerungsgrundlage wurde bei beiden Grundstücken der durchschnittliche und nicht der für das nicht zu bebauende Land angesetzte Quadratermeterpreis zugrunde gelegt.

Das FG hat die Berufungen eines jeden der Kläger verbunden und durch getrennte Entscheidungen gegen jeden von ihnen die Einspruchsentscheidungen nebst Anlagen und die Steuerbescheide der Form nach abgeändert, inhaltlich aber die in den Anlagen zu den Einspruchsentscheidungen ausgeworfene Steuer vorläufig festgesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf den auszugsweisen Abdruck des gegen den Kläger ergangenen Urteils in Entscheidungen der Finanzgerichte 1965 S. 280 (EFG 1965, 280) Bezug genommen.

Mit ihren vom FG zugelassenen Revisionen verfechten die Kläger die Ansicht, der Besteuerung dürfe nur der in den Kaufverträgen für das unbebaute Land ausgewiesene Preis zugrunde gelegt werden.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revisionen sind unbegründet.

In der formellen Behandlung ist dem FG zuzustimmen. Die den Einspruchsentscheidungen beigefügten Anlagen mußten als Bestandteil der Einspruchsentscheidungen angesehen werden. Aus ihnen im Zusammenhang mit den Gründen der Einspruchsentscheidungen ergab sich deren wirklicher und auch gewollter Inhalt.

Zutreffend hat das FG auch erkannt, daß die Steuerfestsetzung hinsichtlich der nicht befreiten Teile der Erwerbe und die Abstandnahme von der Besteuerung hinsichtlich der vorläufig befreiten Erwerbe nicht getrennt werden dürfen und die Festsetzung insgesamt als vorläufige ergehen muß. Das Saarländische Gesetz über die Grunderwerbesteuerbefreiung beim Wohnungsbau vom 5. Juli 1960 (Amtsblatt 1960 S. 563 - ABl 1960, 563 -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juni 1964 (ABl 1965, 594) - SGrEWBG - unterscheidet sich insoweit von den anderen Landesgesetzen über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau. Für das Saarland gilt nicht der Satz, daß bereits der Zweck der steuerbegünstigten Bebauung (nach Maßgabe der einzelnen Befreiungsvorschriften) den Erwerb zunächst - im formellen Sinne (vgl. § 100 AO) - endgültig befreit und bei Nichterfüllung dieses Zwecks innerhalb der bestimmten Frist oder bei Aufgabe des Zwecks eine zwar materiell abhängige (vgl. Beschluß II B 22/70 vom 29. September 1970 - BFH 100, 140 -, BStBl II 1970, 830), formell aber selbständige Nachsteuer entsteht (vgl. Urteil II R 68/68 vom 25. März 1969, BFH 95, 512 [515], BStBl II 1969, 471). Vielmehr entsteht der Anspruch auf Steuerbefreiung für den Erwerb eines unbebauten Grundstücks zur Errichtung eines Wohngebäudes durch den Erwerber (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGrEWBG) gemäß § 3 (Abs. 1) Nr. 1 SGrEWBG erst mit der bezugsfertigen Errichtung des Gebäudes (innerhalb von zehn Jahren seit dem Erwerb); bis zu diesem Zeitpunkt (oder der früheren Aufgabe des begünstigten Zwecks; § 7 Abs. 2 SGrEWBG) ist von der Festsetzung der Grunderwerbsteuer, sofern Befreiung beantragt ist, ganz oder teilweise abzusehen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGrEWBG). Folglich muß, wenn die Steuer teilweise festzusetzen, teilweise aber von der Festsetzung abzusehen ist, die Festsetzung als vorläufige ergehen. Ihr muß eine endgültige Festsetzung nachfolgen. Daher kann der geringfügige Berechnungsfehler hinsichtlich der von der Besteuerung frei bleibenden Fläche auf sich beruhen; es wird ohnehin nachzuprüfen sein, ob genau die der Berechnung zugrunde gelegte Fläche überbaut wurde.

Beizutreten ist dem FG auch darin, daß die - unter der damaligen Rechtslage nur mittelbar (§ 229 Abs. 2 AO a. F.) - angefochtenen Steuerbescheide nicht deshalb aufzuheben waren, weil die Steuerschuld im Zeitpunkt ihres Erlasses noch nicht entstanden war (§ 3 Abs. 5 StAnpG). Denn jedenfalls waren die Kaufverträge im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidungen behördlich genehmigt. Ob die Rechtslage unter der FGO anders beurteilt werden könnte (§ 44 Abs. 2, § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 FGO), kann dahingestellt bleiben.

Dem Ergebnis des FG ist auch in der von den Revisionen aufgeworfenen Hauptfrage zuzustimmen.

Gegenstand der Käufe (§ 433 BGB) waren die beiden Grundstücke (§§ 432, 427 BGB). Aus diesen - in sich einheitlichen (vgl. §§ 474, 139 BGB) - obligatorischen Geschäften hat jeder der Kläger den Anspruch auf Auflassung des Grundstücks an beide Kläger (§ 432 Abs. 1 Satz 1 BGB) je zur unabgeteilten Hälfte (§§ 741, 742 BGB), somit auf Übereignung des hälftigen Miteigentums (§§ 1008, 742 BGB) erlangt.

Diese Erwerbe unterliegen der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG. Besteuerungsgrundlagen sind gemäß § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, soweit nicht die aufschiebend bedingte Befreiung aus § 2 Abs. 1 Nr. 1, §§ 4, 3 (Abs. 1) Nr. 1, § 7 Abs. 1 Satz 1 SGrEWBG Platz greift, für jeden der Kläger - mangels sonstiger zur Gegenleistung (§ 10 Abs. 1 GrEStG) zählender Posten (§ 11 GrEStG) - die von beiden geschuldeten (§ 427 BGB) Kaufpreise (§ 433 Abs. 2 BGB) je zur Hälfte. Mit dieser Maßgabe stehen die Erwerbe des Miteigentums zur unabgeteilten Hälfte (§§ 1008 ff., §§ 741 ff. BGB) dem Erwerbe ungeteilten Eigentums (§ 903 BGB) gleich (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG).

Von der Besteuerung dieser Erwerbe unbebauter Grundstücke ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 Satz 1 SGrEWBG vorläufig Abstand zu nehmen, soweit sie zur Errichtung eines Wohngebäudes durch die Erwerber geschehen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGrEWBG) und dafür notwendig gewesen (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 SGrEWBG) sind. Der Erwerb des Miteigentums wird dem Erwerb des Grundstücks gleichgeachtet (§ 5 Abs. 1 SGrEWBG). Beide Grundstücke zusammen haben erst die Eigenschaft einer Baustelle (§ 4 Abs. 1 Satz 2 SGrEWBG); die Befreiung gilt daher für beide gleichermachen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 SGrEWBG). Die vorläufige Steuerbefreiung beschränkt sich jedoch, da ein Wohngebäude mit weniger als sechs Wohnungen errichtet werden sollte, auf das Siebenfache der zu überbauenden Fläche (§ 4 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGrEWBG). Die Steuer für den Erwerb der die steuerbegünstigte Fläche übersteigenden Mehrfläche wird nach dem Teil der Besteuerungsgrundlage berechnet, der nach dem Größenverhältnis der Flächen anteilmäßig hierauf entfällt (§ 4 Abs. 6 Satz 1 SGrEWBG).

Diese Vorschriften hat das FG beachtet. Unter Berücksichtigung der Besteuerungsgrundlage (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) einerseits und des Umfangs der vorläufigen Befreiung (§ 4 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, § 4 Abs. 6 Satz 1 SGrEWBG) andererseits konnte der Besteuerung der nicht befreiten Flächen nach dem Inhalt der Kaufverträge kein anderer als der durchschnittliche Quadratmeterpreis zugrunde gelegt werden.

Beide Käufe sind - je für sich - formell einheitliche Verträge. Demnach ist, sofern nicht Tatsachen für einen anderen Willen der Vertragschließenden sprechen, davon auszugehen (Urteil II R 41/67 vom 19. Dezember 1967, BFH 91, 385 [386], BStBl II 1968, 349), daß keine Teilfläche ohne die andere verkauft worden wäre (§§ 139, 154 Abs. 1 Satz 1, § 157 BGB). Tatsachen, welche für den vorliegenden Fall einen anderen Parteiwillen ersehen ließen (vgl. Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 146 S. 234 - RGZ 146, 234 - und in Umkehrung RGZ 79, 434 [436]; RGZ 103, 295 [297]; BGH, Monatsschrift für Deutsches Recht 1966 S. 749 - MDR 1966, 749 -; Urteil des BFH II 5/62 vom 27. April 1966, BFH 86, 406 [408]), liegen nicht vor.

Auch ein im Sinne der §§ 139, 154 BGB einheitliches Geschäft kann allerdings mehrere Komponenten haben (BFH-Urteile II 73/63 vom 20. Juni 1967, BFH 90, 82 [87], BStBl III 1967, 794; II 102/63 vom 28. November 1967, BFH 90, 534, BStBl II 1968, 186; V 37/65 vom 7. Dezember 1967, BFH 90, 557, BStBl II 1968, 253). Insbesondere kann sich ein im Sinne der §§ 139, 154 BGB einheitlicher Kauf (§ 433 BGB) auch auf mehrere Sachen zu Einzelpreisen oder zu einem Gesamtpreis (§ 433 Abs. 2, §§ 471, 472 Abs. 2 BGB) beziehen. Das ist aber für die hier zu entscheidende Frage ohne Bedeutung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die gedachten, zu einem niederen "Preis" angeschlagenen, weder im Grundbuch abgetrennten (vgl. RGZ 84, 265 [270]) noch vermessenen Teilflächen selbständige Sachen (§ 90 BGB) waren. Denn jedenfalls blieb die Aufteilung der vereinbarten Kaufpreise (§ 433 Abs. 2 BGB) von je 4 500 DM in einen Anteil von je 4 000 DM für das zu bebauende Land und in einen solchen von je 500 DM für das nicht zu bebauende Land, sofern sie nicht allein um der Besteuerung willen geschehen ist, eine allenfalls den vereinbarten Preis motivierende Erklärung der Parteien (vgl. Urteil II R 41/67, a. a. O.). Sie kann schon deshalb nicht den Willen zu einer bestimmten Bürgerlichen Rechtsfolge ausdrücken, weil nicht zu ersehen ist, welche bürgerliche Rechtsfolge von der Aufspaltung des Kaufpreises abhängen sollte. Eine bestimmte Grundstücksgröße war nicht zugesichert (§ 468 BGB); auch sonst bietet sich kein Anhalt dafür, daß die Klausel auf eine etwaige Minderung Einfluß haben könnte (§ 472 BGB).

Demzufolge muß auch hier die Regel Platz greifen, daß es für die Besteuerungsgrundlage des § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht darauf ankommt, was die Parteien als Kaufpreis bezeichnen, sondern allein darauf, was sie im Sinne des § 433 Abs. 2 BGB als Kaufpreis vereinbaren (BFH-Urteil II 93/63 vom 14. November 1967, BFH 91, 130 [131]); davon abweichende Berechnungsgrundlagen sind unerheblich (BFH-Urteil II 93/63 und II R 41/67, je a. a. O.).

Demzufolge war gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 SGrEWBG die vorläufig festzusetzende (§ 100 Abs. 1 AO, § 7 Abs. 1 Satz 1 SGrEWBG) Steuer für jeden Kläger aus dem Teil der Hälfte der Kaufpreise von je 4 500 DM zu errechnen, der nach dem Größenverhältnis der Flächen anteilsmäßig hierauf entfällt. Das ist geschehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69426

BStBl II 1971, 370

BFHE 1971, 558

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