Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Wird ein Grundstück im Auftrage eines Treugebers durch einen Treuhänder erworben, so erwirbt der Treugeber zugleich die Verwertungsmacht nach § 1 Abs. 2 GrEStG.

 

Normenkette

GrEStSWG ND 1966 § 1 Nr. 5

 

Tatbestand

Der Landwirt X. kaufte durch notariell beurkundeten Vertrag vom 22. Februar 1952 (Urkunden-Nr. 53/52 des beurkundenden Notars) die darin näher bezeichneten Grundstücke zum Kaufpreis von 45.000 DM. Im § 5 des Vertrages wurde bestimmt:

"Den Kaufpreis sowie die Kosten dieses Vertrages und seiner Durchführung zahlt der Miterschienene zu 3) - d. h. der Beschwerdeführer (Bf.) -. Der Erschienene zu 2) als Ankäufer - d. h. der Landwirt X - wird von dem Verkäufer, dem Erschienenen zu 1) - d. h. dem Voreigentümer -, von der Zahlung der o. g. Beträge, also von Kaufpreis und Kosten freigestellt."

In einem weiteren Vertrag vom gleichen Tag (Urkunden-Nr. 53/52 des beurkundenden Notars) wurden die Grundstücke von X. an den Bf. veräußert. Im § 1 dieses Vertrages wurde einleitend ausgeführt:

"Die Erschienenen sind sich darüber einig, daß der übergang des Eigentums auf den Erschienenen zu 1) - d. h. den Landwirt X. - nur deshalb herbeigeführt werden mußte, weil die Landwirtschaftskammer die Genehmigung für den Erwerb der obenbezeichneten Grundstücke durch den Erschienenen zu 2) - d. h. den Bf. - versagen könnte. Der Eigentumserwerb durch den Erschienenen zu 1) hat daher den Beteiligten nur formelle Bedeutung. Die Erschienenen wollen in wirtschaftlicher Hinsicht sich so verhalten und es so ansehen, als sei der Erschienene zu 2) der unumschränkte Eigentümer der obenbezeichneten Parzellen geworden. Der Erschienene zu 2) soll daher, sobald es möglich ist, auch formell das Eigentum erwerben und, solange dem noch Hindernisse entgegenstehen, schon jetzt im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten so gestellt werden, wie wenn er Eigentümer wäre."

Während die zu dem Vertrag Urkunden-Nr. 53/52 erforderliche behördliche Genehmigung erteilt wurde, wurde zu dem Vertrag Urkunden-Nr. 54/52 die erforderliche Genehmigung der Landwirtschaftsbehörde versagt. Daraufhin wurde der letztgenannte Vertrag durch Vereinbarung zwischen dem Bf. und dem Landwirt X. wieder aufgehoben.

Das Finanzamt war der Auffassung, daß der Bf. auf Grund der Vereinbarungen, die zwischen dem Bf. und X. im § 5 des Vertrages Urkunden-Nr. 53/52 und im Zusammenhang mit diesem Vertrag getroffen wurden, in dem Zeitpunkt, in dem der Vertrag Urkunden-Nr. 53/52 gemäß § 1 Abs. 1 Ziff. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) in Verbindung mit § 3 Abs. 5 Ziff. 5 Buchst. b des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) steuerpflichtig wurde, die Verwertungsmacht im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG erworben habe und nahm ihn demgemäß auf Zahlung der Grunderwerbsteuer in Anspruch.

Die Berufung wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht führte aus, daß der Erwerb des Grundstücks durch X. als vorgeschobene Person und seine Verpflichtung zur Weiterveräußerung an den Bf. die Begründung eines Treuhandverhältnisses darstelle. Auf Grund dieses Rechtsverhältnisses sei der Bf. gleichzeitig wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks geworden; er habe damit die Möglichkeit erlangt, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten, nämlich dadurch, daß er die Auflassung als solche verlangen könne. Der Umstand, daß der zweite Vertrag (Urkunden-Nr. 54/52), der die Weiterveräußerung beinhalte, rückgängig gemacht worden sei, ändere nichts an der dem Bf. einmal eingeräumten Machtposition. Insbesondere sei dadurch die Vereinbarung im § 5 des Vertrages Urkunden-Nr. 53/52, wonach der Bf. den Kaufpreis und die gesamten Kosten des Erwerbes übernahm, nicht aufgehoben. Eine solche Vereinbarung sei aber nur verständlich, wenn der Bf. die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Grundstücke erwerben sollte. Die übertragung des rechtlichen Eigentums sei zwar aus formellen Gründen nicht möglich geworden. Damit sei aber die übertragung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht nicht hinfällig geworden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist ohne Erfolg.

Die Ausführungen des Finanzgerichts sind frei von Rechtsirrtum. Der Bf. wurde zwar bürgerlich-rechtlich nicht Eigentümer der in Betracht kommenden Grundstücke. Das ist aber, um die Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 GrEStG bejahen zu können, auch nicht erforderlich. Vielmehr würde, wenn ein bürgerlich-rechtlicher Eigentumserwerb Gegenstand der Besteuerung wäre, die Steuerpflicht nicht auf § 1 Abs. 2, sondern auf § 1 Abs. 1 GrEStG beruhen. Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen der Steuer auch Rechtsvorgänge, die einem anderen - hier dem Bf. - die Verwertung des Grundstücks auf eigene Rechnung rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen. Ein derartiger Sachverhalt ist im Streitfall gegeben. Der Bf. konnte auf Grund des zwischen ihm und X. bestehenden Auftragsverhältnisses im wesentlichen die Rechte ausüben, die mit dem Eigentum an einem Grundstück verbunden sind. Er konnte die Einräumung des Besitzes verlangen (§§ 665, 667 BGB). Ihm standen die Nutzungen an dem Grundstück zu (ß 667 BGB); er hatte die Lasten des Grundstücks zu tragen (ß 670 BGB). Er konnte zwar, nachdem die erforderliche Genehmigung zu dem Vertrag Urkunden-Nr. 54/52 versagt worden war, die übertragung des Grundstücks auf sich nicht verlangen; er war aber berechtigt, den Landwirt X. anzuweisen, das Grundstück zu belasten oder es an einen von ihm dem Bf., zu bestimmenden Dritten zu verkaufen (vgl. § 665 BGB). Der Kaufpreis, der auch vom Bf. entrichtet wurde oder zu entrichten war (ß 5 Abs. 1 des Vertrages Urkunden-Nr. 53/52), würde in diesem Fall wieder dem Bf. zufließen (vgl. § 667 BGB). Bei einer solchen Rechtslage ist ein übergang der Verwertungsmacht im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG unbedenklich gegeben.

Zutreffend ist zwar, daß der Vertrag Urkunden-Nr. 54/52 nachträglich aufgehoben wurde. Damit wurden aber die Rechtsbeziehungen zwischen dem Bf. und dem Landwirt X., wie sich aus dem § 5 des Vertrages Urkunden-Nr. 53/52 und aus den Erläuterungen im § 1 des Vertrages Urkunden-Nr. 54/52 ergeben, keinesfalls beseitigt. Selbst wenn auch diese Rechtsbeziehungen nachträglich aufgehoben wurden, hätten sie in jedem Fall eine gewisse Zeit bestanden. Das genügt, um die Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 GrEStG zu bejahen, da das GrEStG die Steuerpflicht nicht von einer bestimmten Dauer der Verwertungsmacht abhängig macht. Siehe auch Urteil des Reichsfinanzhofs II A 59/26 vom 26. Februar 1926 (Steuer und Wirtschaft 1926 Nr. 234 S. 742 Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz 1919 § 6 Rechtsspruch 19). Ob die Vorschrift des § 17 GrEStG betreffend Nichterhebung oder Erstattung der Steuer anwendbar ist, wenn der steuerpflichtige Rechtsvorgang rückgängig gemacht wird, bedarf in diesem Verfahren nicht der Erörterung.

Der Hinweis des Bf. auf die in den Art. IV und V des Kontrollratgesetzes Nr. 45 in Verbindung mit Art. III und IV der Militärregierungs-Verordnung Nr. 84 vorgeschriebene behördliche Genehmigung kann die Rb. nicht rechtfertigen. Im Streitfall beruht die Steuerpflicht, um es zu wiederholen, auf § 1 Abs. 2 GrEStG. Ein derartiger Rechtsvorgang ist aber auf Grund der bezeichneten Vorschriften nicht genehmigungspflichtig.

Die Vorschrift des § 1 Abs. 5 Satz 3 GrEStG, die der Bf. als verletzt ansieht, ist nicht anwendbar. Nach dieser Vorschrift kann, wenn einem Rechtsvorgang der in § 1 Abs. 2 GrEStG bezeichneten Art ein in § 1 Abs. 1 GrEStG bezeichneter Rechtsvorgang vorausgegangen ist, die Steuer nur insoweit erhoben werden, als beim späteren Rechtsvorgang eine Gegenleistung vereinbart wird, deren Wert den Betrag übersteigt, von dem beim vorausgegangenen Rechtsvorgang die Steuer berechnet worden ist. Der Bf. verkennt, daß die bezeichnete Vorschrift des § 1 Abs. 5 Satz 3 GrEStG nur dann anwendbar ist, wenn in den beiden Erwerbsvorgängen Veräußerer und Erwerber dieselben Personen sind. Dies trifft jedoch nicht zu; denn bei dem ersten Erwerbsvorgang (Urkunden-Nr. 53/52) handelt es sich um den Verkauf von Grundstücken von dem Voreigentümer an den Landwirt X., während der zweite Vorgang (siehe § 5 des Vertrages Urkunden-Nr. 53/52 und die einleitenden Ausführungen im § 1 des Vertrages Urkunden-Nr. 54/52) den übergang der Verwertungsmacht an denselben Grundstücken von dem Landwirt X. auf den Bf. betrifft.

Schließlich kann der Bf. nicht geltend machen, daß der Voreigentümer, weil der Landwirt X. lediglich als Strohmann anzusehen sei, das Eigentum an den Grundstücken nicht an X., sondern unmittelbar an ihn, den Bf., veräußert habe. Ob der Landwirt X. auf Grund der zwischen ihm und dem Bf. bestehenden Rechtsbeziehungen als Strohmann anzusprechen ist, kann dahingestellt bleiben; bemerkt sei, daß nach dem Kommentar von Palandt, BGB, 1956, 15. Aufl., Einführung Ziff. 3 vor § 164, der Treuhänder dann Strohmann genannt wird, wenn die Treuhandschaft verheimlicht werden soll. Selbst wenn X. Strohmann des Bf war, sind die Rechtsgeschäfte, die er in dieser Eigenschaft mit dem Bf. oder mit Dritten abgeschlossen hat - ebenso wie Rechtsgeschäfte zwischen Treuhändern, Treugebern oder Dritten -, nicht als rechtsungültig, insbesondere nicht als Scheingeschäfte im Sinne des § 117 Abs. 1 BGB, anzusehen; siehe Urteil des Reichsgerichts Rep. III 532/13 vom 20. März 1914 (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 84 S. 304). Demgemäß sind die Vereinbarungen zwischen dem Voreigentümer, dem Bf. und dem Landwirt X. als rechtsgültig zu betrachten, so daß ein unmittelbarer Rechtsübergang von dem Voreigentümer auf den Bf. und damit ein Wegfall des im Streitfall als steuerpflichtig angesehenen Rechtsvorgangs nicht in Betracht kommt.

Sonstige Gründe, die die Rb. rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Diese wurde deshalb als unbegründet zurückgewiesen.

 

Fundstellen

BStBl III 1957, 71

BFHE 1957, 186

BFHE 64, 186

StRK, GrEStG:1 R 43

NJW 1957, 1007

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