Entscheidungsstichwort (Thema)

(Fortsetzungs-)Feststellungsklage bei aufgehobener Prüfungsanordnung

 

Leitsatz (NV)

1. Wenn eine Prüfungsanordnung durch Beschwerde angefochten, dieses Beschwerdeverfahren durch die OFD ausgesetzt, sodann Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung erhoben und während des Prozesses die Prüfungsanordnung vom FA aufgehoben worden ist, fehlt es nicht an der Einhaltung des Vorverfahrens für die Fortsetzungsfeststellungsklage.

2. Für die Fortsetzungsfeststellungsklage als Unterfall der Anfechtungsklage müssen deren Sachurteilsvoraussetzungen bis zum Eintritt des die Hauptsache erledigenden Ereignisses beachtet worden sein.

3. Die Sachurteilsvoraussetzung des erfolglos gebliebenen Vorverfahrens muß nicht schon im Zeitpunkt der Klageerhebung vorliegen; es genügt, daß sie während des finanzgerichtlichen Verfahrens verwirklicht wird.

4. Die Aufhebung der Prüfungsanordnung durch das FA ,,aufgrund der Klage" kann als Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts angesehen werden und den Wegfall des Feststellungsinteresses bei der Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die Prüfungsanordnung nach sich ziehen.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 130, 355, 363 Abs. 1; FGO § 41 Abs. 1, 2 S. 1, § 44 Abs. 1, § 100 Abs. 1 S. 4

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) führte mit seinem Bruder bis zum 31. März 1979 in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ein Elektroinstallationsgeschäft; nach Ausscheiden des Bruders gründete er zusammen mit seiner Ehefrau mit Vertrag vom 9. Juni 1979 eine GmbH, die das Geschäft fortführte. Am 13. März 1981 ordnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bei der GbR eine Außenprüfung für das Jahr 1979 an, die am 8. April 1981 auf die Jahre 1977 bis 1978 erweitert wurde; am gleichen Tag ordnete das FA für 1979 eine Außenprüfung bei der GmbH an. Im Einverständnis mit dem steuerlichen Berater wurden die Unterlagen an Amtsstelle geprüft.

Am 11. März 1981 ordnete das FA die hier streitige Außenprüfung bei dem Kläger bezüglich der Einkommen- und Vermögensteuer für die Jahre 1977 bis 1979 an. Am 15. Mai 1981 erweiterte es die Prüfung bei der GbR und beim Kläger auf das Jahr 1976 gemäß § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977).

Am 16. Mai 1981 legte der Kläger Beschwerde gegen die Prüfungsanordnungen ein. Der Steuerberater holte am 18. Mai 1981 sämtliche Unterlagen beim FA wieder ab. Mit Schreiben vom 24. September 1981 teilte das FA dem Kläger mit, es habe gegen ihn das Strafverfahren eingeleitet. Am 26. Januar 1982 legte der Kläger noch einmal Beschwerde gegen die Prüfungsanordnungen vom 11. und 15. Mai 1981 ein. Die Oberfinanzdirektion (OFD) setzte am 14. März 1982 die Entscheidung über die Beschwerden bis zum Abschluß der Steuerfahndungsprüfung aus, und zwar förmlich nach § 363 Abs. 1 AO 1977.

Am 24. Januar 1983 erhob der Kläger Klage zum Finanzgericht (FG) mit dem Antrag festzustellen, daß die Prüfungsanordnungen vom 11. und 15. Mai 1981 rechtswidrig seien und die Prüfung rechtswidrig durchgeführt worden sei.

Am 23. März 1983 hob das FA die Prüfungsanordnungen gegen den Kläger vom 11. und 15. Mai 1981 ,,aufgrund der Klage vom 24. Januar 1983" auf und erklärte die Hauptsache für erledigt. Dem widersprach der Kläger.

Das FG hat die Klage abgewiesen. Die Feststellungsklage gegen die Prüfungsanordnungen vom 11. und 15. Mai 1981 sei gemäß § 41 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unzulässig, weil diese Prüfungsanordnungen zur Zeit der Klageerhebung noch bestanden und mit der Anfechtungsklage hätten angegriffen werden müssen. Als Fortsetzungsfeststellungsklage sei die Klage ebenfalls unzulässig, weil sie nicht aus einer zulässigen Anfechtungsklage hervorgegangen sei; zur Zeit der Klageerhebung sei nämlich das Vorverfahren noch nicht abgeschlossen gewesen. Soweit der Kläger beantragt habe festzustellen, daß die Prüfung rechtswidrig durchgeführt worden sei, sei die Klage unbegründet.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Entgegen der Annahme des FG sei die Feststellungsklage gegen die Prüfungsanordnungen als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Die Prüfungsanordnungen vom 11. und 15. Mai 1981 seien rechtswidrig, weil sie von dem hierfür nicht zuständigen Leiter der Betriebsprüfungsstelle des FA unterschrieben worden seien. Sie seien auch deshalb rechtswidrig, weil die ihnen zugrunde liegende Ermessensentscheidung des FA nicht begründet worden sei. Auch die Prüfungsdurchführung sei rechtswidrig.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und festzustellen, daß die Prüfungsanordnungen vom 11. und 15. Mai 1981 und die aufgrund dieser Anordnungen durchgeführte Außenprüfung rechtswidrig gewesen sei.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO).

I. Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger beantragt, die Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnungen vom 11. und 15. Mai 1981 festzustellen.

1. Die Voraussetzungen einer Feststellungsklage nach § 41 Abs. 1 FGO sind im Streitfall nicht erfüllt. Der Kläger begehrt nicht die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses. Weder die Prüfungsanordnungen selbst, die Verwaltungsakte sind, noch die Berechtigung der Behörde, sie zu erlassen, noch die Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit sind ein Rechtsverhältnis in diesem Sinn.

2. Die Klage ist auch nicht als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO zulässig. Nach dieser Vorschrift spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn er sich vor der abschließenden Entscheidung des Gerichts erledigt hat und wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

a) Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist ein Unterfall der Anfechtungsklage (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Juli 1985 I R 214/82, BFHE 144, 333, 336, BStBl II 1986, 21). Deshalb müssen alle Sachurteilsvoraussetzungen der Anfechtungsklage zumindest bis zum Eintritt des die Hauptsache erledigenden Ereignisses beachtet worden sein (BFHE 144, 333, 336, BStBl II 1986, 21).

Entgegen der Ansicht des FA fehlt es im Streitfall nicht an der Sachurteilsvoraussetzung des erfolglos gebliebenen Vorverfahrens (§ 44 Abs. 1 FGO). Der Kläger hat innerhalb der Rechtsbehelfsfrist des § 355 AO 1977 gegen die Prüfungsanordnungen Beschwerde eingelegt und damit das in § 44 Abs. 1 FGO vorgeschriebene Vorverfahren eingeleitet. Zwar hat er schon vor Abschluß des Beschwerdeverfahrens Klage erhoben. Dieser Mangel ist jedoch durch die Aufhebung der angefochtenen Prüfungsanordnungen geheilt worden. Die Sachurteilsvoraussetzung des § 44 Abs. 1 FGO muß nicht schon im Zeitpunkt der Klageerhebung vorliegen; es genügt, daß sie während des finanzgerichtlichen Verfahrens verwirklicht wird (BFH-Urteil vom 17. Mai 1985 III R 213 /82, BFHE 143, 509, BStBl II 1985, 521). Im Streitfall hatten sich die angefochtenen Prüfungsanordnungen (und damit auch das Beschwerdeverfahren) durch die Aufhebung erledigt. Für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage kam es deshalb nicht mehr auf den Abschluß des Vorverfahrens durch Erlaß einer Beschwerdeentscheidung an.

Für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage ist es auch ohne Bedeutung, daß die OFD das Beschwerdeverfahren förmlich nach § 363 Abs. 1 AO 1977 ausgesetzt hat. Entgegen der Ansicht des FG war die Zulässigkeit der Klage nicht davon abhängig, daß der Kläger zunächst mit der Beschwerde gegen die Anordnung der Aussetzung vorging. Da der Kläger fristgerecht Beschwerde gegen die Prüfungsanordnungen eingelegt hat, hätte er auch noch nach Aufhebung der Prüfungsanordnungen Fortsetzungsfeststellungsklage erheben können. Denn die Klage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO kann auch erhoben werden, wenn sich der streitige Verwaltungsakt vor Klageerhebung erledigt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 7. August 1979 VII R 14/77, BFHE 128, 346, BStBl II 1979, 708; vom 5. April 1984 IV R 244/83, BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790; vom 7. November 1985 IV R 6/85, BFHE 145, 23, BStBl II 1986, 435).

b) Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch aus einem anderen Grund unzulässig. Nachdem das FA die Prüfungsanordnungen ,,aufgrund der Klage" aufgehoben hat, hat der Kläger kein berechtigtes Interesse mehr an der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO. Ob ein Feststellungsinteresse besteht, ist Sachurteilsvoraussetzung (BFH-Urteil vom 27. Mai 1975 VII R 80/74, BFHE 116, 315, BStBl II 1975, 860), deren Vorliegen in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist; das Revisionsgericht kann insoweit selbst die erforderlichen Feststellungen treffen.

An einem Feststellungsinteresse nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO fehlt es in der Regel bei einer Zurücknahme einer Prüfungsanordnung nach § 130 AO 1977. Die Rücknahme der Prüfungsanordnung hat zur Folge, daß das FA von ihr keinen Gebrauch mehr machen darf und daß es die durch eine Vollziehung des Verwaltungsaktes bereits herbeigeführten Folgen rückgängig machen muß. Mit einer gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung kann der Kläger nicht mehr erreichen als dieses Ergebnis (BFH-Urteil vom 9. Mai 1985 IV R 172/83, BFHE 143, 506, BStBl II 1985, 579).

Im Streitfall hat das FA in der Verfügung vom 23. März 1983 keine Rechtsgrundlage für die ersatzlose Aufhebung der Prüfungsanordnung angegeben. Aus dem Schreiben ergibt sich aber, daß die Aufhebung ,,aufgrund der Klage vom 24. 1. 1983" gegen die Prüfungsanordnungen ausgesprochen worden ist. Diese Erläuterung läßt nur den Schluß zu, daß das FA die Prüfungsanordnungen nach § 130 AO 1977 zurücknehmen wollte, zumal es auch die Aufhebungswirkung nicht zeitlich - z. B. ex nunc auf die zukünftige Fortsetzung der Betriebsprüfung - beschränkt hat. Damit steht auch ohne einen gerichtlichen Ausspruch fest, daß die Prüfung bei dem Kläger ohne Rechtsgrundlage durchgeführt wurde und damit rechtswidrig war (vgl. BFHE 143, 506, 508, BStBl II 1985, 579).

II. Die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Prüfungsdurchführung bleibt ebenfalls erfolglos. Entgegen dem FG ist diese Feststellungsklage i. S. des § 41 FGO jedoch nicht als unbegründet, sondern als unzulässig zu beurteilen. Für die begehrte Feststellung fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Der Kläger hat insoweit zur Begründung des Feststellungsinteresses nur vorgetragen, er begehre die Feststellung der Rechtswidrigkeit der in der Revisionsbegründung genannten Prüfungsmaßnahmen ,,vor dem Hintergrund der Geltendmachung eines steuerlichen Verwertungsverbots". Eine Verwertung der Prüfungsergebnisse ist aber schon deshalb ausgeschlossen, weil das FA die Prüfungsanordnungen als rechtswidrig aufgehoben hat (vgl. oben unter I. 2.). Sollte das FA gleichwohl geänderte Einkommensteuer- und Vermögensteuerbescheide gegen den Kläger erlassen und dabei unter Verletzung des Verwertungsverbots Feststellungen der Außenprüfung berücksichtigt haben, so kann dies nur im Rechtsbehelfsverfahren gegen die betreffenden Steuerbescheide geltend gemacht werden (vgl. BFHE 143, 506, BStBl II 1985, 579; BFH-Urteil vom 14. August 1985 I R 188/82, BFHE 144, 339, BStBl II 1986, 2).

 

Fundstellen

BFH/NV 1988, 104

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