Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollständiger Gesellschafterwechsel als ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Vorgang von Rechtsform der Personengesellschaft unabhängig

 

Leitsatz (NV)

1. Für die Beurteilung eines vollständigen Gesellschafterwechsels als ein der Grunderwerbsteuer gemäß § 42 AO 1977 i. V. mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 unterliegender Vorgang kommt es nicht auf die Rechtsform der Personengesellschaft im Zeitpunkt der Übertragung der Gesellschaftsanteile an. Ausschlaggebend ist allein, daß die (bestehende) Gesellschaft keine über die eigentliche Grundstücksverwaltung hinausgehende Aktivitäten entfaltet.

2. Die Übertragung der Anteile an einer noch als Kommanditgesellschaft firmierenden und als solche im Handelsregister eingetragenen Personengesellschaft unterliegt der Grunderwerbsteuer, wenn die Gesellschaft sich infolge einer Betriebseinstellung im wesentlichen nur mehr mit der Verwaltung ihres Grundstücks befaßt. Die noch bestehende Eintragung im Handelsregister schließt den Einwand nicht aus, daß sie kein Gewerbe betreibe.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1; AO 1977 § 42; HGB § 5

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), ist aus der X-GmbH & Co. Betriebs-KG hervorgegangen. An dieser waren die X-GmbH als Komplementärin sowie 10 Kommanditisten als Gesellschafter beteiligt. Nachdem die KG den Handel mit . . .-erzeugnissen aufgegeben hatte, beschränkte sich ihre Tätigkeit auf die Verwaltung ihres Grundstücks in Z, das ihr wesentliches Vermögen darstellte. Die Komplementär-GmbH schied zum 31. Dezember 19 . . . aus der KG aus; die Kommanditisten übertrugen ihre Gesellschaftsanteile auf die beiden neu eintretenden Gesellschafter A und B; diese führten, nachdem sie durch Übertragung von Anteilen untereinander gleich große Beteiligungen hergestellt hatten, die Gesellschaft als GbR weiter.

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) setzte durch Bescheid vom 14. Juli 1988 gegen die Antragstellerin Grunderwerbsteuer fest; das FA vertrat die Auffassung, daß der vollständige Gesellschafterwechsel einem verdeckten Verkauf des Grundstücks gleichkomme und gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes 1983 (GrEStG 1983) i. V. m. § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) der Grunderwerbsteuer unterliege. Die Bemessungsgrundlage errechnete das FA unter Anwendung der sog. Boruttau`schen Formel (vgl. Hofmann, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 5. Aufl., § 8 Rz. 15) aus den von der Antragstellerin übernommenen Verbindlichkeiten der KG, sowie dem Verkehrswert des Grundstücks und dem der sonstigen Gegenstände.

Gegen den Grunderwerbsteuerbescheid hat die Antragstellerin Einspruch eingelegt, über den das FA noch nicht entschieden hat. Den Antrag, die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheides auszusetzen, hat das FA abgelehnt; die Beschwerde zur Oberfinanzdirektion war erfolglos.

Auf den daraufhin beim Finanzgericht (FG) gestellten Antrag hat dieses die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheides bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ausgesetzt.

Gegen die Entscheidung des FG hat das FA die vom FG zugelassene Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, die Beschwerdeentscheidung des FG aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 14. Juli 1988 abzulehnen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, daß die Übertragung sämtlicher Anteile an einer nur Grundbesitz haltenden Pesonengesellschaft gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 i. V. m. § 42 AO 1977 der Grunderwerbsteuer unterliegen kann, weil durch den vollständigen Wechsel im Personenstand, der als solcher nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt, dasselbe Ergebnis erzielt wird, wie durch den Abschluß eines auf die Übereignung des Grundstücks gerichteten Kaufvertrages (Urteil vom 4. März 1987 II R 150/83, BFHE 149, 75, BStBl II 1987, 394 m. w. N.). Dies gilt - entgegen der Auffassung des FG - auch für die Übertragung der Anteile an einer noch als Kommanditgesellschaft firmierenden und als solche im Handelsregister eingetragenen Personengesellschaft, wenn sie, wie im Streitfall, infolge der Betriebseinstellung im wesentlichen nur mehr mit der Verwaltung ihres Grundstücks befaßt ist. Die noch bestehende Eintragung im Handelsregister schließt den Einwand nicht aus, daß sie kein Gewerbe betreibe (vgl. § 5 des Handelsgesetzbuches; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Mai 1960 II ZR 72/59, BGHZ 32, 307, 313). Zur Klarstellung weist der erkennende Senat darauf hin, daß es für die Beurteilung eines vollständigen Gesellschafterwechsels als ein der Grunderwerbsteuer gemäß § 42 AO 1977 i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegender Vorgang nicht auf die Rechtsform der Personengesellschaft im Zeitpunkt der Übertragung der Gesellschaftsanteile ankommt; ausschlaggebend ist allein, daß die (bestehende) Gesellschaft keine über die eigentliche Grundstücksverwaltung hinausgehende Aktivitäten entfaltet.

Nach dem Inhalt der dem Senat vorliegenden Akten und dem Vorbringen der Antragstellerin vor dem FG und dem Bundesfinanzhof ist für den vollständigen Gesellschafterwechsel im Streitfall auch kein anderer Grund als derjenige ersichtlich, mittels der Gesellschaftsanteile die Herrschaftsmacht an dem Gesellschaftsgrundstück zu erlangen. Irgendein Geschäftsbetrieb, dessen Fortführung der Gesellschafterwechsel hätte sichern können, bestand nicht mehr; sonstige wesentliche Gründe sind nicht ersichtlich.

Bedenken gegen die Höhe der Steuer bestehen nicht; Anlaß für eine weitere Aufklärung sieht der Senat aufgrund des bisherigen Vorbringens der Antragstellerin nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417935

BFH/NV 1992, 134

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