Entscheidungsstichwort (Thema)

Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs und anderer Verfahrensfehler bei mehrfacher Urteilsbegründung

 

Leitsatz (NV)

Beruht die angefochtene Entscheidung des FG auf mehreren selbständig tragenden Begründungen und wird nur hinsichtlich einer Begründung gerügt, sie sei unter Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Amtsermittlungsgrundsatzes zustande gekommen, so ist die Rüge schon nicht schlüssig.

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; FGO §§ 76, 115 Abs. 3 S. 3

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) wegen Nichtzulassung der Revision ist unzulässig, da sie nicht den formellen Anforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht.

1. a) Der Kläger rügt als Verletzung des rechtlichen Gehörs, das Finanzgericht (FG) habe ohne weitere Beweiserhebung aus dem Datum des Investitionszulagenantrags vom 1. Dezember 1992 geschlossen, an diesem Tage sei das Hindernis für die Stellung des verspäteten Antrags weggefallen; deshalb sei der Antrag nicht innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist (§110 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) gestellt worden, weil er erst am 21. April 1993 beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) eingegangen sei. Damit ist der geltend gemachte Verfahrensfehler des FG nicht schlüssig dargelegt.

Für die ordnungsgemäße Rüge von Verfahrensmängeln genügt die bloße Behauptung der Verletzung des Verfahrensrechts nicht. Es müssen vielmehr die Tatsachen genau bezeichnet werden, aus denen sich der behauptete Verfahrensverstoß schlüssig ergibt, und es muß dargelegt werden, daß das Urteil -- ausgehend von dem materiell- rechtlichen Standpunkt des FG -- auf ihm beruhen kann (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Anm. 65, §120 Anm. 37 ff.).

Zwar dürfen zur Vermeidung einer Verletzung des Rechts auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) der Urteilsfindung nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten (vgl. §96 Abs. 2 FGO). Das Recht auf Gehör soll auf diese Weise die Beteiligten vor Überraschungsentscheidungen schützen (vgl. Gräber/von Groll, a. a. O., §96 Anm. 31). Beruht jedoch die angefochtene Entscheidung des FG auf mehreren selbständigen tragenden Begründungen und wird nur hinsichtlich einer Begründung gerügt, sie sei unter Versagung des rechtlichen Gehörs zustande gekommen, so ist die Rüge schon nicht schlüssig (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 26. August 1992 II R 100/89, BFH/NV 1993, 563).

Abgesehen davon, daß der Kläger mit seiner Beschwerde nicht dargelegt hat, warum er sich zu der Zeitdifferenz zwischen der formellen Antragstellung im Dezember 1992 und dem Antragseingang im April 1993, auf den im übrigen schon die Einspruchsentscheidung hingewiesen hat, nicht äußern konnte und was er bei Gewährung weiteren Gehörs noch vorgetragen hätte, ist die Frage der Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist für das FG nicht allein ausschlaggebend gewesen. Die Vorinstanz stützt ihre Entscheidung in erster Linie darauf, daß der Kläger nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der gesetzlichen Frist des §6 Abs. 1 des Investitionszulagengesetzes 1991 verhindert war und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch nicht deshalb zu gewähren sei, weil das FA seine Beratungs- und Auskunftspflicht (§89 AO 1977) verletzt habe. Auf die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist stützt das FG sein Urteil nur ergänzend.

b) Aus demselben Grund ist auch bereits die weitere Rüge der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§76 FGO), wonach das FG es verfahrensfehlerhaft unterlassen habe, u. a. darüber Beweis zu erheben, wann der förmliche Antrag auf Investitionszulage beim FA eingegangen sei, nicht schlüssig erhoben.

Wird die Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes geltend gemacht, muß dargelegt werden, welche Tatfrage aufklärungsbedürftig ist, welche Beweismittel zu welchem Beweisthema das FG nicht erhoben hat, warum der -- wie im Streitfall -- durch einen Prozeßbevollmächtigten vertretene Kläger nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, warum diese Beweiserhebung sich jedoch dem FG -- auch ohne besonderen Antrag -- als erforderlich hätte aufdrängen müssen und inwiefern vor allem das angefochtene Urteil auf der unterlassenen Sachaufklärung beruhen kann (vgl. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rdnr. 228; Gräber/Ruban, a. a. O., §120 Anm. 40). Beruht jedoch -- wie hier -- das angefochtene Urteil auf mehreren tragenden Begründungen und wird nur eine davon mit Verfahrensrügen angegriffen, so kann das Urteil nicht auf diesem Mangel beruhen (Gräber/Ruban, a. a. O., §115 Anm. 34).

2. Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 26. November 1996 (BGBl I 1996, 1810) ohne weitere Begründung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66767

BFH/NV 1998, 598

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