Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulassungsfreie Revision

 

Leitsatz (NV)

Die Voraussetzungen des §116 Abs. 1 Nr. 3 FGO für eine zulassungsfreie Revision sind nicht erfüllt, wenn der Beteiligte oder dessen Prozeßbevollmächtigter aus einem in seiner Person liegenden Grund, selbst wenn er unverschuldet eingetreten ist, an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen konnte.

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 1 Nr. 3

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gegen den Rückforderungsbescheid des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --) als unzulässig abgewiesen, weil der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin seine Bevollmächtigung nicht innerhalb der ihm gesetzten Ausschlußfrist in der gehörigen Form nachgewiesen habe. Die innerhalb der Ausschlußfrist vorgelegte Vollmacht sei, wie deren Auslegung ergebe, nicht mit einer Unterschrift, sondern nur mit einer Paraphe der Klägerin versehen gewesen. Erst nach Ablauf der Ausschlußfrist sei eine ordnungsgemäß unterzeichnete Vollmacht der Klägerin vorgelegt worden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe der Klägerin nicht gewährt werden können, weil die Versäumung der Ausschlußfrist nicht unverschuldet gewesen sei. Auf dem Vollmachtsformular werde ausdrücklich die "Unterschrift" des Vollmachtgebers verlangt. Daraus ergebe sich, daß eine Paraphe nicht ausreiche. Deshalb könne sich die Klägerin nicht darauf berufen, daß sie bisher auch ihre Steuererklärungen -- vom FA unbeanstandet -- mit der Paraphe abgezeichnet habe.

Zusammen mit der Nichtzulassungsbeschwerde hat die Klägerin im selben Schriftsatz Revision eingelegt. Sie macht geltend, daß die Vorentscheidung rechtsfehlerhaft sei. Der Auslegung des Gerichts, daß bei der innerhalb der Ausschlußfrist vorgelegten Vollmacht nicht erkennbar gewesen sei, daß sie von der Klägerin stamme, könne nicht gefolgt werden. Ferner rügt sie eine ungenügende Sachverhaltsaufklärung, weil das FG nicht innerhalb der Zeitspanne zwischen dem 12. Juli (Vorlage der nach Meinung des FG unzureichenden Vollmacht) und dem 23. Juli (Ablauf der Ausschlußfrist) durch eine prozeßleitende Verfügung zur Behebung bzw. Heilung der nach seiner Meinung bestehenden Mängel der Vollmacht aufgefordert habe. Schließlich habe das FG ihren Anspruch auf rechtliches Gehör -- insbesondere auch in Kenntnis der anwaltlichen Vertretung -- dadurch verletzt, daß die auf den 16. Dezember 1996, 9.30 Uhr, anberaumte mündliche Verhandlung, zu der sie geladen wurde, in ihrer Abwesenheit durchgeführt und ein klageabweisendes Urteil erlassen worden sei. Ihr und ihrem Prozeßbevollmächtigten hätte Gelegenheit gegeben werden müssen, ihren Rechtsstandpunkt in der mündlichen Verhandlung darzulegen. Als sie zusammen mit ihrem Prozeßbevollmächtigten am 16. Dezember um 9.40 Uhr den Sitzungssaal betreten habe, habe ihnen der Einzelrichter mitgeteilt, daß das Urteil gesprochen und die Klage abgewiesen worden sei. Sie und ihr Prozeßbevollmächtigter hätten den Sitzungssaal nach kurzer einseitiger Erörterung um 9.44 Uhr wieder verlassen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig und deshalb gemäß §124 i. V. m. §126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluß zu verwerfen.

1. Die Revision ist nicht statthaft, weil sie nicht zugelassen worden ist.

Gemäß Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Ent lastung des Bundesfinanzhofs findet in Abweichung von §115 Abs. 1 FGO die Revision außer in den in §116 FGO abschließend genannten Fällen nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat. Das FG hat die Revision nicht zugelassen; es hat auch der Nichtzulassungsbeschwerde nicht abgeholfen. Der BFH hat die Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluß vom heutigen Tage (Az. VII B 69/97) als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Revision ist auch nicht gemäß §116 FGO ohne Zulassung statthaft, weil sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht schlüssig entnehmen läßt, daß zumindest einer der in dieser Vorschrift abschließend genannten Tatbestände für eine zulassungsfreie Revision erfüllt ist. Die von der Klägerin gerügte Verletzung ihres Rechts auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, §96 Abs. 2 FGO) wäre zwar, wenn sie sich als zutreffend erwiese, ein absoluter Revisionsgrund i. S. von §119 Nr. 3 FGO. Sie ist aber kein Grund, der zur Zulässigkeit der Revision nach §116 FGO führt. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs begründet die zulassungsfreie Revision nur dann, wenn die besonderen Voraussetzungen des §116 Abs. 1 Nr. 3 FGO erfüllt sind.

Danach liegt ein wesentlicher, zur Zulässigkeit der Revision führender Verfahrensmangel vor, wenn "ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat". Nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, setzt ein solcher Mangel voraus, daß der Beteiligte in gesetzwidriger Weise im Verfahren nicht vertreten war, weil das Gericht bei der Vorbereitung oder Durchführung der mündlichen Verhandlung den Vorschriften des Gesetzes nicht genügt und dadurch dem Beteiligten die Teilnahme unmöglich gemacht hat. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn der Beteiligte oder dessen Prozeßbevollmächtigter aus einem in seiner Person liegenden Grund, selbst wenn er unverschuldet eingetreten ist, an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen konnte (vgl. BFH, Beschlüsse vom 29. Juni 1994 IV R 40--42/94, BFH/NV 1995, 137; vom 12. April 1994 I R 44, 45/93, BFH/NV 1995, 41, und vom 22. September 1993 II R 55/93, BFH/NV 1994, 486).

Den Ausführungen der Klägerin ist nicht zu entnehmen, daß ihr Prozeßbevollmächtigter durch einen Verfahrensmangel des FG gehindert worden wäre, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Der Termin für die mündliche Verhandlung war auf den 16. Dezember 1997, 9.30 Uhr, anberaumt worden. Laut Protokoll über die mündliche Verhandlung ist die ordnungsgemäße Ladung des nach Ablauf der Sache nicht erschienenen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin festgestellt worden. Da die Klägerin und ihr Prozeßbevollmächtigter nach ihrem eigenen Vortrag erst um 9.40 Uhr, also nach dem für den Beginn der mündlichen Verhandlung festgesetzten Zeitpunkt, im Gerichtssaal erschienen sind und zu diesem Zeitpunkt nach ihrem Vortrag die mündliche Verhandlung bereits abgeschlossen war, lag der Grund für die Nichtteilnahme des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin an der mündlichen Verhandlung allein in dessen Person und ergab sich nicht aus einem Verfahrensfehler des Gerichts.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66681

BFH/NV 1998, 65

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